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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 30.09.2005
Aktenzeichen: 3 LB 14/04
Rechtsgebiete: Beitragssatzung der Psychotherapeutenkammer SH


Vorschriften:

Beitragssatzung der Psychotherapeutenkammer SH § 2 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 3 LB 14/04

verkündet am 30.09.2005

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Beitrag

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2005 durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Oberverwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer - vom 10. August 2004 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den die Jahre 2002 und 2003 betreffenden Beitragsbescheid der Beklagten.

Der Kläger ist approbierter Psychotherapeut und arbeitet 24 Stunden in der Woche bei dem Kinderschutzzentrum A-Stadt (monatliches Einkommen: 1.706,94 Euro). Dort ist er vor allem mit allgemeinen Beratungstätigkeiten, Informationsveranstaltungen und Verwaltungstätigkeiten beschäftigt. Er übt - nach eigener Einschätzung - nur zu 20% seiner Arbeitszeit Tätigkeiten im Sinne des Psychotherapeutengesetzes aus.

Mit Bescheid vom 13. März 2003 zog die Beklagte ihn zu Kammerbeiträgen in Höhe von 215,-- Euro für das Jahr 2002 und in Höhe von 430,-- Euro für das Jahr 2003 heran.

Am 15. April 2003 legte der Kläger gegen diesen Bescheid - ein Nachweis über dessen Zustellung oder Bekanntgabe liegt nicht vor - Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, er halte den Beitrag der Höhe nach für unangemessen. Die Beitragssatzung der Beklagten sehe keine Differenzierung vor, je nach dem, ob der approbierte Psychotherapeut hauptberuflich oder nur teilzeitbeschäftigt tätig sei. Die Beitragssatzung müsse, um eine übermäßige Beitragserhebung zu vermeiden, unterschiedliche Beiträge vorsehen, je nach dem, in welchem Umfang das Kammermitglied Einkommen aus der Psychotherapeutentätigkeit erziele. Bei anderen Kammerberufen sähen die entsprechenden Beitragssatzungen derartige Unterschiede vor. Die Beitragssatzung der Beklagten führe dazu, dass in Einzelfällen Psychotherapeuten einen Kammerbeitrag zu zahlen hätten, der ihren Gewinn aus der Psychotherapeutentätigkeit übersteige.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 12. Juni 2003 als unbegründet zurück. Eine Differenzierung der Beitragshöhe nach dem wirtschaftlichen und sozialen Status des einzelnen Mitgliedes sei nicht geboten. Das Heilberufegesetz verlange in § 10 Abs. 1 keine derartige Differenzierung. Bei der Festsetzung für die Jahre 2002 und 2003 sei insbesondere zu berücksichtigen gewesen, dass die Psychotherapeutenkammer in der Errichtungsphase gewesen sei. In dieser Phase seien erstmalige Investitionskosten angefallen, die zu einem höheren Beitrag geführt hätten, als möglicherweise in den Folgejahren. Insbesondere die sachliche Ausstattung der Geschäftsstelle habe höhere Anfangsinvestitionskosten erfordert. Auch eine Differenzierung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen sei nicht notwendig gewesen. Die Errichtungsphase der Kammer komme letztlich allen Mitgliedern gleichermaßen zugute. Es würden zur Zeit die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein zukünftig ihren gesetzlichen Aufgaben in vollem Umfang nachkommen könne. Der Errichtungsausschuss erlasse die notwendigen Satzungen und sonstigen Verordnungen. Die Geschäftsstelle werde sachlich und personell ausgestattet und beginne mit der täglichen Kammerarbeit. Die Kammerarbeit differenziere dabei nicht, ob Mitglieder als selbständige tätig seien oder im Angestelltenverhältnis Einnahmen erzielten. Auch die haupt- oder nebenberufliche Beschäftigung sei kein Kriterium, an dem die Kammerarbeit gemessen werden könne. Jedenfalls im derzeitigen Stadium sei die Kammerarbeit ausschließlich für alle Mitglieder von gleichem Nutzen. Eine Differenzierung bei der Beitragshöhe sei deshalb weder notwendig noch geboten. Hinzu komme, dass § 4 der Beitragssatzung ausdrücklich die Möglichkeit vorsehe, dass individuell betroffene Mitglieder Ermäßigungsanträge stellen könnten. Hiervon könne jedes Mitglied unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Bescheides Gebrauch machen. Eine Differenzierung bereits bei der Beitragsfestsetzung sei daher nicht Rechtmäßigkeitskriterium. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 16. Juni 2003 zugestellt.

