Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.12.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 829/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, UWG, BRAO


Vorschriften:

BGB § 1004 Abs. 1
ZPO § 292 Satz 1
ZPO § 294
ZPO § 920 Abs. 2
ZPO § 935
ZPO § 936
ZPO § 940
UWG § 12 Abs. 2
BRAO § 1
"Störer"- Eigenschaft eines angestellten Rechtsanwaltes.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 829/05

Verkündet am 19. Dezember 2005

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 19.12.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 07. September 2005 - 17 Ga 53/05 - wird auf Kosten des Verfügungsklägers zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auch im Berufungsverfahren auf den beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter darüber, ob dem Berufungsbeklagten zu untersagen ist, im geschäftlichen Verkehr den Namen des Verfügungsklägers auf seinem Briefkopf zu verwenden, insbesondere wenn dies wie aus einem Schriftsatz in dem Rechtsstreit ... gegen ... vom 02.08.2005 an das Amtsgericht Eschwege zu dem dortigen Az. ... unter ... Rechtsanwälte ... - ... - ... - ... - ... unter "..." ersichtlich geschieht.

Von der erneuten Darstellung des Tatbestandes wird aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG im Wesentlichen abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Leipzig vom 07.09.2005 verwiesen. Dieses hat den Verfügungskläger abgewiesen. Ein Hauptsacheverfahren betreibt er nicht.

Aufgrund des Berufungsverfahrens und der -verhandlung ist lediglich Folgendes ergänzend festzuhalten:

Die Verfügungsklage ist dem Verfügungsbeklagten am 06.09.2005 um 09:20 Uhr zugestellt worden. Um 12:08 Uhr desselben Tages ging dem Verfügungsbeklagten die außergerichtliche Abmahnung des Verfügungsklägers zu. Dieser hat er sich wegen der ihm angesonnenen Übernahme der Kosten nicht gebeugt.

Der Schriftsatz an das Amtsgericht Eschwege vom 02.08.2005 ist von Herrn Rechtsanwalt ... unterzeichnet. Dieser ist angestellter Anwalt des Verfügungsbeklagten, welcher sich am 02.08.2005 in Urlaub befand.

Der Verfügungskläger hat gegen das ihm am 20.09.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 20.10.2005 Berufung eingelegt und am 18.11.2005 ausgeführt.

Er ist weiter der Ansicht, dass ihn der Verfügungsbeklagte durch die Verwendung seines Namens auf dem Schriftsatz vom 02.08.2005 in seinem Namensrecht sowie in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt habe. Dadurch sei gegen das Verbot unlauteren Wettbewerbs verstoßen worden. Außerdem sei er, der Verfügungskläger, durch die Angabe seines Namens Haftungsrisiken ausgesetzt worden. Das Vorkommnis indiziere die Wiederholungsgefahr.

Der Verfügungskläger beantragt nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung der Sache nach nunmehr,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Leipzig vom 07.09.2005 - 17 Ga 53/05 - dem Verfügungsbeklagten zu untersagen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, im geschäftlichen Verkehr seinen, des Verfügungsklägers, Namen auf seinem Briefkopf zu verwenden, insbesondere wenn dies wie aus dem (vorstehend beschriebenen) Schriftsatz an das Amtsgericht Eschwege vom 02.08.2005 ersichtlich geschehe.

Der Verfügungsbeklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Der Verfügungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil.

Wegen des Vorbringens beider Parteien und insbesondere wegen ihrer umfangreichen Rechtsausführungen wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Denn die - ihrerseits zulässige - Verfügungsklage ist unbegründet. Es fehlt am Verfügungsanspruch sowie am Verfügungsgrund.

1. Der Verfügungskläger hat keinen Anspruch auf die streitgegenständliche Untersagung.

Diese geht auf das Unterlassen einer Beeinträchtigung. Ein derartiger Anspruch setzt neben einer vorgekommenen Beeinträchtigung voraus, dass weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind. Zu richten hat er sich gegen den Störer (vgl. § 1004 Abs. 1 Satz 2 mit Satz 1 BGB).

