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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.05.2006
Aktenzeichen: 1 B 802/05
Rechtsgebiete: BNatSchG


Vorschriften:

BNatSchG § 43 Abs. 8 Nr. 1
BNatSchG § 43 Abs. 8 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 B 802/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 43 Abs. 8 Nr. 1 und 2 BNatSchG

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Verwaltungsgericht Döpelheuer

am 3. Mai 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 11. Oktober 2005 - 13 K 1960/04 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Kläger hat nicht entsprechend § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, dass der von ihm geltend gemachte Zulassungsgrund des Bestehens von Verfahrensmängeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) vorliegt.

Verfahrensmängel in diesem Sinne sind Verstöße gegen Regelungen des Verwaltungsprozessrechts, die materiell-rechtliche Bewertung der Vorinstanz wird hingegen nicht erfasst (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 20.11.2000 - 3 B 784/99 -).

1. Ohne Erfolg rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht hätte seinem schriftsätzlich gestellten Beweisantrag, über die Filialgeneration der Wolfshybriden eine Sachverständigenstellungnahme einzuholen, nachgehen müssen. Wird ein Aufklärungsmangel behauptet, muss der Rechtsmittelführer nicht nur substanziiert darlegen, hinsichtlich welcher Tatsachen Aufklärungsbedarf bestanden hat und welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären; er muss auch darlegen, dass bereits in der Vorinstanz, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.7.1998 - BVerwG 6 B 67.98 -). Ein lediglich schriftsätzlich angekündigter Beweisantrag genügt diesen Anforderungen nicht (BVerwG, Beschl. v. 3.7.1998, aaO; Beschl. v. 6.3.1995 - BVerwG 6 B 81.94 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265). Gemessen an diesen Erfordernissen ist kein Verfahrensmangel erkennbar.

Der - anwaltlich vertretene - Kläger hat zwar in seinem Schriftsatz vom 1.8.2005 eine Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, in der mündlichen Verhandlung aber keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Er hat auch nicht substanziiert dargelegt, weshalb sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Die Frage, welcher Filialgeneration die Wolfshybriden angehören, war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungsrelevant. Denn hinsichtlich der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 43 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG hat es bereits die Klagebefugnis des Klägers und bezüglich der Erteilung einer Befreiung die Anwendbarkeit des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) und b) BNatSchG verneint. Bei der Prüfung einer Befreiung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG ist es davon ausgegangen, dass Gründe des Gemeinwohls diese nicht forderten, weil die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs auf Menschen äußert gering erscheine, dies auch hinsichtlich der Wolfshybriden gelte, die Diplom-Biologin bei ihrer informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen habe, dass zwei Hybriden zwischenzeitlich eingefangen und in ein Gehege verbracht worden seien und es derzeit wohl keine weiteren freilaufenden Hybriden gebe und schließlich auch der Kläger eine konkrete Gefahr nicht substanziiert vorgetragen habe. Hiernach fehlte es an einer Grundlage für eine Beweiserhebung über die Filialgeneration - nicht gesichert existenter - Hybriden.

2. Aus denselben Gründen war aus Sicht des Verwaltungsgerichts die Einholung einer Stellungnahme zur Gefährlichkeit von Wolfshybriden überflüssig. Ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO liegt insoweit nicht vor.

