Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 17.03.2006
Aktenzeichen: 3 KN 2/04
Rechtsgebiete: SchulG SH, VwGO


Vorschriften:

SchulG SH § 80 Abs. 2
VwGO § 47
1. Eine Schülerbeförderungssatzung, die den von den Schülern zu tragenden Eigenanteil eigentlich von den Kosten der Zeitfahrkarte abhängig macht, dann aber unabhängig von diesen Kosten den Eigenanteil berechnet, ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar.

2. Gemeinden, die nicht Schulträger sind, sind von einer Schülerbeförderungssatzung auch nicht als Behörden betroffen, so dass ihr Normenkontrollantrag unzulässig ist.


SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 3 KN 2/04

verkündet am 17.03.2006

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Schülerbeförderung - Normenkontrollantrag gem. § 47 VwGO -

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2006 durch für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Anträge der Antragsteller zu 1 - 4 wird § 10 Abs. 2 der Schülerbeförderungssatzung des Antragsgegners in der Fassung vom 02.04.2004 für nichtig erklärt.

Die Anträge der Antragsteller zu 5 - 9 werden abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen die Schüler-beförderungssatzung des Kreises Stormarn in Form der 1. Änderungssatzung vom 02.04.2004.

§ 10 der Änderungssatzung vom 02.04.2004 zur Schülerbeförderungssatzung trifft folgende Regelung:

"§ 10

Eigenbeteiligung an Schülerbeförderungskosten

(1) Voraussetzung für die Ausgabe von Zeitfahrkarten für die Schülerbeförderung im Linienverkehr, die aufgrund der Tarifgestaltung und des Fahrplanangebots des Beförderungsunternehmens auch zu Fahrten für private Zwecke nutzbar sind, ist die Leistung einer Eigenbeteiligung an den Beförderungskosten durch die Eltern oder die volljährige Schülerin oder den volljährigen Schüler.

(2) Die Eigenbeteiligung für die vom Träger der Schülerbeförderung ausgegebenen Zeitfahrkarten des Hamburger Verkehrsverbundes wird wie folgt festgesetzt:

1 Zonenkarte 3 € monatlich bzw. 36 € jährlich;

2 Zonenkarte 5 € monatlich bzw. 60 € jährlich;

Kreis-, Großbereichs- und Gesamtbereichskarte 7 € monatlich bzw. 84 € jährlich.

Für das 3. und jedes weitere Kind, für das Kosten der Schülerbeförderung nach dieser Satzung übernommen werden, reduziert sich die Eigenbeteiligung um 50 %.

(3) In sozialen Härtefällen (Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz) wird nach Vorlage eines entsprechenden Nachweises von der Erhebung einer Eigenbeteiligung abgesehen."

Die Antragsteller zu 1 - 4 sind als Ämter bzw. Schulverbände Träger verschiedener Schulen im Kreisgebiet des Antragsgegners. Die Antragstellerinnen zu 5 - 9 sind Wohnortgemeinden für diese Schulen.

Der Antragsgegner regelte in seiner Satzung zur Schülerbeförderung aufgrund des § 80 Abs. 2 SchulG vom 18.12.1995 in § 2 Abs. 2, dass als notwendige Beförderungskosten i.S.d. § 80 SchulG die Beförderungskosten der Schülerinnen und Schüler anerkannt werden, die im Kreis Stormarn nicht am Schulort wohnen und zum Erreichen der Schule ein Verkehrsmittel benutzen müssen. Die dabei entstehenden Kosten waren nach § 1 der Satzung zu 2/3 vom Kreis und zu 1/3 vom jeweiligen Schulträger zu tragen. Eine Eigenbeteiligung der Eltern sah die Beförderungssatzung nicht vor.

Im Jahr 2002 erwog der Kreis aufgrund einer Empfehlung des Landesrechnungshofes, die Eltern bzw. die volljährigen Schüler teilweise an den Kosten der Schülerbeförderung zu beteiligen. Es wurde zunächst die Ausweitung des Angebots des HVV (Hamburger Verkehrsverbund) auf den gesamten Kreis Stormarn im Jahr 2002 abgewartet, durch die eine Gesamtversorgung des Gebietes des Antragsgegners herbeigeführt wurde.

Nach der Zustimmung zu einem Entwurf zur Änderung der Beförderungssatzung durch den Schul- Kultur- und Sportausschuss (SKSA) am 15.03.2004 und den Hauptausschuss am 29.03.2004 beschloss der Kreistag am 02.04.2004 die angegriffene Änderungssatzung. Diese ist zum 01.08.2004 in Kraft getreten.

