Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 29.09.2009
Aktenzeichen: 1 B 363/09
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 B 363/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Nichtigkeit der Satzung des Regionalplanes .............. vom 10.07.2008

hier: Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann, die Richterin am Verwaltungsgericht Berger und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Hahn

am 29. September 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 30.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Satzung über die erste Gesamtfortschreibung des Regionalplanes .............. in der Fassung des Satzungsbeschlusses des Regionalen Planungsverbandes .............. vom 10.7.2008, mit dem der Satzungsbeschluss vom 5.3.2008 geändert wurde, sowie des Genehmigungsbescheides des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 28.5.2008, geändert mit Bescheid vom 17.7.2008, hat keinen Erfolg. Gleiches gilt für die hilfsweise beantragte Aussetzung der Rechtswirkungen des Regionalplanes beschränkt auf das Vorhaben der Antragstellerin. Insoweit kommt es auf die Beantwortung der in der Rechtsprechung nur vereinzelt bejahten Frage, ob eine solche individuelle Aussetzung überhaupt zulässig ist, nicht an. Die vorläufige Aussetzung des Vollzugs der Regionalplanfortschreibung ist nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Die Antragstellerin muss, wie bei der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO auch, die Tatsachen glaubhaft machen, aus denen sich ergibt, dass ihr ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zur Seite stehen. § 47 Abs. 6 VwGO stellt an die Aussetzung des Vollzugs einer (untergesetzlichen) Norm erheblich strengere Anforderungen, als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (BVerwG, Beschl. v. 18.5.1998, NVwZ 1998, 1065; SächsOVG, Beschl. v. 27.9.2007 - 3 BS 100/07 -; OVG NRW, Beschl. v. 25.1.2008, BauR 2008, 962 = NuR 2008, 210). Wenn eine einstweilige Anordnung ergehen soll, müssen die dafür sprechenden Gründe so schwer wiegen, dass der Erlass unabweisbar erscheint (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 47 Rn. 148 m. w. N.). Davon ist im vorliegenden Fall nicht auszugehen.

Die Antragstellerin hat bereits nicht glaubhaft machen können, warum eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz nunmehr dringend geboten ist. Gegen die eine vorläufige Regelung rechtfertigende Dringlichkeit spricht bereits der Zeitablauf. Die Antragstellerin hat am 1.10.2008 beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrollantrag gegen die Regionalplanfortschreibung angebracht (1 C 25/08). Erst am 29.5.2009 und damit fast acht Monate später stellt sie den hier verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung. Warum ihr anders als in den bis dahin vergangenen Monaten und im Unterschied zu anderen Antragstellern ein (weiteres) Zuwarten auf die Entscheidung über ihren Normenkontrollantrag nun nicht mehr zuzumuten sein soll, ergibt sich aus dem Eilantrag nicht.

Auch das Vorliegen schwerer Nachteile, die den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung im oben genannten Sinne unabweisbar erscheinen lassen könnten, hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Sie beschränkt sich insoweit auf die bloße, den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung nicht genügende Behauptung, die kurzfristige Realisierung fünf beantragter Windenergieanlagen habe für sie existenzielle wirtschaftliche Bedeutung.

Schließlich hat die Antragstellerin das Vorliegen eines anderen wichtigen Grundes i. S. v. § 47 Abs. 6 VwGO nicht glaubhaft gemacht. Ein "anderer wichtiger Grund" i. S. v. § 47 Abs. 6 VwGO, der den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigt, liegt vor, wenn sich der Regionalplan im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist (vgl. z. B.: SächsOVG, Beschl. v. 9.4.2008 - 1 BS 448/07). Von einer solchen offensichtlichen Rechtswidrigkeit ist nur auszugehen, wenn sie der Satzung gleichsam "auf die Stirn geschrieben" steht. Der Regionalplan aber ist, wie im Folgenden ausgeführt, weder so offensichtlich auf die Verhinderung einer substanziellen Windenergienutzung ausgerichtet, noch ist der im Plan festgeschriebene Mindestabstand zu Siedlungen ins Auge springend rechtswidrig, noch drängen sich bei summarischer Prüfung augenscheinliche Abwägungsfehler auf.

Allein aus der von der Antragstellerin bemühten Flächenbilanz lässt sich der Rückschluss auf eine "Verhinderungsplanung" nicht ziehen. Es gibt keinen allgemeinen Rechtssatz oder zumindest eine gefestigte Rechtsprechung, der zufolge in einem Regionalplan abstrakt eine bestimmte Mindestfläche für die Windenergienutzung auszuweisen ist. Abgesehen davon sind die Planfestlegungen des Antragsgegners zumindest nicht offensichtlich auf die Verhinderung von Windenergienutzung gerichtet. Trifft der Regionalplanungsgeber gebietsbezogene Festlegungen über die Konzentration von Windenergieanlagen an bestimmten Standorten, und schreibt er damit zugleich den Ausschluss solcher Anlagen an anderer Stelle im Plangebiet fest, so muss der Plan sicherstellen, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebotes gerecht wird (BVerwG, Urt. v. 24.1.2008, NVwZ 2008, 559, SächsOVG, Urt. v. 7.4.2005 - 1 D 2/03). Ob der Antragsgegner diesen Anforderungen genügt und der Windenergienutzung in substanzieller Weise Raum geschaffen hat, kann in diesem summarischen Verfahren nicht abschließend geklärt werden. Hierzu ist eine umfassende Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Planungsraum erforderlich. Dies gilt auch für den vom Antragsgegner in der Fortschreibung festgesetzten Mindestabstand von 850 m, den Windenergieanlagen nunmehr zu Siedlungen einhalten müssen. Je geringer die Flächen sind, die für eine Windenergienutzung ausgewiesen werden, desto sorgfältiger muss geprüft werden, wie groß auch die Zonen zu halten sind, in denen Windenergieanlagen im Abstand zu Siedlungsgebieten nicht errichtet werden dürfen (BVerwG, Urt. v. 24.1.2008, a. a. O.). Den Makel der offensichtlichen Rechtswidrigkeit trägt diese Festsetzung jedenfalls nicht.

Auch der Einwand, dem angefochtenen Regionalplan fehle es an einer abschließenden Abwägung, verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 SächsLPlG sind bei der Aufstellung der Raumordnungspläne, zu denen auch die Regionalpläne zählen, die öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der betreffenden Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander gerecht nach Maßgabe des § 7 Abs. 7 ROG abzuwägen. Einen offensichtlichen Abwägungsfehler kann der Senat nicht feststellen. In der Sache rügt die Antragstellerin eine nach ihrer Auffassung fehlerhafte, nicht aber eine ausgefallene Abwägung. Eine Entscheidung hierüber muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Weitere Umstände, die die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dringend erfordern würden, hat die Antragstellerin weder vorgetragen noch gar glaubhaft gemacht. Sie drängen sich dem Senat auch sonst nicht auf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG. Angesichts der Größe des Plangebietes und der wirtschaftlichen Bedeutung der im Plangebiet zu errichten und betreiben beabsichtigten Windenergieanlagen für die Antragstellerin hält der Senat einen Streitwert i. H. v. 60.000,- € für angemessen. Dieser ist für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hälftig zu Grunde zu legen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück