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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.07.2006
Aktenzeichen: 3 LB 20/05
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 31 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Az.: 3 LB 20/05

verkündet am 27.07.2006

In der Verwaltungsrechtssache

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juli 2006 durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., die Richterin am Oberverwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 16. Kammer - vom 26. April 2005 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines anlässlich einer Ballonfahrt erlittenen Unfalls als Dienstunfall.

Der Kläger ist seit dem 01. Januar 1984 Beamter bei der Deutschen Post AG und war im Mai/Juni 2002 als Berater "Finanzdienstleistungen" bei der damaligen "NL Filialen ..." tätig. Seinerzeit existierten in ... etwa 50 Filialen mit insgesamt etwa 100 Beratern im Bereich "Finanzdienstleistungen". Am 02. Juni 2002, einem Sonntag, wurde in ... (zwischen ... und der A 1) gegen 19.00 Uhr eine Ballonfahrt mit mehreren Heißluftballons gestartet, an der etwa 16 der genannten Berater verschiedener Filialen - unter anderem der Kläger - teilnahmen. Zu der Ballonfahrt waren die Teilnehmer von ihrem "Arbeitgeber", der damaligen "NL Filialen ...", als Belohnung für gute Verkäufer aus dem Jahre 2001 eingeladen worden. Ausweislich der Nachricht des Organisators ..., Niederlassung ..., Abteilung Vertriebsunterstützung/VBA, vom 29. April 2002 war die Teilnahme an der Ballonfahrt freiwillig, wobei ein Ticket für eine derartige Fahrt normalerweise 225,-- Euro kostete. In einem dieser Nachricht beigefügten weiteren Schreiben des Organisators ... zu der ursprünglich für den 01. Mai 2002 geplanten Ballonfahrt heißt es, es sei festes Schuhzeug und eine Sektflasche, Champagner gehe auch, für die Taufe mitzubringen. Der Ausflug mit Limousinen Service und die Fahrt mit dem Ballon (Aufbau/Abbau) werde etwa 4 bis 5 Stunden dauern. Gäste (nicht Ballonfahrer), die das Spektakel live miterleben möchten, seien herzlich eingeladen. Fotokameras oder Videokameras würden das Erlebnis zur Erinnerung abrunden (Blatt 8 der Beiakten A). Um 21.30 Uhr landete der Ballon, mit dem der Kläger unterwegs war, auf einer Kuhweide in ... bei .... Beim Landen schlug der Korb des Ballons so kräftig auf den Boden auf, dass der Kläger sich eine Zerrung/Prellung der Halswirbelsäule sowie der Brustwirbelsäule zuzog. Insgesamt endete die Veranstaltung am 03. Juni 2002 gegen 1.00 Uhr. Infolge des Unfalls konnte der Kläger in der Zeit vom 05. bis 08. Juni 2002 und vom 11. bis 20. Juni 2002 keinen Dienst verrichten.

Nach Eingang der Unfallmeldung vom 13. Juni 2002 forderte die Unfallkasse Post und Telekom die ..., NL Filialen ..., mit Schreiben vom 27. Juni 2002 auf, folgende Fragen zu beantworten:

1. Fand die Ballonfahrt in einem dienstlichen Zusammenhang statt?

2. Wurde die Ballonfahrt während der Dienstzeit durchgeführt (a) oder fand sie in der Freizeit von Herrn ... statt (b)?

3. Hat der Dienstherr/Unternehmensleitung die Veranstaltung durchgeführt oder bewilligt?

Unter dem 03. Juli 2002 beantwortete die ..., NL Filialen ..., die Fragen zu 1), 2 b) und 3) mit "Ja" und die Frage zu 2 a) mit "Nein".

