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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.06.2009
Aktenzeichen: 1 D 30/09
Rechtsgebiete: RGebStV, SGB II


Vorschriften:

RGebStV § 6
SGB II § 24
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 D 30/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Befreiung von Rundfunkgebühren

hier: Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von PKH

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann und die Richterin am Verwaltungsgericht Berger

am 9. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 30. Januar 2009 - 4 K 958/07 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussichten des Antrags (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO) abgelehnt.

Ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben, dem Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, darf die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren soll den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht ersetzen, sondern zugänglich machen. Die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen deshalb nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.6.2006 - 2 BvR 626/06 -, BayVBl. 2006, 677, und Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361). Mithin muss der Erfolg nicht gewiss sein, es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen (vgl. P. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 166 Rn. 26). Prozesskostenhilfe muss nicht immer schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchst- oder - bei der Anwendung von Landesrecht - obergerichtlich geklärt ist. Die Ablehnung der Gewährung kann ungeachtet einer solchen Klärung gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf bereits vorliegende Rechtsprechung ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann. Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchst- oder obergerichtliche Klärung noch aus, läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuhalten. Denn dadurch würde der unbemittelten Partei im Gegensatz zu der bemittelten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.6.2006, a. a. O.).

Gemessen hieran hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger mit seinem auf die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gerichteten Verfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Seine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV komme nicht in Betracht, weil er in dem maßgeblichen Bewilligungszeitraum monatlich einen Zuschlag zum Arbeitslosengeld II nach § 24 SGB II erhalten habe. Auf die Höhe dieses Zuschlages komme es dabei nicht an. Auch ein besonderer Härtefall nach § 6 Abs. 3 RGebStV liege nicht vor. Es fehle an einer atypischen - im Einzelfall nicht vorhersehbaren - Lebenssituation.

Diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts sind, wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 4.5.2009 - 1 D 35/09 - zu einem vergleichbaren Sachverhalt ausführte, nicht zu beanstanden. Sie stehen vielmehr mit der in diesem Zusammenhang ergangenen Rechtsprechung in Einklang. Insbesondere trifft die Auffassung zu, dass ein Befreiungstatbestand nicht erfüllt ist. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV werden von der Rundfunkgebührenpflicht u. a. Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II einschließlich von Leistungen nach § 22 ohne Zuschläge nach § 24 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches befreit. Da der Kläger - unstreitig - einen Zuschlag nach § 24 SGB II erhalten hat, ist der genannte Befreiungstatbestand nicht erfüllt. Die Aufzählung der Befreiungstatbestände in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV ist abschließend zu verstehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.6.2008, NVwZ-RR 2008, 704; SächsOVG, Urt. v. 20.8.2008 - 1 B 429/07 -). Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung das Befreiungsverfahren auf bestimmte Personengruppen beschränken und insgesamt vereinfachen (vgl. VGH BW, Urt. v. 16.3.2009 - 2 S 1400/08, zitiert nach juris). § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV ist mit dem Recht auf gleichen Zugang zu den allgemein zugänglichen Informationsquellen vereinbar (Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG). Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es lediglich, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich zu behandeln, d. h. eine rechtliche Unterscheidung vorzunehmen, die nicht in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze findet.

Auch die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 6 Abs. 3 RGebStV sind nicht erfüllt. Vor allem handelt es sich bei dieser Regelung um keine allgemeine Auffangvorschrift für Fälle, in denen einer der Befreiungstatbestände in § 6 Abs. 1 RGebStV nicht vollständig erfüllt ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG Beschl. v. 18.6.2008, a. a. O.; SächsOVG, Urt. v. 20.8.2008, a. a. O.). Denn es ist zu berücksichtigen, dass die bloße Einkommensschwäche als solche im Gegensatz zum früheren Recht nicht mehr zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht führt, sondern eine Befreiung wegen geringen Einkommens auf die ausdrücklich in § 6 Abs. 1 RGebStV genannten Fallkonstellationen beschränkt werden sollte. Angesichts dieser in § 6 Abs. 1 RGebStV klar zum Ausdruck kommenden, vom Gesetzgeber gewollten Beschränkung der Befreiungstatbestände kann diese Vorschrift nicht dadurch umgangen werden, dass einkommensschwache Personen, die die Voraussetzungen für eine Befreiung danach nicht erfüllen, dem Härtefalltatbestand des § 6 Abs. 3 RGebStV zugeordnet werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.6.2008, a. a. O.; SächsOVG, Urt. v. 20.8.2008; a. a. O.; BayVGH, Beschl. v. 10.12.2008 - 7 ZB 08.922, zitiert nach juris; VGH BW, Urt. v. 16.3.2009 - 2 S 1400/08, zitiert nach juris). Diese Auslegung steht auch mit dem Gleichheitsgrundsatz in Einklang. Zwar führt die genannte Regelung dazu, dass Bezieher geringer Einkommen ihre Rundfunkgebühren teilweise aus den Regelsätzen des ALG II zahlen müssen und damit schlechter gestellt werden, als rundfunkgebührenbefreite Personen ohne Zuschlagsberechtigung. Für diese Ungleichbehandlung liegt jedoch ein tragfähiger sachlicher Grund vor. Denn die in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 RGebStV getroffene Differenzierung zwischen Beziehern von Arbeitslosengeld II mit oder ohne Zuschlag nach § 24 SGB II rechtfertigt sich daraus, dass durch den Zuschlag, der für Alleinstehende bis zu 160 Euro monatlich betragen kann (§ 24 Abs. 3 Nr. 1 SGB II), grundsätzlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Empfänger erhöht wird. Der genannte Zuschlag dient dem Zweck, einen Teil der Einkommenseinbußen abzufedern, die früheren Arbeitslosengeldempfängern beim Übertritt in die neue Leistung entstehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.5.2008 - 11 B 2.08 - m. w. N., zitiert nach juris; BayVGH, Urt. v. 12.2.2008, BayVBl. 2008, 603, m. w. N.). Der - der Änderung des Rundfunkgebührenstaatsvertrags zustimmende - Landesgesetzgeber durfte deshalb bei typisierender und pauschalierender Betrachtung davon ausgehen, dass sich ALG II-Empfänger, die einen Zuschlag nach § 24 SGB II erhalten, in einer Übergangsphase zwischen Arbeitslosengeld und ALG II befinden und sich deshalb ihrem Typus nach von ALG II-Empfängern ohne Zuschlag unterscheiden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.5.2008, a. a. O.).

Allein der Umstand, dass die vom Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zitierte Rechtsprechung nach Eingang von Klage und Prozesskostenhilfeantrag ergangen ist, vermag einen Anspruch auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht zu begründen. Wie bereits ausgeführt, muss Prozesskostenhilfe nicht immer schon dann gewährt werden, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage noch nicht höchst- oder - bei der Anwendung von Landesrecht - obergerichtlich geklärt ist. Die für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidende Rechtsfrage konnte sowohl angesichts der gesetzlichen Regelung selbst als auch der zugänglichen Begründung des Gesetzes ohne besondere Schwierigkeiten beantwortet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 188 Satz 2 VwGO, § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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