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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.06.2009
Aktenzeichen: 1 A 208/08
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 86
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 133 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 A 208/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen baurechtlichen Nachbarschutzes

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann

am 16. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 26. März 2008 - 3 K 1277/03 - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - dargelegt, dass ein Zulassungsgrund vorliegt. Das Darlegungserfordernis verlangt, dass ein Antragsteller im Zulassungsverfahren zum einen zumindest einen Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO bezeichnet und zum anderen herausarbeitet, aus welchen Gründen die Voraussetzungen des bezeichneten Zulassungsgrundes erfüllt sind. Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung darauf beschränkt, das Vorliegen der von dem Antragsteller bezeichneten Zulassungsgründe anhand der von ihm vorgetragenen Gesichtspunkte zu prüfen.

Der von der Klägerin dargelegte Zulassungsgrund liegt nicht vor.

Zunächst bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, mithin der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrages ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel sind deshalb anzunehmen, wenn tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass der Ausgang eines Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, DVBl. 2000, 1458). Da sich ernstliche Zweifel auf das Entscheidungsergebnis und nicht auf die dafür gegebene Begründung beziehen, scheidet eine Zulassung der Berufung aus, wenn sich die angefochtene Entscheidung aus anderen als den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen als richtig darstellt (SächsOVG, Beschl. v. 22.7.2002 - 5 B 103/02 - m. w. N.; st. Rspr.).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin werde durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt. Der durch den Abhilfebescheid vom 18.9.2002 geänderte Bescheid der Beklagten vom 7.8.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Chemnitz vom 21.8.2003 sei rechtmäßig. Nach dem Ergebnis des Augenscheins befänden sich das Baugrundstück und das Grundstück der Klägerin in einer Gemengelage und nicht in einem faktischen Mischgebiet. Entscheidend gegen die Annahme eines Mischgebietes spreche die in unmittelbarer Nähe des Grundstücks vorhandene Diskothek. Diese sei in einem Mischgebiet unzulässig, da durch einen solchen Gewerbebetrieb das Wohnen gestört werde. Zwar seien gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO in überwiegend gewerblich genutzten Teilen eines Mischgebietes Vergnügungsstätten zulässig, es müsse sich dann aber um nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten handeln, was bei der vorhandenen Diskothek aufgrund ihrer Größe nicht der Fall sei. Das Vorhaben der Beigeladenen sei nicht rücksichtslos. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die von dem Vorhaben verursachten Lärmimmissionen die Grenzen eines nach der TA-Lärm zu bildenden Mittelwertes, der zwischen dem anzunehmenden Wert für Wohngebiete und dem für Gewerbegebiete zu veranschlagen sei, übersteigen würden. Nach den für das Gericht nachvollziehbaren und überzeugenden Feststellungen der Schallimmissionsprognose vom 31.7.2002, die unter Anwendung der TA-Lärm und der Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz erstellt worden sei und die den ruhenden sowie fließenden Verkehr - vor allem auch die Besonderheiten des "........" - berücksichtige, würden die Richtwerte für Mischgebiete nicht über, sondern tagsüber deutlich und auch nachts um 6 dB(A) unterschritten. Diesem Ergebnis habe die Klägerin keine anderslautenden Erkenntnisse entgegengesetzt. Unbeachtlich sei, dass es sich bei der Schallimmissionsprognose um ein von der Beigeladenen in Auftrag gegebenes Gutachten handele. Das StUFA Plauen habe als Fachbehörde für Lärmimmissionen in seinem Gutachten vom 5.8.2002 das gefundene Ergebnis und den logischen und prinzipiell nachvollziehbaren Aufbau der Schallimmissionsprognose bestätigt. Es bestehe auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin durch Geruchsbelästigungen in nicht zumutbarer Weise beeinträchtigt würde. Die Beklagte habe durch die Aufnahme entsprechender Nebenbestimmungen alles dafür getan, dass Geruchsbelästigungen in erheblichem Ausmaß nicht zu erwarten seien. Der Küchendunst werde durch Filtertechnik, die dem Stand der Technik entspreche, abgesaugt. Dabei habe der Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgeführt, dass die dem Stand der Technik entsprechende Filtertechnik verwandt und regelmäßig gereinigt werde. Bei der Frage, ob Geruchsbelästigungen erträglich seien, komme es nicht auf das subjektive Empfinden Einzelner - insbesondere der Klägerin - an. Vielmehr sei ein objektiver Maßstab anzulegen. Die Klägerin habe es unterlassen Gutachten zur Untermauerung ihrer Wahrnehmungen vorzulegen.

