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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 10.11.2006
Aktenzeichen: 4 Ta 176/06 (8)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 115 Abs. 3
Die Prozesskostenhilfe ist nicht Hilfe zum Lebensunterhalt nachdem Dritten Kapitel des SGB XII, sondern mit Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII vergleichbar. Das Schönvermögen i. S. d. § 115 III ZPO beträgt daher 2.600,00 Euro.
Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS

Az.: 4 Ta 176/06 (8)

Chemnitz, 10.11.2006

In dem PKH-Beschwerdeverfahren

hat die 4. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht als Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung am 10.11.2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 28.06.2006 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 10.06.2006 - 6 Ca 2202/06 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 02.05.2005 hat der Kläger gegen die Beklagte Klage erhoben mit den Anträgen, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20.04.2006 nicht aufgelöst worden ist sowie weiterhin festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis unbefristet fortbesteht und auch nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 23.03.2006 mit Ablauf des 30.04.2006 beendet worden ist.

Im Termin vom 15.05.2005 haben die Parteien einen widerruflichen Vergleich geschlossen, der von der Beklagten nicht widerrufen und somit rechtskräftig wurde. Auf dessen Wortlaut und Inhalt wird Bezug genommen (Bl. 26/27 d. A.).

Mit Beschluss vom 10.06.2006 war der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Beiordnung von Rechtsanwalt .. aus ... abgelehnt worden.

Gegen diesen am 16.06.2006 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28.06.2006, beim Arbeitsgericht Leipzig eingegangen am 29.06.2006, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass sich - nachdem der Kläger gegenüber einem Kind unterhaltspflichtig sei - der Schonbetrag auf 2.856,00 € belaufe. Der sich auf dem Sparkonto befindliche Betrag in Höhe von 2.081,91 € liege somit unterhalb des Schonbetrages. Das sich auf dem Girokonto befindliche Geld sei nicht zu berücksichtigen, da es sich um das Gehaltskonto des Klägers handele, auf welchem das Gehalt eingegangen sei, das zur Bestreitung des laufenden Lebensunterhalts notwendig sei. Es sei mithin zeitraumbezogenes Einkommen und kein Vermögen i. S. des § 115 ZPO.

Da vorliegend der eingangs bereits erwähnte Schonbetrag in Höhe von 2.856,00 € nicht überschritten werde, finde auch die hier im Vergleich vom 15.05.2006 vereinbarte Abfindung keine Berücksichtigung.

Mit Beschluss vom 14.07.2006 hat das Arbeitsgericht Leipzig der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1. Die sofortige Beschwerde, die dem Beschwerdegericht gemäß § 572 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz ZPO vorliegt, ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

2. Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, dass der Antrag des Klägers vom 15.05.2006 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... zurückzuweisen ist.

Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist die Bedürftigkeit des Antragstellers. Diese richtet sich im Hinblick auf dessen Vermögen nach § 115 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 90 SGB XII. Aus der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ergibt sich, dass der Kläger u. a. über Guthaben in Form eines Sparbuchs bei der ... e. V. in Höhe von 2.081,91 € sowie über ein Guthaben auf seinem Girokonto über 2.220,03 € verfügt. Somit ergibt sich hieraus bereits ein Gesamtguthaben für den Kläger von insgesamt 4.301,94 €. In den Grenzen des § 115 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 90 SGB XII und der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII vom 11.02.1988 (BGBL. I S. 150, maßgeblich geändert im BGBl. I 2004 S. 3060) hat er dieses "Vermögen" zur Bestreitung der Prozesskosten einzusetzen. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung steht dem Antragsteller ein Freibetrag zu. Dabei ist in den jüngsten Entscheidungen sächsischer Obergerichte der Freibetrag des Buchstaben a) von lediglich1.600,00 € herangezogen worden. Zur Begründung wird auf die Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts vom 17.05.2006 - L 1 B 121/05 AL-PKH - (in JURIS) verwiesen.

