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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 26.10.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 641/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 a Abs. 1 Satz 1
Das Androhen, arbeitsrechtliche Konsequenzen aus der Weigerung zu ziehen, eine bestimmte Tätigkeit wahrzunehmen, ergibt für sich allein keinen Verfügungsgrund für eine Verfügungsklage auf Beschäftigung mit der bisherigen Tätigkeit
Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS

Chemnitz, 26.10.2005

2 Sa 641/05

In dem Rechtsstreit

...

wegen vertragsgemäßer Beschäftigung/Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hier: Berufungsverfahren

hat die 2. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch ihren Vorsitzenden, den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ..., sowie durch die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2005 beschlossen:

Tenor:

1. Der Rechtsstreit ist aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Parteien in der Hauptsache erledigt.

2. Damit ist das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 16. Juni 2005 - 16 Ga 36/05 - wirkungslos.

3. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe:

I.

Die Parteien haben auf den beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung darüber gestritten, wie die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin zu beschäftigen hat.

Die Verfügungsbeklagte hat die Verfügungsklägerin mit Schreiben vom 13.06.2005 mit Wirkung vom 27.06.2005 beauftragt, vertretungsweise - zunächst für die Dauer der krankheitsbedingten Unterbrechung der Frau ..., längstens jedoch bis zum 30.09.2005 - die Aufgaben einer sog. Teamleiterin U 25 wahrzunehmen.

Die Verfügungsklägerin hat die Auffassung geäußert, dass die Wahrnehmung dieser Aufgabe nicht vertragsgemäß sei.

Auf ihren Antrag hin hat das Arbeitsgericht Leipzig die Verfügungsbeklagte verurteilt, die Verfügungsklägerin über den 26.06.2005 hinaus als Berufsberaterin oder mit einer gleichwertigen Tätigkeit der Vergütungsgruppe I b MTA-O zu beschäftigen.

Geltend gemacht als Verfügungsgrund hatte die Verfügungsklägerin den Umstand, nicht vertragsgemäß beschäftigt zu werden. Geltend gemacht als Verfügungsgrund hat sie weiter den Umstand, dass ihr seitens der Verfügungsbeklagten arbeitsrechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt worden seien, sollte sie die angewiesene Tätigkeit nicht wahrnehmen.

Die Verfügungsbeklagte hat gegen das ihr am 30.06.2005 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil am 29.07.2005 Berufung eingelegt und am 26.08.2005 ausgeführt.

In der Berufungsverhandlung hat sich ergeben, dass sich die personelle Maßnahme erledigt hat. Daraufhin haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

In der Berufungsverhandlung hat die Verfügungsklägerin auf die diesbezügliche Frage der Berufungskammer erklärt, über die bis dahin vorgebrachten Tatsachen zur Begründung eines Verfügungsgrundes hinaus nichts ergänzen zu wollen.

II.

1. Zunächst ist klarstellend auszusprechen, dass der Rechtsstreit aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Parteien in der Hauptsache erledigt ist.

2. Entsprechend der Regelung in § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO über die Folgen einer Klagerücknahme ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil damit wirkungslos ist.

Dadurch ist gesichert, dass der Titel nicht vollzogen bzw. aus ihm vollstreckt wird.

3. Schließlich ist über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden.

a) Haben die Parteien - wie hier - in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss (§ 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO).

b) Diese Entscheidung ergibt hier, dass die Verfügungsklägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

Zum Zeitpunkt der Abgabe der Erledigungserklärungen hätte das angefochtene Urteil aufgrund der zulässigen Berufung der Verfügungsbeklagten abgeändert und die Verfügungsklage abgewiesen werden müssen. Denn die - zulässige - Verfügungsklage war unbegründet. Es mangelte für den Erlass der Beschäftigungsverfügung an dem dafür erforderlichen Verfügungsgrund.

An den Verfügungsgrund waren hier besonders hohe Anforderungen zu stellen. Denn die Verfügungsklage war mit ihrem zeitlich unbegrenzten Antrag im Ergebnis auf die Vorwegnahme der Auseinandersetzung über die Hauptsache gerichtet (sog. Leistungsverfügung).

