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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 08.06.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 135/04
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
ZPO § 150 Abs. 2
ZPO § 154
ZPO § 154 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 264 Nr. 2
ZPO § 529
ZPO § 533
ZPO § 533 Nr. 2
ZPO § 613 a Abs. 1 Satz 1
Zur tariflichen Einstufung eines bei dem Domowina-Bund Lausitzer Sorben als Redakteur einer Schülerzeitung eingesetzten Diplom-Sprachwissenschaftlers für Sorbisch.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 135/04

Verkündet am 08. Juni 2005

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 08.06.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 17.12.2003 - 1 Ca 1313/03 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die zutreffende Vergütung des Klägers.

Seine Anträge, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihn seit dem 01.07.2002 entsprechend der Vergütungsgruppe II BAT-O (VKA) zu vergüten und die nachzuzahlenden Beträge ab der monatlichen Fälligkeit des Gehalts mit (jedenfalls der Sache nach) fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen, hat das von ihm angegangene Arbeitsgericht Bautzen abgewiesen.

Von der erneuten Darstellung des Tatbestandes wird aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG im Wesentlichen abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand jenes Urteils Bezug genommen.

Lediglich ergänzend ist Folgendes festzuhalten:

In einem Schreiben des Klägers durch seine späteren Prozessbevollmächtigten an den Beklagten vom 28.12.2002 heißt es auszugsweise:

"...

Unser Mandant ist mit der Bezahlung nach BAT-O einverstanden. Er musste jedoch feststellen, dass er fehlerhaft eingruppiert wurde.

Die von Ihnen vorgenommene Eingruppierung unseres Mandanten in die Vergütungsgruppe IV b ist, wie von unserem Mandanten bereits beanstandet wurde, ersichtlich fehlerhaft. Zutreffend wäre die Eingruppierung (mindestens) in die Vergütungsgruppe II a (sic.), deren Tätigkeitsmerkmale von unserem Mandanten erfüllt werden.

..."

In dem Antwortschreiben des Beklagten vom 09.01.2003 heißt es auszugsweise:

"...

Nach der Ihrerseits erfolgten Erklärung im Schreiben vom 28.12.2002 dürfte Einverständnis darüber bestehen, dass eine Bezahlung Ihres Mandanten nach BAT-O erfolgt.

Sie gehen davon aus, dass die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IV b fehlerhaft erfolgt sei. Sie gehen weiterhin davon aus, dass eine Eingruppierung in die Vergütungsgruppe II a erfolgen müsse, denn Ihr Mandant, so Ihre Einschätzung, erfülle die Tätigkeitsmerkmale für die Vergütungsgruppe II a. Zugrunde zu legen ist für die Eingruppierung die ausgeübte Tätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers. Sie gehen davon aus, dass die Vergütungsgruppe II a anzuwenden sei. Wir gehen davon aus, dass Ihnen die Protokollnotizen der Anlage 1 a (B/TdL) Teil III P Redakteure vorliegend sind. Dementsprechend erfordert die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe II a ein Tätigsein in einer Nachrichtenabteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Sie werden sicherlich zugestehen, dass es sich bei der Tätigkeit Ihres Mandanten um keine Tätigkeit bei einer Bundesbehörde handelt.

Entsprechend gilt, dass Angestellte mit redaktionellen Tätigkeiten, die nicht den Vergütungsgruppen des vorgenannten Abschnitts aufgeführt sind, nach den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen unterhalb der Vergütungsgruppe II a einzugruppieren sind. Aufgrund dessen gelangt man im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass Ihr Mandant in die Vergütungsgruppe IV b der Anlage 1 a zum BAT-O (VKA) einzugruppieren ist ...

..."

Der Kläger hat gegen das ihm am 27.01.2004 zugestellte Urteil am 17.02.2004 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis 29.04.2004 am nämlichen Tag ausgeführt.

Beantragt hat er zunächst:

1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.07.2002 entsprechend der Vergütungsgruppe II BAT-O (VKA) zu vergüten.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.07.2002 entsprechend der Vergütungsgruppe IV a BAT-O (VKA) zu vergüten.

Höchst hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.07.2002 entsprechend der Vergütungsgruppe IV b BAT-O (VKA) zu vergüten.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die von ihm nachzuzahlenden Beträge ab der monatlichen Fälligkeit des Gehalts mit (der Sache nach) Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Der höchst hilfsweise angekündigte Antrag wurde in der Berufungsverhandlung nicht zur Entscheidung gestellt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

1. Der von den erstmals im Berufungsverfahren eingeführten Hilfsanträgen verbliebene Hilfsantrag stellt eine nach Maßgabe des § 533 ZPO im Berufungsverfahren zulässige Klageänderung dar.

