Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 27.02.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 764/03
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 60
HGB § 61
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 764/03

Verkündet am 27. Februar 2004

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 27.02.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 03. Juli 2003 - 8 Ca 8072/03 - teilweise abgeändert:

Der Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin für November 2002 1.380,49 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 15. Februar 2003 zu bezahlen.

Der Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin für Dezember 2002 bis 16.12.2002 712,51 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 15. Februar 2003 zu bezahlen.

Die weitergehende Klage wird jedoch abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 2.000,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24. Januar 2003 zu bezahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Der Streitwert beträgt 8.234,47 Euro.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 75 %, der Beklagte 25 %.

Revisionszulassung: keine.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auch im Berufungsverfahren unverändert darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis aufgrund außerordentlicher fristloser Arbeitgeberkündigung des Beklagten vom 16.12.2002, der Klägerin zugegangen am selben Tag, sein Ende gefunden hat oder aufgrund - nicht angegriffener -ordentlicher Folgekündigung noch bis zum 31.03.2003 fortbestanden hat.

Unverändert geht es ebenfalls weiterhin darum, ob die Klägerin von dem Beklagten für die Monate November und Dezember 2002 sowie Januar 2003 Gehalt über jeweils 1.380,49 Euro brutto, jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 15.02.2003, verlangen kann.

Auf die ebenfalls im Berufungsverfahren fortbetriebene und lediglich um den Zinsanspruch von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2003 erweiterte Widerklage geht es darum, ob der Beklagte von der Klägerin 2.000,00 Euro aus Eigengeschäften der Klägerin verlangen kann.

Aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG kann im Wesentlichen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen Bezug genommen werden. Denn das Vorbringen der Parteien ist - soweit für dieses Berufungsurteil rechtserheblich - nicht im Streit.

Noch einmal vollständig und im Wortlaut wiedergegeben werden soll jedoch die Erklärung, welche die Klägerin nach einem Testkauf unter dem 16.12.2002, eigenhändig durch Namensschrift unterzeichnet, abgegeben hat:

"Ich, Frau ..., bezog Lederbekleidung, Handschuhe und andere Artikel von den Firmen ..., ... und Frau ..., .... Ich hatte keine Befugnis, Bestellungen vorzunehmen.

Der Verkauf der von ... und ... erhaltenen Waren erfolgte im Geschäft von Herrn ..., in der ..., .... An diese Adresse erhielt ich auch die Ware per UPS, Post oder DPD.

Es wurden von dem Lieferanten ... (sie.) nicht alle Waren mit Rechnung geliefert. Ohne Rechnung gelieferte Waren bezahlte ich per Überweisung oder persönlich an Herrn ... (Inhaber der Fa. ...) oder andere Person.

Von Frau ... erhaltene Waren wurden ohne Rechnung geliefert, Die Bezahlung erfolgte bei Besuch von Fr. ... in der

...

Der Verkauf erfolgte ausschließlich auf Quittungsbeleg mit dem Gebrauch des Firmenstempels von Herrn ....

Der Umfang der von ... und ... erhaltenen Ware

im Jahr 2001 betrug mindestens im Einkauf 20.000,- DM = 10.225,84 Euro

" " " Verkauf 47.000,- DM = 24.030,73 Euro

im Jahr 2002

" Einkauf 30.000,- Euro

ergab einen Verkauf mindest. 70.000,- Euro

Der vorstehende Sachverhalt war Auslöser der streitgegenständlichen Kündigung.

Der Beklagte hat später einen Nettogewinn der Klägerin aus den in der Erklärung genannten Geschäften in Höhe von 8.931,35 Euro errechnet. Diesen Betrag macht er in diesem Rechtsstreit dadurch geltend, dass er gegen die streitgegenständlichen Gehaltsforderungen aufrechnet und einen Teilbetrag über 2.000,00 Euro im Wege der Widerklage verfolgt.

Das von der Klägerin angegangene Arbeitsgericht Bautzen hat der Klage entsprochen und die Widerklage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat weder einen Kündigungsgrund noch einen Gegenanspruch des Beklagten gegen die Klägerin erkannt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet. Denn die - ihrerseits zulässige - Klage ist nur zum Teil begründet. Die streitgegenständliche außerordentliche fristlose Kündigung ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 16.12.2002 beendet (1.). Bis zu diesem Tag kann die Klägerin ihr Gehalt beanspruchen, welche Forderung im beantragten Umfang seit Rechtshängigkeit zu verzinsen ist; die dagegen erklärte Aufrechnung ist unzulässig (2.). Die - wiederum ihrerseits zulässige - Widerklage ist als Gewinnherausgabe begründet (3.).

1.

Ein Arbeitsverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (oder bis zu einer vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses) nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB). Dabei ist nach § 626 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB eine Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen - beginnend ab Kenntnis von "Tat und Täter" - einzuhalten.

