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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 07.11.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 473/06
Rechtsgebiete: GG, SächsVerf., BGB


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1 Satz 1
SächsVerf. Art. 28 Abs. 1 Satz 1
BGB § 241 Abs. 2
BGB § 611
BGB § 622 Abs. 6
Eine Abrede grundrechtsgebundener Arbeitgeber, den Wechsel von Arbeitnehmern an eine Freigabeerklärung des abgebenden Arbeitgebers zu binden (hier: Beschluss der KMK betr. den Transfer von Lehrern im öffentlichen Schuldienst von Land zu Land), steht mit der durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG (inhaltsgleich SächsVerf. Art. 28 Abs. 1 Satz 1) gewährleisteten Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes nicht im Einklang.
Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS

Az.: 2 Sa 473/06

Chemnitz, 07.11.2006

In dem Rechtsstreit

wegen Freigabeerklärung/einstweiliger Verfügung/Berufung

hier: Entscheidung über die Kosten, nachdem der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt ist

hat die 2. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung nach Einreichung schriftsätzlicher Erledigungserklärungen der Parteien am 07.11.2006 beschlossen:

Tenor:

1. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

2. Der Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe:

I.

Die Parteien haben im Wege der einstweiligen Verfügung darüber gestritten, ob der Verfügungsbeklagte zur Abgabe einer sog. Freigabeerklärung bezogen auf die Bewerbung der Verfügungsklägerin um die Einstellung in den Schuldienst des Landes ... zum Schuljahr 2006/2007 verpflichtet ist.

Im Berufungsverfahren geht es nach Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen der Parteien jetzt noch um die Kostenlast.

Die am ...1967 geborene, einem am ...1990 geborenen Sohn unterhaltsverpflichtete Verfügungsklägerin ist seit dem 01.08.1990 als Lehrerin für Mathematik und Geografie - zuletzt an der Mittelschule des ... in ... - vollzeitbeschäftigte Angestellte des verfügungsbeklagten Freistaates Sachsen mit einer monatlichen Bruttovergütung von 3.500,86 €. Nach § 2 des Änderungsvertrages vom 18.09.1991 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts - manteltarifliche Vorschriften - des BAT-O vom 10.12.1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Die Niederschriftserklärung des verfügungsbeklagten Freistaates vom 23.06.2005 zum Abschluss eines Bezirkstarifvertrages zur Regelung von besonderen regelmäßigen Arbeitszeiten für angestellte Lehrkräfte der allgemeinbildenden Gymnasien (einschließlich Abendgymnasien und Kollegs) und der Mittelschulen (einschließlich Abendmittelschulen) lautet unter Ziffer 1 wie folgt:

"Der Freistaat Sachsen unterstützt interessierte Lehrkräfte bei einem Wechsel in andere Bundesländer. Dazu gehören insbesondere eine großzügige Freigaberegelung sowie die Gewährleistung einer von den anderen Bundesländern geforderten Bewährungsfeststellung für angestellte Lehrkräfte."

Die Kultusministerkonferenz fasste am 10.05.2001 einen Beschluss, welcher u. a. die Modalitäten eines beabsichtigten Wechsels der Lehrkräfte in den Schuldienst von dem einen Land in ein anderes Land beinhaltet. Insbesondere heißt es dort unter Ziffern 1.1 bis 1.3 wie folgt:

"1.1 Lehrkräfte können jederzeit an Bewerbungsverfahren in einem anderen Land teilnehmen. Sie sind verpflichtet, ihrer Bewerbung eine Erklärung über die Freigabe seitens ihrer Dienststelle beizufügen.

1.2 Die Länder verpflichten sich, Freigabeerkärungen so großzügig wie möglich unter Beachtung dienstlicher Interessen zu erteilen; sie kommen überein, eine Freigabeerklärung in der Regel nicht später als zwei Jahre nach der Erstantragsstellung auf Freigabe zu erteilen (z. B. beim Einsatz in abiturvorbereitenden Kursen oder bei schulspezifischen Mangelsituationen).

