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Beginn der Entscheidung

Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.09.2002
Aktenzeichen: 9 B 93/02
Rechtsgebiete: OStO, VwGO


Vorschriften:

OStO § 9 Abs. 2
VwGO § 123 Abs. 1 S 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

Az.: 9 B 93/02

In der Verwaltungsrechtssache

Streitgegenstand: Prüfungs- und Versetzungsrecht

- Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung -

hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 9. Kammer - am 11. September 2002 beschlossen:

Tenor:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig - bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren 9 A 331/02 - mit sofortiger Wirkung in die 5. Klasse aufzunehmen.

Die aufschiebende Wirkung der Klage (9 A 331/02) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26.06.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.08.2002 wird wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, sie - die Antragstellerin - im Schuljahr 2002/2003 bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren 9 A 331/02 mit sofortiger Wirkung in die 5. Klasse der Realschule der Antragsgegnerin aufzunehmen und ihr damit die Möglichkeit einzuräumen, die Klassenstufe 5 bei der Antragsgegnerin zu wiederholen.

Die am 15.06.1990 geborene Antragstellerin wurde 1997 in die Grundschule eingeschult und durchlief diese ohne Klassenwiederholungen. Zum Ende der Grundschulzeit wurde der Wechsel zur Realschule empfohlen; ihr Grundschulzeugnis der 4. Klasse wies im 2. Halbjahr in den Fächern Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachunterricht die Note 3, in den restlichen Fächern die Note 2 auf. Die Antragstellerin wechselte zu Beginn des Schuljahres 2001/2002 zunächst zum Gymnasium. Noch vor den Herbstferien meldeten die Eltern der Antragstellerin sie auf der Realschule der Antragsgegnerin an, da sie - die Antragstellerin - schon nach kurzer Zeit festgestellt habe, den Anforderungen auf dem Gymnasium nicht gerecht werden zu können. Nach dem 1. Schulhalbjahr auf der Schule der Antragsgegnerin erhielt die Antragstellerin das Zeugnis vom 16.01.2002, nach dem ihre schulischen Leistungen in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch und Biologie mit jeweils "4", im Fach Kunst mit "3" und in den Fächern Sport, Religion und Erdkunde mit jeweils "2" benotet wurden. Das Zeugnis enthält unter der Rubrik "Beurteilung des allgemeinen Lernverhaltens und des Sozialverhaltens" folgende Ausführungen:

"... sollte versuchen, ihre mündliche Mitarbeit wesentlich zu steigern. Sie ist noch zu zurückhaltend und schüchtern, ist aber schnell in die Klassengemeinschaft integriert worden. Besonders im Fach Mathematik hat sie Probleme, den Lernstoff umzusetzen. Im Schriftlichen muss sie noch sorgfältiger arbeiten. Ihre Hausaufgaben hat sie regelmäßig angefertigt. ... ist eine freundliche, in sich gekehrte Schülerin."

Unter "Bemerkungen" heißt es:

"Ihre Leistungen in Mathematik sind schwach ausreichend. Die Leistungen dürfen nicht weiter absinken, um das Aufsteigen in die R6 nicht zu gefährden."

Zum Schuljahresende der 5. Klasse erhielt die Antragstellerin das Zeugnis vom 26. Juni 2002, wonach die Leistungen in den Fächern Mathematik und Englisch mit "5", in Biologie mit "4", in Deutsch, Religion, Erdkunde und Kunst mit "3" und in den Fächern Sport und Musik mit "2" bewertet wurden. Unter "Bemerkungen" heißt es dort:

"... Leistungen im Fach Biologie waren nur schwach ausreichend."

Das Zeugnis enthält außerdem dem Vermerk:

"Sie ist schrägversetzt nach H6."

Die Eltern der Antragstellerin beantragten bei der Antragsgegnerin, ihr - der Antragstellerin- die Wiederholung der 5. Realschulklasse zu ermöglichen und legten gleichzeitig Widerspruch gegen die Schrägversetzung ein, der durch Bescheid vom 07.08.2002 zurückgewiesen wurde. Zugleich wurde der Sofortvollzug der Schrägversetzung angeordnet. Die Antragstellerin, die mittlerweile die H6 besucht, hat am 02.09.2002 Klage erhoben (vgl. 9 A 331/02), über die bisher nicht entschieden wurde. Bereits am 30.08.2002 hat sie um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

Ihr Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat Erfolg.

Zu Recht hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO beantragt. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht die Regelung des § 123 Abs. 5 VwGO entgegen, wonach der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht statthaft ist, soweit einstweiliger Rechtsschutz aufgrund der §§ 80, 80 a VwGO gewährt werden kann. Der Antrag der Antragstellerin bezieht sich in erster Linie darauf, vorläufig auf der bisher besuchten Schule der Antragsgegnerin die 5. Klasse wiederholen zu dürfen. Anspruchsgrundlage für ein solches Begehren ist § 9 Abs. 2 Orientierungsstufenordnung (OStO). Danach bedarf es einer Entscheidung der Klassenkonferenz über die Wiederholung, die den Charakter eines Verwaltungsaktes hat (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 7.12.1994 - 3 M 60/94, SchlHA 1995, 49 f). Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten kann insoweit über eine Verpflichtungsklage erreicht werden; der einstweilige Rechtsschutz wird nach Maßgabe des § 123 Abs. 1 VwGO gewährt. Allein durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hingegen könnte sie dieses Ziel nicht erreichen. Durch einen solchen würde lediglich die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Schrägversetzung, welche zum Schuljahreswechsel von Klassenstufe 5 nach Klassenstufe 6 ein Verwaltungsakt ist (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 07.12.1994, a.a.O.), wiederhergestellt. Dies hätte zur Folge, dass die Antragstellerin in die Klassenstufe 6 der Realschule aufsteigen würde, weil Schülerinnen und Schüler gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 OStO ohne Versetzung von der Klassenstufe 5 in die Klassenstufe 6 aufsteigen. Darauf ist das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin aber nicht gerichtet. Entsprechend § 88 VwGO ist ihr Antrag darüber hinaus dahingehend auszulegen, dass sie gleichzeitig anstrebt, die Wirkung der durch Bescheid vom 07.08.2002 angeordneten sofortigen Vollziehung der Schrägversetzung durch Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu beseitigen. Dieses Begehren ist dem Antrag auf Wiederholung der 5. Realschulklasse immanent.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch begründet. Die Antragstellerin hat den für den Erlass einer hier allein in Betracht kommenden Regelungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sowohl erforderlichen Anordnungsgrund als auch den Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Ihr steht ein Anordnungsgrund zur Seite, weil ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist. Die von ihr begehrte Wiederholung der 5. Realschulklasse macht nur Sinn, wenn diese am Anfang des Schuljahres 2002/2003, welches bereits begonnen hat, und nicht erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens stattfindet.

Ein Anordnungsanspruch ist nur dann gegeben, wenn eine aufgrund summarischer Prüfung vorzunehmende Beurteilung der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens ergibt, dass das Obsiegen in der Hauptsache zumindest überwiegend wahrscheinlich ist. Nimmt der Erlass der einstweiligen Anordnung - wie vorliegend - die Hauptsache im Wesentlichen vorweg, so sind an die Prognose der Erfolgsaussicht besondere Anforderungen zu stellen. Denn mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung kann grundsätzlich nicht etwas begehrt und im gerichtlichen Verfahren zugesprochen werden, was als Vorgriff auf den im Hauptsacheverfahren geltend zu machenden Anspruch anzusehen ist. Die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch sind im Fall der Vorwegnahme der Hauptsache nur glaubhaft gemacht, wenn eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit des Obsiegens besteht (OVG Schleswig, Beschluss vom 05.07.1995, Az.: 3 M 49/95). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Bei summarischer Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass der Antragstellerin ein Anspruch auf Befürwortung der Wiederholung der 5. Realschulklasse zusteht. Gemäß § 9 Abs. 2 OStO können Schülerinnen und Schüler der Realschule auf Antrag der Eltern in die Klassenstufe 5 oder 6 der gleichen Schulart zurücktreten, wenn die Klassenkonferenz dies befürwortet und das Ziel der Schule (hier: § 13 SchulG) noch in angemessener Zeit erreicht werden kann. Letztgenannte Voraussetzung wird von der Antragstellerin erfüllt. Die vorgeschriebene Schulbesuchsdauer, die gemäß § 13 Abs. 2 SchulG sechs Klassenstufen umfasst und nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SchulG insgesamt 12 Schuljahre nicht überschreiten darf, würde bei erstmaliger Wiederholung der 5. Klassenstufe von der Antragstellerin voraussichtlich nicht überschritten.

