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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 20.08.2004
Aktenzeichen: 2 Sa 872/03
Rechtsgebiete: ArbGG, StGB


Vorschriften:

ArbGG § 69 Abs. 2
StGB § 203
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

2 Sa 872/03

Verkündet am 20. August 2004

In dem Rechtsstreit

...

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 30.06.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 28.08.2003 - 4 Ca 1589/03 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

Die Parteien streiten auch im Zweiten Rechtszug unverändert darüber, ob das sie verbindende Arbeitsverhältnis aufgrund außerordentlicher Kündigung der Beklagten vom 03.03.2003, dem Kläger zugegangen am 05.03.2003, mit Ablauf des 31.10.2003, dem Ende der gewährten sozialen Auslauffrist, sein Ende gefunden hat.

Weiter geht es im Zweiten Rechtszug auch unverändert darum, ob die Beklagte den Kläger während des Prozesses fortzubeschäftigen hat.

Von der erneuten Wiedergabe des Tatbestandes wird aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Dresden verwiesen (§ 69 Abs. 3 ArbGG).

Lediglich ergänzend ist in der Folge der Inhalt des Ergebnisberichts zur psychologischen Eignungsuntersuchung vom 14.02.2003 auszugsweise wiederzugeben:

"...

 Damit wurde die Eignung für folgende Berufe bzw. Tätigkeiten bzw. Funktionen untersucht: Sicherungsposten (DB Netz), Bahnübergangsposten (DB Netz), Schrankenwärter (DB Netz)
Testergebnis gemäß DB-Eignungsanforderungen: NICHT GEEIGNET
Mögliche Testergebnisse: GEEIGNET - NICHT GEEIGNET
Frühester Termin für eine nochmalige Untersuchung:Eine erneute psychologische Eignungsuntersuchung ist frühestens nach Ablauf eines Jahres möglich.
Bemerkungen:keine
Verantwortliche/r Testleiter/in: A. ...
Verantwortlicher Diplom-Psychologe/in: E. ...

..."

Außerdem ist festzuhalten, dass die Beklagte die Eignung von Bewerberinnen, Bewerbern und Beschäftigten überwachen lässt nach einer Konzernrichtlinie Nr. 132.0402, die sich auch zu psychologischen Eignungsuntersuchungen (sog. Startuntersuchungen, Wiederholungsuntersuchungen oder Entwicklungsuntersuchungen) verhält.

In der Berufungsverhandlung hat sich nicht aufklären lassen, ob die als verantwortliche Testleiterin angegebene A. ... selbst - so wie die genannte ... - Diplompsychologin ist.

Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung keine Einwendungen dagegen erhoben, dass die Beklagte die den Test Verantwortenden von ihren Schweigepflichten entbindet.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die - ihrerseits zulässige - Kündigungsschutzklage ist begründet. Deshalb kann der Kläger auch weiterhin seine Prozessbeschäftigung verlangen.

Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die streitgegenständliche Kündigung unwirksam ist.

1. In der Tat kann ein wichtiger Grund für die Kündigung des tarifvertraglich an sich unkündbaren Klägers u. a. darin liegen, dass die Beklagte ihn nicht beschäftigen kann oder gar nicht beschäftigen darf.

Dabei liegen die Voraussetzungen für den Ausspruch einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung hier auf der Hand. Seine eigentlich geschuldete Tätigkeit kann der Kläger seit der flutbedingten Beschädigung der Bahn seit 12.08.2002 und voraussichtlich bis zum Jahre 2005 nicht ausüben.

Allerdings ist nicht festzustellen, dass der Kläger auch für die von der Beklagten selbst in Betracht gezogenen Tätigkeiten als Sicherungsposten, Bahnübergangsposten oder Schrankenwärter (jeweils DB Netz) ungeeignet wäre.

2. Eine Feststellung im letztgenannten Sinne ist hier allein aufgrund des Ergebnisberichts zur psychologischen Eignungsuntersuchung nicht möglich.

a) Psychologische Eignungstests werden in beschränktem Umfang für zulässig gehalten, etwa bei Einstellungen oder einer beabsichtigten Veränderung der Tätigkeit (wie hier).

In der Regel wird gefordert, dass die Tests von Diplompsychologen vorgenommen werden. Der Arbeitnehmer muss über Funktionsweise und Zweck des Tests aufgeklärt werden. Andere Erkenntnismöglichkeiten müssen verschlossen bleiben. Es darf sich nicht nur um einen reinen IQ-Test handeln (vgl. zu den im Einzelnen sehr strittigen Einzelfragen etwa ErfK/Dieterich, Art. 2 GG Rdnrn. 93 ff.; ErfK/Preis, § 611 BGB Rdnr. 382, jeweils m. w. N.).

Insbesondere wird auch vertreten, dass der durchführende Psychologe der Schweigepflicht nach § 203 StGB in Bezug auf Tatsachen, u. U. auch persönlichen Meinungen des Probanden unterliegt (vgl. für Bewerbungsgespräche etwa Scholz, NJW 1981, 1987, 1988).