1.3 Die Familienzusammenführung steht für die Kultusministerkonferenz im Mittelpunkt der Bemühungen. Die Kultusministerkonferenz strebt an, in allen Ländern Freigabeerklärungen zur Familienzusammenführung zu erreichen. Sie appellieren an die Finanzminister, über die Regelung des § 107 b BeamtVG hinaus Versorgungsbezüge in diesen Fällen anteilig zu übernehmen. Eine entsprechende gesetzliche Festschreibung ist anzustreben."

Ferner heißt es in der Verfahrensabsprache zur Durchführung der Vereinbarung der Kultusministerkonferenz zur Übernahme von Lehrkräften aus anderen Ländern vom 10.05.2001 u. a. wie folgt:

"Grundsätze

Die Freigabeerklärung des abgebenden Landes ist Grundvoraussetzung für eine einvernehmliche Übernahme. Freigabeerklärungen sind auf der Grundlage des KMK-Beschlusses vom 10.05.2001 großzügig zu erteilen.

Verfahrensweisen

1.1 Die Freigabeerklärungen sind von der Schulbehörde schriftlich zu erteilen. Sie sollen die Übernahmetermine nennen, für die die Freigabeerklärung gilt. Die Freigabeerklärung soll einen Zeitpunkt nennen, bis zu dem die Übernahmeabsicht der aufnehmenden Schulbehörde bei der abgebenden Schulbehörde vorliegen muss.

1.2 Unmittelbar nach der Auswahlentscheidung informiert die für die Einstellung zuständige Schulbehörde die Schulbehörde des abgebenden Landes, die die Freigabeerklärung erteilt hat, über die beabsichtigte Übernahme.

Die Übernahmeerklärung soll spätestens einen Monat vor dem Übernahmetermin bei der Schulbehörde des abgebenden Landes eingegangen sein. Geht die Erklärung später ein, so kann die Schulbehörde des abgebenden Landes den Übernahmetermin in Verhandlungen mit dem aufnehmenden Land hinausschieben."

Ferner heißt es unter Ziffer 3.2:

"Die Vereinbarung gilt sowohl für beamtete als auch für unbefristet angestellte Lehrkräfte. Bei beamteten Lehrkräften erfolgt die Übernahme durch Versetzung, bei angestellten Lehrkräften durch Auflösungsvertrag und Neueinstellung."

Am 01.07.2004 erwarb die Verfügungsklägerin im Rahmen der berufsbegleitenden Weiterbildung die unbefristete Lehrerlaubnis zur Erteilung von Unterricht an Förderschulen für Behinderte. Die Prüfung schloss sie mit der Gesamtnote für die sonderpädagogische Fachrichtung sehr gut bis gut (1,5) ab. Ferner erwarb die Verfügungsklägerin am 15.07.2005 im Rahmen schulpraktischer Bewährung die Lehrbefähigung in der sonderpädagogischen Fachrichtung zur Erteilung von Unterricht in der sonderpädagogischen Fachrichtung Körperbehindertenpädagogik an Schulen für Körperbehinderte. Die Prüfungslehrprobe absolvierte sie mit der Note sehr gut (1,0).

Mit Schreiben vom 20.10.2005 beantragte die Verfügungsklägerin - wie in einem persönlichen Gespräch am 19.10.2005 besprochen - neben der Versetzung in den Schuldienst des Landes ... die Freilassung aus dem Angestelltenverhältnis mit dem Verfügungsbeklagten. Zur Begründung führte die Verfügungsklägerin aus, ein Umzug nach ... erfolge aus mehreren persönlichen Gründen.