Nach dieser Vorschrift ist eine Klageänderung (nur) zulässig, wenn

- der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und

- diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

Um eine Klageänderung handelt es sich. Zwar ist es nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird.

Darum handelt es sich hier nicht. Denn im Berufungsverfahren wird der Hauptantrag unverändert fortgeführt. Seine Beschränkung ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass ein Hilfsantrag gestellt wird, der eine niedrigere Vergütungsgruppe betrifft.

Die Klageänderung ist sachdienlich. Zu entscheiden ist hier darüber, ob der Kläger überhaupt Vergütung auf der Grundlage des BAT-O (VKA) beanspruchen kann. Betroffen ist davon sowohl die begehrte Vergütungsgruppe II als auch die hilfsweise begehrte Vergütungsgruppe IV a. Es entspricht der Prozesswirtschaftlichkeit und ist mithin sachdienlich, die für beide Vergütungsgruppen maßgebende Frage nach der Anwendbarkeit des BAT-O (VKA) noch im Berufungsverfahren zu beantworten. Dies erspart den Parteien einen weiteren Rechtsstreit darüber, ob der Kläger Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT-O (VKA) beanspruchen kann.

Die Klageänderung kann auch auf die i. S. des § 533 Nr. 2 ZPO maßgebenden Tatsachen gestützt werden. Denn entscheidend für beide in Anspruch genommene Vergütungsgruppen ist, ob die Parteien die Anwendbarkeit des BAT-O (VKA) vereinbart haben.

2. Auch an sich ist die Klage zulässig.

Es handelt sich hier mit Haupt- und Hilfsantrag um eine sog. Eingruppierungsfeststellungsklage. Eine solche ist auch im Bereich der Privatwirtschaft, wozu der Beklagte als eingetragener Verein rechnet, allgemein üblich und begegnet keinen prozessrechtlichen Bedenken (vgl. BAG vom 29.09.1991 - 4 AZR 87/91 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge Großhandel).

3. Nicht hingegen ist die Klage begründet.

Es ist nicht festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger seit dem 01.07.2002 entsprechend der Vergütungsgruppe II BAT-O (VKA) oder auch nur - auf den Hilfsantrag hin - entsprechend der Vergütungsgruppe IV a BAT-O (VKA) zu vergüten. Demgemäß besteht auch kein Zinsanspruch.

Die Vergütung des Klägers richtet sich schon nicht nach den Regelungen des BAT-O (VKA). Maßgebend ist vielmehr weiterhin die Tarifgruppe 6 des Entgelttarifvertrages vom 11.01.1995 zwischen dem Arbeitgeberverband für Verlage und Buchhandlungen einerseits und der Industriegewerkschaft Medien/Druck und Papier andererseits. Daran hat sich nichts dadurch geändert, dass Arbeitgeber des Klägers aufgrund der Regelung in § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB nunmehr der Beklagte ist.

Bereits in dem angegriffenen Urteil wird mit in jeder Hinsicht zutreffenden Erwägungen begründet, warum sich der Kläger schon nicht auf die Geltung des BAT-O (VKA) als Grundlage für seine Vergütung beziehen kann. Diesen Erwägungen ist zu folgen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Lediglich ergänzend und zusammenfassend sind die folgenden Ausführungen veranlasst:

a) Mangels Tarifbindung hätte es für eine Veränderung der Vergütungsgrundlage einer entsprechenden Vertragsänderung bedurft. Daran fehlt es jedoch.

Eine Änderung aufgrund des dem Kläger angesonnenen und auf den 01.07.2002 datierten Arbeitsvertrages hat nicht stattgefunden. Diesen Vertrag hat der Kläger nicht angenommen. Er hat nicht unterzeichnet.

Eine Annahme stellt auch nicht das Schreiben vom 28.12.2002 dar. Dieses enthält einen Veränderungswunsch hinsichtlich der Vergütungsgruppe. Eine Annahme unter Änderung gilt jedoch nach § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung (des Angebots) verbunden mit einem neuen Antrag.

Eine Annahme ist insoweit auch nicht dadurch erfolgt, dass sich der Kläger "mit der Bezahlung nach BAT-O einverstanden" erklärt hat. Dabei übersieht er, dass ihm von dem Beklagten nicht schlicht eine Bezahlung nach BAT-O - im Übrigen VKA - angeboten war, sondern eine solche nach BAT IV b BAT-O (VKA). Damit liegt ein sog. offener Einigungsmangel i. S. der Regelung des § 154 BGB vor. Nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB ist im Zweifel ein Vertrag nicht geschlossen, solange sich die Parteien nicht über alle Punkte eines Vertrages geeinigt haben, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll.

