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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 18.01.2005
Aktenzeichen: 3 MB 80/04
Rechtsgebiete: LVwG SH, StGB


Vorschriften:

LVwG SH § 174
LVwG SH § 176
StGB § 284
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 3 MB 80/04

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Untersagung (Sportwettenvermittlung)

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts in Schleswig am 18. Januar 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 12. Kammer - vom 24. September 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Der Antragsteller meldete unter dem 08. Juli 2004 das Gewerbe "Bereitstellung von Internetanschlüssen und Fernsehgeräten, Dienstleistungen im Bereich Datentransfer und Sportinformation, ausgenommen erlaubnispflichtige Tätigkeiten" für die Betriebsräume G... 15 in A-Stadt an. Er schloss einen Mietvertrag über die anzumietenden Gewerberäumlichkeiten und einen Vertrag mit der österreichischen Firma C... Sportwettengesellschaft mbH in G.../Wien. Hierbei handelt es sich um einen Wettvermittlungsvertrag, wonach der Antragsteller als Wettvermittler Sportwetten an die österreichische Firma weiterleitet. Die Firma C... Sportwettengesellschaft mbH ist auf Grund staatlicher Genehmigung des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung berechtigt, Sportwetten zu veranstalten, wobei Verträge mit Wettkunden abgeschlossen werden dürfen. Für die Anschaffung von Fernsehern, Rechnern und Kassensystemen wurden von dem Antragsteller etwa 15.000,-- Euro investiert. Der Antragsteller ließ Handzettel verteilen, in denen er auf das Angebot der Oddset-Sportwette der österreichischen Firma hinwies.

Mit Bescheid vom 19. August 2004 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Ausübung des Sportwettengewerbes in A-Stadt, G... 15, mit der Betriebsbezeichnung "Oddsline" und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Gemäß § 174 i.V.m. § 176 LVwG hätten die Ordnungsbehörden im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit und einzelnen Personen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit bedroht werde. Öffentliche Sicherheit im Sinne der Gefahrenabwehraufgabe sei insbesondere die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung. Durch die Ausübung des Sportwettengewerbes ohne Erlaubnis verstoße der Antragsteller gegen die Verbotsnormen der §§ 284 ff StGB (unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels). Damit sei eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit gegeben. Die entstehende Gefahr für die Allgemeinheit sei von den Ordnungsbehörden abzuwehren. In dem genannten Bescheid wurde darüber hinaus die Betriebsschließung gemäß §§ 230, 239 LVwG verfügt.

Am 30. August 2004 legte der Antragsteller gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Ein Widerspruchsbescheid ist bislang nicht ergangen.

Mit Beschluss vom 24. September 2004 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 19. August 2004 wiederhergestellt (Untersagung) bzw. angeordnet (Schließung). Bei summarischer Prüfung sei der angefochtene Bescheid weder als offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig anzusehen. Bei der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO somit unabhängig vom voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens durchgeführten Interessenabwägung hat das Verwaltungsgericht dem privaten Aufschubinteresse des Antragstellers mit Blick auf Art. 12 GG den Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides eingeräumt. Jedenfalls gebühre dem öffentlichen Interesse kein höheres Gewicht als dem grundrechtlich geschützten Interesse des Antragstellers.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Antragsgegnerin die Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses und die Ablehnung des Rechtsschutzantrages des Antragstellers.

II.

Die Beschwerde bleibt erfolglos.

Die von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe - allein hierauf kommt es an (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) - rechtfertigen keine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses zu deren Gunsten.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der angefochtene Bescheid auch unter Berücksichtigung ihres Beschwerdevorbringens nicht offensichtlich rechtmäßig. Vielmehr bestehen weiterhin Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Untersagungsbescheides:

Zunächst erscheint es fraglich, ob der Bescheid dem in der Vorschrift des § 108 Abs. 1 LVwG enthaltenen Bestimmtheitserfordernis entspricht. Das könnte zweifelhaft sein, weil dem Antragsteller im Tenor des Bescheides die "Ausübung des Sportwettengewerbes" ohne Angabe darüber untersagt worden ist, ob hierdurch auch und gerade die Vermittlung von Sportwetten erfasst werden soll. Eine begriffliche Differenzierung hätte insoweit jedenfalls deshalb nahegelegen, weil auch in § 4 Abs. 1 des Staatsvertrages zum Lotteriewesen in Deutschland zwischen der Veranstaltung, Durchführung und gewerblichen Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen unterschieden wird (vgl. Anlage zu § 1 Abs. 2 des Gesetzes zum Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland vom 18. Juni 2004, GVOBl. S. 169 ff.). Wegen der weiteren Einzelheiten der diesbezüglichen Rechtmäßigkeitsbedenken wird auf die Ausführungen des Antragstellers unter Ziffer 1 seiner Beschwerdeerwiderung vom 19. November 2004 verwiesen.

Da die Antragsgegnerin ihren Untersagungsbescheid entscheidungstragend allein auf den (angeblichen) Verstoß des Antragstellers gegen die "Verbotsnormen der §§ 284 ff StGB" gestützt hat, braucht sich der Senat im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auch nur mit dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin auseinander zu setzen. Durch dieses Beschwerdevorbringen werden die Zweifel, die das Verwaltungsgericht an der Richtigkeit der von der Antragsgegnerin insoweit vertretenen Rechtsauffassung geäußert hat, nicht ausgeräumt.

Die Antragsgegnerin macht in ihrer Beschwerdebegründung geltend, der Antragsteller habe gegen den Straftatbestand des § 284 StGB verstoßen. Bei den von ihm vermittelten Sportwetten handele es sich eindeutig um Glücksspiele im Sinne der genannten Vorschrift, weil die Entscheidung über den Gewinn zumindest überwiegend vom Zufall abhänge. Der Antragsteller sei Veranstalter im Sinne des § 284 Abs. 1 und 3 Nr. 1 StGB. Danach mache sich strafbar, wer gewerbsmäßig ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstalte oder halte oder die Einrichtungen hierzu bereit halte. Veranstalter sei, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glücksspiels schaffe und der Bevölkerung dadurch den Abschluss von Spielverträgen ermögliche. Der Antragsteller beabsichtige, Internetanschlüsse und Fernsehgeräte bereitzustellen, Werbematerial für die von ihm angebotene Spielvermittlung auszulegen, Spielverträge abzuschließen, für den Datentransfer zu dem in Österreich ansässigen Wettanbieter zu sorgen und Einzahlungen entgegenzunehmen bzw. Gewinne auszuzahlen. Damit erfülle er zumindest die Tastbestandsalternative "die Einrichtungen hierzu bereitstellt" des § 284 Abs. 1 StGB, da er hier lebenden Spielern ermögliche, die Sportwetten des in Österreich ansässigen Anbieters abzuschließen. Selbst wenn der Antragsteller nicht selbst als Veranstalter anzusehen wäre, verstieße er mit seiner Tätigkeit zumindest gegen das Werbeverbot des § 284 Abs. 4 StGB und mache sich der Beihilfe zum unerlaubten Glücksspiel nach §§ 284, 227 schuldig. Der Antragsteller ermögliche dem Wetthalter die Ausdehnung seines Vertriebsgebietes nach Deutschland und leiste durch seine Vermittlungstätigkeit wissentlich einen fördernden Beitrag für die in Deutschland unerlaubte Tätigkeit des ausländischen Sportwettenunternehmers. Der ausländische Unternehmer veranstalte diese Sportwetten auch ohne behördliche Erlaubnis im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB. Insbesondere könne er sich nicht auf die ihm von seinem Heimatstaat, Österreich, erteilte Erlaubnis berufen. Es gebe weder im deutschen Recht noch im Europarecht eine Rechtsvorschrift, aus der sich ergebe, dass eine in Österreich erteilte Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten Wirkungen für Deutschland erziele. Die Gesetzgebungskompetenz und die Verwaltungszuständigkeit für die Zulassung von Glücksspielen in Deutschland lägen allein bei den Ländern. Schließlich weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass das europäische Recht der Anwendung der genannten Strafrechtsnormen nicht entgegenstehe.

Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand erscheint es bei summarischer Prüfung zweifelhaft, ob dieses Vorbringen der Antragsgegnerin im Rahmen des Hauptsacheverfahrens zum Erfolg verhelfen wird.

Der Senat geht jedenfalls in diesem Rechtsschutzverfahren ohne weitergehende Prüfung zugunsten der Antragsgegnerin davon aus, dass es sich bei den vom Antragsteller vermittelten Sportwetten um Glücksspiele im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB handelt. Das Verwaltungsgericht hat es jedoch zu Recht als zweifelhaft angesehen, ob der Antragsteller als Vermittler von Sportwetten überhaupt eine der Tathandlungen im Sinne der genannten Vorschrift begehen kann.