Es kann dahinstehen, ob der Verfügungskläger durch den Schriftsatz an das Amtsgericht Eschwege vom 02.08.2005 in seinen Rechten beeinträchtigt worden ist. Denn weder sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen (sog. Wiederholungsgefahr) noch richtet sich die Unterlassungsklage gegen den Störer.

a) Es kann dahinstehen, ob die Verwendung des Schriftsatzes vom 02.08.2005 nach der Rechtsprechung die Vermutung einer Wiederholung begründet.

Handelte es sich bei der diesbezüglichen Rechtsprechung um richterrechtlich aufgestellte Vermutungen, wäre jedenfalls - ebenso wenig wie bei gesetzlichen Vermutungen nach § 292 Satz 1 ZPO - der Beweis des Gegenteils abgeschnitten.

Auf einen derartigen Gegenbeweis kommt es hier jedoch schon nicht an. Denn in dem Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist u. a. der Verfügungsanspruch lediglich glaubhaft zu machen (§§ 936, 920 Abs. 2 ZPO). Dies kann auch durch eidesstattliche Versicherung der Parteien oder Dritter geschehen (§ 294 Abs. 1 ZPO). Eine Beweisaufnahme hingegen, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft (§ 294 Abs. 2 ZPO). Dort, wo - mithin: wie hier - Glaubhaftmachung zugelassen ist, gilt das auch für deren Widerlegung und den Nachweis von Einwendungen des Gegners (vgl. etwa Zöller/ Greger, ZPO, § 294 Rdnr. 2 m. w. N.).

Eine derartige Widerlegung ist hier jedenfalls durch die eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwalts ... vom 05.09.2005 sowie durch dessen Erklärung zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Leipzig am 07.09.2005 erfolgt. Daraus ergibt sich, dass und welcher Fehler unterlaufen ist, der die Gestaltung des Schriftsatzes technisch bewirkt hat.

Diese Erklärung genügt der Kammer. Sie stammt nicht von der als Störer in Anspruch genommenen Partei, sondern von einem Dritten, der auch als Zeuge in Betracht käme. Demgegenüber bestätigt sich der Verfügungskläger seine Zweifel an der Behebung der Fehlerursachen lediglich selbst und macht diese übrigens auch nicht im vorstehenden Sinne glaubhaft. Aus seinem Vorbringen erschließt sich schon nicht, welches Interesse der Verfügungsbeklagte an der Verwendung des Namens eines Rechtsanwalts haben sollte, den er gerade erfolgreich entlassen hat.

Es kann dahinstehen, ob der Rechtsprechung zu folgen ist, wonach Erklärungen wie diejenigen des Rechtsanwalts ... nicht ausreichen können sollen, um die Vermutung einer Wiederholungsgefahr zu widerlegen. Denn sämtliche Entscheidungen gehen ersichtlich davon aus, dass es der strafbewehrten Unterlassungserklärung des in Anspruch genommenen Störers bedürfe, um die zunächst einmal begründete Vermutung zu widerlegen. Das macht auch durchaus Sinn. Denn nur dadurch überhaupt wird ein Druckmittel geschaffen - einem Pfande gleich -, das dem Anspruchsteller die nötige Sicherheit gewährt. Er soll sich nicht auf ungesicherte Erklärungen des Störers verlassen müssen.

Hier ist dies gänzlich anders. Denn dem Verfügungskläger liegt nicht lediglich eine schriftsätzliche ungesicherte Erklärung des Verfügungsbeklagten vor, sondern eine durch eidesstattliche Versicherung abgesicherte Darstellung des Geschehensablaufs durch einen Dritten.

b) Unabhängig von dem Vorstehenden und selbständig tragend könnte der Unterlassungsklage hier schon deshalb nicht entsprochen werden, weil sie sich nicht gegen den Störer richtet.