Die Klägerin wendet ein, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Ob es sich bei der Umgebung ihres Wohnhauses um eine Gemengelage oder ein Mischgebiet handele, könne dahinstehen, da das Vorhaben der Beigeladenen gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Mit der Klagebegründung habe ihr Prozessbevollmächtigter eine Reihe von Beweisanträgen gestellt, denen das Verwaltungsgericht insgesamt nicht nachgekommen sei. Es habe dadurch gegen seine in § 86 Abs. 1 VwGO festgelegte Aufklärungspflicht verstoßen. Sie habe detailliert vorgetragen, dass die von dem Schnellrestaurant ausgehenden Geruchsimmissionen nach dem Stand der Technik nicht zu vermeiden seien und dafür Beweis durch die Einholung eines durch einen Sachverständigen zu erstellenden Gutachtens angeboten. Der vom Verwaltungsgericht beim Augenschein festgestellte Zustand beruhe nur auf einer Momentaufnahme. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Beigeladene für den Augenschein den Abluftfilter gründlich gereinigt habe. Trotzdem seien auch dabei zeitweilig - je nach der wechselnden Windrichtung - von den Friteusen ausgehende Gerüche deutlich wahrnehmbar gewesen. Der Beweisantrag zur Einvernahme der 2 präsenten Zeugen hätte nicht abgelehnt werden dürfen. Sie hätten bestätigen können, dass die Geruchsbelästigungen objektiv unerträglich seien. Bei der Lärmimmissionsprognose handele es sich um ein nicht berücksichtigungsfähiges Parteigutachten. Der Gutachter habe die Lärmwerte unter Berücksichtigung der TA-Lärm ermittelt. Diese Vorgehensweise berücksichtige aber die zusätzlichen Lärmspitzen durch die ständigen An- und Abfahrten nicht. Außerdem gehe das Gutachten von einer falschen Anzahl von Fahrzeugen aus. Auch insoweit habe eine Aufklärungspflicht bestanden.

Diese Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Senat geht dabei zugunsten der Klägerin davon aus, dass im Rahmen des geltend gemachten Zulassungsrundes der ernstlichen Zweifel auch Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, insbesondere eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht in zulässiger Weise gerügt werden können. Allerdings sind Versäumnisse eines Beteiligten im Verfahren erster Instanz beachtlich und können dem Erfolg einer Aufklärungsrüge entgegenstehen (vgl. VGH BW, Beschl. v. 17.2.2009 - 10 S 3156/08 -, zitiert nach juris). Dies ist hier der Fall.

Eine Aufklärungsrüge genügt nämlich nur dann den Darlegungsanforderungen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), wenn der Verfahrensmangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Das bedeutet, dass mit dem Zulassungsantrag substanziiert hätte dargelegt werden müssen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände der Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin hätte dargelegt werden müssen, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in erster Instanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen den letztgenannten Anforderungen nicht (ständige Rspr. des BVerwG, vgl. etwa Beschl. v. 20.9.2007 - 4 B 38/07 -, zitiert nach juris).

