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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 09.03.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 940/02
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 50
InsO § 208
InsO § 209 Abs. 2
Seit der Zivilprozessreform ist eine gewillkürte Parteierweiterung im Berufungsrechtszug ausgeschlossen.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 2 Sa 940/02

Verkündet am 09. März 2005

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 09.03.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 05.09.2002 - 2 Ca 3410/02 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Revisionszulassung: keine.

Tatbestand:

Das von der Klägerin angegangene Arbeitsgericht Dresden hat die auf einen strittigen Nachzahlungsanspruch gestützte Klage gegen die Beklagte zu 1. als Insolvenzverwalterin als unzulässig abgewiesen, weil diese mit Schreiben vom 19.04.2002 gegenüber dem Amtsgericht Dresden Masseunzulänglichkeit angezeigt hatte.

Die Klägerin hatte beantragt, die Beklagte (zu 1.) zu verurteilen, an sie - die Klägerin - 2.751,78 € brutto nebst 5 % Verzugszinsen über dem Basiszinssatz gemäß DÜG ab 01.05.2002 auf 917,26 € und 5 % Verzugszinsen über dem Basiszinssatz gemäß DÜG ab 01.06.2002 auf 917,26 € brutto und 5 % Verzugszinsen über dem Basiszinssatz gemäß DÜG ab 01.07.2002 auf weitere 917,26 € zu zahlen. Von einer Wiederholung des Tatbestands im Ersten Rechtszug wird aufgrund der Regelung in § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und stattdessen auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 3 ArbGG). Dort ist das Vorbringen beider Parteien vollständig und richtig beurkundet.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 29.10.2002 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 27.11.2002 Berufung eingelegt und diese am 27.12.2002 ausgeführt.

Mit Schriftsatz vom 16.12.2003 hat die Klägerin die Klage auf die Beklagte persönlich erweitert.

Die Klägerin hält die Klage weiterhin für zulässig und auch begründet. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit wirke sich nicht zu ihren Lasten aus. Denn es sei noch nach dieser Anzeige der Vergleich geschlossen worden, der für den Zeitraum vom 05.04.2002 bis 30.06.2002 Grundlage des Anspruchs sei.

Die Klägerin hält eine Erweiterung der Klage auf die Beklagte persönlich prozessual für zulässig.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dresden vom 05.09.2002 - 2 Ca 3410/02 - die Beklagte zu 1. und die Beklagte zu 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie - die Klägerin - 2.585,00 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 01.05.2002 auf 750,50 € brutto und ab 01.06.2002 auf 917,26 € brutto und ab 01.07.2002 auf weitere 917,26 € brutto zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen

die Zurückweisung der Berufung.

Das Arbeitsgericht habe die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

Auch bestünde die Forderung nicht.

Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist unzulässig, soweit sie sich auch gegen die Beklagte persönlich richtet.

Im Berufungsrechtszug ist eine gewillkürte Parteierweiterung ausgeschlossen. Wegen der funktionellen Zuständigkeit der Rechtsmittelgerichte darf ein neues Prozessrechtsverhältnis nicht in der höheren Instanz begründet werden. Eine Berufung kann neben der alten Partei nicht auf eine neue Partei ausgedehnt werden, selbst wenn diese zustimmt und notwendiger Streitgenosse wäre. Insoweit ist die Berufung schon nicht statthaft. Denn es liegt zwischen dem Berufungskläger und der Partei, auf welche die Klage erstreckt wird, schon kein Urteil vor, aufgrund dessen der Berufungskläger der einbezogenen Partei gegenüber unterlegen wäre (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, Vorbemerkung § 50 Rdnr. 26 m. w. N.).

Die Berufung könnte auch in der Sache keinen Erfolg haben. Denn dafür wäre Voraussetzung, dass die Klage nicht nur begründet, sondern auch zulässig ist. Vor dem Landesarbeitsgericht als Berufungsgericht kann jedoch keine Klage erhoben werden.

Ältere und gegenläufige Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (vgl. Nachweis bei Thomas/Putzo, a. a. O.) beziehen sich auf das Zivilprozessrecht vor seiner Reform. Damals war allerdings die Berufungsinstanz auch noch eine vollwertige Tatsacheninstanz. Das erlaubte es der erst im Berufungsverfahren in den Prozess einbezogenen Partei, ihre Rechte auch in tatsächlicher Hinsicht umfassend auszuführen. Seit der Zivilprozessreform ist dies nun nicht mehr möglich. Denn im Wesentlichen erfolgt durch das Berufungsgericht nur noch eine Rechtsprüfung aufgrund der erstinstanzlich festgestellten Tatsachen, an welchen Feststellungen es aber - wie ja auch hier - gegenüber einer erst in der Berufung in den Prozess einbezogenen Partei notwendigerweise fehlen muss.

Selbst wenn die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes noch Geltung beanspruchen sollte, ist darauf hinzuweisen, dass auch danach die einbezogene Partei der Parteierweiterung jedenfalls zustimmen musste oder die Zustimmung hätte erteilen müssen. Jedenfalls daran fehlt es hier. Die Beklagte zu 2. hat der Parteierweiterung auch nach dem diesbezüglichen Hinweis in der Berufungsverhandlung vom 09.03.2005 nicht zugestimmt. Umstände, die sie zu einer Zustimmung hätten zwingen müssen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

II.

Hinsichtlich der Beklagten zu 1. ist die Berufung zwar zulässig. Sie ist aber unbegründet. Denn die Klage ist unzulässig, wie das bereits durch das angegriffene Urteil richtig entschieden worden ist.

Hat ein Insolvenzverwalter - wie hier - dem Insolvenzgericht angezeigt, die Masse sei unzulänglich (§ 208 InsO) und macht er außerdem geltend, die Masse genüge auch nicht zur Befriedigung der Neumasseverbindlichkeiten i. S. von § 209 Abs. 2 InsO (weitere Masseunzulänglichkeit), kann der Neumassegläubiger den Insolvenzverwalter nicht (mehr) auf Zahlung verklagen; er ist auf die Erhebung einer Feststellungsklage über das Bestehen seiner Forderung beschränkt (BAG vom 15.06.2004 - 9 AZR 431/03 - EzA § 209 InsO Nr. 3).

Die Anzeige ergibt sich hier aus dem Schreiben der Beklagten zu 1. an das Insolvenzgericht vom 19.04.2002. Mit Schriftsatz vom 01.08.2002 im Ersten Rechtszug hat die Beklagte zu 1. außerdem der Sache nach geltend gemacht, den Anspruch der Klägerin, der - würde er bestehen - eine Neumasseverbindlichkeit darstellen würde, mangels Masse nicht befriedigen zu können.

Deshalb spielt es (auch hier) keine Rolle, ob aufgrund des nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit liegenden Vergleichsschlusses Masseverbindlichkeiten begründet worden sind. Denn gerade sie sind es ja, welche hier die sog. weitere Masseunzulänglichkeit betrifft. Dabei handelt es sich rechtlich genau um den vom Bundesarbeitsgericht mit dem zitierten Urteil entschiedenen Fall.

Die Klägerin wolle in Rechnung stellen, dass die Beklagte zu 1. letztlich auch "ihre" Insolvenzverwalterin ist, die aber sämtliche Gläubiger "unter einen Hut" bringen muss. Das Vollstreckungsverbot in § 210 InsO und die sich daraus ergebende Unzulässigkeit einer Leistungsklage verhindert es, dass sich einzelne Gläubiger zu Lasten anderer Gläubiger Vorteile verschaffen. Zugute kommt dies letztlich und im Ergebnis auch der Klägerin. Denn dritte Gläubiger würden nicht anders behandelt werden als sie selbst.

Die Klägerin hat nicht - auch nicht hilfsweise - ihren strittigen Anspruch mit einem Feststellungsantrag verfolgt. Deshalb kann die Berechtigung der Forderung und die Begründetheit der Klage nicht überprüft werden.

III.

Die Klägerin hat aufgrund der Regelung in § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Zulassungsgründen fehlt.

Ende der Entscheidung

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