Mit Bescheid vom 26. August 2002 teilte die Unfallkasse Post und Telekom dem Kläger mit, das Ereignis vom 02. Juni 2002 könne nicht als Dienstunfall gemäß § 31 BeamtVG anerkannt werden. Die den Unfall verursachende Tätigkeit "Ballonfahren" sei nicht Gegenstand der dienstlichen Pflichten des Klägers. Somit fehle es an einem inneren Zusammenhang zwischen der dienstlichen Tätigkeit und der den Unfall bringenden Verrichtung. Die Teilnahme an einer Ballonfahrt stehe in keinem Zusammenhang zur beruflichen Qualifikation von Verkäufern. Es sei demnach eine reine Freizeitgestaltung. Es habe sich auch nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Eine solche liege nur vor, wenn die Veranstaltung dazu diene, die Verbundenheit und das Vertrauensverhältnis zwischen Dienststellenleitung und Belegschaft zu fördern und wenn sie von dem Willen und der Autorität des Vorgesetzten getragen werde. Das sei nicht der Fall, wenn die Veranstaltung nicht so geplant sei, dass grundsätzlich alle Beschäftigten daran teilnehmen könnten. Die in Frage stehende Veranstaltung sei nicht für alle Beschäftigten zugänglich gewesen, sondern nur für eine bestimmte Gruppe, die für gute Verkäufe im Jahre 2001 belohnt worden seien.

In seinem hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Kläger darauf hin, er habe von der Niederlassung ... die klare Zusage erhalten, dass es sich bei dem in Frage stehenden Ereignis um einen Dienstunfall handele. Es treffe nicht zu, dass es sich um reine Freizeitgestaltung gehandelt habe. Tatsächlich habe er, der Kläger, auf Grund seiner guten dienstlichen Tätigkeiten die Ballonfahrt als Belohnung erhalten. Daher sei es keine Freizeitgestaltung gewesen, die er aus eigenem Bedürfnis heraus verrichtet habe. Die Zeit des Ballonfahrens sei als Dienstzeit anzuerkennen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2003 - dem Kläger zugestellt am 16. September 2003 - wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Gemäß § 31 BeamtVG sei Voraussetzung für die Anerkennung eines Dienstunfalls, dass sich der Unfall in Ausübung oder in Folge des Ausübens einer dienstlichen Tätigkeit ereigne. Zur Ausübung des Dienstes gehöre gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG die Teilnahme an betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen. Wesentliche Voraussetzung sei hier jedoch, dass diese Veranstaltung allen Bediensteten zugänglich sei. Hierbei handele es sich um ein wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung einerseits und einer bloßen Geselligkeit andererseits. Vorliegend handele es sich bei der Teilnahme an einer Ballonfahrt unstreitig um eine Belohnung/Anerkennung für eine gute Verkaufstätigkeit. Insofern habe hier nicht für alle Bediensteten gleichermaßen die Möglichkeit der Teilnahme an dieser Veranstaltung bestanden. Des weiteren habe die Veranstaltung ihrem Charakter nach auch nicht vordergründig der Verbundenheit zwischen Leitung und Mitarbeitern, sondern eher der Motivation einzelner Mitarbeiter gedient. Es handele sich daher um keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung. Insofern ergebe sich auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens des Klägers keine andere Beurteilung. Auch wenn die Teilnahme an der Ballonfahrt aus Anlass der Erfüllung einer dienstlichen Tätigkeit veranstaltet worden sei, so könne es dennoch keinen Unterschied machen, ob die Anerkennung einer überdurchschnittlichen Leistung durch die Zuwendung eines materiellen Wertes oder durch eine Veranstaltung eines Theaterbesuchs, einer Ballonfahrt, einer Schiffsreise u.ä. erfolge. Veranstaltungen dieser Art seien dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen und hätten ausschließlich Freizeitcharakter.