Ein solcher Punkt war hier eine bestimmte Vergütungsgruppe, die der Kläger unschwer aus dem Arbeitsvertragsentwurf entnehmen konnte und auch entnommen hat. Das folgt schon aus der mit Schreiben vom 28.12.2002 erhobenen Gegenvorstellung.

Eine Einigung auf die Bezahlung auf der Grundlage nach BAT-O (VKA) ist auch durch das Antwortschreiben vom 09.01.2003 nicht zustande gekommen. Dies würde voraussetzen, dass der Beklagte ein - gewissermaßen isoliertes - Angebot des Klägers nach Maßgabe des Schreibens vom 28.09.2002 angenommen hätte, unabhängig von der Vergütungsgruppe auf der Grundlage des BAT-O (VKA) zu vergüten.

Diesen Schein erweckt das Schreiben vom 09.01.2003 an seinem Anfang in der Tat. Bei vollständiger Lektüre ergibt sich jedoch, dass der Beklagte nicht davon abgerückt ist, den Kläger lediglich nach Maßgabe der Vergütungsgruppe IV b BAT-O (VKA) zu bezahlen. Erneut decken sich die Vorstellungen der Parteien damit nicht. Sieht man in dem Schreiben des Klägers vom 09.01.2003 das Angebot, wenigstens eine bestimmte Vergütungsgrundlage zu vereinbaren, wäre eben dies durch das vorgenannte Schreiben aufgrund der darin enthaltenen Einschränkung - Vergütung lediglich nach Vergütungsgruppe IV b - seinerseits durch den Beklagten abgelehnt worden. Auf die ihm angesonnene Vergütungsgruppe ist der Kläger seither und bis heute nicht eingegangen, so dass - mangels Kongruenz der Schreiben vom 28.12.2002 und 09.01.2003 - der Dissens der Parteien auch weiter fortbesteht.

Nachdem seitens des Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der Berufungsverhandlung erklärt wurde, dass die Angabe der Vergütungsgruppe in dem angesonnenen Arbeitsvertrag lediglich deklaratorische Bedeutung hätte haben sollen, ist nicht recht verständlich, warum sich der Kläger nicht wenigstens jetzt auf das - erkennbar fortbestehende - Arbeitsvertragsangebot eingelassen hat, um dann unter Berufung auf die sog. "Tarifautomatik" eine höhere Vergütung zu erstreiten.

Nach dem Vorstehenden kann dahinstehen, ob der Briefwechsel (§ 127 Abs. 2 Satz 1 BGB) dem Schriftformerfordernis für Vertragsänderungen nach Ziffer 20 Satz 1 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 01.10.1991 genügt.

b) Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, der Beklagte habe in Bezug auf ihn gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

Denn der Beklagte hat dem Kläger das gleiche Änderungsangebot unterbreitet wie den übrigen Arbeitnehmern. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, was den Beklagten hätte veranlassen können, ja veranlassen müssen, die angesonnene Vertragsänderung gegen den Willen des Klägers durchzusetzen. Eine Änderungskündigung mit diesem Ziel hätte im Zweifel zu keinem anderen Angebot geführt, dafür aber den Bestand des Arbeitsverhältnisses des Klägers gefährdet.

c) Unabhängig von dem Vorstehenden und selbständig tragend ist darauf hinzuweisen, dass die Tätigkeit des Klägers keine solche ist, die sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a BAT-O (VKA) heraushebt, weswegen keine Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT-O (VKA) und erst recht nicht nach Vergütungsgruppe II BAT-O (VKA) in Betracht kommt.

Es ergibt sich schon keine "besondere" Schwierigkeit aus den "besonderen Fähigkeiten und Kenntnissen hinsichtlich der Beherrschung der sorbischen und der deutschen Sprache sowie der sorbischen Literatur, Geschichte und Kultur und der sprachwissenschaftlichen Methoden, die Voraussetzung für die sachgerechte Erledigung der angeführten Arbeitsvorgänge ist" (Berufungsbegründung S. 8).

Insofern wird lediglich ein Tarifmerkmal ("besondere") wiederholt.

Der Hinweis auf Arbeitsvorgänge Nr. 1 bis 4 aus der Klageschrift vom 13.08.2003 (hier S. 6) führt lediglich zu den Tatsachen und Umständen, die eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe II BAT-O (VKA) hätten begründen sollen.

II.

Der Kläger hat aufgrund der Regelungen in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen. Einer Kostenentscheidung mit Blick darauf, dass der angekündigte weitere Hilfsantrag in der Berufungsverhandlung nicht gestellt wurde, bedarf es nach § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Gründen hierfür fehlt.

Ende der Entscheidung

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