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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.07.2007
Aktenzeichen: 2 O 18/07
Rechtsgebiete: RGebStV


Vorschriften:

RGebStV § 6 Abs. 1
RGebStV § 6 Abs. 3
1. Das Vorliegen eines geringen Einkommens allein kann seit der Neustrukturierung der Befreiungstatbestände zum 01.04.2005 nicht mehr ausreichen, um einen besonderen Härtefall zu begründen (std. Rspr. des Senats).

2. Wer für sich einen Härtefall in Anspruch nimmt, muss nicht nur eine vergleichbare Bedürftigkeit im wirtschaftlichen Sinne nachweisen, sondern zusätzlich eine besondere Notlage darlegen, die die Annahme einer nicht nur allgemeinen, sondern gerade einer besonderen Härte rechtfertigt.

3. Erhält eine Auszubildende wegen des Einkommens ihrer Eltern keine Leistungen nach dem BAföG, liegt ein besonderer Härtefall iSv § 6 Abs. 3 RGebStV jedenfalls dann nicht vor, wenn die Unterhaltsleistungen der Eltern über den im BAföG vorgesehenen Bedarf hinausgehen.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 2 O 18/07

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Rundfunk- und Fernsehrecht einschl. Gebührenbefreiung

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 23. Juli 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 14. Kammer - vom 12.03.2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten sind nicht erstattungsfähig.

Gründe:

I.

Die Klägerin erstrebt die Verpflichtung des Beklagten, ihr eine Rundfunkgebührenbefreiung für die Zeit ab Antragstellung am 14.12.2005 zu bewilligen. Sie ist 26 Jahre alt und absolviert derzeit eine zweite Vollzeit-Berufsausbildung an einer privaten Schule für Logopädie. Da diese Ausbildung nur in ... angeboten werde, könne sie auch nicht mehr bei ihren Eltern (in Niedersachsen) wohnen. Leistungen nach dem BAföG erhalte sie nicht, weil das Einkommen der Eltern zu hoch sei. Anspruch auf Arbeitslosengeld II habe sie ebenso wenig, weil die Ausbildung nach dem BAföG grundsätzlich förderungsfähig sei (§ 7 Abs. 5 SBG II). Eine Ausnahme hierzu nach § 7 Abs. 6 SBG II greife ebenfalls nicht, weil diese nur Schüler erfasse, die noch bei ihren Eltern leben und deshalb keinen Anspruch nach dem BAföG hätten. Die Eltern zahlen das Schulgeld in Höhe von 400,- € und unterhalten die Antragstellerin zusätzlich mit 650,- € monatlich. Hiervon bestritt die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Antragstellung eine monatliche Miete von 250,- € und 56,62 € Krankenversicherung, so dass ihr 343,38 € verblieben. Sie weist darauf hin, dass sie damit unterhalb des Grundbetrages liege, der für Arbeitslosengeld II - Empfänger bei der Gebührenbefreiung maßgeblich sei.

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Gebührenbefreiung mit Bescheid vom 07.01.2006 mit der Begründung ab, die Klägerin erfülle nicht den Befreiungstatbestand nach § 6 Abs. 1 S. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (RGebStV). Mit weiterem Bescheid vom 16.01.2006 lehnte der Beklagte eine Befreiung gem. § 6 Abs. 3 RGebStV ab, weil auch kein besonderer Härtefall vorliege. Gegen beide Bescheide legte die Klägerin Widerspruch ein. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.01.2006 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2006 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, dass weder die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 noch des Abs. 3 RGebStV vorlägen.

Gegen den Bescheid vom 07.01.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2006 hat die Klägerin am 21.12.2006 Verpflichtungsklage erhoben mit dem Ziel, ihr ab dem 14.12.2005 Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zu gewähren. Sie macht geltend, dass in ihrem Falle ein besonderer Härtefall i.S.d. § 6 Abs. 3 RGebStV vorliege. Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 12.03.2007 unter Bezugnahme auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides mangels Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt.

II.

Die gegen den Beschluss vom 12.03.2007 rechtzeitig eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag zu Recht abgelehnt.

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. An der hinreichenden Erfolgsaussicht fehlt es hier.

Gegenstand der Klage ist, geht man gem. § 88 VwGO losgelöst vom Wortlaut des Antrages vom tatsächlichen Klagebegehren aus, eine Verpflichtung des Beklagten auf Rundfunkgebührenbefreiung ab dem 14.12.2005 gem. § 6 Abs. 3 RGebStV. Statt der Aufhebung des Ausgangsbescheides vom 07.01.2006 i.d.F. Widerspruchsbescheides vom 20.11.2006 dürfte der Klägerin vielmehr daran gelegen sein, die Aufhebung des Ausgangsbescheides vom 16.01.2006 zu erreichen, der eine Befreiung gem. § 6 Abs. 3 RGebStV ablehnt und zumindest inhaltlich auch Gegenstand des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2006 war.