Der Kläger hat am 14. Oktober 2003 den Verwaltungsrechtsweg beschritten und ergänzend geltend gemacht, bei der Ballonfahrt habe es sich nicht um reine Freizeitgestaltung gehandelt. Vielmehr habe ein innerer Zusammenhang zwischen der dienstlichen Tätigkeit und dem Umfall bringenden Ereignis bestanden. Im Übrigen habe es sich auch um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt, weil diese Veranstaltung dazu gedient habe, die Verbundenheit und das Vertrauensverhältnis zwischen Dienststellenleitung und Belegschaft zu fördern, und sie außerdem auch von dem Willen und der Autorität des Vorgesetzten getragen gewesen sei. Mit der Ballonfahrt habe nämlich zum Ausdruck gebracht werden sollen, dass die Dienststellenleitung die besonderen Leistungen der Teilnehmer zu würdigen gewusst habe und hierdurch die besondere Verbundenheit mit ihnen zum Ausdruck habe bringen wollen. Ebenso habe hierdurch dokumentiert werden sollen, dass die Dienststellenleitung darauf vertraut habe, dass er, der Kläger, und die anderen Teilnehmer auch in Zukunft überobligationsmäßige Leistungen erbringen würden. Im Übrigen sei die Veranstaltung auch von dem Willen und der Autorität des Vorgesetzten getragen gewesen, weil die ursprünglich für den 01. Mai 2002 geplante und dann am 02. Juni 2002 durchgeführte Veranstaltung so geplant gewesen sei, dass grundsätzlich nicht nur die "Preisträger" hätten teilnehmen können. Vielmehr heiße es in der Mitteilung des Organisators ... vom 29. April 2002, dass auch andere Personen als die "Preisträger" an der Veranstaltung teilnehmen könnten. Somit sei die Ballonfahrt grundsätzlich für alle Beschäftigten zugänglich gewesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2003 zu verpflichten, den Unfall vom 02. Juni 2002 als Dienstunfall anzuerkennen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Teilnahme an der Ballonfahrt sei nicht in Ausübung des Dienstes und auch nicht in Folge des Ausübens einer dienstlichen Tätigkeit erfolgt. Die Ballonfahrt habe auch keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung dargestellt. Sie sei eine Belohnung für gute Verkäufer aus dem Jahr 2001 und insoweit eine Gewinneinlösung im Rahmen eines Verkaufwettbewerbs gewesen. Die Anerkennung der überdurchschnittlichen Leistungen des Klägers im Jahr 2001 in Form der Ballonfahrt sei dem eigenwirtschaftlichen Bereich des Klägers zuzuordnen. Er habe die Ballonfahrt aus einem eigenen Bedürfnis angetreten und keineswegs, weil dies für ihn eine dienstliche Pflicht gewesen sei. Bei der Fahrt habe es sich um eine reine Freizeitgestaltung gehandelt, bei der ausschließlich Unterhaltung und "Abenteuer" eine Rolle gespielt hätten. Entgegen der Auffassung des Klägers habe es sich auch nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Die Teilnahme an der Ballonfahrt sei keineswegs allen Mitarbeitern möglich gewesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Nachricht des Organisators ... vom 29. April 2002; vielmehr spreche das dieser Mitteilung beigefügte weitere Schreiben des Organisators ... eindeutig dafür, dass die Teilnahme gerade nicht allen Bediensteten möglich gewesen sei, sondern nur einem bestimmten Kreis - den Verkäufern, die sich durch überdurchschnittliche Leistungen hervorgetan hätten - vorbehalten gewesen sei. Diese hätten auf der einen Seite belohnt und auf der anderen Seite erneut motiviert werden sollen. Hätte die Ballonfahrt den Zweck verfolgt, die Verbundenheit und das Vertrauensverhältnis zwischen der Dienststellenleitung und der Belegschaft zu fördern, so wären alle Beschäftigten eingeladen gewesen. Dies sei aber gerade nicht der Fall gewesen.