Daran gemessen ist für einen Aufklärungsmangel nichts ersichtlich. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass die von dem Schnellrestaurant ausgehenden Geruchsimmissionen nach dem Stand der Technik nicht zu vermeiden seien und das Verwaltungsgericht insoweit der Anregung, ein Sachverständigengutachten einzuholen, nicht nachgekommen sei, ergibt sich hieraus kein Aufklärungsmangel. Zum einen wurde ein entsprechender Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 26.3.2008 bereits nicht gestellt und zum anderen lag dem Verwaltungsgericht u. a. die Stellungnahme des StUFA Plauen vom 12.2.2003 vor, mit der sich die Klägerin nicht auseinander gesetzt hat. Dabei geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass unzumutbare Geruchsbelästigungen durch den Einsatz und die Wartung der im Bescheid aufgegebenen Filter und Absaugtechnik nach dem Stand der Technik vermieden werden können. Diese Sichtweise ist nicht zu beanstanden, da sie durch die fachliche Stellungnahme des StUFA vom 12.2.2003, auf die bereits im Widerspruchsbescheid hingewiesen wurde, bestätigt wird. Die Klägerin hat sich dabei weder substanziell mit dieser vom Verwaltungsgericht vertretenen und vom StUFA Plauen gestützten Auffassung in dem Antrag auf Zulassung der Berufung auseinander gesetzt, noch in diesem Substanzielles dazu vorgetragen, warum Geruchsbelästigungen hier durch den Einbau der entsprechenden Filter- und Ablufttechnik, nach dem Stand der Technik nicht vermieden werden können.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass die von ihr genannten Zeugen, eine objektiv bestehende unzumutbare Geruchsbeeinträchtigung hätten betätigen können, führt dies auch nicht weiter, weil die Zeugen in Bezug auf Gerüche nur ihre eigenen subjektiven Wahrnehmungen schildern können. Dabei hat die Klägerin im Übrigen noch nicht einmal dargelegt, welche konkreten Umstände und welche Tatsachen die Zeugen - über den vom Verwaltungsgericht als wahr unterstellten Sachverhalt hinaus - hätten bestätigen können. Auch hat sie es versäumt, in der mündlichen Verhandlung nach der Ablehnung des Beweisantrages weitere Beweisanträge zu stellen. Dies wäre aber erforderlich gewesen, wenn die Zeugen weitere Umstände, die vom als wahr unterstellten Sachverhalt nicht umfasst waren, hätten bestätigen können. Denn für das Gericht war unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des StUFA Plauen auch nichts für die Annahme der Klägerin ersichtlich, dass erhebliche Geruchsbelästigungen nach dem Stand der Technik nicht vermeidbar seien. Ein Aufklärungsmangel ist auch nicht deshalb gegeben, weil das Verwaltungsgericht in Bezug auf die ermittelten Lärmimmissionen kein weiteres Gutachten eingeholt hat. Denn das Verwaltungsgericht hat nicht nur maßgeblich auf die seitens der Beigeladenen eingeholte Lärmschutzprognose abgestellt, sondern vielmehr auch auf das Gutachten des StUFA Plauen vom 5.8.2002, gegen das die Klägerin substanziell bereits nichts vorgebracht hat. Auch mit der Begründung des Antrages auf Zulassung der Berufung greift sie die Lärmschutzprognose nur pauschal an, ohne detailliert - unter Benennung anderer Quellen - darzulegen und zu erläutern, warum das gefundene Ergebnis (beispielsweise in Bezug auf die angenommene Anzahl der Fahrzeuge) falsch ist. Dabei besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Anfahrts- und Zufahrtssituation sowie vermehrte Motorstarts auf dem Gelände des "........" in der Schallimmissionsprognose nicht berücksichtigt wurden. Denn bei der Berechnung der Schallpegel wurden diese nach dem Gutachten offensichtlich berücksichtigt (vgl. Anlagen 6.1; 6.2; 11.1 der Lärmimmissionsprognose).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, ist es angemessen, der unterlegenen Klägerin auch deren außergerichtliche Kosten aufzuerlegen.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den für das am 25.4.2008 anhängig gemachte Verfahren auf Zulassung der Berufung maßgeblichen § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziffer 9.7.1 Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 = DVBl. 2004, 1525 = VBlBW 2004, 467). Hiernach ist für das Beschwerdeverfahren mangels substanzieller Darlegung einer konkreten Grundstückswertminderung durch die angegriffene Baugenehmigung auf den eine Art von Auffangwert (SächsOVG, Beschl. v. 20.10.2005 - 1 BS 251/05 - m. w. N.) darstellenden Betrag von 7.500 € abzustellen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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