Die vom Antragsgegner ausgegebenen Verwaltungsanweisungen zu der Satzung sehen vor, dass der Schulträger die Verwaltungskosten für die Erhebung der Eigenbeteiligung trägt. Die dadurch erzielten Einnahmen fließen zu 2/3 dem Antragsgegner und zu 1/3 dem jeweiligen Schulträger zu. Der Antrag auf Aushändigung einer Zeitfahrkarte ist für jedes Schuljahr neu zu beantragen.

Im Schuljahr 2002/2003 wurden im Gebiet des Antragsgegners insgesamt 7.705 Zeitfahrkarten des HVV ausgeteilt. Dadurch entstanden Kosten von insgesamt 754.092,- €. Seit der Ausweitung des Fahrplanangebots des HVV im Jahr 2002 erfolgt die Schülerbeförderung im Gebiet des Antragsgegners im Wesentlichen durch die Ausgabe von Zeitfahrkarten des HVV. Die Kosten für die Zeitfahrkarten des HVV betragen jährlich für eine Ein-Zonen-Karte 280,80 €, für eine Zwei-Zonen-, Kreis- und Großbereichskarte jeweils 348,48 € und für eine Gesamtbereichskarte 465,60 €. Dabei werden vom HVV überwiegend Zeitfahrkarten angeboten.

Allein für die Verbindungen nach Lübeck und Stockelsdorf werden streckenbezogene Fahrkarten ausgeteilt. Teilweise, insbesondere in der Gemeinde Mönkhagen wird die Schülerbeförderung neben der Austeilung von HVV-Zeitfahrkarten auch mit schuleigenen Bussen oder im Wege des freigestellten Verkehrs durchgeführt.

Die Ausweitung des Angebots des HVV hat nicht zu einer gleichmäßigen Anbindung der Gemeinden in den Kreisgebieten Nordstormarn und Südstormarn geführt. Die Versorgung der Ämter Nordstormarn und Bad Oldesloe-Land ist überwiegend auf die Schülerbeförderung ausgerichtet.

Gerade im Hinblick auf die Einzugsbereiche der Schulen der Antragsteller zu 1-4 findet eine Anbindung vielfach nur an Schultagen statt. An den Wochenenden, während der Ferien und an Feiertagen findet ein Linienverkehr nicht statt. In einigen Fällen beschränkt sich die Anbindung an den Schultagen nur auf die Zeit bis zum Nachmittag. Darüber hinaus sind Verbindungen des HVV nur durch Benutzung eines Anrufsammeltaxis erreichbar. Teilweise entsprechen die angebotenen Verbindungen nicht dem Einzugsgebiet der jeweils besuchten Schule. Die Benutzung eines Anrufsammeltaxis ist für jede Fahrt mit zusätzlichen Kosten von 1,60 € verbunden. Dabei handelt es sich um einen vergünstigten Preis für Inhaber von Zeitfahrkarten des HVV. Dieselbe Vergünstigung erhalten alle Schüler bis zum vollendeten 15. Lebensjahr.

Demgegenüber ist der Süden des Antragsgegners aufgrund seiner Nähe zur Stadt Hamburg durchgehend mit Linien des HVV versorgt, hier findet der Linienverkehr auch an Wochenenden und in den Ferien, teilweise sogar im 10-Minuten-Takt, statt.

Die Antragsteller haben am 08. Dezember 2004 den Normenkontrollantrag bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht gestellt.

Sie machen geltend, dass § 10 Abs. 2 der Schülerbeförderungssatzung in der Form der Änderungssatzung vom 02.04.2004 rechtswidrig sei.

Die Antragsteller zu 1.-4. leiten ihre Antragsbefugnis aus ihrer Stellung als Schulträger her, da sie als solche zur Erhebung der Eigenanteile verpflichtet werden. Die Antragsteller zu 5-9 meinen, dass sie Behörden i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO und mit der Satzung unmittelbar befasst seien, da sie die Finanzverantwortung für die Schulträger, die Informationspflicht gegenüber den Eltern vor Ort und die Elternproteste zu tragen hätten.

Die Satzung sei in § 10 Abs. 2 rechtswidrig, da sie nicht von der Rechtsgrundlage des § 80 Abs. 2 S. 3 SchulG gedeckt sei, da eine private Nutzung nicht möglich sei.