Die Kündigungserklärungsfrist ist hier nicht im Streit. Der Testkauf hat erst am 09.12.2002 stattgefunden. Bis zu diesem Zeitpunkt hegte der Beklagte lediglich einen Verdacht gegen die Klägerin. Die Unterlagen, auf die er sich jetzt stützt, wurden am Vorabend der fristlosen Kündigung im Geschäft sichergestellt. Das Einräumen des Sachverhalts, auf den der Beklagte die Kündigung stützt, ist am 16.12.2002 erfolgt, dem Tag der Kündigung. Allein auf einen Verdacht hin musste nicht gekündigt werden.

Auch ein Kündigungsgrund besteht. Aufgrund des auch für Angestellte geltenden gesetzlichen Wettbewerbsverbots in § 60 Abs. 1 HGB darf ein Handlungsgehilfe ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweig des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. Die Verletzung dieses bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehenden Wettbewerbsverbots stellt grundsätzlich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB dar (BAG vom 30.01.1963 - 2 AZR 319/62 -, NJW 1963, 1420; vom 16.08.1990 - 2 AZR 113/90 -, NJW 1991, 518, 520; vom 25.04.1991 - 2 AZR 624/90-, NJW 1992, 1646).

Die Klägerin hat dem Beklagten dadurch Wettbewerb bereitet, dass sie während der Arbeitszeit in dessen Laden in seinem Marktsegment fremde Lederbekleidung, Handschuhe u. a. Artikel mit Gewinn veräußert hat, nachdem sie die Artikel von Dritten bezogen, selber kalkuliert und ausgepreist hatte.

Angesichts der Empfindlichkeit des von einer derartigen Vertragsstörung betroffenen Vertrauensbereichs kann der Beklagte nicht gezwungen werden, einen weiteren Verstoß der Klägerin hinnehmen zu müssen. Er musste sie also nicht etwa zunächst nur einmal abmahnen oder sich auf die Möglichkeit des Ausspruchs einer ordentlichen Kündigung und die Einhaltung der Kündigungsfrist verweisen lassen. Die Klägerin stand allein in dem Laden. Ihr Vorgehen hat sie dem Beklagten nicht offenbart. Dieser musste erst einen Testkauf durchführen lassen. Hätte die Klägerin selbst ihr Verhalten für akzeptabel gehalten, hätte nichts dagegen gesprochen, dem Beklagten die Übernahme des Ladens oder eine Aufnahme als Mitinhaberin anzutragen. Stattdessen hat sich die Klägerin so geriert, als sei sie (Allein-)lnhaberin des Geschäfts. Das zeigt sich in ihrem Vorgehen bei der Warenbeschaffung, der Kalkulation und der Auspreisung ebenso wie in ihrer noch in der Berufungsverhandlung zutage getretenen Auffassung, dass sie darüber habe befinden dürfen, welches Sortiment verkaufsgängig ist.

2.

Allerdings ist der Klägerin ihr Gehalt für den Monat November in geltend gemachter Höhe und bis zum Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung - also bis 16.12.2002 - anteilig (1.380,49 Euro : 31 Kalendertage im Dezember x 16 Kalendertage = 712,51 Euro) zu entrichten.

Der Anspruch ist entstanden. Er ist nicht durch Gegenforderungen des Beklagten infolge Aufrechnung erloschen. Zwar kann auch gegen Lohn- oder Gehaltsforderungen aufgerechnet werden. Wird jedoch - wie hier - ein Bruttobetrag verfolgt, ist die Aufrechnung nur gegen den sich aus der Bruttoforderung ergebenden Nettobetrag zulässig. Welcher das ist, lässt sich nur in Kenntnis der steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Merkmale des Arbeitnehmers feststellen, wobei die tatsächlichen Voraussetzungen der Aufrechnungslage der Aufrechnende darzulegen hat (BAG vom 05.12.2002 - 6 AZR 569/01 -, SAE 2044, 20), hier der Beklagte. Da es hier an den erforderlichen Angaben fehlt, bedarf es hier keine Erörterung der Frage, ob die Aufrechnung ganz oder teilweise auch aus anderem Rechtsgrund unzulässig wäre. Auch auf die Begründetheit der Aufrechnung (das Bestehen einer Gegenforderung) kommt es bei bereits unzulässiger Aufrechnung nicht an.

3.

Die mit der Widerklage streitgegenständliche Forderung besteht.

Verletzt ein Handlungsgehilfe die ihm nach § 60 HGB obliegende Verpflichtung - wie hier -, so kann der Prinzipal nach § 61 Abs. 1 Halbsatz 1 HGB Schadensersatz fordern; nach Halbsatz 2 kann er aber stattdessen verlangen, dass der Handlungsgehilfe die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Prinzipals eingegangen gelten lasse und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgebe oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtrete.