Der Kläger hat am 15. Juli 2003 den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Er hat geltend gemacht, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten, weil die zugrunde liegende Beitragssatzung der Beklagten unwirksam sei.

Die Satzung behandele wesentlich Ungleiches gleich und sei daher mit Art. 3 GG unvereinbar. Trotz unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder werde gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung grundsätzlich von jedem Mitglied ein einheitlicher Beitrag in Höhe von 215,-- Euro für das Jahr 2002 und 430,-- Euro für das Jahr 2003 erhoben. Das sei deshalb nicht gerechtfertigt, weil die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bei folgenden Personengruppen deutlich herabgesetzt sei:

"1. Mitglieder, die ihre Berufstätigkeit aufgrund Mutterschutz, Erziehungsurlaub, Elternzeit vorübergehend aufgeben.

2. Mitglieder, die mehr als 6 Monate im Beitragsjahr arbeitslos sind.

3. Mitglieder, deren Berufstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen mehr als 6 Monate um mehr als 50 % eingeschränkt ist.

4. Mitglieder, die während des gesamtem Jahres außer

a) Arbeitslosengeld

b) Arbeitslosenhilfe

c) Sozialhilfe

keine weiteren Einkünfte haben.

5. Mitglieder, die mit einer Teilzeitbeschäftigung tätig sind."

Bei diesen Personengruppen hätte die Beitragssatzung hinsichtlich der Festlegung der Beitragshöhe differenzieren müssen. Die Regelungen über den Beitragerlass für Sozialhilfeempfänger und die Beitragsermäßigung beim Vorliegen einer besonderen Härte in § 4 Abs. 2 und 3 der Satzung genügten dem Differenzierungsbedarf bereits deshalb nicht, weil diese Regelungen unvollständig seien und Ermessensentscheidungen der Beklagten eröffneten.

Aus der Begründung des Widerspruchsbescheides werde deutlich, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mitglieder bei der Satzungsgebung kaum eine Rolle gespielt habe. So werde im Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass der maßgebliche Gesichtspunkt bei der Satzungsgebung lediglich der in der Errichtungsphase für alle Mitglieder gleiche Nutzen gewesen sei. Mit dieser Begründung könne eine Differenzierung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht negiert werden. Zum einen sei darauf hinzuweisen, dass die Mitglieder der Psychotherapeutenkammer nicht Nutzer der Kammer, sondern deren gesetzliche Mitglieder seien. Zum anderen dürfte das Abstellen auf den Nutzen gerade in der Errichtungsphase eine Fiktion sein. Es bestehe der Eindruck, dass die Beklagte sich in den Jahren 2002 und 2003 im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt habe und kaum ihren Aufgaben nach dem Heilberufegesetz nachgekommen sei. Hierdurch könnte die Beklagte zudem gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen haben, welches fordere, dass zwischen der Beitragshöhe und dem Nutzen des Mitglieds ein Zusammenhang bestehe; die Höhe des Beitrags dürfe nicht in einem Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den er abgelten solle.

Darüber hinaus dürfte die Beitragssatzung rechtswidrig sein, weil der darin festgesetzte Beitrag zu hoch sei und daher gegen das Kostendeckungsprinzip verstoße (§ 10 Abs. 1 Heilberufegesetz). Die Rechtmäßigkeit der der Beitragssatzung zu Grunde liegenden Haushaltssatzung der Beklagten werde in Frage gestellt. Unter Berücksichtigung der im "Tätigkeitsbericht des Vorstandes des Errichtungsausschusses der PKSH August 2002 bis August 2003" vom 29. August 2003 enthaltenen Kostenaufstellung seien die im Haushaltsplan in Ansatz gebrachten Kosten weit übersetzt.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 13. März 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2003 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie vollumfänglich auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides Bezug genommen. Hierin habe sie die Gründe für die wesentliche Gleichbehandlung der Kammermitglieder während der Errichtungsphase dargelegt. Entgegen der Ansicht des Klägers sei eine Beitragsstaffelung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kammermitglieder nicht erforderlich gewesen. Die einschlägige höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung gehe dahin, dass eine Beitragsordnung je nach den Verhältnissen an die Höhe des Einkommens anknüpfen dürfe, aber nicht anknüpfen müsse. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Beitragssatzung auch nicht deshalb rechtswidrig, weil der darin festgesetzte Beitrag zu hoch sei. Es sei nicht ersichtlich, auf welche Grundlage der Kläger seine Berechnungen stütze. Die Beitragskalkulation erfolge nach Maßgabe der Haushaltssatzung. Diese sei in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie, die Beklagte, kalkuliere bei der Beitragsbemessung zunächst die voraussichtlichen Gesamtkosten der Kammertätigkeit. Sodann erfolge eine Verteilung dieses Gesamtbetrages auf die Kammermitglieder. Dieser Beitragssatz werde in der Satzung festgeschrieben. Erforderlich sei schließlich die Genehmigung der Satzung durch die zuständige Aufsichtsbehörde. Sowohl bei Unter- als auch bei Überdeckung werde die Genehmigung versagt. Dies sei nicht geschehen.

Das Verwaltungsgericht hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 10. August 2004 mangels wirksamer Rechtsgrundlage aufgehoben. Es beständen zwar keine formellen Bedenken gegen die Beitragssatzung der Beklagten. Die Regelung des § 2 Abs. 2 der Satzung, wonach - abgesehen von den in § 4 genannten Sonderfällen (Beitragsbefreiung, -erlass und -ermäßigung) - von allen Mitgliedern ein "Einheitsbeitrag" in Höhe von 215,-- Euro für das Jahr 2002 und 430,-- Euro für das Jahr 2003 erhoben werde, verstoße jedoch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG - so das Verwaltungsgericht sinngemäß weiter - hätte der Satzungsgeber bei der Höhe des Kammerbeitrages zumindest anhand der Kriterien "selbständig/angestellt" und /oder "Maß der Berufsausübung" differenzieren müssen. Auch für die Anfangsjahre der Existenz der Beklagten sei der "Einheitsbeitrag" nicht gerechtfertigt gewesen, weil bereits mit Errichtung der Beklagten stark unterschiedliche Vorteile aus der Kammertätigkeit hätten gezogen werden können. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht insoweit auf die der Beklagten nach § 3 Abs. 1 Heilberufegesetz und § 3 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 der Hauptsatzung obliegenden Aufgaben hingewiesen.

Am 26. August 2004 hat die Beklagte - die vom Verwaltungsgericht zugelassene - Berufung gegen dieses ihr am 16. August 2004 zugestellte Urteil eingelegt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts verstoße der in § 2 Abs. 2 der Beitragssatzung geregelte "Einheitsbeitrag" nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Insbesondere bei den vom Verwaltungsgericht angeführten Kriterien "selbständig/angestellt" und/oder "Maß der Berufsausübung" handele es sich nicht um solche, die mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG eine Differenzierung hinsichtlich der Beitragshöhe erforderten. Jedenfalls sei eine Beitragsdifferenzierung während der Errichtungsphase - Errichtung der Psychotherapeutenkammer - nicht geboten gewesen. Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, bereits mit Errichtung der Beklagten hätten stark unterschiedliche Vorteile aus der Kammertätigkeit gezogen werden können, treffe nicht zu. Schließlich habe das Verwaltungsgericht unberücksichtigt gelassen, dass eine Pauschalierung der Beiträge bereits aus Praktikabilitätsgründen geboten gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer - vom 10. August 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und macht unter Bezugnahme auf sein diesbezügliches erstinstanzliches Vorbringen ergänzend geltend, die Beitragserhebung sei auch deshalb rechtswidrig, weil sie auf einer nichtigen Haushaltssatzung beruhe. Die im Haushaltsplan enthaltenen außerordentlich hohen Aufwandsentschädigungen dürften einen Verstoß gegen das Gebot sparsamen Wirtschaftens darstellen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten - diese haben dem Senat vorgelegen - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg.

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Beitragsbescheid der Beklagten vom 13. März 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2003 ist rechtmäßig. Er beruht auf der Vorschrift des § 2 Abs. 2 der Beitragssatzung der Beklagten für die Jahre 2002 und 2003 - BS - vom 12. Februar 2003 (Amtsbl. S. 153), wonach für das Kalenderjahr 2002 ein Beitrag in Höhe von 215,-- Euro und für das Kalenderjahr 2003 ein Beitrag in Höhe von 430,-- Euro erhoben wird. Diese Satzungsvorschrift ist mit dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar; auch im Übrigen ist ein Verstoß der Vorschrift gegen höherrangiges Recht nicht feststellbar.

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, wesentlich Gleiches ohne zureichende sachliche Gründe ungleich oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Dies bedeutet im Rahmen einer vorteilsbezogenen Beitragsbemessung, dass bei wesentlichen Unterschieden hinsichtlich des Nutzens der Kammertätigkeit die Beiträge nicht gleich, sondern im Verhältnis dieser unterschiedlichen Vorteile zu bemessen sind. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine berufsständische Kammer in erster Linie die Gesamtbelange ihrer Mitglieder zu wahren hat und daher der für die Beitragsbemessung maßgebende Nutzen nicht in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil bestehen muss, der sich bei dem einzelnen Mitglied messbar niederschlägt, sondern weitgehend nur vermutet werden kann. Außerdem ist es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, entsprechend dem Gedanken der Solidargemeinschaft wirtschaftlich schwächere Mitglieder auf Kosten der leistungsstärkeren zu entlasten, so dass jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu den Kosten der Körperschaft beiträgt (BVerwG, Urt. v. 26.01.1993 - 1 C 33/89 -, E 92, 24, 26 m.w.N.). Bei der Bemessung des Beitrags kann daher die Höhe des Einkommens eines unter mehreren zulässigen Differenzierungskriterien sein. Dies bedeutet, dass eine Beitragsordnung je nach den Verhältnissen an die Höhe des Einkommens anknüpfen darf, aber nicht anknüpfen muss (BVerwG, Beschl. v. 30.09.1998 - 1 ? 94/98 -, GewArch 1999, 23). Das Gericht hat bei der Überprüfung der Beitragssatzung einer berufsständigen Kammer nicht festzustellen, ob der Satzungsgeber die in jeder Hinsicht zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Vielmehr hat die gerichtliche Prüfung sich darauf zu beschränken, ob der Satzungsgeber die äußersten Grenzen seines Gestaltungsbereichs eingehalten hat und die umstrittene Regelung sachlich vertretbar ist (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 29.05.1998 - 3 K 1/98 -).

Unter Berücksichtigung des sich hieraus ergebenden gerichtlichen Kontrollrahmens ist die der in Frage stehenden Satzungsvorschrift zugrunde liegende Annahme (Vermutung) der Beklagten, in den Jahren 2002 und 2003 gebe es für die einzelnen Kammermitglieder hinsichtlich des Nutzens der Kammertätigkeit grundsätzlich keine wesentlichen Unterschiede, rechtlich nicht zu beanstanden (ob die Beklagte insoweit rechtsfehlerfrei auch von anderen Annahmen mit der Folge der satzungsmäßigen Festlegung unterschiedlich hoher Beitragssätze hätte ausgehen dürfen, bedarf im Rahmen des vorliegenden Gerichtsverfahrens keiner Klärung).