Dabei sei § 10 Abs. 2 der Satzung als Spezialregelung zu § 10 Abs. 1 der Satzung auszulegen, da dies dem Willen des Satzungsgebers entspreche. Der Satzungsgeber habe mit der Vorschrift eine pauschale Eigenbeteiligung für den Erhalt von HVV-Zeitfahrkarten regeln wollen, ohne dass eine Einzelfallprüfung hinsichtlich der privaten Nutzungsmöglichkeit durchgeführt werde. Dies ergebe sich daraus, dass der Antragsgegner einen möglichst geringen Verwaltungsaufwand habe verursachen wollen.

Bei der Auslegung als Spezialregelung sei § 10 Abs. 2 der Satzung rechtswidrig, da entgegen der Rechtsgrundlage des § 80 Abs. 2 S. 3 SchulG bei der Austeilung von HVV-Zeitfahrkarten eine private Nutzbarkeit nicht in allen Fällen gegeben sei.

Das Tatbestandsmerkmal der privaten Nutzbarkeit sei dahingehend auszulegen, dass der mit der Erteilung einer Zeitfahrkarte einhergehende private Nutzen zumindest von gleichem Gewicht sein müsse, wie die erhobene Elternbeteiligung. Dies folge aus dem Äquivalenzprinzip. Die private Nutzbarkeit i.S.d. § 80 Abs. 2 S. 3 SchulG sei so zu verstehen, dass der Inhaber der Zeitfahrkarte diese von seinem Wohnort oder von einem anderen Ort aus hin zu seinem Wohnort außerhalb der Schulzeiten tatsächlich nutzen können müsse. Dies sei vielfach nicht gegeben, da sich die Anbindung der Gemeinden Nordstormarns im Wesentlichen auf die Bedienung des Schulverkehrs beschränke. Die Erreichbarkeit von Haltestellen außerhalb des Wohnortes durch Anrufsammeltaxen begründe keine private Nutzbarkeit, da diese nur gegen einen Aufpreis von 1,60 € zu benutzen wären. Dieser Aufpreis sei zwar für Zeitfahrkarteninhaber reduziert, jedoch würde diese Reduzierung für alle Jugendlichen bis 15 Jahre eingreifen. Damit sei ein Vorteil durch die HVV-Zeitfahrkarte nur für einen sehr geringen Anteil der Karteninhaber gegeben. Zudem gehörten die Anrufsammeltaxen nicht zum "Fahrplanangebot" des HVV.

Die theoretische Möglichkeit zur Nutzung des HVV-Angebots im Bereich der Zeitfahrkarte begründe keinen privaten Nutzen, da sich aus der Formulierung "...aufgrund der Tarifgestaltung und des Fahrplanangebots..." ergebe, dass eine konkrete Nutzbarkeit tatsächlich vorhanden sein müsse. Die Möglichkeit zur Beförderung von einer Haltestelle außerhalb des Wohnortes aus, begründe keine private Nutzung. Es sei zu berücksichtigen, dass es sich um Schülerbeförderungskosten für die Jahrgangsstufen 1-10 handele. Diese Schüler hätten jedoch keine Möglichkeit, auf andere Verkehrsmittel zurückzugreifen, um zu Haltestellen außerhalb des Wohnortes zu gelangen.

Die Vorschrift des § 10 Abs. 2 sei auch aufgrund des Maßstabs der Eigenbeteiligung rechtswidrig. Die Eigenbeteiligung müsste am Wert der zusätzlichen privaten Nutzungsmöglichkeit bemessen werden. Vorliegend sei die Differenzierung anhand der Tarife des HVV vorgenommen worden. Dies sei hinsichtlich der Gemeinde Westerau unangemessen, da die Tarifzonengrenze durch den Ort verlaufe. Zudem sei der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeit im Süden des Kreises, mit der Nähe zu Hamburg, und im Norden, mit der weitgehenden Beschränkung auf eine Beförderung auf den Schulwegen, nicht Rechnung getragen worden.

Sollte das Gericht bereits die theoretische Nutzbarkeit ausreichen lassen, so müssten zumindest die unterschiedlichen Vorteilslagen bei der Gebührenstaffel berücksichtigt werden.

