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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 14.08.2009
Aktenzeichen: 1 B 426/09
Rechtsgebiete: VwGO, VO (E 6) Nr. 796/2004


Vorschriften:

VwGO § 123
VO (E 6) Nr. 796/2004
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 B 426/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Agrarförderung; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann

am 14. August 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7. Juli 2009 - 4 L 310/09 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 38.589,02 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners hat weder in Bezug auf den Hauptantrag noch hinsichtlich des gestellten Hilfsantrags Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers gemäß § 123 Abs. 1 VwGO, der auf die vorläufige Auszahlung der mit bestandskräftigen Bewilligungsbescheiden vom 13.11.2007 und 18.11.2007 gewährten und noch nicht ausgereichten Zuwendungen und Betriebsprämien in Höhe von 38.589,02 € gerichtet ist, zu Recht stattgegeben.

Es ist der Auffassung, dass ein Auszahlungsanspruch besteht. Dieser Anspruch sei weder durch Aufrechnung erloschen noch stünde ihm die seitens des Antragsgegners erhobene Einrede entgegen. Artikel 73 Ziff. 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission v. 21.4.2004 enthalte kein Rechtsinstitut "der Verrechnung". Der dort beschriebene Vorgang bezeichne vielmehr die im deutschen Recht in § 387 BGB vorgesehene Möglichkeit der Aufrechnung. Die Aufrechnung habe der Antragsgegner zu Unrecht erklärt. Dies folge bereits aus dem Umstand, dass der Rückforderungsbescheid vom 5.2.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.5.2009 aufgrund der gegen ihn erhobenen Klage, die gemäß § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung entfalte, nicht vollziehbar sei. Zwar hindere die genannte Vorschrift nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht die Aufrechnung, wohl aber die Aufrechenbarkeit von Gegenforderungen, deren Bestand oder Fälligkeit ihrerseits einen Verwaltungsakt voraussetze, sofern und solange die Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes ausgesetzt sei. Etwas anderes folge auch nicht aus europarechtlichen Vorschriften. Aus diesen lasse sich keine Rechtsgrundlage für die erfolgte Aufrechnung entnehmen. Ferner könne der Auszahlung nicht die "dolo agit-Einrede" entgegengehalten werden. Es sei nichts dafür erkennbar, dass die Förderbeträge wieder herauszugeben seien, und es ergebe sich kein substanzieller Hinweis für die Annahme, dass eine Insolvenz unmittelbar drohe.