Bei der Bestimmung des für die Beitragsbemessung maßgeblichen Nutzens der Kammertätigkeit ist entsprechend der Ansicht des Verwaltungsgerichts zwar grundsätzlich auf die in § 3 Abs. 1 Heilberufegesetz sowie die in der Hauptsatzung der Beklagten normativ festgelegten Aufgaben der Beklagten abzustellen. Der vorliegende Fall erfordert jedoch zunächst deshalb eine Ausnahme von diesem Grundsatz, weil die Hauptsatzung der Beklagten erst am 01. Juli 2003 (vgl. Amtsbl. S. 465, 468) und somit erst mehrere Monate nach der am 15. Januar 2003 beschlossenen Beitragssatzung erlassen worden ist, so dass die Hauptsatzung als Beurteilungsgrundlage (noch) nicht herangezogen werden kann. Darüber hinaus war die Beklagte hier ausnahmsweise auch aus einem anderen Grund nicht verpflichtet, bei der Bestimmung des für die Beitragsbemessung maßgebenden Nutzens der Kammertätigkeit (vorrangig) auf die Aufgabenbeschreibungen in § 3 Abs. 1 Heilberufegesetz und § 3 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 der Hauptsatzung abzustellen. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Beitragssatzung befand die Beklagte sich mitten in der Errichtungsphase. Während dieser Phase hatte sie ihren Geschäftsbetrieb im eigentlichen Sinne noch nicht - allenfalls in äußerst geringem Maße - aufgenommen, so dass es zu einer Wahrnehmung der ihr gemäß § 3 Abs. 1 Heilberufegesetz und § 3 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 der Hauptsatzung obliegenden Aufgaben noch nicht - allenfalls in äußerst geringem Maße - gekommen war: Die Beklagte wurde auf Grund der Vorschrift des § 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Psychotherapeutenkammer - Psychotherapeutenkammergesetz - vom 27. Februar 2002 (GVOBl. S. 38) als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu dem Zweck errichtet, die beruflichen Interessen der Psychologischen Psychotherapeutinnen und der Psychologischen Psychotherapeuten sowie der Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten nach Maßgabe des Heilberufegesetzes zu vertreten. Im Sommer 2002 bestellte das zuständige Ministerium den nach § 2 Psychotherapeutenkammergesetz vorgesehenen Errichtungsausschuss, der während der folgenden, mehr als 12 Monate dauernden Errichtungsphase unter anderem damit befasst war, einen entsprechenden Zeitplan zu erstellen, eine Mitgliederdatei zu erarbeiten, eine Geschäftsstelle aufzubauen, Personal auszuwählen, einzustellen und einzuarbeiten sowie die Wahl der ersten Kammerversammlung vorzubereiten. Dabei erwies sich die Erstellung der Mitgliederdatei als Problem und bedurfte eines erheblichen Nachforschungsaufwandes. Zum 01. Januar 2003 wurde in A-Stadt eine Geschäftsstelle für die Kammer angemietet und eine Geschäftsführerin eingestellt. In den folgenden Wochen wurde die Geschäftsstelle ausgestattet und für die Aufnahme des Geschäftsbetriebes vorbereitet. Zum 01. März 2003 wurden zwei Verwaltungskräfte auf Halbtagsbasis eingestellt. Damit war die Voraussetzung geschaffen, die Mitgliederdatei und Mitgliederverwaltung aufzubauen. Schließlich wurden die Berufsordnung und die Hauptsatzung vorbereitet. Die Hauptsatzung wurde auf Grund des Beschlusses des Errichtungsausschusses vom 18. Juni 2003 erlassen, weil eine Kammerversammlung seinerzeit noch nicht gewählt worden war (vgl. "Tätigkeitsbericht des Vorstandes des Errichtungsausschusses der PKSH August 2002 bis August 2003" vom 29. August 2003, auf dessen Inhalt wegen des weiteren Ablaufs sowie der weiteren Einzelheiten der Errichtungsphase verwiesen wird). Dementsprechend hat die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2003 ausgeführt, es würden "zur Zeit" die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein "zukünftig" ihren gesetzlichen Aufgaben in vollem Umfang nachkommen könne. Die Geschäftsstelle werde sachlich und personell ausgestattet und "beginne" mit der täglichen Kammerarbeit. Alledem entspricht das erstinstanzliche Vorbringen des Klägers, dass das Abstellen auf den Nutzen gerade in der Errichtungsphase eine Fiktion sein dürfte; es bestehe der Eindruck, dass die Beklagte sich in den Jahren 2002 und 2003 im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt habe und kaum ihren Aufgaben nach dem Heilberufegesetz nachgekommen sei (hinsichtlich der dem § 3 Abs. 1 Heilberufegesetz teilweise vergleichbaren Bestimmung des zwischenzeitlich außer Kraft getretenen § 2 des Gesetzes über die Ärztekammer Schleswig-Holstein hat der Senat festgestellt, die der Ärztekammer hiernach zugewiesenen Aufgaben seien derart vielschichtig, weit gefasst und teilweise abstrakter Natur, dass der sich daraus ergebende Vorteil einzelnen Mitgliedsgruppen auch nicht ansatzweise spezifiziert zugeordnet werden könne; so müsse zum Beispiel die Aufgabe der Ärztekammer, an der Erhaltung einer sittlich und wissenschaftlich hochstehenden Ärzteschaft mitzuwirken, gleichermaßen im Interesse eines jeden Mitglieds der Ärztekammer liegen, OVG Schleswig, a.a.O).