Darauf antwortete das Regionalschulamt ... des Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 14.12.2005. Weil die Freigabe aufgrund der Personalsituation an der Schule für Körperbehinderte "..." in ... nur bei Ersatz möglich sei, könne die Freigabeerklärung nicht pauschal abgegeben werden. Mit E-Mail vom 09.01.2006 erklärte der zuständige Referatsleiter des Regionalschulamtes der Verfügungsklägerin, sie habe die Möglichkeit, ihr Arbeitsverhältnis nach § 53 BAT-O ordentlich zu kündigen. Nach diversen Nachfragen der Verfügungsklägerin teilte ihr der Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 04.04.2006 endgültig mit, die begehrte Freigabeerklärung werde nicht erteilt. Gleichzeitig wurde auf die Möglichkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu den maßgeblichen Kündigungsfristen hingewiesen. An den Förderschulen - allein am sonderpädagogischen Förderzentrum für Körperbehinderte in ... - bestehe ein Bedarf von 80 Stunden. Dies entspreche drei Stellen. Die Personalsituation lasse es derzeit nicht zu, eine ersatzlose Freigabe der Verfügungsklägerin zu befürworten. Diese Entscheidung sei unter sorgfältiger Abwägung der öffentlichen Belange (Sicherung der Unterrichtsversorgung) und der Interessen der Verfügungsklägerin getroffen worden.

Mit Schreiben vom 21.04.2006 teilte der Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin mit, auch die Übernahme von im Schuldienst stehenden Lehrkräften im Einigungsverfahren zwischen den Ländern im Wege des Tauschverfahrens sei gescheitert. Es habe zum Tauschtermin am 01.08.2006 zwar ein Antrag einer Lehrkraft auf Versetzung/Übernahme im Rahmen des Lehrertauschverfahrens aus ... in den Freistaat vorgelegen; dieser sei jedoch noch vor den Tauschverhandlungen aus persönlichen Gründen zurückgezogen worden. Gleichzeitig wurde die Verfügungsklägerin nochmals darauf hingewiesen, dass es ihr - wenn keine Freigabeerklärung erfolge - unbenommen bleibe, ihr Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfristen zu beenden.

Die Verfügungsklägerin hat vorgetragen, bei ihrer Bewerbung um die Einstellung in den niedersächsischen Schuldienst zum 28.08.2006 für Sonderpädagogik läge sie vor den anderen Mitbewerbern auf Platz eins. Ihre Bewerbung um die Übernahme in den Schuldienst des Landes ... diene der Familienzusammenführung. Ihre Eltern seien auf der ... Straße ... in ... wohnhaft. Die Mutter habe das 69. Lebensjahr, der Vater das 70. vollendet. Der Vater leide seit 1990 an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und hätte einen Herzinfarkt erlitten. Sie fühle sich daher aus familiären Gründen verpflichtet, für ihre gebrechlichen Eltern zu sorgen. Zwar seien auch ihre Geschwister in der Nähe wohnhaft. Diesen sei die Betreuung der Eltern aber aufgrund eigener Berufsausübung (Schuldienst) in dem bisherigen Umfang nicht mehr zuzumuten. Ferner sei ihr Lebensgefährte bei einem Unternehmen in ... beschäftigt. Er übe seine Tätigkeit hauptsächlich in ..., in ... sowie im west-, nordwest- und süddeutschen Raum als Monteur aus. Auch aus diesem Grund sei ein Umzug angezeigt. Im Übrigen habe sie zwischenzeitlich Dispositionen bezüglich ihres Umzuges nach ... getroffen. Sie habe dort bereits eine Wohnung angemietet, ferner ihren Sohn zum Schuljahr 2006/2007 in der ...-Schule in ... angemeldet.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt,

den Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung zur Abgabe der Freigabeerklärung bezogen auf ihre Bewerbung um die Einstellung in den Schuldienst des Landes ... zum Schuljahr 2006/2007 zu verurteilen.

Der Verfügungsbeklagte hat beantragt,

die Verfügungsklage abzuweisen.

