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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.04.2008
Aktenzeichen: 1 BS 448/07
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, BGB


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
VwGO § 47 Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 7
BauGB § 12
BauGB § 12 Abs. 1 Satz 1
BGB § 311b Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Normenkontroll-Beschluss

Az.: 1 BS 448/07

In dem Normenkontrollverfahren

wegen Bebauungsplan "Erweiterung Wohngebiet Elsternwinkel" vom 19.9.2007

hier: Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberverwaltungsgericht Dahlke-Piel, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann sowie die Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und Dehoust

am 9. April 2008

beschlossen:

Tenor:

Der Bebauungsplan Nr. 5/10 "Erweiterung Wohngebiet Elsternwinkel" der Antragsgegnerin vom 19. September 2007 wird vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 18.750,- € festgesetzt.

Gründe:

Die Anträge gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, den Bebauungsplan Nr. 05/10, "Erweiterung Wohngebiet Elsternwinkel" vorläufig außer Vollzug zu setzen, sind zulässig und begründet.

Die Antragsteller sind als unmittelbar an das Plangebiet angrenzende Grundstückseigentümer antragsbefugt, da sie jedenfalls in ihrem Recht auf fehlerfreie Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB verletzt sein können. Der in der Hauptsache zeitgleich mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz am 19.12.2007 erhobene Normenkontrollantrag wahrt gegenüber dem am 17.10.2007 bekannt gemachten Bebauungsplan die Jahresfrist aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

Die Anträge sind auch begründet. Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht einen Bebauungsplan im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug setzen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Bei der Entscheidung ist ein strenger Maßstab anzulegen, da § 47 Abs. 6 VwGO verlangt, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung dringend geboten sein muss (SächsOVG, Beschl. v. 27.9.2007 - 3 BS 100/07 -; OVG NRW, Beschl. v. 25.1.2008 - 7 B 1743/07.NE -; jeweils zitiert nach juris). Hiervon ist in Gestalt der "anderen wichtigen Gründe" im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO auszugehen, wenn sich der Bebauungsplan im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist (SächsOVG, a. a. O., Rn. 16 bei juris; OVG NRW, a. a. O., Rn. 8 bei juris). Das ist hier der Fall. Der vorliegende Mangel erfasst den Plan auch insgesamt und ist nicht mehr heilbar, so dass der Plan mit genereller - und nicht lediglich auf die Antragsteller beschränkter - Wirkung vorläufig außer Vollzug zu setzen ist (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 47 Rn. 150 m. w. N.).

Hiervon ausgehend haben die Anträge Erfolg, da von einem Erfolg der Antragsteller in dem von ihnen in der Hauptsache geführten Normenkontrollverfahren auszugehen ist. Bei dem streitgegenständlichen Bebauungsplan handelt es sich um einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Ihm hat ein zwischen dem Vorhabenträger und der Gemeinde abgestimmter Vorhaben- und Erschließungsplan zu Grunde zu liegen. Voraussetzung für eine Satzung über einen Vorhaben- und Erschließungsplan nach § 12 BauGB ist, dass spätestens im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses ein wirksamer Durchführungsvertrag vorliegt. Dessen Wirksamkeit setzt voraus, dass der Vorhabenträger zur Durchführung des Vorhabens bereit und in der Lage ist, sich zu dessen Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise verpflichtet (s. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB; BayVGH, Urt. v. 24.7.2001, NVwZ-RR 2002, 260 = UPR 2002, 38). Die Fähigkeit zur Durchführung des Vorhabens setzt nicht notwendig das Eigentum des Vorhabenträgers an den Flächen voraus, auf die sich der Plan erstreckt. Jedenfalls bedarf es aber spätestens im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses einer privatrechtlich gesicherten Befugnis des Vorhabenträgers, aufgrund derer er gegenüber dem Eigentümer zur Bebauung der Grundstücke entsprechend den Festsetzungen des Vorhaben- und Erschließungsplanes befugt ist (Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: September 2007, § 12 Rn. 63 m. w. N.).

Diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor. Der Vorhabenträger ist rechtlich nicht zu einer festsetzungskonformen Bebauung der überplanten Fläche in der Lage. Die den Gegenstand des Vorhaben- und Erschließungsplans bildende Teilfläche des Flurstücks F1. der Gemarkung H. steht nicht im Eigentum des Vorhabenträgers. Ihm steht auch kein Recht gegenüber den Eigentümern zur Bebauung entsprechend den Festsetzungen des Vorhaben- und Erschließungsvertrags zu. Im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses der Antragsgegnerin beschränkten sich nach Aktenlage seine Befugnisse auf einen unter dem 30.9.2005 geschlossenen privatschriftlichen "Optionsvertrag" mit den Grundstückseigentümern. Die Einräumung eines Rechtes des Vorhabenträgers gegenüber den Eigentümern zur festsetzungskonformen Bebauung ihres Flurstückes lässt sich diesem Vertrag nicht entnehmen. Allein die "öffentlich zu widmenden Grundstücksflächen werden dem Erschließungsträger kostenfrei übergeben, vom Erschließungsträger kostenlos ausgebaut und der Stadt zur öffentlichen Widmung übertragen" (§ 3 Satz 3 Optionsvertrag). Sieht man in dieser Regelung eine Verfügung über das Eigentum an Grundstücken, wäre sie nach § 311b Abs. 1 BGB formunwirksam. Sie vermittelt aber davon unabhängig keine Bebauungsbefugnis zugunsten des Vorhabenträgers hinsichtlich der sonstigen Flächen des Flurstückes. Die Befugnis des Vorhabenträgers beschränkt sich ansonsten im Wesentlichen auf den alleinigen Vertrieb der Grundstücke im Namen der Grundstückseigentümer (§ 4 i. V. m. § 3 Satz 4 Optionsvertrag).

An der fehlenden Verfügungsbefugnis des Vorhabenträgers gegenüber den Grundstückseigentümern ändert sich auch nichts, wenn man den am 31.3.2008 und damit lange nach Satzungsbeschluss zwischen dem Vorhabenträger und den Grundstückseigentümern geschlossenen notariellen (Options-)Vertrag mit in Betracht zieht. Auch dieser Vertrag räumt ihm kein Recht auf eine dem Vorhaben- und Erschließungsplan entsprechende Bebauung des Flurstückes F1. ein. Dieser Vertrag ändert nichts daran, dass der Vorhabenträger zur Realisierung des Vorhabens mangels Berechtigung gegenüber den Grundstückseigentümern nicht in der Lage ist und damit die Voraussetzung für den Beschluss eines Vorhaben- und Erschließungsplanes mit ihm als Vorhabenträger nicht vorlagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.5 und Ziffer 9.8.1 des Streitwertkataloges 2004 (NVwZ 2004, 1327 = DVBl. 2004, 1525 = VBlBW 2004, 467). Unter Berücksichtigung des dort genannten Rahmens von 7.500,- bis 60.000,- € und der wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrens für die Antragsteller - welche in der Art einer Nachbarklage die Bebauung angrenzender Grundstücke verhindern wollen - erscheint dem Senat ein Streitwert von 7.500,- € je Antragsteller (vgl. Ziffer 9.7.1 Streitwertkatalog 2004) angemessen. Dieser ist für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hälftig zu Grunde zu legen. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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