Um eine derartige Gewinnherausgabe - nicht um einen Schadensersatzanspruch - geht es hier. Denn der Beklagte errechnet den von der Klägerin erzielten Gewinn, den er in Höhe eines Teilbetrages von 2.000,00 Euro abschöpfen möchte.

Der Beklagte hat den von der Klägerin erzielten Gewinn in nachvollziehbarer Weise errechnet und auch vorgerechnet. Im Einzelnen überprüft werden braucht das Rechenwerk jedoch nicht. Denn die Klägerin hat bereits in ihrer Erklärung vom 16.12.2002 Angaben zu den Werten von Einkäufen und Verkäufen gemacht, deren Differenzen ohne weiteres einen Gewinn in Höhe von mindestens 2.000,00 Euro ergeben.

Von der Erklärung vom 16.12.2002 kommt die Klägerin auch nicht herunter. Bei der Erklärung handelt es sich im Rechtssinne um eine sog. Privaturkunde. Privaturkunden begründen, sofern sie von dem Aussteller - wie hier von der Klägerin - unterschrieben sind, nach § 416 ZPO vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben sind. Die Erklärung der Klägerin trägt die Vermutung ihrer Vollständigkeit und Richtigkeit in sich. Eine Entkräftung ist nur durch Gegenbeweis möglich, den die Klägerin aber nicht angetreten hat.

Der Inhalt der Erklärung ist auch richtig. Zwar war die Klägerin in einer "Überrumpelungssituation". Der von ihr erklärte Sachverhalt war und ist aber im Wesentlichen gar nicht strittig.

Der Anspruch auf die Gewinnherausgabe besteht unabhängig davon, wo das eingenommene Geld verblieben ist. Selbst wenn es um konkrete Barbeträge (dazu Anspruch aus §§ 678, 681 Satz 2, 667 BGB - Geschäftsführung ohne Auftrag gegen den Willen des Geschäftsherrn) ginge - wie nicht -, wäre nicht der Beklagte, sondern die Klägerin aufgrund der hier nach Art. 229 § 5 EGBGB noch anwendbaren Regelung in § 282 BGB a. F. beweispflichtig dafür, dass die Unmöglichkeit der Leistung (der Herausgabe des Geldes) nicht die Folge eines von ihr zu vertretenden Umstandes ist.

II.

Aufgrund des teilweisen Erfolges der Berufung hat jede Partei teils obsiegt, teils ist sie unterlegen. Deshalb musste hier eine sog. Kostenquotelung nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgenommen werden. In Anwendung dieser Vorschrift hat die Kammer die Kosten in dem Verhältnis geteilt, in dem die Parteien bezogen auf den Gesamtstreitwert obsiegt haben bzw. unterlegen sind.

Dieser Wert errechnet sich wie folgt: - 4.141,47 Euro für den gegen die Kündigung gerichteten Klageantrag. Hier handelt es sich um drei Bruttomonatsgehälter der Klägerin ä 1.380,49 Euro nach § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG. Die Ausschöpfung des sich danach ergebenden Höchstbetrages ist gerechtfertigt. Zwar unterlag die Klägerin nicht den Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes und konnte lediglich auf der Einhaltung der Kündigungsfrist bestehen. Allerdings hätte sich das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Folgekündigung zum 31.03.2003 um noch mehr als drei Monate fortgesetzt, was die Ausschöpfung des Höchstrahmens rechtfertigt.

- Das Gehalt ist zum Nennwert der finanziellen Forderungen anzusetzen, allerdings nur bis zum Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung (1.380,49 Euro für November 2002 + anteilige 712,51 Euro für Dezember 2002 bis zu dessen 16. Tag). Hinsichtlich des für die Zeit danach verfolgten Gehaltsanspruchs besteht mit dem gegen die Kündigung gerichteten Antrag wirtschaftliche Identität, so dass die weitergehenden Gehaltsansprüche für die Bewertung außer Betracht bleiben.

- Die Widerklage ist mit ihrem Nennwert, also mit 2.000,00 Euro, anzusetzen.

Da Zinsen nach § 4 Abs. 1 ZPO außer Betracht bleiben, ergibt sich ein Gesamtstreitwert in Höhe von 8.234,47 Euro. Gemessen daran obsiegt die Klägerin lediglich mit ihrer Gehaltsforderung für November 2002 über 1.380,49 Euro und mit ihrer anteiligen Gehaltsforderung für Dezember 2002 über 712,51 Euro. Das macht insgesamt 2.093,00 Euro und verursacht bei dem Beklagten eine Kostenlast von 25 %. Der auf 100 % fehlende Anteil entfällt aber auf die Klägerin.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Zulassungsgründen fehlt.



Ende der Entscheidung

Zurück