Für den geltend gemachten Antrag gäbe es weder einen Verfügungsanspruch noch einen Verfügungsgrund. Die Verfügungsklägerin sei mehrfach durch ihn auf die Möglichkeit der Kündigung hingewiesen worden. Sie habe nicht darauf vertrauen dürfen, ihr werde eine Freigabeerklärung erteilt. Entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin bestehe auch kein Anspruch auf eine Freigabeerklärung nach dem Bezirkstarifvertrag vom 21.06.2005. Insbesondere ergebe sich ein solcher Anspruch auch nicht aus Ziffer 1 der Niederschriftserklärung des Verfügungsbeklagten zum Abschluss eines Bezirkstarifvertrages Gymnasien/Mittelschulen. Dort sei lediglich eine Absichtserklärung festgehalten, welche aber keine unmittelbaren Rechtsansprüche begründe. Außerdem betreffe die Erklärung nur Lehrkräfte der allgemeinbildenden Gymnasien und der Mittelschulen. Dies ergebe sich bereits aus der Überschrift der Niederschriftserklärung, welche auf den Bezirkstarifvertrag Gymnasien/Mittelschulen Bezug nehme. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus Ziffer 8 der Niederschriftserklärung, welche eine ausdrückliche Regelung hinsichtlich der an berufsbildenden Schulen beschäftigten Allgemeinbildner enthalte. Nur in den in dem Bezirkstarifvertrag genannten Schularten bestehe ein erheblicher Stellenüberhang. Die Absichtserklärung beziehe sich nicht auf den Förderschulbereich, in welchem ein erheblicher Lehrerstundenbedarf bestehe. Die Verfügungsklägerin habe auch keinen Anspruch auf eine Freigabeerklärung aus dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.05.2001. Die Verfügungsklägerin könne aus einer zwischen den Ländern getroffenen Vereinbarung über das Verfahren bei der Übernahme von im Schuldienst stehenden Lehrkräften keine Ansprüche herleiten. Im Übrigen lägen die dort angeführten Voraussetzungen nicht vor. Nach Ziffer 1.2 verpflichteten sich die Länder, Freigabeerklärungen so großzügig wie möglich unter Beachtung dienstlicher Interessen zu erteilen. Ferner seien sie übereingekommen, eine Freigabeerklärung in der Regel nicht später als zwei Jahre nach der Erstantragstellung auf Freigabe zu erteilen. Nach Ziffer 1.3 stehe für die Kultusministerkonferenz die Familienzusammenführung im Mittelpunkt der Bemühungen. Die Verfügungsklägerin habe erstmals am 20.10.2005 einen Antrag auf Freilassung aus dem Angestelltenverhältnis gestellt, so dass sie erst eine kurze Wartezeit absolviert habe. Dem Antrag habe nicht stattgegeben werden können, weil die Personalsituation an der Schule für Körperbehinderte "..." in ... dies nicht zulasse. Dort bestehe für das Schuljahr 2006/2007 ein offener Bedarf von 106 Wochen-Unterrichtsstunden. Die Freigabeerklärung der für den Förderbereich besonders qualifizierten Verfügungsklägerin hätte angesichts der bereits sehr angespannten Personalsituation erhebliche Auswirkungen auf die Absicherung des Unterrichts. Die Absicherung der Unterrichtsversorgung sei auch nicht durch die Lehrkraft einer anderen Förderschule unter Berücksichtigung der Abschlüsse möglich. So sei die Umsetzung von Lehrkräften mit sonderpädagogischer Ausbildung in die Fachrichtung Körperbehindertenpädagogik von den Schulen für geistig Behinderte nicht möglich, weil dort ebenfalls Schüler mit körperlichen Beeinträchtigungen unterrichtet würden. Im Übrigen ergebe sich aus der Aufstellung des Lehrerstundenbedarfs an Förderschulen für das Schuljahr 2006/2007, dass an den Förderschulen bereits ein erheblich offener Bedarf von 1.044,25 Wochen-Unterrichtsstunden bestünde. Lehrkräfte ohne sonderpädagogische Ausbildung könnten aufgrund der spezifischen Schülerklientel in den verschiedenen Förderschularten nicht beliebig eingesetzt werden, so dass eine Kompensation durch Abordnung von Lehrkräften von anderen Schularten nicht in Betracht käme. Die Verfügungsklägerin habe im Übrigen nicht glaubhaft gemacht, dass der beabsichtigte Wechsel in den niedersächsischen Schuldienst nach ... der Familienzusammenführung diene, denn eine Zusammenführung mit Kindern und Ehegatten sei nicht beabsichtigt. Es sei nicht glaubhaft, dass die Eltern zwingend auf die Betreuung gerade durch die Verfügungsklägerin angewiesen seien, zumal nach den Angaben der Verfügungsklägerin bereits ihre Geschwister dort lebten. Nicht glaubhaft sei außerdem, wie die Verfügungsklägerin die Eltern ungeachtet der nicht unerheblichen Entfernung von ca. 40 bis 50 km betreuen wolle. Es verwundere auch, dass die Eltern nunmehr plötzlich zum Schuljahr 2006/2007 auf die Nähe der Tochter angewiesen sein sollten, wenn der Vater schon seit 1990 invalidisiert sei. Es müsse daher bestritten werden, dass die Eltern auf die Pflege durch die Verfügungsklägerin angewiesen seien. In dem Personalgespräch am 17.10.2006 habe die Verfügungsklägerin noch ihren Lebensgefährten als maßgeblichen Grund für den beabsichtigten Wechsel genannt. Da dieser nicht im Umkreis von ... beschäftigt sei, könne von einer Familienzusammenführung in ... keine Rede sein. Es fehle außerdem an einem Verfügungsgrund. Die einstweilige Verfügung würde im vorliegenden Fall zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen.