Der Antragsgegner wendet ein, das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft durch die Vorsitzende der 4. Kammer entschieden. Die Voraussetzungen dafür (§ 123 Abs. 2 Satz 3 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 8 VwGO) hätten aber nicht vorgelegen. Es fehle an einer besonderen Dringlichkeit. Die ........................................ habe nämlich mit Schreiben vom 12.5.2009 erklärt, gegen eine Einmalzahlung von 10.000,- € die einstweilige Einstellung der derzeit laufenden Zwangsvollstreckung zu bewilligen. Er habe dem Antragsteller danach während des Verfahrens einen weiteren Betrag in Höhe von 14.966,28 € ausgezahlt. Dem Antragsteller sei damit die Abwendung der Zwangsvollstreckung möglich gewesen. Es bestehe auch kein Anordnungsanspruch. Die mit Bescheiden vom 13.11.2007 und 18.12.2007 bewilligten und nicht ausgereichten Zuwendungen und Betriebsprämien in Höhe von noch 38.589,02 € seien nicht auszuzahlen. Sie seien durch Verrechnung, jedenfalls aber auch durch Aufrechnung erloschen. Bei der Verrechnung handele es sich um ein eigenständiges Rechtsinstitut. Dies folge aus Art. 73 Ziffer 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 und der parallelen Norm des Art. 20 Abs. 1 Unterabschnitt 4 der Verordnung (EG) Nr. 796/96 der Kommission vom 30.4.1996. Mit diesen Vorschriften werde nicht die bloße Möglichkeit des Wiedereinziehens von zu Unrecht geleisteten Förderbeträgen durch spätere Aufrechnung mit künftigen Auszahlungsansprüchen geregelt. Vielmehr berechtigten diese die Mitgliedstaaten dazu bei der Auszahlung von bewilligten Fördermitteln, die mit Erlass eines Rückforderungsbescheids entstandenen Gegenforderungen an- oder abzurechnen. Dies ergebe sich bereits aus dem Wort "abziehen". Dagegen verwende Art. 5b der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 der Kommission vom 21.6.2006 den Begriff "aufrechnen". Die systematische Auslegung der Regelung in Art. 73 Ziffer 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 ergebe, dass den Mitgliedsstaaten die Befugnis eingeräumt werde, sich für die sofortige Wiedereinziehung zu entscheiden oder anstelle dieser den Betrag im Wege einer Verrechnung mit späteren Fördermitteln zu verrechnen, ohne dass dabei ein Abwarten der Bestandskraft der Gegenforderung erforderlich sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe er mit der ihm insoweit eingeräumten Ermächtigung von dem Rechtsinstitut der Verrechnung Gebrauch gemacht. Dies sei mit dem Erlass des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft vom 12.9.2005 geschehen. Die Verwaltungsbehörden würden mit diesem angewiesen, Erstattungsbeträge mit zeitlich danach bewilligten Fördermitteln zu verrechnen, auch wenn der Bescheid angefochten und nicht bestands- oder rechtskräftig sei. Einer Regelung durch den Bundesgesetzgeber habe es nicht bedurft. Der Verrechnung stehe auch nicht die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.11.2008 (NJW 2009, 83) entgegen. Mit dieser sei nicht über eine Verrechnung nach europarechtlichen Vorschriften entschieden worden. Für den Fall, dass mit dem Verwaltungsgericht von einer Aufrechnung ausgegangen werde, ergebe sich aber nichts anderes. Denn auch in diesem Fall sei die Aufrechnung mit dem Erlass des Rückforderungsbescheides nach Art. 73 Ziffer 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 möglich. Die Aufrechnung werde nach den europarechtlichen Vorschriften anders verstanden. Aus Art. 5b der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 folge, dass die Aufrechnung anderen Vollstreckungsmaßnahmen gleichgesetzt werde. Das Bundesverwaltungsgericht gehe hingegen davon aus, dass eine Aufrechnung keine Vollziehung darstelle. Letztlich könne das aber dahinstehen, da Art. 73 Ziffer 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 vorrangig gegenüber § 80 Abs. 1 VwGO anzuwenden sei. Schließlich stehe der Auszahlung auch das aus dem Grundsatz von "Treu und Glauben" folgende Leistungsverweigerungsrecht "dolo agit, qui petit, quod statim redditurrus est" entgegen. Aufgrund der bestehenden Insolvenzgefahr würde die Auszahlung der streitgegenständlichen Mittel dazu führen, dass die Rückforderungsbeträge später nicht mehr beigetrieben werden könnten. Zu berücksichtigen sei ferner, dass der angefochtene Rückerstattungsbescheid offensichtlich rechtmäßig sei.

Diese Einwendungen führen nicht dazu, dass entgegen dem Verwaltungsgericht der Antrag gemäß § 123 Abs. 1 VwGO abzulehnen ist oder dahin einzuschränken wäre, dass die bisher nicht ausgezahlten Zuwendungen und Betriebsprämien in Höhe von 38.589,02 € nur gegen Sicherheitsleistung auszureichen sind. Denn die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden.

Der Senat lässt dabei offen, ob sie in ordnungsgemäßer Besetzung ergangen ist, oder ob es einer Entscheidung durch das Kollegialgericht bedurft hätte. Der Rechtsstreit war nämlich aufgrund des Übertragungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 24.4.2009 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden. Berichterstatterin war nach der Verfügung vom 22.6.2009 die Vorsitzende der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Dresden. Inwieweit bei einer Verweisung (§ 17a Abs. 2 GVG) sich eine vom abgebenden Gericht vorgenommene Einzelrichterübertragung (§ 6 Abs. 1 VwGO) auf das Verfahren beim aufnehmenden Gericht auswirkt, ist umstritten (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 6 Rn. 69; OLG Frankfurt, Urt. v. 11.4.2003 - 2 U 20/02 - zitiert nach juris einerseits; OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.10.1989 - 21 L 279/89 - zitiert nach juris; Stolleis in Schoch et al., VwGO, § 6 Rn. 29; Posser/Wolff, VwGO, § 6 Rn. 39 andererseits). Der Senat kann diese Frage indes offen lassen, da bei einem unterstellten Verstoß aufgrund der Eilbedürftigkeit der Sache eine etwaige Zurückverweisung (§ 130 Abs. 2 VwGO) weder prozessökonomisch wäre, noch den Interessen der Beteiligten entspricht.

Aus den vom Antragsgegner vorgetragenen Gründen ergibt sich auch nicht, dass es an einem Anordnungsgrund fehlt.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung schwerer Nachteile nötig erscheint. Zwar kann im Wege des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens regelmäßig keine die Hauptsache vorwegnehmende Leistungsgewährung für vergangene Zeiträume verlangt werden, weil die Berücksichtigung von Ansprüchen aus der Vergangenheit regelmäßig nicht erforderlich ist, um gegenwärtige Notlagen zu beheben und andernfalls eintretenden erheblichen Grundrechtsverletzungen begegnen zu können (vgl. OVG Bbg. Beschl. v. 23.3.2005, ZFSH/SGB 2005, 677, m. w. N.). Dies gilt aber nicht, wenn ein Nachholbedarf fortwirkt und eine aktuelle Notlage bedingt. Das ist hier der Fall. Die Liquiditätsprobleme des Antragstellers sind nicht allein infolge der Forderungen der ........................................ sowie der ......................... entstanden, sondern sie wurden gerade auch dadurch bedingt, dass der Antragsgegner die für die vergangenen Zeiträume bewilligten Zuwendungen und Betriebsprämien nicht vollständig ausreichte. Die Zuwendungen und Betriebsprämien sollten aber gerade bereits getätigte besondere im Gemeinschaftsinteresse liegende Maßnahmen und Nutzungsweisen ausgleichen und gerade auch die Existenz solcher Betriebe sichern. Dass das Fehlen von bewilligten Fördermitteln in Höhe von zunächst 53.555,30 € sowie jetzt noch 38.589,02 € bei kleineren landwirtschaftlichen Betrieben zu Liquiditätsengpässen führen kann, liegt auf der Hand. In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass die Bewilligungsbescheide bereits vom 13.11.2007 und 18.12.2007 datieren.

Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch. Die unstreitig noch nicht ausgereichten mit bestandskräftigen Bewilligungsbescheiden vom 13.11.2007 und 18.12.2007 gewährten Zuwendungen und Betriebsprämien in Höhe von 38.589,02 € sind nämlich nicht infolge der in den Bescheiden gleichzeitig vorgenommenen Verrechnung erloschen. Der Antragsteller hat die Erstattungsbescheide angefochten. Diese sind damit derzeit nicht fällig und können deshalb nicht gegenüber bestehenden Auszahlungsansprüchen in Abzug gebracht werden.