Auch die erste der Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 OStO wird im Falle der Antragstellerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfüllt sein. Die vorliegend getroffene Entscheidung der Klassenkonferenz der Antragsgegnerin vom 26. Juni 2002, bestätigt durch Beschluss der Widerspruchskonferenz vom 02.07.2002, die Befürwortung der Wiederholung der 5. Klasse im Falle der Antragstellerin nicht auszusprechen, ist rechtsfehlerhaft zustande gekommen, weil sie auf Beurteilungsfehlern beruht. Die Klassenkonferenz wird nach dem bisher bekannten Sach- und Streitstand mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verpflichtet sein, eine erneute - nunmehr beurteilungsfehlerfreie - Entscheidung zu treffen; derzeit ist überwiegend wahrscheinlich, dass hinreichende Gründe für eine Ablehnung der Befürwortung nicht bestehen, also eine beurteilungsfehlerfreie Entscheidung der Klassenkonferenz aller Voraussicht nach zu Gunsten der Antragstellerin ausfallen wird.

Zwar stellt die Befürwortung der Wiederholung eine pädagogische prognostische Entscheidung dar, für die der Klassenkonferenz ein Beurteilungsspielraum zusteht, in den das Gericht nicht eingreifen darf. Von der Klassenkonferenz ist nicht nur ein Leistungsurteil abzugeben, sondern aufgrund der gezeigten Leistungsansätze eine Prognose darüber zu treffen, auf welche Weise der Schüler bzw. die Schülerin am besten gefördert werden kann (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 10.06.1982 - 13 OVG A 60/81 - Schl.-H. A. 1984, S. 66 f). Die von der Klassenkonferenz getroffene Entscheidung ist aber in beschränktem Umfang überprüfbar, nämlich daraufhin, ob ihr ein Verfahrensfehler anhaftet, ob der Beurteilende von falschen Tatsachen ausgegangen ist, allgemeingültige Bewertungsgrundsätze beachtet hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen (vgl. ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit dem Urteil vom 24.04.1959 - VII C 104.58 - BVerwGE 8, 272, 274; so auch OVG Schleswig, Urteil vom 19.01.1996 - 3 L 38/95 -).

Die Antragsgegnerin hat in ihre Entscheidung nicht sämtliche die Antragstellerin betreffenden Tatsachen eingestellt. Das Ausgehen von einer lückenhaften Entscheidungsgrundlage ist gleichzusetzen mit der Situation, dass der Beurteilende von falschen Tatsachen ausgegangen ist. Unter Berücksichtigung sämtlicher Tatsachen vermag das Gericht aber nicht zu erkennen, dass die der Realschulempfehlung zugrundeliegende Prognose, welche am Ende der Grundschulzeit abgegeben worden war, bereits widerlegt ist. D. h. zum heutigen Zeitpunkt liegen nicht genügend Anhaltspunkte vor, die die Feststellung der Ungeeignetheit der Antragstellerin für den Besuch der Realschule abweichend von der Empfehlung rechtfertigen könnten.

Die Antragsgegnerin hat zur Begründung ihrer Entscheidung im Widerspruchsbescheid vom 07.08.2002 u. a. ausgeführt:

"Bereits die Klassenkonferenz vom 26.06.2002 hatte dazu festgestellt, dass ... in der Lage ist, im reproduzierenden Lernbereich zu befriedigenden Ergebnissen zu kommen, aber große Defizite bei Transferaufgaben zeigte. Sie hatte Probleme beim logischen Denken und beim Umsetzen von Strukturen oder Formeln in andere Kontexte. Obwohl ... eine gute Arbeitshaltung hatte und überwiegend gutes Konzentrationsvermögen zeigte, war sie zum Teil überfordert. Nach Rücksprache mit den Lehrerinnen der Grundschule zeigte ... auch schon früher Überforderungssymptome und zeigte nach Misserfolgserlebnissen nur wenig Selbstbewusstsein. Dieses ist also kein neues "Problem" und kann sicher nicht kurzfristig durch Ergotherapie behoben werden. ...'s Probleme an der Realschule sind nach Überzeugung der unterrichtenden Lehrkräfte keinesfalls mangelnde Konzentration oder eine gestörte Motorik, sondern die Schwierigkeit im Erfassen logischer Zusammenhänge. Die Klassenkonferenz hat auch beraten, ob eine Wiederholung der 5. Klasse in der Realschule sinnvoll sei, kommt aber zu dem Ergebnis, dass vermutlich auch auf diesem Wege keine grundsätzliche Verbesserung von ...'s Lernproblemen erreicht werden kann. Darum hält die Klassenkonferenz an dem Beschluss vom 26.06.2002 fest, ... nach den Bestimmungen der Orientierungsstufe in die 6. Klasse der Hauptschule schrägzuversetzen. Sie wird an der Hauptschule leistungsmäßig die Ansprüche erfüllen können und größere Anerkennung erfahren, die für ihre Persönlichkeitsentwicklung dringend notwendig ist."