Das von der Verfügungsklägerin angegangene Arbeitsgericht Bautzen hat die beantragte einstweilige Verfügung erlassen.

Der Verfügungsbeklagte hat gegen das ihm am 26.06.2006 zugestellte Urteil am 29.06.2006 Berufung eingelegt und diese am 16.08.2006 ausgeführt. Er hat die Verfügungsklage für unzulässig sowie mangels Verfügungsanspruchs und -grundes für unbegründet gehalten und angekündigt zu beantragen, die Verfügungsklage unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils abzuweisen.

Die Verfügungsklägerin hat das angefochtene Urteil verteidigt.

Wegen der Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens beider Parteien sowie der von ihnen geäußerten Rechtsansichten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Mit Berufungsbeantwortung vom 28.09.2006 sowie Schriftsatz vom 30.10.2006 haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

II.

Dieser Beschluss ist von dem Vorsitzenden aufgrund der Regelung in § 64 Abs. 7 i. V. m. § 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG allein zu erlassen. Denn die Entscheidung ergeht nicht aufgrund einer mündlichen Verhandlung, was aufgrund der Regelung in § 128 Abs. 3 ZPO möglich ist. Gegenteiliges (vgl. § 53 Abs. 1 ArbGG) sieht das Gesetz auch nicht vor.

1. Mit Blick auf die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien ist festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt ist.

2. Hier ist nicht entsprechend der Regelung in § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO - wie sonst - auszusprechen, dass das angefochtene Urteil wirkungslos ist. Denn das Arbeitsgericht hat die Abgabe einer Willenserklärung im Wege der hier zulässigen Leistungsverfügung (vgl. OLG Köln vom 07.12.1995 - 18 U 93/95 - NJW-RR 1997, 59) ausgeurteilt.

Diese Verfügung ist vollzogen. Das Urteil hat sich gewissermaßen selbst exekutiert. Es kam entgegen der von dem Verfügungsbeklagten vertretenen Rechtsauffassung nicht darauf an, dass das arbeitsgerichtliche Urteil noch keine Rechtskraft erlangt hatte, wie dies § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorsieht. Denn diese Vorschrift ist im Rahmen einer im Wege der einstweiligen Verfügung ausgeurteilten Abgabe einer Willenserklärung nicht anwendbar. Die Frage, ob eine Leistungsverfügung statthaft war, ist davon zu trennen.

3. Allerdings ist die aus Ziffer 2 des Tenors dieses Beschlusses ersichtliche Kostenentscheidung zu treffen:

Haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt - wie hier -, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen (durch Beschluss), vgl. § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Der bisherige Sach- und Streitstand ist dadurch geprägt, dass die zulässige Berufung als unbegründet hätte zurückgewiesen werden müssen. Denn die vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Verfügungsklage war zulässig und begründet.

a) Die Verfügungsklage war hier als Antrag auf Erlass einer Leistungsverfügung statthaft.

Nach § 938 Abs. 1 ZPO bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zwecks der einstweiligen Verfügung erforderlich sind.

Zweck war es hier, die durch die Weigerung des Verfügungsbeklagten zu besorgende Vereitelung des Rechts der Verfügungsklägerin auf freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Verfügungsbeklagten) zu verhindern. Denn ohne Freigabeerklärung wäre die Verfügungsklägerin durch das Land ... nicht eingestellt worden.

Die Verfügungsklägerin war auf die sofortige Erfüllung ihres Anspruchs auf Abgabe der Freigabeerklärung aus den von ihr dargelegten Gründen auch dringend angewiesen. Die Abweisung ihrer Verfügungsklage wäre - gemessen daran - einer endgültigen Rechtsverweigerung gleichgekommen. Demgegenüber fehlt es dem verfügungsbeklagten Land - von den Verfahrensgrundrechten einmal abgesehen - prinzipiell an der eigenen Grundrechtsfähigkeit. Jedenfalls genießen die von ihm gegen den Erlass einer Leistungsverfügung geltend gemachten Gründe keinen Verfassungsrang.

Die Verfügungsklage ist auch hinreichend präzise. Der Verfügungsbeklagte kann aus ihr selbstverständlich genau entnehmen, was die Verfügungsklägerin von ihm begehrt. Verständlich ist die Verfügungsklage sogar für außenstehende Dritte. Denn das Land ... hat die Verfügungsklägerin aufgrund der die verweigerte Freigabeerklärung ersetzenden Verfügung schließlich eingestellt.

b) Der Anspruch auf Abgabe der Freigabeerklärung ergab sich aus dem (mittlerweile: früheren) Arbeitsvertrag der Parteien i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB.

Nach § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis - mithin auch ein Arbeitsverhältnis - nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Den Rechten der Verfügungsklägerin wurde die Verweigerung der Freigabeerklärung nicht gerecht. Gerecht wird ihren Rechten nur die Abgabe der Freigabeerklärung, weshalb sie der Verfügungsbeklagte zu erteilen hatte.

Aufgrund der bestehenden vertraglichen Anspruchsgrundlage kann dahinstehen, ob die Verfügungsklägerin gegen den Verfügungsbeklagten Anspruch auf Abgabe der Freigabeerklärung auch aus § 1004 BGB (entsprechend) mit dem Ziel der Beseitigung einer Beeinträchtigung ihrer Rechte (Folgenbeseitigung) oder aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger oder gar schikanöser Verweigerung der Freigabeerklärung gehabt hätte.

