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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 23.01.2004
Aktenzeichen: 3 LA 102/03
Rechtsgebiete: VwGO, BhV


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2
BhV § 6
Keine Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Anschaffung eines sog. Magnetfeld-Therapie-Systems
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 3 LA 102/03

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Beihilfe

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 23. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 16. Kammer, Einzelrichterin - vom 09.09.2003 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Gründe:

Der Kläger hat beim Verwaltungsgericht beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Beihilfe zu den Aufwendungen für ein Magnetfeld-Resonanz-System zu bewilligen. Mit Urteil vom 09.09.2003, auf dessen Inhalt wegen des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen, bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers - allein hierauf kommt es an - ergeben sich keine Gründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO, aus denen die Berufung zuzulassen wäre.

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Ziffer 1 VwGO). Der Kläger hat vorgetragen, dass die Magnetfeld-Therapie, die mit dem von ihm angeschafften Gerät durchgeführt werde, grundsätzlich nicht von der Schulmedizin abgelehnt werde, sondern inzwischen grundsätzlich wissenschaftlich allgemein anerkannt sei. Dieser Auffassung ist das Verwaltungsgericht zu Recht entgegengetreten. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 der Beihilfevorschriften - BhV - sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie nach Umfang und Höhe angemessen sind. Das Bundesministerium des Innern kann die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode ganz oder teilweise ausschließen (§ 6 Abs. 2 BhV). Dies ist hinsichtlich der Magnetfeld-Therapie - mit Ausnahme der im Hinweis Nr. 2 zu § 6 Abs. 2 BhV aufgeführten, hier nicht vorliegenden Indikationen - geschehen. Die Zusammenstellungen in Nr. 1 (völliger Ausschluss) und Nr. 2 (teilweiser Ausschluss) der Hinweise zu § 6 Abs. 2 BHV werden dabei vom Bundesministerium des Innern laufend nach dem neusten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse überprüft und gegebenenfalls ergänzt oder geändert (Schröder/Beckmann/ Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, Stand November 2001, § 6 Rdnr 33).). Entgegen der Auffassung des Klägers hätte der Ausschluss der Magnetfeld-Therapie bezüglich der hier relevanten Indikationen auch nicht wegen inzwischen vorliegender Erkenntnisse aufgehoben werden müssen. Von einer wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlungsmethode ist (nur) dann auszugehen, wenn sie sich in der Praxis so durchgesetzt hat, dass bei bestimmten Indikationen in der überwiegenden Anzahl der Fälle reproduzierbare therapeutische Erfolge erzielt werden können(vgl. Schröder/Beckmann/Weber a.a.O.). Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass sowohl die vom Kläger eingereichten Unterlagen als auch die sonstigen zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen keine Erkenntnisse liefern, wonach eine wissenschaftliche Anerkennung der Magnetfeld-Therapie hinsichtlich der beim Kläger vorliegenden Indikationen (Osteoporose und Fibromyalgie) angenommen werden könnte. Die vom Kläger eingereichten, überwiegend in englischer Sprache gehaltenen Berichte über bislang - teilweise mit Ratten - durchgeführte Versuchsreihen geben - darauf hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend hingewiesen - allenfalls Anlass zu weiteren wissenschaftlichen Erhebungen und Forschungsprojekten. Die für eine (mögliche) wissenschaftlich allgemeine Anerkennung erforderlichen kontrollierten klinischen Studien (vgl. Mildenberger, Beihilfevorschriften - Bund, Länder, Stand Januar 2001 § 6 Anm. 5) - das ergibt sich bereits aus den eingereichten Unterlagen des Klägers (vgl. Bl.34 R der Gerichtsakte) - fehlen aber bisher.

Vorliegend gebietet auch nicht die nach § 79 BBG dem Dienstherrn obliegende Fürsorgepflicht ausnahmsweise die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu erstatten. Eine solche Verpflichtung kann bestehen, wenn sich eine wissenschaftliche allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Zu einer insoweit ausnahmsweisen Beihilfefähigkeit genügt es jedoch nicht, dass eine Anerkennung in Zukunft noch in Betracht kommen könnte. Voraussetzung ist vielmehr, dass nach dem Stand der Wissenschaft die Aussicht, d. h. die begründete Erwartung auf Anerkennung besteht. Dafür ist erforderlich, dass bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung der Krankheit oder zur Linderung von Leidensfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 -, Juris). Um die Erfolgsaussichten einer möglichen allgemeinen Anerkennung abschätzen zu können, sind auch hier Mindestvoraussetzung - für das Krankheitsbild des Klägers bisher nicht durchgeführte - kontrollierte medizinische Studien. Erfahrungsberichte von behandelnden Ärzten oder das vom Kläger insoweit in Bezug genommene sachverständige Zeugnis seines Arztes können solche Studien nicht ersetzen (vgl. Mildenberger a.a.O. m.N). Auch der Hinweis des Klägers auf den - nach Beginn der Magnetfeld-Therapie - eingetretenen Behandlungserfolg stellt keinen geeigneten Maßstab für die Bejahung oder Verneinung der Beihilfefähigkeit bestimmter Aufwendungen dar. Denn - wie bereits ausgeführt - besteht eine begründete Aussicht auf eine wissenschaftliche Anerkennung nur dann, wenn nicht nur auf Einzelfälle beruhende Erkenntnisse vorliegen, dass die Methode zur Heilung einer Krankheit oder zur Linderung von Beschwerde wirksam eingesetzt werden kann. Eine andere Betrachtungsweise würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass die Beihilfegewährung von einer Erfolgskontrolle des jeweiligen ärztlichen Handelns abhängig gemacht werden müsste. Für das Beihilferecht sind jedoch pauschale Beurteilungskriterien grundlegend und unverzichtbar (Schadewitz/Röhrig , Beihilfevorschriften, Stand Januar 2003, § 6 Anm. 18).).

Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsachlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Vortrag des Klägers, dass es sich vorliegend um einen wissenschaftlich und medizinisch hochkomplizierten Sachverhalt handele, bei dem (internationales) Fachwissen gefordert sei, genügt bereits nicht den Darlegungserfordernissen. Die bloße Behauptung tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten reicht nicht, es bedarf vielmehr einer konkreten Bezeichnung der Tatsachen -und Rechtsfragen, die derartige Schwierigkeiten aufwerfen und der näheren Angabe, worin diese Schwierigkeiten bestehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO § 124 a Rdnr 53). Soweit der Kläger tatsächliche Schwierigkeiten daraus herleitet, dass Erforschungen über den Stand der Gerätetechnik geboten seien, weil das Verwaltungsgericht festgestellt habe, dass die auf dem Markt angebotenen Magnetfeld-Geräte nicht standarisiert seien, übersieht er, dass das Verwaltungsgericht die Beihilfefähigkeit der Magnetfeld-Therapie bzw. des Magnetfeld-Resonanz-Systems in erster Linie wegen der fehlenden wissenschaftlich allgemeinen Anerkennung abgelehnt hat. Lediglich ergänzend ("Zudem...") hat es darauf abgestellt, dass die aus den Studien gewonnenen Erkenntnisse, die auf eine Wirksamkeit der Therapie schließen lassen könnten, mangels Standardisierung der auf dem Markt verwendeten Geräte auch nicht ohne weiteres auf das vom Kläger verwendete Gerät übertragbar seien. Auf die vom Kläger aufgeworfenen Frage kommt es entscheidungserheblich deshalb nicht an.

Der Rechtssache kommt auch die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht zu. Insoweit fehlt dem diesbezüglichen Vortrag des Klägers bereits die notwendige Konkretheit. Lediglich der Hinweis, dass die Entscheidung der Rechtsfortbildung diene, reicht insoweit nicht aus. Darüber hinaus enthält die Zulassungsschrift keinerlei Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit und fallübergreifenden Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage. Die Klärungsbedürftigkeit ist vom Kläger ebenfalls nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden.

Die vom Kläger erhobene Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) greift ebenfalls nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat - wie bereits dargelegt - in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt, dass weder die vom Kläger vorgelegten Unterlagen noch die eigenen Recherchen des Gerichts eine wissenschaftliche Anerkennung der Magnetfeld-Therapie belegten. Die bislang durchgeführten Studien gäben allenfalls Anlass und Grund zur weiteren wissenschaftlichen Forschungsprojekten. Damit weicht die Entscheidung nicht vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.06.1998 - 2 C 24.97 ab. Das Bundesverwaltungsgericht a.a.O. hat festgestellt, dass es für die - ausnahmsweise - Bejahung der Beihilfefähigkeit nicht ausreiche, dass (lediglich) die Möglichkeit einer wissenschaftlichen Anerkennung der noch nicht anerkannten Behandlungsmethode bestehe. Voraussetzung sei vielmehr, dass nach dem Stand der Wissenschaft die Aussicht, d.h. die begründete Erwartung, auf wissenschaftliche Anerkennung bestehe. Dass eine solche (konkrete) begründete Erwartung besteht, hat der Kläger jedoch nicht dargelegt. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

Schließlich liegt auch kein Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5), nämlich die Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO - fehlerhafte Sachaufklärung - vor. Der Kläger trägt insoweit vor, dass das Verwaltungsgericht den Sachverhalt nicht hinreichend von Amtswegen erforscht habe. Es habe insbesondere einen Beweisantritt aus dem Schriftsatz vom 08.07.2003 übergangen. Bei Einholung des beantragten Gutachtens hätte das Gericht festgestellt, dass die Magnetfeld-Therapie auch bei seinem Krankheitsbild wissenschaftlich anerkannt sei.

Diese Verfahrensrüge verfängt nicht. Zwar hat ein Gericht seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO nicht erfüllt, wenn es keine weiteren Beweise erhoben hat, obwohl weitere Beweisanträge gestellt worden waren. Jedoch ist in den Fällen keine Verletzung der Aufklärungspflicht gegeben, in denen das Gericht von einer Beweiserhebung absieht, die - wie vorliegend - eine anwaltlich vertretene Partei nicht in der mündlichen Verhandlung beantragt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.03.2001 - 6 B 6.01 -, Juris). Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich ihm gleichwohl eine Beweiserhebung offensichtlich hätte aufdrängen müssen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 132 Rdnr. 21 m.w.N.). Dass Letzteres der Fall sein könnte, ist schon nicht dargelegt (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Eine ordnungsgemäß Aufklärungsrüge verlangt in diesem Zusammenhang neben der Bezeichnung der Beweismittels, dessen sich das Verwaltungsgericht hätte bedienen sollen, die Angabe, das und warum sich ihm - unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung - hätte offensichtlich aufdrängen müssen, diesen Beweis zu erheben (Kopp/Schenke a.a.O., § 124 a Rdnr. 6 und 50 und § 133 Rdnr. 17 m.w.N.). Für die Einholung des vom Kläger im Schriftsatz vom 08.07.2003 beantragten Gutachtens bestand für das Verwaltungsgericht darüber hinaus auch deshalb kein Anlass, weil ein einzelnes, die Wirksamkeit der Magnetfeldtherapie bestätigendes Gutachten nicht die erforderliche wissenschaftliche allgemeine Anerkennung ersetzen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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