Darüber hinaus sei die Gebührenstaffel wegen der Vermischung verschiedener Anknüpfungspunkte rechtswidrig. Zunächst werde für die ersten beiden Gebührensätze an die Tarifzonen des HVV angeknüpft. Der letzte Gebührensatz orientiere sich an den Kosten der Schulträger für den Erwerb der Zeitfahrkarte. Dadurch werde die Gebührenstaffel in sich widersprüchlich.

§ 10 Abs. 2 der Satzung sei auch wegen der fehlenden Zweckmäßigkeit und Angemessenheit rechtswidrig.

Ziel der Regelung sei die Entlastung der öffentlichen Haushalte gewesen. Aufgrund der den Schulträgern zusätzlich entstehenden Verwaltungskosten würde sich für diese keine Entlastung ergeben, sondern teilweise sogar eine zusätzliche Belastung. Hierzu legen die Antragsteller eine Berechnung der voraussichtlich entstehenden Kosten für die Erhebung der Eigenbeteiligung vor. Durch diese Belastung der Schulträger werde in die Organisationshoheit der Gemeinden eingegriffen.

Die Rechtswidrigkeit der Regelung werde zudem durch einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG begründet.

Die Schüler einer Gemeinde werden teils durch freigestellten Verkehr und zum Teil durch den HVV zur Schule befördert. Dabei entstehe für die mit dem HVV beförderten Schüler kein weiterer privater Vorteil, da die Verbindung durch den HVV nur zur Schulzeit bestehe. Dennoch müssten sie gegenüber den anderen Schülern der Gemeinde einen Eigenbetrag leisten.

Zudem entstehe eine Benachteiligung der Haupt- und Realschüler in Reinfeld gegenüber den Gymnasiasten aus Lübeck, die keinen Eigenanteil zahlen müssen.

Die Antragsteller beantragen,

§ 10 Abs. 2 der Schülerbeförderungssatzung des Antragsgegners in der Fassung vom 02.04.2004 für nichtig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner rügt die Unzulässigkeit der Anträge der Antragsteller 5-9. Bei diesen handele es sich nicht um Behörden i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie aufgrund ihrer Amtszugehörigkeit keine eigene Verwaltung mehr aufwiesen. Als juristische Person des öffentlichen Rechts i.S.d. § 47 Abs. 2 VwGO fehle es an der Betroffenheit in eigenen Rechten. Weder seien die Antragsteller an den Kosten der Erhebung des Eigenanteils beteiligt, noch bestünde eine Rechtspflicht, die Eltern vor Ort zu informieren. Auch aus der Adressatenstellung hinsichtlich der Elternproteste folge keine rechtliche Betroffenheit, da es sich insoweit nur um ein faktische Beeinträchtigung handele.

Der Antrag der Antragsteller 1-4 sei unbegründet.

Die Satzung knüpfe an die Tarifzonen des HVV an. Im Bereich des HVV sei hinsichtlich der erteilten Zeitfahrkarten eine private Nutzbarkeit stets gegeben. Einer Einzelfallprüfung bedürfe es nicht. Insoweit sei es zutreffend, dass der Satzungsgeber § 10 Abs. 2 als Spezialvorschrift verstehe, der eine Prüfung der privaten Nutzbarkeit entbehrlich mache.

Die vorliegende theoretische Nutzungsmöglichkeit im Gebiet der Tarifzone sei ausreichend. § 80 Abs. 2 S. 3 SchulG stelle nicht auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler ab, sondern lege einen objektiven Maßstab zugrunde. Die Berücksichtigung der jeweiligen Intensität der privaten Nutzbarkeit sei wegen der damit einhergehenden Abgrenzungsschwierigkeiten nicht mehr praktikabel.

Eine Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG läge nicht vor, weil die Vorschriften über die Schülerbeförderung keine Rechtswirkung außerhalb der Organbereiche, die von ihnen betroffenen werden, entfalte. Da keine subjektiven Ansprüche der Eltern oder Schüler begründet würden, könne auch keine Verletzung der Gleichheitsrechte durch § 10 Abs. 2 der Satzung vorliegen.

Der Gebührenmaßstab sei widerspruchsfrei. Er knüpfe an die Tarifzonen des HVV an. Die fehlende Differenzierung zwischen Großbereichs- und Gesamtbereichskarten resultiere daraus, dass in der praktischen Anwendung die Erteilung einer Gesamtbereichskarte nicht existiere.

Eine Unzweckmäßigkeit bestehe nicht, da sich die Kosten für die Erhebung der Eigenbeteiligung auf 1/9 der einzunehmenden Beträge beschränkten.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag der Antragsteller zu 1-4 ist zulässig und begründet.

Der Antrag der Antragsteller 1-4 ist statthaft gem. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 5 AGVwGO. Die Antragsteller 1-4 wenden sich gegen die Satzung des Antragsgegners zur Schülerbeförderung in Form der Änderungssatzung vom 02.04.2004. Bei dieser Satzung handelt es sich um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, da die angegriffene Satzung die materielle Rechtsvorschrift einer kommunalen Körperschaft darstellt.

Die Antragsteller zu 1-4 sind antragsbefugt. Sie sind als Schulträger Behörden i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1. VwGO. Zudem weisen sie das erforderliche Kontrollinteresse auf. Die angegriffene Satzung betrifft die Antragsteller zu 1-4 unmittelbar, da diese Adressaten der Satzung sind und deren Regelung umsetzen müssen. Dies ergibt sich hinsichtlich der Vorschrift des § 10 Abs. 2 der Satzung aus der dazu ergangenen Verfahrensanweisung des Antragsgegners, die eine Durchsetzung der Vorschrift durch die Antragsteller zu 1-4 vorsieht.

Der Antrag der Antragsteller zu 5-9 ist hingegen wegen der fehlenden Antragsbefugnis unzulässig.

Die Antragsteller zu 5-9 sind weder als Behörden noch als juristische Personen des öffentlichen Rechts i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Die Antragsteller zu 5 und 7 sind Mitglieder des Schulverbandes Bad Oldesloe und gehören ebenso wie der Antragsteller zu 6 dem Antragsteller zu 1 an. Die Antragsteller zu 8 und 9 gehören dem Amt Bad Oldesloe-Land an.

Die Antragsteller zu 5-9 können sich im Rahmen des Normenkontrollantrags gegen die Satzung des Antragsgegners nicht auf ihre Behördeneigenschaft berufen. Die Antragsteller haben ihre Pflicht aus § 67 Abs. 1 SchulG gem. § 73 Abs. 3 sowie § 73 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 GkZ auf die Antragsteller zu 1-4 übertragen. Dadurch ist eine Kompetenzverlagerung eingetreten (von Mutius, Steinger, "Aufgabenentwicklung in den schleswig-holsteinischen Ämtern - Grund für Direktwahl der Amtsausschüsse?" in: Die Gemeinde 1995, S. 231, 233). Dies hat zur Folge, dass den Gemeinden insoweit keine Behördeneigenschaft mehr zukommt (Kommunalverfassungsrecht Schleswig-Holstein, Band II, § 3 AO, S. 58, 68). Selbst wenn man aufgrund der den Antragstellern zu 5-9 verbliebenen Befugnisse gem. § 3 Abs. 1 AO zur Verwaltungstätigkeit in anderen Bereichen eine Behördeneigenschaft annähme, fehlt den Antragstellern zu 5-9 vorliegend das Kontrollinteresse. § 47 Abs. 2 VwGO setzt hinsichtlich der Behörden zwar keine rechtliche Betroffenheit voraus, jedoch ist zu verlangen, dass die betroffene Gemeinde die angegriffene Vorschrift als Behörde zu beachten hat (VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 15.07.2005, - 5 S 2124/04 -; OVG Schleswig, Urt. v. 01.04.2004, - 1 KN 17/03 -). Dazu reicht es, wenn die Gemeinde als Behörde bei Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben von der angegriffenen Norm betroffen wird (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11.11.2004, - 2 K 144 /01 -). Daran fehlt es hier, da die Antragsteller zu 5-9 nicht mehr Schulträger i.S.d. der angegriffenen Beförderungssatzung sind und damit auch nicht an der Erhebung der Eigenbeteiligung teilnehmen. Auch aufgrund ihrer aus § 16a GO folgenden Pflicht zur Unterrichtung der Öffentlichkeit ergibt sich keine Betroffenheit, da die Unterrichtung der Eltern von der Neuregelung nach den Verfahrensanweisungen des Antragsgegners durch diesen selbst und die Antragsteller zu 1-4 vorgenommen wird.

Soweit die Antragsteller zu 5-9 die Antragsbefugnis auf ihre Eigenschaft als juristische Person des öffentlichen Rechts i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO stützen könnten, fehlt es an einer eingetretenen oder bevorstehenden Rechtsverletzung. Für die Antragsbefugnis im Rahmen des Normenkontrollverfahrens gelten insoweit dieselben Grundsätze wie bei der Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO. Die Antragsteller konnten die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten nicht hinreichend darlegen.