Da die Beklagte aufgrund der vorangehenden Erwägungen jedenfalls nicht verpflichtet war, bei der Bestimmung des für die Beitragsbemessung maßgeblichen Nutzens der Kammertätigkeit (vorrangig) auf die in § 3 Abs. 1 Heilberufegesetz sowie die in der Hauptsatzung enthaltenen Aufgabenbeschreibungen abzustellen, käme ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nur in Betracht, wenn die Beklagte aus sonstigen Gründen nicht von der Annahme (Vermutung) hätte ausgehen dürfen, während der Errichtungsphase in den Jahren 2002 und 2003 gebe es für die einzelnen Kammermitglieder hinsichtlich des Nutzens der Kammertätigkeit grundsätzlich keine wesentlichen Unterschiede. Derartige Gründe lassen sich weder im Vorbringen des Klägers noch dem Urteil des Verwaltungsgerichts entnehmen und sind für den Senat auch im Übrigen nicht erkennbar. Während der Errichtungsphase hat die Beklagte vor allem die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Erfüllung der ihr nach § 3 Abs. 1 Heilberufegesetz obliegenden Aufgaben geschaffen. Der Errichtungsausschuss hat - wie bereits ausgeführt - das maßgebliche Satzungsrecht erlassen, die Einrichtung und Organisation der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts vorangetrieben sowie die erforderlichen Anfangsinvestitionen vorgenommen. Der sich aus alledem ergebende Nutzen bezieht sich nicht nur auf die hier in Frage stehenden Beitragsjahre 2002 und 2003, sondern wirkt sich für das einzelne Kammermitglied als Dauervorteil für die Zeit der gesamten Mitgliedschaft aus. Da eine hinreichend abgesicherte Prognose über die Entwicklung der beruflichen Umstände eines Kammermitgliedes während der Zeit seiner Mitgliedschaft - zu diesen Umständen gehört auch das jeweilige Maß der Berufsausübung - nicht möglich ist und somit von der Beklagten bei Erlass der Beitragssatzung auch nicht angestellt werden konnte, erscheint es nicht sachwidrig, dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid davon ausgegangen ist, die Errichtungsphase der Kammer komme letztlich allen Mitgliedern gleichermaßen zu Gute. Es kommt hinzu, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Beitragssatzung eine hinreichend verlässliche Mitgliederdatei noch nicht vorlag.

Vor diesem Hintergrund ist es mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für die Errichtungsphase in § 2 Abs. 2 BS in Ausübung ihrer Einschätzungsprärogative pauschalierend einen Beitrag in einheitlicher Höhe für grundsätzlich alle Mitglieder festgelegt und für besonders gelagerte Fälle eine Befreiungs-, Erlass- und Ermäßigungsregelung in § 4 BS vorgesehen hat. Anhand dieser Regelung sind jedenfalls für die Errichtungsphase auch die vom Kläger in der Klagebegründung im Einzelnen angeführten Fälle "deutlich herabgesetzter wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit" zu beurteilen.

