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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.04.2003
Aktenzeichen: 1 BS 332/02
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 58 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
Die Rechtsmittelbelehrung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die Möglichkeit, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes Beschwerde einzulegen, muss, um jedenfalls die Beschwerdebegründungsfrist in Lauf zu setzen, auch auf die - von der für die Einlegung der Beschwerde selbst abweichende - Begründungsfrist hinweisen.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 BS 332/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Sicherungsanordnung an einem Gebäude

hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Sattler, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Franke und den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng

am 15. April 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 10. Juli 2002 - 4 K 1060/02 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 27.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde ist allerdings nicht schon wegen Versäumung der einmonatigen Beschwerdebegründungsfrist ab Bekanntgabe des angegriffenen Beschlusses am 13.7.2002 unzulässig.

Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO i.d.F. des RmBereinVpG vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3987) ist die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die bezeichnete Frist beginnt nur zu laufen, wenn über sie ordnungsgemäß belehrt worden ist. Die Beschwerdebegründungsfrist gehört zu den Erfordernissen, die von § 58 Abs. 1 VwGO erfasst sind. An einer ordnungsgemäßen Belehrung fehlt es hier.

Das Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes besteht nach der seit dem 1.1.2002 geltenden Rechtslage, mit der auch dem erstinstanzlich nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren durch Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist ausreichend Zeit zur Vorlage einer genügenden Beschwerdebegründung eingeräumt werden sollte, aus zwei Teilen: Einlegung der Beschwerde bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, binnen zwei Wochen (vgl. § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und Begründung der Beschwerde binnen eines Monats bei dem Oberverwaltungsgericht, sofern die Begründung nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO). Dass die Beschwerdeeinlegung - zunächst - ohne Begründung erfolgen kann, dass andererseits die Begründung davon abhängt, dass - vorher - Beschwerde eingelegt worden ist und dass schließlich Beschwerde und Beschwerdebegründung in einem und demselben Schriftsatz erfolgen können, ändert nichts daran, dass das Rechtsmittel an das Oberverwaltungsgericht aus zwei Teilen besteht (so bereits BVerwG, Beschluss des Großen Senats vom 5.7.1957, BVerwGE 5, 178 [179] für die insoweit gleich liegende Konstellation von Revisionseinlegung und Revisionsbegründung nach dem seinerzeit geltenden § 57 Abs. 1 und Abs. 2 BVerwGG, fortgeführt durch BVerwG, Urt. v. 30.6.1998, BVerwGE 107, 117 für das ebenfalls zweistufig aufgebaute Rechtsmittel des Antrags auf Zulassung der Berufung und fristgebundene Begründung der Berufung nach deren Zulassung). Das muss auch eine Rechtsmittelbelehrung berücksichtigen, die einem Beteiligten erteilt wird, der durch eine mit der Beschwerde anfechtbare Entscheidung beschwert wird. Ohne eine auf die, u a einer gesonderten Frist unterliegende, Beschwerdebegründung hinweisende Rechtsmittelbelehrung wird daher jedenfalls die Beschwerdebegründungsfrist nicht in Lauf gesetzt. Mit Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses wird in diesem Fall lediglich die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Lauf gesetzt, innerhalb welcher die Begründung der zuvor rechtzeitig eingelegten Beschwerde eingereicht werden muss.

Mit der dargestellten Auslegung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seiner im Beschluss vom 4.4.1997 (SächsVBl 1997, 222 f, NVwZ 1997, 100 f) vertretenen Auffassung Sie bezog sich auf die abweichende Rechtslage für das - nach der seit dem 1.1.2002 im vorläufigen Rechtsschutz nicht mehr gegebene - Verfahren des Antrags auf Zulassung der Beschwerde. Danach musste über die Pflicht zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Beschwerde nicht belehrt werden. Das bezeichnete Rechtsmittel wies gerade keine - zeitlich divergierende - Zweiteilung von Rechtsmitteleinlegung und Rechtsmittelbegründung auf, sondern verlangte für die Zulässigkeit, dass - bereits - in dem Antrag die Gründe dargelegt wurden, aus denen die Beschwerde zuzulassen war (vgl. § 146 Abs. 5 Satz 2 VwGO a. F.). Das trifft für die seit dem 1.1.2002 zweiteilige Beschwerde gegen Entscheidungen des vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu.