Der Verfügungsbeklagte hat den Schriftsatz an das Amtsgericht Eschwege weder unterzeichnet noch war er zum Zeitpunkt des Abgangs dieses Schriftsatzes überhaupt zugegen. Das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsbeklagten in der Berufungsverhandlung dazu, dass sich dieser zu dem Datum des Schriftsatzes in Urlaub befunden habe, ist vom Verfügungskläger nicht (im Übrigen: glaubhaft) widerlegt worden. Dessen hätte es aber bedurft, um den Verfügungsbeklagten überhaupt für die Störung verantwortlich machen zu können.

Zwar ist bei einem Unternehmen Störer nicht der weisungsgebundene Arbeitnehmer, sondern der Unternehmer selbst, sofern die Beeinträchtigung auf Weisungen oder deren pflichtwidriges Unterlassen seitens des Unternehmers zurückgeht (vgl. BGH vom 15.12.1978 - V ZR 214/77 - DB 1979, 544 f.).

Hier ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem angestellten Rechtsanwalt ... in dem Rechtsstreit beim Amtsgericht Eschwege, für das er auf dem Schriftsatz vom 02.08.2005 immerhin als Sachbearbeiter verantwortlich zeichnet, kein eigener Entschließungsspielraum mit entsprechendem Verantwortungsbereich verblieben gewesen wäre. Rechtlich streitet dagegen jedenfalls, dass der Rechtsanwalt nach § 1 BRAO ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist. Jedenfalls ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beeinträchtigung des Verfügungsklägers auf Weisungen oder deren pflichtwidriges Unterlassen des Verfügungsbeklagten zurückgehe.

2. Nach § 935 ZPO sind einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung - insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen - zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Ein sich aus jenen Vorschriften ergebender sog. Verfügungsgrund ist ebenfalls aufgrund der Regelungen in § 936 i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.

An derartigen Mitteln der Glaubhaftmachung fehlt es in der Verfügungsklage völlig.

Es kann dahinstehen, ob der Verfügungskläger aufgrund der Regelung in § 12 Abs. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb von der Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen entbunden ist, weil der Verfügungsbeklagte (auch) dem Verbot unlauteren Wettbewerbs zuwidergehandelt hätte. Denn jedenfalls hat der Verfügungskläger das Vorliegen der Voraussetzungen eines Verfügungsgrundes selbst widerlegt (dies ist auch im Rahmen des § 12 Abs. 2 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb möglich, vgl. OLG Stuttgart vom 04.08.2005 - 2 U 28/05 - NJW 2005, 3429, 3430).

Eine Eilbedürftigkeit i. S. eines Verfügungsgrundes besteht jedenfalls dann nicht, wenn der Verfügungskläger diese erst selbst geschaffen hat. So war dies hier. Denn im Ergebnis wollte der Verfügungskläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung u. a. mit der Begründung, von dem Verfügungsbeklagten keine strafbewehrte Unterlassungserklärung bekommen zu haben, weswegen die Wiederholung einer Beeinträchtigung zu besorgen sei. Gleichzeitig macht er durch das außergerichtliche Ansinnen der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aber deutlich, dass ihm diese an sich genügen würde. Durch den Zeitablauf nun bringt er den Verfügungsbeklagten in eine Situation, in welcher diesem wegen der Kosten eine Unterwerfung (nicht mehr) möglich ist.

Wird in einer derartigen Situation dennoch Verfügungsklage erhoben und gegen das diese abweisende Urteil unter Ausschöpfung der Frist zur Begründung der Berufung Berufung eingelegt, ohne dass bislang überhaupt Hauptsacheklage erhoben wäre, streitet dies jedenfalls in der Summe gegen die Annahme, die Sache wäre dem Verfügungskläger wirklich dringlich.

II.

Der Verfügungskläger hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Gegen Urteile des Landesarbeitsgerichts, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision aufgrund der Regelung in § 72 Abs. 4 ArbGG nicht zulässig, ohne dass dies eines besonderen Ausspruchs bedarf. Dies bedeutet nicht nur, dass diese Entscheidung nicht anfechtbar ist, sondern auch, dass das Landesarbeitsgericht die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zulassen kann. Deswegen besteht auch nicht die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde - wie sonst - anzufechten.

Ende der Entscheidung

Zurück