Aus dem zu den Gerichtsakten gereichten Protokoll der Klassenkonferenz vom 02.07.2002 geht hervor, dass die Antragsgegnerin insbesondere beabsichtigte, die Antragstellerin vor einer überhöhten Erwartungshaltung ihrer Eltern zu schützen. Es heißt darin u.a. wörtlich:

"Trotz ...Žs befriedigender Leistungen in den Nebenfächern sprechen sich die anwesenden Lehrkräfte einstimmig gegen den Widerspruch der Eltern aus, um weiteren Druck auf ... durch Überforderung zu verhindern. Bedingt durch ...Žs extreme psychische Situation (sie möchte die Erwartungshaltung ihrer Eltern nicht enttäuschen, deshalb trat sie zunächst sogar dem Gymnasium (!) bei), wird ein Antrag auf Sofortvollzug gestellt, um ... den vorübergehenden Eintritt in eine neue 5. Realschulklasse zu ersparen."

Grundsätzlich ist das Interesse der Konferenz, Schülerinnen und Schüler vor überhöhten Erwartungen der Eltern schützen zu wollen, legitim. Daraus im vorliegenden Fall aber den Rückschluss zu ziehen, die Antragstellerin sei tatsächlich auf der Realschule überfordert, ist vor dem Hintergrund des hier gegebenen Sachverhalts falsch.

Die Antragsgegnerin lässt bei ihrer Entscheidung unberücksichtigt, dass die Antragstellerin in der 4. Klasse in sämtlichen Hauptfächern befriedigende und in den Nebenfächern gute Leistungen gezeigt hat, so dass der Entwicklungsbericht mit Schulartempfehlung vom 26.01.2001 zu Recht zu dem Ergebnis kommt, die Antragstellerin für geeignet zu halten, den Bildungsgang in der Schulart der Realschule fortzusetzen. Im Entwicklungsbericht heißt es in der zusammenfassenden Beurteilung:

"... folgte dem Unterricht lernwillig. Sie war aufmerksam und beteiligte sich nach Kräften. Ihre Auffassungsgabe war in Teilbereichen schon recht gut ausgeprägt. Komplexe mathematische Zusammenhänge erfasste sie noch langsam. Den Anforderungen der Grundschule konnte ... gerecht werden mit guten bzw. befriedigenden Leistungen."

Die von der Klassenkonferenz der Antragsgegnerin getroffenen Feststellungen, die auf der einen Seite mit "Problemen beim logischen Denken und Umsetzen von Strukturen oder von Formeln in andere Kontexte" und auf der anderen Seite mit einer "guten Arbeitshaltung und überwiegend guten Konzentrationsvermögen" umschrieben werden, stellen sich aus Sicht des Gerichts als folgerichtige Fortschreibung der Feststellungen des Entwicklungsberichts mit Schulartempfehlung vom 26.01.2001 dar. Darin hieß es u.a. "schriftliche Aufgaben erledigte sie gewissenhaft, fleißig und ausdauernd. Auftretende Schwierigkeiten im Aufgabenverständnis verunsicherten sie zunächst, sie konnte jedoch nach Hilfestellung eigenständig weiter arbeiten. Im Fach Mathematik fasste ... neue komplexe Sachverhalten teilweise noch recht langsam auf. ... konnte Eingeübtes wiedergeben und analog anwenden."