Mit Urteil vom 26. April 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, den Unfall vom 02. Juni 2002 als Dienstunfall anzuerkennen. Die Teilnahme des Klägers an der Ballonfahrt habe zwar nicht zu dessen Dienst gehört. Zum Dienst gehöre gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG aber auch die Teilnahme an einer dienstlichen Veranstaltung. Um eine solche habe es sich bei der Ballonfahrt gehandelt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fordere eine dienstliche Veranstaltung im Sinne des Dienstunfallrechts materielle und formelle Dienstbezogenheit. Beide Voraussetzungen lägen hier vor. Für die materielle Dienstbezogenheit komme es entscheidend auf den Zusammenhang der Veranstaltung mit den eigentlichen Dienstaufgaben und dabei wiederum darauf an, ob die Veranstaltung dienstlichen Interessen diene. Die Veranstaltung am 02. Juni 2002 habe eine Belohnung für besonders gute dienstliche Tätigkeit dargestellt. Es habe damit eine Anerkennung ausgesprochen werden sollen. Dies diene dienstlichen Interessen, weil davon auszugehen sei, dass die Anerkennung die Teilnehmer - aber auch andere Bedienstete - zu weiterer guter Tätigkeit motivieren könne und dies mit der Belohnung auch beabsichtigt gewesen sei. Formell müsse die Veranstaltung vom Dienstherrn in die dienstliche Sphäre einbezogen und damit unmittelbar oder mittelbar von der Autorität eines Dienstvorgesetzten des Beamten getragen und in den weisungsgebundenen Bereich einbezogen sein. Das sei z.B. der Fall, wenn eine Weihnachtsfeier als offizielle Gemeinschaftsveranstaltung genehmigt werde. Nicht erforderlich sei, dass der Dienstvorgesetzte die Veranstaltung selbst technisch und/oder organisatorisch betreue. Ein Teilnahmezwang sei nicht erforderlich, so dass eine dienstliche Veranstaltung auch dann vorliege, wenn die Teilnahme nicht angeordnet werde, sondern auf einer freien Entscheidung des Beamten beruhe. Die formelle Einbeziehung sei hier zu bejahen, da die Veranstaltung mit Willen und auf Veranlassung der Dienststelle erfolgt sei, die die Teilnahme an der Veranstaltung als Belohnung ausgesetzt habe. Entgegen der Ansicht der Beklagten spreche auch der Teilnehmerkreis nicht gegen die Annahme einer dienstlichen Veranstaltung. Schon aus der Verwendung des Wortes "Veranstaltung" ergebe sich ohne weiteres, dass es sich um eine kollektive, mithin für alle Beamten des Dienstherrn oder einer Behörde oder für einen bestimmten Beamtenkreis geschaffene Maßnahme handeln müsse. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genüge, dass sich die Veranstaltung an einem bestimmten Beamtenkreis richte. Es sei nicht erforderlich, dass alle Bediensteten der Dienststelle teilnehmen könnten. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung müssten dienstliche Veranstaltungen aus der Natur der Sache heraus für einen größeren, nach mindestens einem gemeinsamen Merkmal bestimmbaren Personenkreis angeboten werden. Dabei genüge auch der im Einzelfall z.B. vom Dienstvorgesetzten oder der Personalstelle festgelegte Teilnehmerkreis. Danach habe es sich bei der fraglichen Ballonfahrt um eine dienstliche Veranstaltung gehandelt. Es komme nicht darauf an, ob jeder Bedienstete der Dienststelle habe teilnehmen können. Mit der Gruppe der Teilnehmer an der Ballonfahrt liege eine Gruppe von Bediensteten vor, die durch ein gemeinsames Merkmal verbunden und bestimmbar seien, nämlich durch den besonderen Verkaufserfolg im Jahre 2001. Es lägen mithin die Voraussetzungen für einen Dienstunfall vor.

Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 10. Oktober 2005 die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, das Verwaltungsgericht habe die Ballonfahrt zu Unrecht als dienstliche Veranstaltung im Sinne des Dienstunfallrechts angesehen. Denn die Erfordernisse der materiellen und formellen Dienstbezogenheit seien nicht erfüllt. Insoweit habe das Verwaltungsgericht insbesondere die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Begriff "Arbeitsunfall" unberücksichtigt gelassen. Die Ballonfahrt sei auch keineswegs entscheidend durch die dienstliche Sphäre geprägt gewesen und habe auch nicht im engen natürlichen Zusammenhang mit den Dienstaufgaben des Klägers gestanden. Vielmehr habe es sich bei der an einem Sonntag durchgeführten Ballonfahrt um reine Freizeitgestaltung gehandelt. Das von dem erstinstanzlichen Gericht unterstellte Interesse der Unternehmensleitung, dass sich aus solchen Veranstaltungen wahrscheinlich eine Motivation zu Leistungssteigerungen ergebe, reiche nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht aus, für solche Betätigungen den rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit herzustellen. Die Frage nach dem Vorliegen einer formellen Dienstbezogenheit - so die Beklagte sinngemäß weiter - könne allein auf der Grundlage des sich aus den Akten ergebenden Sachverhalts nicht beantwortet werden. Es sei nicht bekannt, in welcher Funktion der Organisator ... seinerzeit die Ballonfahrt geplant und durchgeführt habe, ob alle Dienststellen der Teilnehmer über die Ballonfahrt informiert und hiermit einverstanden gewesen seien und ob die Ballonfahrt somit vom Dienstherrn des Klägers getragen worden sei. Ferner sei fraglich, ob die an einem Sonntag und somit außerhalb der Dienstzeit durchgeführte Ballonfahrt in den weisungsgebundenen Dienstbereich einbezogen sei oder ob sie auch von den Dienststellen als reine Freizeitveranstaltung angesehen worden sei. Schließlich spreche auch der Teilnehmerkreis gegen die Anerkennung der Ballonfahrt als dienstliche Veranstaltung. Eine solche liege regelmäßig dann nicht vor, wenn - wie hier - nur verhältnismäßig wenigen ausgewählten Beamten die Teilnahme an der Veranstaltung möglich sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 16. Kammer - vom 26. April 2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und macht ergänzend geltend, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts würden nicht durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Unfallversicherungsrecht in Frage gestellt. Denn Dienstunfallrecht und Unfallversicherungsrecht seien nicht deckungsgleich. Das Verwaltungsgericht habe sowohl die materielle als auch die formelle Dienstbezogenheit der Ballonfahrt zu Recht angenommen. Schließlich spreche nach zutreffender Ansicht des Gerichts auch der Teilnehmerkreis im vorliegenden Falle nicht gegen die Annahme einer dienstlichen Veranstaltung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten - diese haben dem Senat vorgelegen - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg.

Die zulässige Klage ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts unbegründet, weil es sich bei dem Unfall des Klägers vom 02. Juni 2002 nicht um einen Dienstunfall im Sinne von § 31 Abs. 1 BeamtVG handelt.

Nach der genannten Vorschrift ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder in Folge des Dienstes eingetreten ist (Satz 1). Zum Dienst gehört auch die Teilnahme an dienstlichen Veranstaltungen (Satz 2 Nr. 2). Das in Frage stehende Unfallereignis - dieses entspricht auch den insoweit übereinstimmenden Rechtsansichten des Klägers und der Beklagten - wäre als Dienstunfall anzuerkennen, wenn es bei der Teilnahme an einer dienstlichen Veranstaltung eingetreten wäre. Letzteres ist nicht der Fall.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der erkennende Senat folgt, erfordert eine dienstliche Veranstaltung im Sinne des Dienstunfallrechts materielle und formelle Dienstbezogenheit (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.02.1989 - 2 C 38.86 -, E 81, 265, 266 f., m.w.N.). Hier fehlt es bereits an der materiellen Dienstbezogenheit des in Frage stehenden Unfallereignisses.