Die Antragsteller haben sich lediglich auf die durch die Satzung hervorgerufenen faktischen Beeinträchtigungen berufen. Sowohl das Ertragen der Elternproteste wie auch die Stellung der Antragsteller zu 5-9 als Ansprechpartner für die Gemeindeeinwohner begründen keinen Eingriff in Rechte der Antragsteller 5-9. An der Finanzierung der durch den Schulbetrieb entstehenden Kosten sind die Antragsteller zu 5-9 aufgrund der Übertragung der Schulträgerschaft ebenfalls nicht mehr beteiligt.

Zudem wird durch die Änderungssatzung des Antragsgegners nicht in die gemeindlichen Selbstverwaltungsrechte eingegriffen. Die Planungshoheit der Antragsteller zu 5-9 umfasst die Organisation des Schulbetriebs einschließlich der Schülerbeförderung seit der Aufgabenübertragung nicht mehr.

Der Antrag der Antragsteller zu 1-4 ist begründet.

Die Satzung ist jedoch zunächst formell rechtmäßig. Bedenken gegen die Beschlussfassung sind von den Antragstellern nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich.

Rechtsgrundlage für die angegriffene Regelung ist § 4 KrO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 SchulG. Nach diesen Vorschriften ist der Kreis ermächtigt, durch Satzung zu bestimmen, welche Kosten für die Schülerbeförderung als notwendig anerkannt werden. Soweit der Träger der Schülerbeförderung den Schülern Zeitfahrkarten eines Verkehrsunternehmens zur Verfügung stellt, die aufgrund der Tarifgestaltung und des Fahrplanangebots neben den Schulwegen auch zu privaten Zwecken nutzbar sind, kann nach § 80 Abs. 2 S. 3 SchulG die Satzung zudem vorsehen, dass die Aushändigung der Fahrkarte von einer Eigenbeteiligung abhängig gemacht wird. Da die angegriffene Regelung der Satzung in § 10 Abs. 2 in der - notwendigen - Zusammenschau mit Abs. 1 wörtlich mit der Ermächtigungsgrundlage des § 80 Abs. 2 S. 3 SchulG übereinstimmt, sind die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage nicht überschritten worden.

Die angegriffene Regelung verstößt jedoch gegen höherrangiges materielles Recht.

Dem Satzungsgeber steht nach der genannten Vorschrift ein Ermessensspielraum zu, ob er eine Eigenbeteiligung überhaupt erhebt und gegebenenfalls in welcher Höhe. Wenn er sich für eine Eigenbeteiligung entschließt, muss der Erhebungsmaßstab sachgerecht sein und dem Gleichheitsgrundsatz genügen. Diesen Anforderungen genügt der Maßstab für die Berechnung des Eigenanteils nicht. Die Regelung knüpft zum einen an die tarifliche Nutzungsmöglichkeit der erteilten Karte und zum anderen an die dem öffentlichen Haushalt entstehenden Kosten je Karte an. Damit knüpft der Maßstab an verschiedene Berechnungsmöglichkeiten an, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt wäre. Hinsichtlich der ersten beiden Beteiligungsstufen wird das Maß der möglichen privaten Nutzung der Karte im Gebiet des HVV zugrunde gelegt. Die Differenzierung zur dritten Stufe ist unabhängig von der Nutzungsmöglichkeit. Dies ergibt sich daraus, dass in der dritten Stufe nicht mehr zwischen den Kreis-, Groß- und Gesamtbereichskarten differenziert wird. Da die Kosten für eine Zwei-Zonen-Karte denen einer Kreis- und Großbereichskarte entsprechen, hätte insoweit unter dem Aspekt der Belastung öffentlicher Haushalte eine Differenzierung zwischen der zweiten und der dritten Stufe unterbleiben müssen, die dritte Stufe hätte danach allein für die Gesamtbereichskarte gelten müssen. Die geringere Eigenbeteiligung der Inhaber einer Zwei-Zonen-Karte ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass diese aufgrund der Tarifgestaltung des HVV generell eine geringere private Nutzungsmöglichkeit böte. Dem ist nämlich nicht so. Die private Nutzungsmöglichkeit der Zeitkarten hängt nämlich weniger davon ab, wie groß das Gebiet ist, das mit der Karte befahren werden kann, als mit dem Fahrplanangebot und damit von der Nähe zu Hamburg. Die Zwei-Zonen-Karte bietet einem im Hamburger Randgebiet wohnenden Schüler deutlich mehr private Nutzungsmöglichkeiten als eine Kreis- oder Großbereichskarte im nördlichen Kreisgebiet. Wählt der Antragsgegner beim Maßstab die Anknüpfung an die Kosten der Beförderung, ist eine teilweise Abweichung nicht gerechtfertigt, so dass der Maßstab nicht sachgerecht ist und der Antrag daher Erfolg haben musste, ohne dass es auf die sonstigen von den Antragstellern vorgebrachten Nichtigkeitsgründe ankäme.