Weiter wird vertreten, dass ebenso wie bei der Einstellungsuntersuchung dem Arbeitgeber nur das Gesamtergebnis der Eignung oder Nichteignung mitzuteilen sei (Däubler, ZR 1994, 101, 105).

Bei Stressinterviews soll herausgefunden werden, wie der Bewerber auf emotionale und intellektuelle Belastung reagiert. Sie setzen sich zusammen aus einer Folge unangenehmer, unerwarteter und unsicher machender Fragen. Sie können zur vollständigen Persönlichkeitsdurchleuchtung führen und verletzen das Persönlichkeitsrecht. Sie sind deshalb unzulässig (vgl. m. w. N. ErfK/Preis, a. a. O. Rdnr. 383).

b) Dem Vorstehenden entsprechen zwar die Bestimmungen der Konzernrichtlinie Nr. 132.0402 der Beklagten über psychologische Eignungsuntersuchungen.

Dennoch kann aus dem dem Gericht allein vorliegenden Ergebnisbericht zur psychologischen Eignungsuntersuchung des Klägers aus verschiedenen und selbständig tragenden Gründen nicht entnommen werden, warum genau der Kläger danach ungeeignet sei:

Schon formal lässt sich nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung nicht feststellen, ob es sich bei der verantwortlichen Testleiterin um eine Diplompsychologin gehandelt hat. Erkennbar ist nicht, dass die als verantwortliche Diplompsychologin bezeichnete Person den Testverlauf und das Testergebnis aus eigener Kenntnis (etwa wie bei einem gerichtlichen Sachverständigen) gebilligt hat oder ob lediglich eine Delegation der Durchführung des Tests und der Feststellung seines Ergebnisses vorgekommen ist.

Erkennbar ist auch nicht, ob der Kläger vor der Durchführung des Tests über dessen Funktionsweise und seinen Zweck aufgeklärt worden ist. Dagegen streitet sein Vorbringen, in seinem Leben noch nie zuvor an einem Computer gearbeitet gehabt zu haben, nunmehr aber den Test zu seiner Überraschung an einem Computer (oder jedenfalls durch das Drücken von Knöpfen und Tasten) hat absolvieren müssen. Nach einer 31-jährigen Tätigkeit des Klägers als Heizer ist sein Vorbringen - zumindest berufsbezogen - auch durchaus glaubhaft.

Insbesondere ist nicht erkennbar, was - neben der pauschalierenden Bezeichnung "psychologische Eignungsuntersuchung" - überhaupt Gegenstand des Tests gewesen ist und inwieweit sich das Ergebnis des Tests negativ auf eine Entscheidung darüber auswirkt, den Kläger als Sicherungsposten, Bahnübergangsposten oder Schrankenwärter zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang kann die Kammer in Sonderheit nicht feststellen, ob es sich bei dem Test um einen solchen gehandelt hat, der nach den wiedergegebenen Literaturmeinungen möglicherweise nicht zulässig ist.

Richtig ist, dass den Test durchführende Personen nach § 203 StGB einer Schweigepflicht unterliegen. Dies entbindet aber nicht von der Möglichkeit, wenigstens abstrakt mitzuteilen, was und wie eigentlich getestet wurde. In diesem Zusammenhang muss nicht mitgeteilt werden, wie die einzelnen Reaktionen des Klägers waren.

Aber auch unabhängig davon hätte für die Beklagte die Möglichkeit bestanden, bei den Testverantwortlichen Rückfrage über den Inhalt des Tests sowie seinen Verlauf zu halten. Sogar einzelfallbezogen hätten der Test und sein Verlauf dargestellt werden können. Denn der Kläger hat sich einer Entbindung der an sich zum Schweigen verpflichteten Berufsträger nicht widersetzt.

Schwer verständlich ist es jedenfalls, warum nicht schon im Vorfeld - also vor dem Ausspruch einer Kündigung - versucht worden ist, mit dem Kläger (selbstverständlich mit seiner Zustimmung) zum Gegenstand des Tests, seinem Verlauf und insbesondere auch zu Einzelbewertungen zu sprechen. Möglicherweise wäre bereits dabei vom Kläger darauf hingewiesen worden, mit dem Test "technisch" überfordert gewesen zu sein. Dann hätte Gelegenheit bestanden, sich über andere Erkenntnisquellen oder gar eine Alternativbeschäftigung Gedanken zu machen. Soweit die Kammer in der Verhandlung gehört hat, wurde der Kläger zur Erfüllung des Prozessbeschäftigungsanspruchs im Rahmen der Busreinigung eingesetzt, wo er zwar zu langsam gewesen sei, sich aber bemüht habe. Jedenfalls für diese Reinigungstätigkeit ist auch nach der Konzernrichtlinie erkennbar keine psychologische Eignungsuntersuchung vorgesehen.

II.

Die Beklagte hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Zulassungsgründen hierfür fehlt.

Ende der Entscheidung

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