Die dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 10.7.2002 beigefügte Rechtsmittelbelehrung genügt den dargestellten Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO nicht Sie beschrankt sich darauf, über die Einlegung der Beschwerde und den dafür bestehenden Anwaltszwang zu belehren, enthält sich jedoch hinsichtlich Frist und Gericht, innerhalb derer bzw. bei dem die Begründung einzureichen ist, jeglichen Hinweises. Die am 25.10.2002 beim Oberverwaltungsgericht eingegangene Beschwerdebegründung ist deshalb nicht verspätet.

2. Die Beschwerde des Antragstellers scheitert aber daran, dass die vom Oberverwaltungsgericht allein zu prüfenden Darlegungen in der Beschwerdebegründung (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), die sich u a mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen müssen (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), keine Veranlassung geben, den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern. Der Antragsteller beschränkt sich in seinem Schriftsatz vom 25.10.2002 über weite Passagen auf eine Auseinandersetzung mit der Rechtsauffassung des Antragsgegners und bezeichnet mehrfach die Argumente der täig gewordenen Behörden als unrichtig. Dies stellt jedoch keine Infragestellung der erstinstanzlichen - gerichtlichen - Entscheidung dar. Hierfür bedarf es einer gegenüber dem ursprünglichen Antragsvorbringen neuen und auf die zwischenzeitlich ergangene Gerichtsentscheidung abstellenden neuen Begründung (ebenso Bader, VBlBW 2002, 471 [473]). Lediglich unter II 2 d) des Beschwerdebegründungsschriftsatzes wird ausgeführt, das Verwaltungsgericht habe offensichtlich nicht berücksichtigt, ob die Versagung der Abbruchsgenehmigung und die damit verbundene Erhaltungspflicht die Grenze der Sozialbindung des Eigentums überschreite. Es ist die einzige Passage in der mehr als sieben Seiten umfassenden Beschwerdebegründung, in der eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung unternommen wird.

Dabei übersieht der Antragsteller jedoch, dass das vorliegende Verfahren und damit auch die angegriffene Entscheidung weder die Versagung einer Abbruchsgenehmigung noch die Pflicht des Antragstellers zur Erhaltung des denkmalgeschützten Wohn- und Geschäftshauses zum Inhalt hat, sondern lediglich bauaufsichtliche Maßnahmen zur Sicherung vor weiterer Verschlechterung der Bausubstanz Allein für den Fall, dass eindeutig und offensichtlich die Voraussetzungen für eine Erteilung einer Abbruchgenehmigung erfüllt und deshalb die Sicherungsmaßnahmen dem Betroffenen ebenso eindeutig und offensichtlich unzumutbar seien, hat das Verwaltungsgericht einen Erfolg des Begehrens um den diese Sicherungsmaßnahmen betreffenden vorläufigen Rechtsschutz als möglich bezeichnet. Hierauf geht die Beschwerdebegründung jedoch ebenfalls nicht ein Sie stellt stattdessen dem vom Verwaltungsgericht als nicht eindeutig bezifferbar bezeichneten Gebrauchs- bzw. Ertragswert eine eigene Berechnung mit einem deutlichen Jahresdefizit gegenüber. Dieser steht indessen eine neue Berechnung des Antragsgegners, beruhend auf einer Wirtschaftlichkeitsberechnung des Landesamtes für Denkmalschutz, entgegen. Danach kann auch insoweit keine Rede davon sein, aufgrund des Beschwerdevorbringens spreche Überwiegendes für die Annahme, das Verwaltungsgericht habe im Ergebnis zu Unrecht die offensichtliche Unzumutbarkeit der aufgegebenen Sicherungsmaßnahmen verneint.

Die Beschwerde musste deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückgewiesen werden. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG.

Dabei legt der Senat mit dem Verwaltungsgericht die voraussichtlichen Aufwendungen für die Sicherungsmaßnahmen in Höhe von 55.000,00 € zugrunde, deren Betrag angesichts der Vorläufigkeit des nachgesuchten Rechtsschutzes zu halbieren ist. Das im Bescheid vom 13.5.2002 angedrohte Zwangsgeld ist nicht mehr beschwerdegegenständlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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