Der Senat geht davon aus, dass für den in den europarechtlichen Vorschriften beschriebenen Verrechnungsvorgang das im deutschen Recht festgelegte Rechtsinstitut der Aufrechnung (§ 387 BGB) und die in diesem Zusammenhang festgelegten Modalitäten Anwendung finden. Es liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, dass es sich bei der Verrechnung um ein eigenes durch Europarecht festgelegtes Rechtsinstitut handelt. Dafür spricht bereits, dass in den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften weder von einem solchen Rechtsinstitut ausdrücklich die Rede ist noch sich aus Art. 73 Ziffer 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 etwas zu den Modalitäten der Verrechnung ergibt. Diese Vorschrift enthält vielmehr nur die Ermächtigung für die Mitgliedsstaaten, dass sie beschließen können, einen zu Unrecht gezahlten Betrag wieder einzuziehen, indem sie den betreffenden Betrag von Vorschüssen oder Zahlungen abziehen, die der Betriebsinhaber nach Erlass des Rückforderungsbescheides im Rahmen der Beihilferegelungen gemäß den Titeln III und IV der Verordnung EG Nr. 1782/2003 erhält. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass die Mitgliedsstaaten eine Entscheidungsmöglichkeit dahin erhalten, ob sie von dem beschriebenen Vorgang Gebrauch machen wollen oder das Erstattungsverfahren davon getrennt halten wollen. Ein neues Rechtsinstitut wird mit dieser Regelung weder benannt noch sonst geregelt, sondern nur eine Verfahrensweise beschrieben und angeboten. Aus dieser Vorschrift ergibt sich auch nicht, dass Forderungen ungeachtet ihres Bestehens oder ihrer Fälligkeit verrechnet oder in Abzug gebracht werden können. Es ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 vielmehr davon auszugehen, dass zwar die Entscheidung, ob verrechnet werden soll oder nicht, den Mitgliedsstaaten obliegt, dass aber die aufgrund dieser Entscheidung festzulegenden Modalitäten dem nationalen Recht unterfallen (vgl. in diesem Zusammenhang auch EUGH, Urt. v. 12.12.2002, NVwZ 2003, 338).

Für ein europarechtlich festgelegtes Rechtsinstitut der Verrechnung spricht auch nicht die Verordnung (EG) Nr. 885/2006. Zwar wird in dieser in Art. 5b des Kapitels 1a der Begriff "Aufrechnen" verwandt. Allerdings lässt sich dieser Vorschrift nicht entnehmen, dass es in Abgrenzung dazu ein Rechtsinstitut der Verrechnung gibt und dass mit dem in Art. 73 Ziffer 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 beschriebenen Vorgang nicht die dort genannte Aufrechnung gemeint ist. Der Begriff wird hier vielmehr allein im Zusammenhang mit der Berücksichtigung noch ausstehender Forderungen bei Vollstreckungsverfahren verwandt. Aus ihr lässt sich nur entnehmen, dass nach dem geltenden Europarecht mit Forderungen, die in Einklang mit dem nationalen Recht festgestellt worden sind, aufgerechnet werden kann. Die Vorschrift bezieht sich aber bei durch Verwaltungsakt festgesetzten Erstattungen nur auf Forderungen, die nach nationalem Recht - jedenfalls nach deutschem Recht - bestehen und fällig sind.

Vorliegend kann dahinstehen, ob es einer nationalen Ermächtigungsgrundlage bedarf, um von der in Art. 73 Ziff. 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 genannten Verrechnungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen oder ob insoweit auch ein Erlass ausreichen kann. Die mit dem Erlass vom 12.9.2005 festgelegten Verrechnungsmodalitäten sind nämlich nicht mit dem zwingend zu beachtenden höherrangigen nationalen - deutschen - Recht vereinbar. Die Anweisung des Antragsgegners mittels Erlass vom 12.9.2005, wonach eine Verrechnung unabhängig davon erfolgen soll, ob gegen den Erstattungsbescheid Rechtsmittel eingelegt worden sind, steht nicht mit dem höherrangigen Bundesrecht (§ 387 BGB) und der in diesem Zusammenhang ergangenen Rechtsprechung in Einklang.

