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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: 2 SaGa 2/08
Rechtsgebiete: SGB V, BDSG, TzBfG, BGB


Vorschriften:

SGB V § 144 Abs. 4 S. 1
BDSG § 4 f Abs. 1 Satz 5
TzBfG § 15 Abs. 2
BGB § 242
BGB § 613
Kein Übergangs- oder Restmandat des internen Datenschutzbeauftragten einer AOK bei Vereinigung mit anderer AOK.
Sächsisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 2 SaGa 2/08

Verkündet am 29. April 2008

In dem Rechtsstreit

hat das Sächsische Landesarbeitsgericht - Kammer 2 - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herrn ... auf die mündliche Verhandlung vom 29.04.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 28.12.2007 - 5 Ga 67/07 - abgeändert:

Die Verfügungsklage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Verfügungsklägers gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung die Bestellung einer anderen Person als des Verfügungsklägers zum internen Datenschutzbeauftragten zu untersagen ist.

Der Verfügungskläger wurde aufgrund Vorstandsbeschlusses vom 14.05.1991 der Dienstordnung für die Angestellten der vormaligen ... unterstellt und in einem Dienstverhältnis auf Lebenszeit mit Wirkung ab 01.06.1991 angestellt.

Aus einer Vereinigung der vormaligen ..., ... sowie ... ging die ... - ... hervor.

Aufgrund einer mit dem Verfügungskläger abgestimmten Entscheidungsvorlage für den Vorstand der ... vom 17.07.1997 sollen mit dem Erlöschen der Selbständigkeit der drei ... die Tätigkeiten der für diese bestellten Datenschutzbeauftragten geendet haben.

Mit Schreiben des Vorstandes der ... vom 18.07.1997 wurde der Verfügungskläger mit sofortiger Wirkung zum Beauftragten für den Datenschutz der ... ernannt.

Mit Schreiben der Staatsministerin des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales vom 20.11.2007 wurde der ... - ... genehmigt, sich mit der ... - ... in ... zu vereinigen und entschieden, dass die vereinigte neue Krankenkasse den Namen ... - ... für ... und ... trägt. Als Zeitpunkt der Vereinigung wurde der 01.01.2008 bestimmt. Zu dieser Vereinigung ist es mittlerweile gekommen.

Der Verfügungskläger hat zur Begründung seiner noch gegen die ... gerichteten Klage bei dem Arbeitsgericht Dresden vorgetragen:

Aus Anlass der Vereinigung der Kassen habe eine interne Ausschreibung zum "Leiter des Stabsbereichs Revision/Datenschutz" stattgefunden. Auf diese Position hätten sich er und weitere Personen beworben. Den Zuschlag habe Herr ... von der ... erhalten.

Innerhalb des Stabsbereiches solle in Zukunft die "Stabsstelle Datenschutz" gebildet werden. Auf diese Stelle habe zum 07.12.2007 Herr ... berufen werden sollen. Da die Stabsstelle in den "Stabsbereich Revision/Datenschutz" inkorporiert sei, werde Herr ... jedenfalls - sollte er der interne Datenschutzbeauftragte werden - nicht dem Vorstand unterstellt sein.

Er, der Verfügungskläger, sei bislang nicht über seine weitere Verwendung informiert worden. Er könne jedoch absehen, dass er selbst allenfalls bis zum 31.12.2007 als interner Datenschutzbeauftragter wirken könne.

Die personelle und organisatorische Lösung verstoße nicht nur gegen seine - des Verfügungsklägers - arbeitsrechtliche Position, sondern auch gegen Vorschriften des Datenschutzrechts, die zu seinen Gunsten und des von ihm innegehabten Amtes als besondere Kündigungsvorschriften wirkten; insbesondere verstoße die Neubesetzung seiner Stelle gegen § 4 f BDSG.

Der Verfügungskläger hat beantragt,

der Verfügungsbeklagten (des Ersten Rechtszugs) zu untersagen, Herrn ..., Herrn ... oder eine andere Person an seiner Stelle zum internen Datenschutzbeauftragten zu bestellen, bis über eine zu erwartende Änderungskündigung seitens der (vormaligen) Verfügungsklägerin gegenüber ihm rechtskräftig entschieden sein wird;

hilfsweise,

eine Anordnung zu treffen, die seinen Arbeitsplatz als internen Datenschutzbeauftragten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Ablösung sichert.

Die vormalige Verfügungsbeklagte hat

die Abweisung der Verfügungsklage

beantragt.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass mit dem Erlöschen der ... auch die Tätigkeit des Verfügungsklägers als Datenschutzbeauftragter enden werde. Die ... sei frei, eine andere Person als Datenschutzbeauftragten zu bestellen.

Das Arbeitsgericht hat der vormaligen Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung der Sache nach untersagt, bis zu dem Abschluss eines Hauptsacheverfahrens Erster Instanz die Stelle des Datenschutzbeauftragten ab 01.01.2008 durch keine andere Person als den Verfügungskläger dauerhaft zu besetzen.

Mit Schreiben der ... vom 11.01.2008 wurde dem Verfügungskläger mittlerweile mitgeteilt, dass er mit Wirkung vom 14.01.2008 befristet für die Dauer eines Projektes als Projektleiter eingesetzt werde, ohne dass sich seine dienstvertraglichen Bedingungen einschließlich Besoldung veränderten.

Die nunmehrige Verfügungsbeklagte hat gegen das am 03.01.2008 noch der ... zugestellte Urteil am 16.01.2008 Berufung eingelegt und am 03.03.2008 ausgeführt. Sie verteidigt im Wesentlichen weiter die bereits bislang vertretene Rechtsposition, wonach der Verfügungskläger aufgrund des Erlöschens der ... nicht weiter Datenschutzbeauftragter sei. Im Übrigen bezieht sie sich auf die auf das Anstellungsverhältnis anwendbaren beamtenrechtlichen Vorschriften, welche die Zuweisung einer anderen Tätigkeit erlaubten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Verfügungsklage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dresden vom 28.12.2007 - 5 Ga 67/07 - abzuweisen.

Der Verfügungskläger beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Der Verfügungskläger hat nach Zustellung der Berufungsbegründung am 06.03.2008 am 04.04.2008 Anschlussberufung eingelegt und in der Anschlussschrift begründet.

Damit hat es folgende Bewandtnis:

Aufgrund des Inhalts der von seinem Antrag abweichenden Untersagungsverfügung des Arbeitsgerichts sei es der Verfügungsbeklagten möglich geworden, seine eigene Weiterbeschäftigung durch vorläufige Bestellung des Herrn ... zu unterlaufen. Außerdem erkennt der Verfügungskläger in dem Schreiben vom 11.01.2008 eine Änderungskündigung.

Der Verfügungskläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dresden vom 28.12.2007 - 5 Ga 67/07 - der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, Herrn ... oder eine andere Person zum internen Datenschutzbeauftragten zu bestellen, bis über die Änderungskündigung vom 11.01.2008 seitens der Verfügungsbeklagten gegenüber ihm rechtskräftig entschieden worden sein wird.

Die Verfügungsbeklagte beantragt

die Zurückweisung der Anschlussberufung.

Sie macht u. a. geltend, bei dem Schreiben vom 11.01.2008 handele es sich nicht um eine Änderungskündigung. Jedenfalls habe der Kläger insoweit die Klagefrist von drei Wochen verstreichen lassen.

Wegen der Einzelheiten des tatsächlichen Vorbringens beider Parteien und der von ihnen geäußerten Rechtsansichten wird auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist begründet. Denn die - ihrerseits zulässige - Verfügungsklage ist unbegründet.