Fraglich ist zunächst, ob der Antragsteller durch das Vermitteln der Sportwetten Glücksspiele "veranstaltet". Veranstalter ist, wer verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glücksspiels schafft und der Bevölkerung dadurch den Abschluss von Spielverträgen ermöglicht (BGH, Urt. v. 28.11.2002 - 4 StR 260/02 -, DVBl. 2003, 669 ff). Dabei kommt es nach allgemeinem Verständnis auf die tatherrschaftlich-verantwortliche Schaffung der maßgebenden rechtlichen und organisatorisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Abhaltung des unerlaubten Glücksspiels an (vgl. Horn, Zum Recht der gewerblichen Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten, NJW 2004, 2047, 2053; Heine, Oddset-Wetten und § 284 StGB, wistra 2003, 441, 444, und Kühl, StGB, Komm., 25. Aufl., § 284 Rn. 11). Gerade unter Tatherrschaftsgesichtspunkten dürfte der Vermittler von Glücksspielen regelmäßig nicht als Veranstalter anzusehen sein (vgl. Horn, a.a.O., und Tröndle/Fischer, StGB, Komm., 52. Aufl., § 284 Rn. 11). Ob der Vermittler eines Glücksspiels (ausnahmsweise) als dessen Veranstalter anzusehen ist, hängt somit von den tatsächlichen Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (vgl. BGH, a.a.O.). Die in der Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin enthaltene Beschreibung des Tätigkeitsbereiches des Antragstellers spricht unter Tatherrschaftsgesichtspunkten nicht so sehr für, sondern eher gegen die Eigenschaft des Antragstellers als Veranstalter von Glücksspielen. Dem wird im Rahmen des Hauptsacheverfahrens jedoch abschließend nachzugehen sein.

Da auch die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht geltend macht, dass der Antragsteller Glücksspiele "hält", braucht dieser Tatbestandsalternive hier nicht weiter nachgegangen zu werden.

Ferner erscheint fraglich, ob die Antragsgegnerin sich mit Erfolg auf die Verwirklichung der dritten Tatbestandsalternative des § 284 Abs. 1 StGB ("die Einrichtungen hierzu bereitstellt") oder darauf berufen kann, der Antragsteller mache sich gemäß §§ 284, 27 StGB der Beihilfe zum unerlaubten Glücksspiel schuldig. Dem könnte entgegenstehen, dass die Firma C... Sportwettengesellschaft mbH auf Grund staatlicher Genehmigung des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung berechtigt ist, Sportwetten zu veranstalten (vgl. im Einzelnen Horn, a.a.O., S. 2053, f.). Dieser Rechtsfrage wird für den Fall weiter nachzugehen sein, dass sich im Rahmen des Hauptsacheverfahrens ergeben sollte, der Antragsteller komme als Veranstalter eines unerlaubten Glücksspiels nicht in Betracht. Lediglich aus Gründen der Klarstellung sei angemerkt, dass der vom Bundesgerichtshof am angegebenen Ort gemachte Hinweis, im Übrigen würde jedenfalls das festgestellte Verhalten des Angeklagten die Tatbestandsalternative des "Bereitstellens von Einrichtungen" erfüllen, im vorliegenden Fall keine abweichende Beurteilung rechtfertigt. Denn der Bundesgerichtshof hatte seinerzeit über einen Fall zu entscheiden, in dem es an einer Genehmigung für die Veranstaltung von Glücksspielen gänzlich fehlte.

Schließlich erscheint es zweifelhaft, ob der Antragsteller den Tatbestand der unerlaubten Werbung für ein Glücksspiel gemäß § 284 Abs. 4 StGB verwirklicht hat. Insoweit gelten die vorangehenden Ausführungen entsprechend.

Da sich bereits aus den vorangehend dargestellten Gründen hinreichende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Untersagungsbescheides ergeben, kann die Frage eines etwaigen Verstoßes der genannten strafrechtlichen Normen gegen das europäische Recht jedenfalls im Rahmen des vorliegenden Verfahrens unbeantwortet bleiben.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Zweifelsfragen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den Untersagungsbescheid der Antragsgegnerin auch nicht als offensichtlich rechtswidrig angesehen und daher im Rahmen der Vorschrift des § 80 Abs. 5 VwGO eine vom voraussichtlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung durchgeführt hat (vgl. auch Sächsisches OVG, Beschl. v. 22.12.2004 - 3 BS 405/03 -). Die insoweit vom Verwaltungsgericht angestellten Erwägungen sowie sein Abwägungsergebnis werden durch das diesbezügliche Vorbringen der Antragsgegnerin unter Ziffer 4 ihrer Beschwerdebegründung bereits deshalb nicht erschüttert, weil die Antragsgegnerin hierin unzutreffend davon ausgeht, es beständen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Untersagungsbescheides. Hingegen hat die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen das Aufschubinteresse des Antragstellers bei einer "hauptsacheunabhängigen" Interessenabwägung entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts hinter dem öffentlichen Vollzugsinteresse zurückzustehen hätte.

Die den Schließungsbescheid betreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts hat die Antragsgegnerin nicht gesondert (substantiiert) angegriffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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