Demgegenüber vertritt das OLG Nürnberg in seiner Entscheidung vom 19.04.2006 - 7 WF 266/06 - die Auffassung, dass das Schonvermögen i. S. des § 115 Abs. 3 ZPO nicht 1.600,00 €, sondern 2.600,00 € beträgt.

a) Dieser Entscheidung des OLG Nürnberg folgt die Beschwerdekammer in ihrer Begründung und im Ergebnis. Denn nach § 90 Abs. 2 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte, wobei dabei eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen ist, abhängig gemacht werden. Was unter kleineren Barbeträgen oder sonstigen Geldwerten i. S. dieser Bestimmung zu verstehen ist, wird durch die "Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII" i. d. F. des Art. 15 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 30.12.2003 (BGBl. I S. 3022 ff. [S. 3060 ff.]) näher geregelt. Danach beträgt das Schonvermögen 1.600,00 € bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem dritten Kapitel des SGB XII, wobei sich der Betrag auf 2.600,00 € bei Vollendung des 60. Lebensjahres sowie bei Vollerwerbsgeminderten i. S. der gesetzlichen Rentenversicherung erhöht (§ 1 Nr. 1 a der Verordnung). Bei den Leistungen nach dem fünften bis neunten Kapitel des SGB XII beträgt das Schonvermögen 2.600,00 € zzgl. eines Betrages von 256,00 € für jede Person, die von der nachfragenden Person überwiegend unterhalten wird (§ 1 Nr. 1 b der Verordnung).

Da die Verordnung - so die Auffassung des OLG Nürnberg - somit für unterschiedliche Sozialleistungen ein unterschiedlich hohes Schonvermögen vorsieht, ist die lapidare Verweisung in § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO ("§ 90 SGB XII gilt entsprechend") wenig hilfreich. Denn es bedarf unter diesen Umständen einer Klärung der Frage, ob die Bewilligung von Prozesskostenhilfe eher mit der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem dritten Kapitel des SGB XII oder eher mit den Leistungen nach dem fünften bis neunten Kapitel des SGB XII vergleichbar ist. In der Literatur wird im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass die Prozesskostenhilfe eine Hilfe in besonderen Lebenslagen darstellt bzw. mit derartigen Hilfen am ehesten vergleichbar ist (vgl. Fischer in: Musielak, ZPO, 4. Auflage, § 115 Rdnr. 43; Kalthoener/Büttner/ Wrobel-Sachs, Prozesskosten- und Beratungshilfe, 4. Auflage, Rdnr. 348). Das OLG Bamberg hat sich in einer unveröffentlichten Entscheidung dieser Auffassung angeschlossen (Beschluss vom 14.10.2005 - 7 WF 184/05 -), die auch vom OLG Karlsruhe vertreten wird (Beschluss vom 11.05.2005 - 2 WF 51/05 - FamRZ 2005, 1917). Die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem dritten Kapitel des SGB XII umfasst im Wesentlichen Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens (§ 27 SGB XII), wobei dieser Bedarf im Wesentlichen nach Regelsätzen erbracht wird (§ 28 SGB XII). Mit dieser Absicherung lebensnotwendiger Grundbedürfnisse kann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht verglichen werden. Das Schonvermögen i. S. des § 115 Abs. 3 ZPO ist daher grundsätzlich mit 2.600,00 € anzusetzen.

b) Ein weiterer Freibetrag für die Tochter des Antragstellers ist nicht anzusetzen. Es stimmt zwar, dass der Kläger Unterhalt an seine Tochter zahlt. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB X II ist jedoch generell kein weiterer Freibetrag für Angehörige vorgesehen; nach Buchstabe b) ist ein Freibetrag in Höhe von 256,00 € nur dann anzusetzen, wenn die Angehörige Sophie Günther überwiegend vom Antragsteller i. S. des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i. V. m. der DVO zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII § 1 Abs. 1 Ziffer 1 b unterhalten würde, dürften ihr von anderer Seite weniger als 197,87 € zufließen, was bedeuten würde, dass der Tochter Sophie lediglich ein Gesamtunterhalt in Höhe von ca. 400,00 € zur Verfügung stände. Mit diesem Betrag ist es jedoch heute nicht möglich, Aufwendungen des Angehörigen für Kleidung, Nahrung, Schule etc. abzudecken, so dass der vom Kläger gezahlte Unterhaltsbetrag in Höhe von 197,87 € nicht als überwiegender Unterhalt anzusehen ist.