Sowohl nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG als auch nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Verfügungsbeklagten ist neben der freien Wahl des Berufs auch die freie Wahl des Arbeitsplatzes garantiert. Während es bei der Berufswahl um die Entscheidung des Einzelnen geht, auf welchem Feld er sich beruflich betätigen will, betrifft die Arbeitsplatzwahl die Entscheidung, an welcher Stelle er dem gewählten Beruf nachgehen möchte. Die Arbeitsplatzwahl ist folglich der Berufswahl nachgeordnet und konkretisiert diese. Sie ist umgekehrt der Berufsausübung vorgeordnet, die erst an dem gewählten Arbeitsplatz stattfindet. Dabei darf dieser Begriff nicht allein oder auch nur in erster Linie räumlich verstanden werden. Bei der Wahl des Arbeitsplatzes geht es vielmehr um die Entscheidung für eine konkrete Betätigungsmöglichkeit oder ein bestimmtes Arbeitsverhältnis. Gegenstand des Grundrechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes ist dementsprechend zunächst der Entschluss des Einzelnen, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen. Dazu zählt namentlich bei abhängig Beschäftigten auch die Wahl des Vertragspartners samt den dazu notwendigen Voraussetzungen, insbesondere der Zutritt zum Arbeitsmarkt. Ebenso wie die freie Berufswahl sich nicht in der Entscheidung zur Aufnahme eines Berufs erschöpft, sondern auch die Fortsetzung und Beendigung eines Berufs umfasst, bezieht sich die freie Arbeitsplatzwahl neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung auch auf den Willen des Einzelnen, diese beizubehalten oder aufzugeben. Das Grundrecht entfaltet seinen Schutz demnach gegen alle staatlichen Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken. Das ist u. a. vor allem dann der Fall, wenn der Staat den Einzelnen am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindert (vgl. BVerfG vom 24.04.1991 - 1 BvR 1341/90 - BVerfGE 84, 133, 146).

Das gilt auch für Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst (BVerfG vom 24.04.1991 a. a. O., 147). Ob aus Gründen des Versorgungsrechts auch für Beamte und Richter, bedarf hier keiner Entscheidung, denn die Verfügungsklägerin ist als Angestellte in der bundesweiten gesetzlichen Rentenversicherung zu versichern. Einer Nachversicherung durch den Verfügungsbeklagten - wie bei ausscheidenden Beamten und Richtern - bedarf es nicht.

Eine Abrede der Bundesländer - wie hier -, die den Wechsel von Beschäftigten in ein anderes Land von einer Freigabeerklärung des abgebenden Landes abhängig macht, stellt einen Eingriff in den skizzierten Schutzbereich des Grundrechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes dar.

Dieser Eingriff ist hier schon deshalb unzulässig, weil er nicht - wie in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG bzw. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Verfügungsbeklagten aber vorgeschrieben - durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgt. Ministerbeschlüssen oder Verwaltungsvereinbarungen der Länder kommt schon kein Rechtsnormcharakter zu. Geeignete Grundlage ist jedenfalls nicht das Schulgesetz des Verfügungsbeklagten, das auch in seiner Bestimmung in seinem § 40 über die Personalhoheit über Lehrer keine Regelung über den Transfer von Beschäftigten in ein anderes Bundesland kennt.

Mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage kann dahinstehen, ob der Grundrechtseingriff hier verhältnismäßig ist. Dagegen streitet allerdings, dass die Bindung eines Arbeitsplatzwechsels an eine Freigabeerklärung im Ergebnis einen arbeitgeberseitigen Kündigungsschutz vor Abgang eigenen Personals begründet, welcher Schutz gesetzlich nicht vorgesehen ist. Dagegen streitet weiter, dass die Bindung an eine Freigabeerklärung das Arbeitsverhältnis mit einer Hypothek belastet, die ohne Beteiligung des Arbeitnehmers von Dritten zu seinen Lasten bestellt wird. Die hier in Rede stehenden Regelungen der Kultusministerkonferenz kommen - m. a. W. - einem unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter gleich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Abmachung von Arbeitgebern herrührt, denen eine Art Monopolstellung auf dem Arbeitsmarkt für Lehrer zukommt und die den Marktzugang (einem Kartell nicht unähnlich ) abschotten (zur Problematik des Transfersystems im Profisport vgl. BAG 20.11.1996 - 5 AZR 518/95 - EzA § 611 BGB Berufssport Nr. 9).

Schließlich streitet dagegen, dass die Bindung an eine Freigabeerklärung ohne Kompensation erfolgt, die das Gesetz aber sonst bei berufsbeschränkenden Abreden - wie etwa bei Wettbewerbsverboten in Form von Karenzentschädigungen - vorsieht.