3. Das Verwaltungsgericht hat den Untersuchungsgrundsatz aus § 86 Abs. 1 VwGO nicht verletzt, indem es seine Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG nicht erfüllt seien, weil die Wahrscheinlichkeit der Angriffe von Wölfen auf Menschen äußerst gering und somit das Gemeinwohl nicht gefährdet sei, auf vom Beklagten eingeholte Gutachten des STUFA Bautzen und des Wildbiologischen Büros Lupus gestützt hat. Dem Gericht ist es grundsätzlich nicht verwehrt, bei seiner Entscheidung gutachterliche Stellungnahmen zu berücksichtigen, die nicht von ihm, sondern von einem der Verfahrensbeteiligten eingeholt worden sind (BVerwG, Beschl. v. 25.4.2002). Es ist eine Frage der inhaltlichen Bewertung der gutachterlichen Stellungnahme - die nicht allein deshalb ein geringeres Gewicht als ein gerichtlich veranlasstes Gutachten beansprucht, weil sie von einem Beteiligten in Auftrag gegeben wurde, der an einem bestimmten Verfahrensausgang interessiert ist -, ob das Gericht ein ihm vorgelegtes Gutachten als "Interessenten"-Vortrag bloß zur Kenntnis nimmt oder sich als eine maßgebliche Entscheidungsgrundlage zu Eigen macht. Je weniger zweifelhaft ein Gutachten als Ausdruck der Sachkundigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität zu qualifizieren ist, desto weniger bedenklich eignet es sich als Entscheidungsgrundlage. Ob das Gericht es mit dem Gutachtenmaterial bewenden lassen darf, das ihm vorliegt, oder verpflichtet ist, den Sachverhalt weiter aufzuklären, hängt von der Überzeugungskraft der gutachterlichen Äußerung ab. Die Notwendigkeit, einen gutachterlich aufgehellten Sachverhalt weiter zu erforschen, muss sich grundsätzlich nur dann aufdrängen, wenn das vorhandene Gutachten unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend ist, wenn es auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht oder Zweifel an der Sachkunde oder der Überparteilichkeit bestehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.4.2002 aaO). Anhaltspunkte, die gegen die Unparteilichkeit der Gutachten sprechen, sind nicht substanziiert vorgetragen. Der allein vom Kläger angeführte Hinweis auf das Bestehen einer wirtschaftlichen Abhängigkeit des STUFA und des Büros Lupus von der Existenz freilebender Wölfe in der Lausitz reicht insoweit nicht aus. Für das STUFA trifft diese Behauptung nicht zu, denn dieses ist nicht allein mit der Beobachtung und Beurteilung von Wölfen befasst; es unterstützt nach § 1 Aufgabenübertragungsverordnung vom 14.11.1994 (SächsGVBl. S. 1638) in den Bereichen Wasser, Abfall, Altlasten, Boden, Immissionsschutz und Natur- und Landschaftspflege die unteren und höheren Verwaltungsbehörden bei ihrer Aufgabenerfüllung und überwacht die Einhaltung von Umweltvorschriften. Das Wildbiologische Büro Lupus ist zwar aufgrund des Wolfsvorkommens eingerichtet worden, aber gerade mit der Aufgabe betraut, die Entwicklung der Wolfspopulation zu untersuchen und einer Gefährdung von Menschen durch Wölfe vorzubeugen. Seine Stellungnahme vom 2.7.2004 setzt sich ausführlich und unter Einbeziehung von Literatur mit der Frage der Gefährdung des Gemeinwohls auseinander und lässt keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Gutachter aufkommen.

4. Ein Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz aus § 86 Abs. 1 VwGO liegt auch nicht darin, dass das Verwaltungsgericht keine zoologische Stellungnahme darüber eingeholt hat, ob die - nach Aussage von Diplom-Biologin - derzeit sechzehnköpfige Wolfspopulation überhaupt noch reproduktionsfähig ist oder ob - wie der Kläger im Zulassungsverfahren erstmals vorträgt - die Wolfspopulation auch ohne Abschuss eines Wolfes nicht mehr reproduktionsfähig sei. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gingen die Beteiligten übereinstimmend vom Bestehen einer Reproduktionsfähigkeit aus. Der Beklagte hat vorgetragen, dass es nur ein reproduzierendes Wolfspaar gebe und mit dem Abschuss eines Wolfes möglicherweise die gesamte Population zum Erliegen komme. Die Klägerseite hat dies nicht bestritten, sondern vielmehr vorgetragen, dass die Wolfspopulation sogar 22 bis 27 Wölfe betrage. Dies würde aber die Fähigkeit zur Reproduktion noch erhöhen. Zudem war die Frage der Reproduktionsmöglichkeit für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungsrelevant. Dieses hat die Abweisung der Klage darauf gestützt, dass der Kläger hinsichtlich § 43 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG nicht klagebefugt sei, der Anwendungsbereich des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) und b) nicht eröffnet sei und die Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG nicht vorlägen, weil wegen der geringen Wahrscheinlichkeit eines Angriffs von Wölfen auf Menschen das Gemeinwohl keine Erteilung einer Befreiung erfordere. Nur zusätzlich hat es sowohl in Bezug auf die Ausnahme nach § 43 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG als auch auf die Befreiungen nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) und b) und Nr. 2 BNatSchG ausgeführt, dass durch den Abschuss eines Wolfes bereits der Bestand der Population gefährdet werde, was der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung bzw. einer Befreiung entgegenstehe. Hierbei handelt es sich aber nur um Hilfserwägungen und nicht um tragende Urteilsgründe.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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