Die Voraussetzungen einer der Tatbestände des Katalogs in § 6 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 RGebStV erfüllt die Klägerin schon nach eigenen Angaben nicht, da sie für den hier geltend gemachten Zeitraum weder einen Bescheid über den Empfang von Arbeitslosengeld II (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RGebStV) noch über eine Ausbildungsförderung nach dem BAföG (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 RGebStV) vorlegen kann.

Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches aus § 6 Abs. 3 RGebStV bestehen für die Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Dies gilt ungeachtet der Frage, ob aufgrund einer anzunehmenden Ermessensreduzierung ein Verpflichtungsausspruch gem. § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO oder aber nur eine Verpflichtung zur Neubescheidung gem. § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO zu erreichen wäre, da es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen fehlt.

Soweit die Klägerin eine Befreiung ab Antragstellung und damit ab dem 14.12.2005 begehrt, kann die Klage schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Beginn der Befreiung gem. § 6 Abs. 5 RGebStV auf den Ersten des Monats festzusetzen wäre, der dem Monat folgt, in dem der Antrag gestellt wird, hier also allenfalls zum 01.01.2006.

Im Übrigen ist nicht zu erkennen, dass im Falle der Klägerin ein besonderer Härtefall i.S.d. § 6 Abs. 3 RGebStV gegeben ist.

Das Vorliegen eines geringen Einkommens allein kann seit der Neustrukturierung der Befreiungstatbestände zum 01.04.2005 (Gesetz zum 8. Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 03. Januar 2005, GVOBl. 2005, 14) nicht mehr ausreichen, um einen besonderen Härtefall zu begründen (Senatsbeschl. v. 14.07.2006 - 2 O 26/06 -, v. 25.01.2007 - 2 O 46/06 - und v. 01.02.2007 - 2 O 62/06 -). Durch die ersatzlose Herausnahme des § 1 Nr. 7 und Nr. 8 BefrVO - Befreiung wegen geringen Einkommens - und der stattdessen gewählten bescheidorientierten Befreiung gem. § 6 Abs. 1 und 2 RGebStV haben die Staatsvertragsschließenden zu erkennen gegeben, dass nicht bescheidmäßig belegbare allgemeine Fälle des Bezuges geringer Einkommen grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden sollen. Hiervon ausgehend kann ein besonderer Härtefall i.S.d. § 6 Abs. 3 RGebStV nicht schon deshalb angenommen werden, weil jemand ein ähnlich geringes Einkommen hat wie diejenigen, die einen Bescheid i.S.d. § 6 Abs. 1 und 2 RGebStV vorlegen können. Anderenfalls würde auf diesem Wege wiederum eine allgemeine Einkommensgrenze eingeführt, die nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers gerade nicht mehr gelten soll (OVG Münster, Beschl. v. 03.06.2007 - 16 E 294/07 - mwN in juris). Ziel der Neuregelung war gerade eine Verwaltungsvereinfachung, damit "die bislang umfangreichen und schwierigen Berechnungen der Sozialbehörden und Rundfunkanstalten bei der Befreiung wegen geringen Einkommens ... entfallen können" (Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung, Drs. 15/747, S. 56 f).

Dieser Grundsatz wird auch nicht durch die weitere Aussage der Gesetzesbegründung in Frage gestellt, wonach ein besonderer Härtefall insbesondere vorliegt, "wenn ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 vorliegen, eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann" (Drs. 15/3747, S. 57). Diese Aussage belegt zwar, dass die Nachweismöglichkeit einer vergleichbaren Bedürftigkeit nicht allein aus gesetzessystematischen Gründen durch Verweis auf den Enumerativkatalog des § 6 Abs. 1 S. 1 RGebStV ausgeschlossen werden darf. Vielmehr muss der für eine Befreiung in Frage kommende Personenkreis über § 6 Abs. 3 RGebStV vom Grundsatz her auch erweiterbar sein, um überhaupt einen Anwendungsbereich für die Härtefallregelung zu erhalten (vgl. schon VG Oldenburg, Urt. v. 25.01.2006 - 3 A 3050/05 - und VG Göttingen, Urt. v. 27.04.2006 - 2 A 337/05 -, beide in juris). Dies gilt sowohl für Fälle, die einem der in § 6 Abs. 1 S. 1 GebStV beschriebenen Tatbestände unterfallen (a.A. wohl OVG Lüneburg, Urt. v. 18.07.2006 - 12 LC 87/06 - zu § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 RGebStV) als auch für diejenigen, in denen kein Bescheid über Sozialleistungen vorgelegt werden kann (a.A. wohl OVG Münster, B. v. 03.06.2007 - 16 E 294/07 - in juris).