1. Die Verfügungsklage ist nicht deshalb unzulässig, weil die Stelle des Datenschutzbeauftragten bei der Verfügungsbeklagten mittlerweile anders besetzt wäre.

Nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung hat sich die nunmehrige Verfügungsbeklagte bislang einer endgültigen anderweitigen Bestellung eines Datenschutzbeauftragten enthalten. Die vormalige ... hingegen konnte keinen Datenschutzbeauftragten für die noch nicht entstandene ... bestellen. Deshalb wirkt es sich nicht aus, ob durch das Schreiben der Frau ... insoweit eine Bindung entstanden ist oder was von dem Inhalt der von Herrn ... abgegebenen eidesstattlichen Versicherung im Ersten Rechtszug zu halten ist. Jedenfalls deckt sich diese mit dem nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung festzustellenden Rechtszustand, wonach eine dauerhafte Vergabe der Position des Datenschutzbeauftragten (bislang) nicht erfolgt ist.

2. Der Verfügungskläger hat gegen die Verfügungsbeklagte keinen Verfügungsanspruch des Inhalts, dass diese die Bestellung einer anderen Person zum internen Datenschutzbeauftragten an seiner Stelle - vorübergehend oder auf Dauer - zu unterlassen habe.

Der Verfügungskläger verfolgt der Sache nach eine Konkurrentenklage, weil er sich bei der Bestellung zum internen Datenschutzbeauftragten der Verfügungsbeklagten übergangen fühlt. Sein Vorbringen zu einem - durchaus auch im Recht der Dienstordnungsangestellten möglichen - Unterlassungsanspruch rechtfertigt jedoch nicht die von ihm hier erstrebte Rechtsfolge. Denn der Sache nach macht der Verfügungskläger geltend, aufgrund Gesamtrechtsnachfolge weiter Datenschutzbeauftragter zu sein. Sein wahres Ziel geht also darauf, zu unveränderten Bedingungen beschäftigt zu werden.

Dieses Ziel ist im Rahmen einer einstweiligen Verfügung aber jedenfalls nicht dadurch sicherbar, dass die Bestellung anderer Datenschutzbeauftragter untersagt wird (zum Verhältnis Unterlassen/Beschäftigungsanspruch, s. LAG München vom 01.12.2004 - LAGE § 106 GewO 2003 Nr. 2). Datenschutzrechtlich folgt dies schon daraus, dass die Struktur einer öffentlichen Stelle die Bestellung mehrerer Beauftragter für den Datenschutz rechtfertigen kann, wie es sich aus § 4 f Abs. 1 Satz 5 BDSG ergibt.

Allerdings hat der Verfügungskläger in der Berufungsverhandlung zu Recht darauf hingewiesen, dass durch eine Bestellung Dritter seine Position beeinträchtigt werde. Richtig ist, dass sich aus jedem auf ein Tun (Beschäftigung) gerichteten Anspruch auch ein solcher auf ein Unterlassen der Beeinträchtigung des Anspruchs ergeben kann (vgl. Palandt/Heinrichs § 241 Rdnr. 4).

Insofern ist aber darauf hinzuweisen, dass nicht im Rahmen jedweder Gesamtrechtsnachfolge (etwa einer erbrechtlichen Universalsukzession, einer Verschmelzung von Unternehmen, Betrieben oder Behörden) jedwedes Amt übergangsfähig ist (vgl. etwa Palandt/Edenhofer § 1922 Rdnr. 40). In der Regel werden für derartige Fälle Übergangs- oder Restmandate ausdrücklich geregelt (vgl. etwa §§ 21 a, 21 b BetrVG, § 32 SächsPersVG, § 321 UmwG a.F.). Entsprechende Regelungen fehlen aber - beispielsweise - für Betriebsärzte oder Fachkräfte für Sicherheit nach dem Arbeitssicherheitsgesetz, aber auch für betriebliche Datenschutzbeauftragte. Datenschutzrechtlich geht das Amt mithin unter.