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Tochter ... beim Kläger wohnen würde, dann käme zu dem Barunterhalt noch der Naturalunterhalt dazu. Dies ist jedoch hier nicht der Fall; der Kläger und seine Tochter ... haben ausweislich der klägerischen Erklärung über dessen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse verschiedene Wohnadressen.

Daran kann auch nichts die vom Beschwerdeführer zitierte Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein ändern. Den Gründen sind die persönlichen Verhältnisse des dortigen Antragstellers nicht zu entnehmen. Damit verbleiben dem Kläger ca. 1.700,00 € (4.301,00 € abzgl. 2.600,00 €) zur Bestreitung der Verfahrenskosten. Diese belaufen sich vorliegend auf ca. 1.555,50 € (3,5 Gebühren aus einem Streitwert von 6.000,00 € = 1.183,00 € + Postauslagenpauschale 20,00 € zzgl. Mehrwertsteuer von 352,48 €). Damit ist der Kläger aber in der Lage, die Verfahrenskosten vollständig aus seinem einzusetzenden Vermögen abzudecken.

c) Hierbei muss weiterhin berücksichtigt werden, das der Kläger am 28.04.2006, also zu einem Zeitpunkt, in dem er bereits von dem anstehenden Rechtsstreit wusste, nachdem ihm schon am 21.04.2006 die Beendigungsmitteilung seines Arbeitsverhältnisses übermittelt wurde, noch 2.000,00 € von seinem Sparbuch abhob. Insoweit hat er seine Bedürftigkeit selbst verschuldet. Der Kläger hätte hier erläutern müssen, wozu er dieses Geld benötigte. Denn selbst verschuldete Bedürftigkeit steht der Gewährung einer Sozialleistung - wie es die Prozesskostenhilfe als spezielle Form der Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen ist - entgegen. Auch hierzu wurde seitens des Klägers nichts vorgetragen. Dies hätte sich aber bei dieser direkten zeitlichen Abfolge geradezu aufgedrängt. Doch auch, wenn der Kläger damit argumentiert, dass dieser Betrag schließlich verbraucht sei, kann ihm entgegengehalten werden, dass ihm dafür nunmehr die im Verfahren vereinbarte Abfindung in Höhe von 2.000,00 € zugute kommt. Somit ist keinesfalls eine Vermögensminderung eingetreten.

d) Auch die weitere Argumentation des Klägers greift nicht. Das Guthaben des Klägers auf dessen Girokonto ist vorliegend vollumfänglich als Vermögensbestandteil einzusetzen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass - wie die beigefügten Kontoauszüge es ausweisen - der Kläger sogar Guthaben bis über 4.000,00 € verbuchen konnte. Damit aber kommt zum Ausdruck, dass der Kläger über einen ausreichenden Kontostand verfügt und das Guthaben eben gerade nicht völlig im laufenden Monat verbraucht.

Auf die ausführliche Darstellung der Unverwertbarkeit der Abfindung wird nicht näher eingegangen, da diese zum Nachweis der fehlenden Bedürftigkeit des Antragstellers erst gar nicht herangezogen werden muss, dies also nicht entscheidungsrelevant ist.

e) Schließlich ist einzuwenden, dass der Leitsatz der BAG-Entscheidung vom 22.12.2003 zu pauschal formuliert ist und dadurch missverständlich wird.

Sieht man sich die Gründe der Entscheidung an, so wird nicht abstrakt von Schulden gesprochen, die Guthaben gegenüberzustellen sind, sondern von fälligen Darlehensverpflichtungen (es wird ein Überziehungskredit genannt).

Nach alledem war daher die Beschwerde zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung hatte nicht zu ergehen.

Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergehen (§§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 568 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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