Für die materielle Dienstbezogenheit kommt es entscheidend auf den Zusammenhang der Veranstaltung mit den eigentlichen Dienstaufgaben und dabei wiederum wesentlich darauf an, ob die Veranstaltung dienstlichen Interessen dient (BVerwG, a.a.O.). Das ist nur dann der Fall, wenn ein enger natürlicher Zusammenhang zwischen der Veranstaltung und den Dienstaufgaben des Beamten besteht und die Veranstaltung ihre entscheidende Prägung durch die dienstliche Sphäre erhält. Die Veranstaltung darf nicht nur irgendwie dienstlichen Zwecken förderlich sein, sondern muss den dienstlichen Interessen ausschlaggebend dienen (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, § 31 Erl. 9; Kümmel/Ritter, BeamtVG, § 31 Rdnr. 23). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, richtet sich nach objektiven Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BeamtVG, § 31 Rdnr. 101).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen des Kriteriums der materiellen Dienstbezogenheit im vorliegenden Fall nicht feststellbar. Dabei kann es auf sich beruhen, welche rechtliche Bedeutung im vorliegenden Zusammenhang dem Umstand zuzumessen ist, dass von den in den 50 Hamburger Filialen tätigen 100 Beratern "Finanzdienstleistungen" lediglich etwa 16 Berater - diese hatten die Ballonfahrt von ihrem "Arbeitgeber" als Belohnung für gute Verkaufsleistungen im Jahre 2001 erhalten - und somit ein (äußerst) eingeschränkter Mitarbeiterkreis teilgenommen hat (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 25.08.1994 - 2 RU 23/93 -, VersR 1995, 603 f., wonach eine "betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung" grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offen stehen muss). Denn unabhängig hiervon diente die Ballonfahrt jedenfalls nicht "ausschlaggebend" dienstlichen Interessen und war nicht "entscheidend" durch die dienstliche Sphäre geprägt. Da die Dienstvorgesetzten der an der Ballonfahrt teilnehmenden Berater "Finanzdienstleistungen" oder sonstige Vertreter der Dienststellenleitung - etwas anderes ist auch von dem Kläger nicht geltend gemacht worden - der Veranstaltung nicht beigewohnt haben, konnte die Veranstaltung bereits aus diesem Grunde nicht auf die Förderung der Verbundenheit und des Vertrauensverhältnisses zwischen Dienststellenleitung und Belegschaft gerichtet sein. Darüber hinaus ergibt sich aus der Nachricht des Organisators ... vom 29. April 2002 sowie dem dieser Nachricht beigefügten Schreiben, dass bei der Ballonfahrt die Pflege des Betriebsklimas oder die Förderung der Verbundenheit innerhalb der Kollegenschaft nicht im Vordergrund standen. Schließlich lässt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen, dass die Ballonfahrt sonstigen dienstlichen Interessen "ausschlaggebend" gedient hätte oder aus sonstigen Gründen "entscheidend" durch die dienstliche Sphäre geprägt gewesen wäre. Vielmehr handelte es sich bei der Teilnahme an der Ballonfahrt (im Wesentlichen) um private Freizeitgestaltung, wobei Abenteuer und Unterhaltung im Vordergrund standen (dementsprechend fand das "Spektakel", zu dem auch Gäste eingeladen waren, an einem Sonntag statt). Alledem steht nicht entgegen, dass die Teilnehmer die Ballonfahrt von ihrem "Arbeitgeber" als Belohnung für gute Verkaufsleistungen im Jahre 2001 erhalten hatten und hierdurch (möglicherweise) zu weiterer guter Tätigkeit haben motiviert werden sollen (vgl. BSG, a.a.O.; vgl. auch Wannagat/Eichenhofer/Wenner/Jung, SGB VII, § 8 Rdnr. 34, und Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 3, SGB VII, § 8 Rdnr. 123, wonach "Motivationsreisen" regelmäßig keine "betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen" darstellen).

Ferner erscheint es fraglich, ob das Kriterium der formellen Dienstbezogenheit gegeben ist. Dem braucht mangels Entscheidungserheblichkeit jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden.

Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis ergibt sich schließlich auch nicht aus der "Zusage" der Niederlassung ..., es handele sich bei dem in Frage stehenden Ereignis um einen Dienstunfall. Denn insoweit kommt es nicht auf die subjektive Sichtweise der Niederlassung ..., sondern allein auf objektive Kriterien an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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