Eine Rechtsanalogie zugunsten des Verfügungsklägers lässt sich aufgrund der wenigen geregelten Fälle von Übergans- oder Rechtsmandaten nicht ziehen. Ob und wen die nunmehrige Verfügungsbeklagte als internen Datenschutzbeauftragten zu bestellen hat oder wen sie nicht bestellen darf, ist eine verwaltungsrechtliche, insbesondere eine aufsichtsrechtliche Frage.

Dem steht auch nicht die Auffassung entgegen, wonach die Bestellung zum Datenschutzbeauftragten Inhalt der Arbeitsaufgabe wird. Würde man diese vom Bundesarbeitsgericht rein arbeitsrechtlich begründete Sichtweise auf ein Dienstordnungsverhältnis - wie hier - anwenden, müsste konsequenterweise auch von einer schlüssigen Zweckbefristung der Aufgabenübertragung (vgl. § 15 Abs. 2 TzBfG) für die Dauer der Existenz des Auftraggebers ausgegangen werden. Mit einer Zweckbefristung ist jedenfalls nicht die Annahme vereinbar, die Bestellung bestehe auch bei der "Schließung" einer Krankenkasse nach § 144 Abs. 4 S. 1 SGB V (oder im Falle des Erlöschens einer Gesellschaft nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 UmwG, vgl. dazu Liedke NZA 2005, 390, 393 m. Fn 34) fort.

Jedenfalls fehlt es hier an einem Verfügungsgrund. Die Verfügungsbeklagte hat - wie erwähnt - bislang keine vollendeten Tatsachen geschaffen und es ist dem Verfügungskläger zuzumuten, seinen nach den vorstehenden Gründen bei summarischer Prüfung nicht bestehenden Beschäftigungsanspruch im Hauptsacheverfahren zu verfolgen, in dem die zahlreichen von den Parteien aufgeworfenen Rechtsfragen einer Klärung zugeführt werden können.

Letztlich ergibt sich die Unübertragbarkeit des Amtes auch aus § 613 BGB, weil der Beauftragte die Dienste in Person zu erbringen hat. Wäre die Ansicht des Verfügungsklägers zutreffend, wonach die neue Kasse nur einen Datenschutzbeauftragten haben darf, fehlt es jedenfalls an einer Regelung des Konkurrenzverhältnisses der Beauftragten der fusionierenden Kassen. Auch dies deutet darauf hin, dass deren Aufträge mit dem Ende der Auftraggeber erlöschen und ein neuer Bestellungsakt erforderlich wird.

II.

Die zulässige Anschlussberufung ist unbegründet. Denn insoweit ist die Verfügungsklage ohne Substrat und mithin unzulässig. Denn bei dem Schreiben vom 11.01.2008 handelt es sich nicht um eine Änderungskündigung.

Nach dem deutlichen Text sollen sich die dienstvertraglichen Bedingungen einschließlich Besoldung nicht verändern. Der Fortbestand des Dienstverhältnisses wird also nicht in Abrede gestellt für den Fall, dass sich der Verfügungskläger der Arbeitsanweisung widersetze. Insoweit kann dahinstehen, ob und inwieweit ein auf Lebenszeit begründetes Dienstordnungs-Anstellungsverhältnis überhaupt durch arbeitsrechtliche Kündigung geändert werden könnte.

III.

Der Verfügungskläger hat aufgrund der Regelung in § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil er unterlegen ist.

Gegen Urteile des Landesarbeitsgerichts, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision aufgrund der Regelung in § 72 Abs. 4 ArbGG nicht zulässig, ohne dass dies eines besonderen Ausspruchs bedarf. Dies bedeutet nicht nur, dass diese Entscheidung nicht anfechtbar ist, sondern auch, dass das Landesarbeitsgericht die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zulassen kann. Deswegen besteht auch nicht die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht mit einer Nichtzulassungsbeschwerde - wie sonst - anzufechten.

Ende der Entscheidung

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