Dabei kennt das deutsche Recht kein Rechtsinstitut der Verrechnung, sondern nur die Aufrechnung (§ 387 BGB). Soweit der Antragsgegner auf die Rechtsprechung des BGH hinweist, ergibt sich danach nichts anderes (vgl. BGH, Beschl. v. 26.9.1991, NJW 1992, 73). Der BGH hat in der genannten Entscheidung nur ausgeführt, dass auf das dort in Streit stehende Abrechnungsverhältnis § 322 Abs. 2 ZPO keine Anwendung finde. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufrechnung lägen nicht vor. Aus dieser Entscheidung ergibt jedoch nicht, dass es sich bei einer Verrechnung um ein eigenständiges Rechtsinstitut handelt. Vielmehr weist der BGH im Zusammenhang mit der Ablehnung der Aufrechnungssituation nur darauf hin, dass das Berufungsgericht lediglich einen Rechnungsposten im Rahmen einer Abrechnung gewürdigt habe. Für Vorgänge, wie sie in Art. 73 Ziffer 2 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 beschrieben werden, kennt das deutsche Recht mithin nur das Rechtsinstitut der Aufrechnung (§ 387 ff. BGB), auf die sich der Antragsgegner derzeit nicht berufen kann.

Die mit der Klage gegen den Erstattungsbescheid eingetretene aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs (§ 80 Abs. 1 VwGO) hat nach deutschem Recht zur Folge, dass der angefochtene Verwaltungsakt vorläufig nicht vollzogen werden darf. Zwar hindert die aufschiebende Wirkung eines eingelegten Rechtsbehelfs als solche nicht, eine Aufrechnung vorzunehmen, auch wenn ein Leistungsbescheid - wie hier - einstweilen nicht vollziehbar ist (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 29.10.2007 - 3 BS 186/07 - und BVerwG, Beschl. v. 11.8.2005, - 2 B 2/05 -, jeweils zitiert nach juris; BVerwG, Urt. v. 20.11.2008, a. a. O.). Etwas anderes gilt aber nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Beschl. v. 14.7.2009 - 1 A 64/09), für die Aufrechenbarkeit solcher Geldforderungen, deren Bestand oder Fälligkeit - wie hier - ihrerseits einen Verwaltungsakt voraussetzt, sofern und solange die Vollziehung dieses Verwaltungsaktes ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.11.2008, a. a. O.).

Der Antragsgegner kann sich ferner nicht mit Erfolg darauf berufen, der Grundsatz "dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" (sinngemäß übersetzt: Arglistig handelt, wer etwas fordert, was sofort zurückzugeben ist) gestatte nicht die vorläufige Auszahlung des noch nicht ausgereichten Förderbetrages oder jedenfalls nur seine Auszahlung gegen Sicherheitsleistung. Es steht indes aufgrund der fehlenden Bestandskraft des Rückforderungsbescheides derzeit nicht fest, ob der Antragsteller das ihm zu Leistende sogleich wieder zurückgeben müsste. Mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat im Übrigen davon aus, dass der bloße Hinweis auf eine drohende Insolvenz des Antragstellers nicht nahe legt, dass der Rückforderungsbetrag später nicht mehr beigetrieben werden kann. Es fehlt an einem substanziellen Vortrag dazu, dass eine Insolvenz unmittelbar bevorsteht. Zwar hat der Antragsgegner gegenüber der ........................................ sowie der ......................... erhebliche Verbindlichkeiten i. H. v. rund 80.000,- €. Jedoch dürfte die Liquidität durch die Auszahlung der Fördermittel nach den vorliegenden Unterlagen wieder hergestellt werden können. Denn nach dem Schreiben der ........................................ vom 12.5.2009 ist diese gegen die Leistung von 10.000,- € bereit, die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens zu bewilligen. Dieser Betrag war bereits durch die während des Verfahrens erfolgte Auszahlung des Betrages von 14.966,28 € abgedeckt. Die Auszahlung eines Förderbetrags von weiteren 38.589,02 € erhöht die Liquidität und mindert die Insolvenzgefahr. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 GKG. Im Beschwerdeverfahren ist zu berücksichtigen, dass nur noch ein Auszahlungsbetrag von 38.589,02 € in Streit steht. Ein Abschlag im Eilverfahren aufgrund von Ziffer 1.5 Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 = DVBl. 2004, 1525 = VBlBW 2004, 467) ist nicht vorzunehmen, da mit der Entscheidung die Hauptsache vorweggenommen wird.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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