Mit Blick auf die Sonderregelung des § 4 BS und unter Berücksichtigung der vorangehend dargestellten besonderen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten während der Errichtungsphase verstößt die Vorschrift des § 2 Abs. 2 BS auch nicht gegen die Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 GG (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 05.04.2005 - 1 BvR 774/02 -, NJW 2005, 2443, sowie Wallrabenstein, Urteilsanmerkung: "Kinderziehungszeiten in der Anwaltsversorgung", NJW 2005, 2426).

Ein Verstoß der Beitragssatzung der Beklagten gegen das aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgende Äquivalenzprinzip ist von dem Kläger nicht substantiiert geltend gemacht worden und für den Senat auch im Übrigen nicht fassbar. Gerade im Hinblick darauf, dass sich aus der Errichtungsphase Dauervorteile für die Kammermitglieder ergeben, ist nicht feststellbar, dass die Beiträge gemäß § 2 Abs. 2 BS ihrer Höhe nach in einem Missverhältnis zu dem Wert der Mitgliedschaft ständen. Schließlich ist eine Unvereinbarkeit der Beitragssatzung mit dem Kostendeckungsprinzip (vgl. § 10 Abs. 1 Heilberufegesetz) und dem Gebot sparsamen Wirtschaftens gleichfalls nicht zu erkennen. Entgegen der Ansicht des Klägers bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beitrag zu hoch sei. Die Beitragskalkulation der Beklagten ist nach Maßgabe der Satzung über die Feststellung des Haushaltsplanes der Psychotherapeutenkammer Schleswig-Holstein für die Rechnungsjahre 2002 und 2003 - Haushaltssatzung - vom 12. Februar 2003 (Amtsbl. S. 154) erfolgt. In der Vorschrift des § 1 dieser Satzung wird der Haushaltsplan für die genannten Rechnungsjahre in Einnahmen und Ausgaben auf 580.500,-- Euro festgestellt. Durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Haushaltssatzung werden vom Kläger nicht geltend gemacht und sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Allein der Einwand des Klägers, die im Haushaltsplan in Ansatz gebrachten Aufwandsentschädigungen (16.000,-- Euro/mtl.) seien "außerordentlich hoch" führt noch zu keinem Verstoß gegen das Gebot sparsamen Wirtschaftens. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ausweislich des Tätigkeitsberichtes vom 29. August 2003 der aus 12 Mitgliedern bestehende Errichtungsausschuss allein in der Zeit vom 21. August 2002 bis zum 27. August 2003 insgesamt 16-mal und der Vorstand des Errichtungsausschusses in der Zeit vom 04. September 2002 bis zum 27. August 2003 insgesamt sogar 32-mal tagte. Die Beklagte hat die satzungsmäßig festgestellten Ausgaben in Höhe von 580.500,-- Euro sodann auf 900 Mitglieder verteilt und ist so - rechnerisch richtig - zu der in § 2 BS festgeschriebenen Beitragshöhe von insgesamt 645,-- Euro gelangt. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei ihrer Beitragskalkulation von 900 Mitgliedern ausgegangen ist. Denn zum Zeitpunkt des Beschlusses des Errichtungsausschusses über den Haushaltsplan (15. Januar 2003) fehlte es an einer verlässlichen Mitgliederdatei. Daher war die Mitgliederzahl wirklichkeitsnah zu schätzen. Der kalkulatorische Ansatz von 900 Mitgliedern erscheint nicht zuletzt mit Blick darauf unbedenklich, dass die Beklagte ausweislich des Tätigkeitsberichtes vom 29. August 2003 im August 2003 992 beitragspflichtige Mitglieder umfasste - 22 Rentner waren beitragsfrei gestellt worden - und hiervon 140 Mitglieder Anträge auf Beitragsermäßigung gestellt hatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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