Aus dem Gesetzeswortlaut des § 6 Abs. 3 RGebStV ergibt sich allerdings, dass neben der herzustellenden Vergleichbarkeit zu den Tatbeständen des § 6 Abs. 1 S. 1 RGebStV zusätzlich die Darlegung einer besonderen Notlage zu verlangen ist, die die Annahme einer nicht nur allgemeinen, sondern gerade einer besonderen Härte rechtfertigt (in diese Richtung auch VGH München, Beschl. v. 11.04.2007 - 7 C 07.365 - in juris). Wer für sich einen Härtefall in Anspruch nimmt, muss also nicht nur eine vergleichbare Bedürftigkeit im wirtschaftlichen Sinne nachweisen, sondern zugleich auch die Gründe darlegen, warum er meint, von einer der Sozialleistungen nach § 6 Abs. 1 S. 1 RGebStV ausgeschlossen zu sein. Ergibt diese Darlegung, dass zwar die persönlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen einer der Tatbestände des § 6 Abs. 1 S. 1 RGebStV vorliegen könnten, die Gewährung aber aus anderen rechtlichen Gründen nicht in Frage kommt, ist weiter darzulegen, dass der Ausschluss von der begehrten Vergünstigung mit Blick auf die jeweilige Vergleichsgruppe und bezogen auf die individuelle Situation unzumutbar ist (vgl. VG Göttingen, Urt. v. 27.04.2006 - 2 A 337/05 - in juris). Dies könnte etwa der Fall sein, wenn es zu einer nicht unerheblichen Unterschreitung des für die Vergleichsgruppe maßgeblichen Einkommens kommt (so VG Oldenburg, Urt. v. 25.01.2006 - 3 A 3050/05 - in juris).

Hieran gemessen hat die Klägerin eine besondere Härte nicht dargelegt. Ungeachtet ihrer Ausführungen zu den einzelnen Anspruchsvoraussetzungen ist jedenfalls mit Blick auf die Vergleichsgruppe der nicht bei den Eltern lebenden Empfängern von Ausbildungsförderung nach dem BAföG (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 RGebStV) eine besondere Notlage nicht festzustellen. Unter Berücksichtigung ihrer konkreten Lebenssituation ergäbe sich unter Heranziehung der im BAföG vorgesehenen Bedarfspositionen etwa für eine Studierende ein notwendiger Bedarf von max. 585,- €. Dieser Betrag entspricht dem aus § 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BAföG i.V.m. § 13 a BAföG maximal zu erzielenden Höchstsatz und enthält 197,- € Unterkunftskosten sowie 55,- € Kranken- und Pflegeversicherungskosten. Diesen Bedarf überschreitet die Klägerin mit einem elterlichen Unterhalt in Höhe von 650,- € deutlich. Soweit Miete und Krankenkassenbeitrag bei ihr höher ausfallen als hier veranschlagt, kann dies nicht zu einer Mitfinanzierung durch die Allgemeinheit über die Rundfunkgebührenbefreiung führen (vgl. VG Göttingen, Urt. v. 27.04.2006 - 2 A 337/05 - in juris).

Schließlich vermag auch die Berufung auf die Vergleichsgruppe der Empfänger von Arbeitslosengeld II (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RGebStV) nicht zur Anerkennung einer besonderen Notlage führen. Zunächst erscheint dieser Vergleich schon zweifelhaft, da die konkrete Situation der Klägerin als alleinstehende junge Frau in der Ausbildung wohl eher der typischen Lebens- und Bedarfssituation von Schülern oder Studierenden entsprechen dürfte. Davon abgesehen liegt in der festzustellenden Unterschreitung der für erwerbsfähige Hilfebedürftige geltenden Regelleistung von 345,- € (§ 20 Abs. 2 S. 1 SGB II) noch keine relevante, weil erhebliche Unterschreitung, die den Schluss auf eine Unzumutbarkeit erfordert. Im maßgeblichen Zeitraum beschränkt sich diese Unterschreitung nach Abzug von Miete und Krankenversicherung auf genau 1,62 €.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 188 S. 2 VwGO. Die Entscheidung über die Nichterstattung der außergerichtlichen Kosten des Beklagten ergibt sich aus § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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