Es ist zwar richtig, dass auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vertragliche Berufsbeschränkungen möglich sind (vgl. BVerfG vom 07.02.1990 - 1 BvR 26/84 - BVerfGE 81, 242, 254 [Handelsvertreter]). So können eben etwa Wettbewerbsabreden getroffen oder beispielsweise Kündigungsfristen (dann aber wegen § 622 Abs. 6 BGB nur für beide Seiten gleich) verlängert oder für den Fall der Eigenkündigung Rückzahlungsklauseln (etwa hinsichtlich Fortbildungskosten) verabredet werden.

Jedenfalls an Abreden entsprechenden Inhalts unter Beteiligung der Verfügungsklägerin fehlt es aber. Einen Ausweg bietet auch nicht der vom Verfügungsbeklagten mehrfach wiederholte Hinweis darauf, dass die Verfügungsklägerin ja kündigen könne und dann keiner Freigabeerklärung mehr bedürfe. Dieses Argument stellt nicht in Rechnung, dass sich die Verfügungsklägerin auch dann während des Bestehens ihres Arbeitsverhältnisses nicht erfolgreich auf eine Stelle in einem anderen Bundesland bewerben konnte. Mit der Eigenkündigung hätte sie zunächst einmal nur ihren bestehenden Arbeitsplatz aufgegeben, ohne im Besitz einer Freigabeerklärung und ohne Einstellung in ... für die Zeit nach dem Kündigungstermin zu sein.

Eben dies kann - und hat - die Verfügungsklägerin zunächst von dem Ausspruch einer Eigenkündigung abgehalten. Damit erweist sich die Bindung einer Einstellung an die Abgabe einer Freigabeerklärung (auch) einfach-rechtlich als Verstoß gegen den sich aus § 622 Abs. 6 BGB ergebenden allgemeinen Grundsatz, dass die ordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer gegenüber der des Arbeitgebers nicht erschwert werden darf (vgl. BAG 06.09.1989 - 5 AZR 586/88 - EzA § 622 BGB n. F. Nr. 26 zu § 622 Abs. 5 BGB a. F.; APS/Linck § 622 BGB Rdnr. 173; ErfK/Müller-Glöge § 622 BGB Rdnr. 101), weswegen auch faktische Kündigungsbeschränkungen, die zwar nicht unmittelbar auf die Wirksamkeit der Kündigung, wohl aber auf den Kündigungsentschluss des Kündigungsberechtigten Einfluss zu nehmen suchen, zu Lasten des Arbeitnehmers unzulässig sind (Staudinger/Preis § 622 BGB Rdnr. 53; KR-Spilger § 622 BGB Rdnr. 119).

c) Es bestand auch ein Verfügungsgrund.

Die Verfügungsklägerin konnte nicht auf ein u. U. mehrere Jahre dauerndes Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Denn dadurch wäre die Realisierung des Rechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes der Verfügungsklägerin zum Antritt in ... zum Schuljahr 2006/2007 vereitelt worden, obzwar es offensichtlich an einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage fehlt.

4. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Einer Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht. Denn sie kann schon nicht zugelassen werden. Sie wäre hier schon deshalb nicht statthaft, weil selbst gegen ein Berufungsurteil - also in der Sache - Revision nicht zulässig gewesen wäre (vgl. § 72 Abs. 4 ArbGG sowie §§ 574 Abs. 1 Satz 2, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO; BGH vom 08.05.2003 - I ZB 41/02 - dok. in JURIS; Beschluss der erkennenden Kammer vom 26.10.2005 - 2 Sa 641/05 - dok. in JURIS; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 78 Rdnr. 42). In einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes - wie hier - wäre eine Rechtsbeschwerde selbst dann nicht zulässig, wenn das Landesarbeitsgericht in der Sache durch Beschluss entschieden und dann die Rechtsbeschwerde zugelassen hätte (keine Bindung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG vom 22.01.2003 - 9 AZB 7/03 - EzA § 72 ArbGG 1979 Nr. 29).

Ende der Entscheidung

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