Für die Neufassung der Satzung erlaubt sich der Senat jedoch folgende Hinweise:

Grundlage für die Erhebung einer Eigenbeteiligung ist der Vorteil, den die Schüler bzw. ihre Eltern aus der Ausgabe der Zeitkarten haben. Dabei ist stets im Auge zu behalten, dass die Fahrt zur Schule und zurück kostenlos ist. Dass aufgrund der Schließung von Schulstandorten die Kosten der Schülerbeförderung gestiegen sind, darf bei der Frage der Erhebung eines Eigenanteils keine Rolle spielen. Wenn die Zeitkarte außerhalb der Beförderung zu und von der Schule keine Bedeutung hat, weil kein Bus mehr fährt, ist die Karte aufgrund des Fahrplanangebotes nicht zu Fahrten für private Zwecke nutzbar. Der Vorteil der Zeitkarte, ein Sammeltaxi für 1,60 € zu bestellen, dürfte als Vorteil nicht ausreichen, da alle Schüler bis 15 Jahre diese Möglichkeit der Nutzung des Sammeltaxis haben, unabhängig von einer Zeitkarte des HVV. In den Bereichen, in denen eine private Nutzungsmöglichkeit aufgrund des Fahrplanangebotes nicht besteht, ist die Erhebung eines Eigenanteiles nicht gerechtfertigt. Wenn die private Nutzungsmöglichkeit besteht, allerdings mit derartigen Schwierigkeiten verbunden ist, dass sie nur theoretisch genutzt wird, ist zu bedenken, wie dies berücksichtigt werden kann. Eine absolute Gleichbehandlung und Abschöpfung nur des tatsächlichen Vorteils kann es nicht dabei geben. Eine gewisse Pauschalierung muss aus praktischen Erwägungen Vorrang vor der vollständigen Abgabengerechtigkeit im Einzelfall haben. Es lassen sich aber "Vorteilsgruppen" bilden, die einen gleichen Eigenanteil rechtfertigen. Das kann eine Kombination aus Kosten der Fahrkarte und dem Fahrplanangebot sein. Auch das Alter der Kinder kann dabei eine Rolle spielen. Erwägenswert ist z.B. der Verzicht auf eine Eigenbeteiligung bei Grundschülern generell oder bei eingeschränktem Fahrplanangebot im nördlichen Kreisgebiet.

Am sinnvollsten wäre sicherlich, mit dem HVV in Verhandlungen zu treten und nur noch streckenbezogene Fahrkarten (zu günstigeren Konditionen) auszugeben, die keine private Nutzung erlauben. Für Schüler, die die private Nutzung für sich beanspruchen, könnte eine "Ergänzungskarte" geschaffen werden, die diese selbst bezahlen müssten. Ein privater Vorteil wäre mit der Schülerkarte nicht verbunden, so dass ein Eigenanteil nicht zu erheben wäre.

Ob die Nichtberücksichtigung dieser Gesichtspunkte ebenfalls zur Nichtigkeit des § 10 Abs. 2 der Schülerbeförderungssatzung geführt hätte, musste der Senat nicht entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Dem Antragsgegner waren die Kosten des Verfahrens insgesamt aufzuerlegen, da die Tatsache, dass die Anträge der Antragsteller zu 5 - 9 unzulässig waren, keinen Einfluss auf die Höhe der Kosten hat. Der Streitwert ist unabhängig von der Anzahl der Antragsteller. Auch die den Antragstellern zu 1 - 4 zu erstattenden außergerichtlichen Kosten, die von dem Antragsgegner zu tragen sind, sind unabhängig vom Antrag der Antragsteller zu 5 - 9, so dass die Kostenentscheidung gerechtfertigt ist.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

Zurück