Ein Verfügungsgrund bestand unter keinem erdenklichen Umstand.

Keiner Beantwortung bedarf hier die Frage, ob ein Verfügungsgrund immer dann vorliegt, wenn ein Arbeitgeber die tatsächliche Beschäftigung eines Arbeitnehmers verweigert. Denn beschäftigt worden ist die Verfügungsklägerin durch die Verfügungsbeklagte unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung. Jedenfalls in einer derartigen Situation kann nicht die Rede davon sein, dass die Verwirklichung der Rechte der Verfügungsklägerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO) bzw. eine richterliche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 940 ZPO). Dabei muss die Verfügungsklägerin in Rechnung stellen, dass nicht nur die Vereitelung der Verwirklichung ihrer Rechte in Rede steht. Vielmehr würde der Erlass einer - wie gesagt - Leistungsverfügung auch einen erheblichen Eingriff in die Arbeitgeberrechte der Verfügungsbeklagten bedeuten. Werden keine besonderen Gründe genannt, warum es einer sofortigen richterlichen Regelung bedarf (z. B. erheblicher Ansehensverlust, Einbuße von Fähigkeiten und Fertigkeiten usw.), besteht ein Verfügungsgrund nicht ohne weiteres. Er besteht erst recht dann nicht, wenn schon nicht - wie auch hier - die Tatsachen glaubhaft gemacht sind, aus denen überhaupt auf eine vertragswidrige Beschäftigung zu schließen sein soll und geschlossen werden kann.

Umstände im vorstehenden Sinne, die gleichwohl einen Verfügungsgrund bedingen könnten, stellen auch nicht die Hinweise der Verfügungsklägerin auf die ihr angedrohten arbeitsrechtlichen Konsequenzen dar. Denn diese Konsequenzen kann sie mit der einstweiligen Verfügung nicht abwenden. Die einstweilige Verfügung soll lediglich die tatsächliche Beschäftigung zu bestimmten Bedingungen ausurteilen. Dabei bleibt die Frage unbeantwortet, welche Tätigkeit der Verfügungsklägerin von der Verfügungsbeklagten im Rahmen des § 106 GewO hätte angewiesen werden können. Diese Frage lässt sich letztlich nur in einem Hauptsacheverfahren klären, in dem Streitgegenstand entweder das Weisungsrecht der Verfügungsbeklagten oder die Arbeitsvertragsbedingungen der Parteien sind. Die - hier auch ausgeurteilte - Verfügungsklage beantwortet m. a. W. nicht die Frage, ob nicht die Verfügungsklägerin der Weisung der Verfügungsbeklagten hätte folgen müssen. Ausführungen in dem angefochtenen Urteil zur Frage des Inhalts der arbeitsvertraglichen Beziehungen der Parteien hätten der Verfügungsklägerin selbst dann nichts genützt, wenn die Berufung gegen das Urteil zurückzuweisen gewesen wäre. Auch dann hätte sie nur einen Beschäftigungstitel gegen die Verfügungsbeklagte gehabt, ohne dass die Rechtmäßigkeit des ihr angesonnenen Einsatzes rechtskräftig geklärt gewesen wäre. Denn Gerichte erstatten keine Rechtsgutachten, schon gar nicht im Rahmen des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Es war der Verfügungsklägerin unbenommen, die Rechtmäßigkeit der Weisung im Rahmen eines mit dem entsprechenden Antrag geführten Hauptsacheverfahrens klären zu lassen. Ihr - im Umfang strittiges - Recht auf tatsächliche Beschäftigung verliert sie dabei nicht durch Zeitablauf, wenn sich die beklagte Partei - wie hier - des (damit fortwirkenden) Rechts berühmt, die Verfügungsklägerin so zu beschäftigen, wie ihr das auch angewiesen worden ist.

III.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Einer Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht. Diese wäre hier schon deshalb nicht statthaft, weil selbst gegen ein Berufungsurteil Revision nicht zulässig gewesen wäre (vgl. § 72 Abs. 4 ArbGG).



Ende der Entscheidung

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