Daraus ergibt sich jedenfalls nicht, dass die Schulartempfehlung zu Unrecht ergangen war. Auch die Leistungssteigerung im Fach Deutsch von ausreichend im 1. Halbjahr der 5. Klasse auf befriedigend im 2. Halbjahr der 5. Klasse stützt die Richtigkeit der seinerzeit getroffenen Prognose, dass die Realschule die richtige Schulart für die Antragstellerin ist. Aus dem Protokoll der Widerspruchskonferenz vom 02.07.2002 ergibt sich, dass die mit mangelhaft in den Fächern Mathematik und Englisch sowie mit schwach ausreichend im Fach Biologie bewerteten Leistungen in die Entscheidung über die Schrägversetzung eingeflossen sind; die Notenverbesserung im A-Fach Deutsch hingegen findet nicht nur im Protokoll, sondern auch im Widerspruchsbescheid keine Erwähnung, so dass davon ausgegangen werden muss, dass diese nicht bei der Entscheidung der Antragsgegnerin berücksichtigt wurde.

Bereits aus dem Entwicklungsbericht ergibt sich, dass ... ein schüchternes Mädchen ist, dem manchmal das nötige Selbstvertrauen fehlt. Diese Einschätzung wurde auch von der Antragsgegnerin im Zeugnis des 1. Halbjahres der 5. Klasse bestätigt, indem es dort heißt: "Sie ist noch zu zurückhaltend und schüchtern......". Vor diesem Hintergrund ist es rechtsfehlerhaft, dass die Klassenkonferenz bei ihrer Entscheidung über die Schrägversetzung zur Hauptschule unberücksichtigt gelassen hat - was sich aus dem Protokoll der Klassenkonferenz vom 02.07.2002 ergibt - dass die Antragstellerin erst im Oktober 2001 vom Gymnasium zur Realschule gewechselt hatte. Die Antragsgegnerin hat die von der Antragstellerin gezeigten "Überforderungssymptome" lediglich im Kontext ihrer "Schwierigkeiten im Erfassen logischer Zusammenhänge" gewertet, dabei aber den Schulwechsel vom Gymnasium zur Realschule gänzlich außer Acht gelassen. Ein derartiger rückstufender Schulwechsel - noch dazu im laufenden Schuljahr - hat naturgemäß bei eher zurückhaltenden Schülerinnen und Schülern eine psychische Belastung zur Folge, die sich auf die Leistungen auswirken kann. Die Ungeeignetheit für die Realschule ergibt sich daraus aber nicht zwingend.

Diese Einschätzung wird auch von der Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin in ihrem Bericht über die Antragstellerin vom 27.08.2002 geteilt. Sie - die Ärztin - kommt zu dem Ergebnis, dass aufgrund des bisherigen Werdegangs der Antragstellerin die Wiederholung der letzten Klasse sinnvoller sein dürfte als die Herabstufung im schulischen Niveau. Ein Hinweis für Intelligenzmangel finde sich nicht, so dass sie - die Ärztin - sich vielmehr durch direkte pädagogische Maßnahmen für die Antragstellerin Hilfe verspreche.

Bei der Annahme der Klassenkonferenz, die Antragstellerin werde auch nach einer Wiederholung der Klassenstufe 5 das Ziel dieser Klassenstufe nicht erreichen, ist die Erfahrungstatsache unberücksichtigt geblieben, dass Schüler und Schülerinnen in einem Wiederholungsjahr, also bei erneuter Durchnahme des bereits bekannten Stoffs, zu Leistungssteigerungen fähig sind. Die Antragsgegnerin verkennt also zugleich, dass die von ihr mit der Schrägversetzung angestrebten "raschen schulischen Erfolgserlebnisse" auch bei einer Klassenwiederholung zu erwarten sind.

Besteht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Wiederholung der 5. Realschulklasse, ist die ausgesprochene Schrägversetzung mit derselben Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, so dass die aufschiebende Wirkung der Klage - 9 A 331/02 - wiederherzustellen war, um der Antragsgegnerin die Befugnis zu nehmen, die Schrägversetzung durchzusetzen.

Die Kostentscheidung zu Lasten der Antragsgegnerin folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. Da die Antragstellerin nicht nur die Schrägversetzung beanstandet, sondern darüber hinaus eine Entscheidung über die Wiederholung der 5. Realschulklasse begehrt, war der Auffangwert entsprechend § 5 ZPO zu verdoppeln.

Ende der Entscheidung

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