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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.05.2009
Aktenzeichen: 2 A 107/08
Rechtsgebiete: AsylVGG, AsylVfG


Vorschriften:

AsylVGG § 78
AsylVfG § 3 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: A 2 A 107/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anerkennung als Asylberechtigter und Abschiebungsschutz

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke

am 20. Mai 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 23. Januar 2008 - A 5 K 111304 - wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe:

1. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zuzulassen.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht entschiedene Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich im erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

a) Die von der Beklagten für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Frage, "ob eine Organisation, die unter Anwendung von Gewalt im Gebiet ausschließlich eines Staates die in diesem Staat herrschenden Machtverhältnisse zu verändern sucht bzw. mit Waffengewalt und mittels Anschlägen die Regierungsmacht dieses Staates angreift, als eine terroristische Organisation anzusehen ist, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG zuwiderhandelt bzw. zuwidergehandelt hat", ist für die Berufungsinstanz nicht entscheidungserheblich mit der Folge, dass ihre grundsätzliche Bedeutung vorliegend offen bleiben kann. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage stellt sich im Rahmen der Prüfung, ob ein Ausschlussgrund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben ist. Als solcher kommt vorliegend gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG zum einen in Betracht, dass schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer (selbst) den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat. Für eine solche Annahme liegen nach dem Akteninhalt ersichtlich keine Anhaltspunkte vor; ein entsprechender Vorwurf wird auch durch die Beklagte nicht erhoben.

Zum anderen kommt als Ausschlussgrund gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG in Betracht, dass der Ausländer andere zu den in Satz 1 genannten Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt hat. Diese Alternative setzt vorliegend nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut voraus, dass erstens ein Handeln gegen die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen vorliegt, zu dem zweitens der Ausländer angestiftet bzw. an dem er in sonstiger Wiese teilgenommen hat. Für dieses Verständnis spricht auch das Vor-abentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts an den Europäischen Gerichtshof vom 14.10.2008 - 10 C 48.07 -: Das Bundesverwaltungsgericht geht darin von der Annahme aus, der Ausschlusstatbestand könne erfüllt sein, wenn der Ausländer einer Organisation angehört habe, die in der EU-Terrorliste enthalten sei und terroristische Methoden anwende, und der Ausländer den bewaffneten Kampf dieser Organisation aktiv unterstützt habe.

Die von der Beklagten aufgeworfene Frage betrifft lediglich die erstgenannte Voraussetzung. Selbst bei einer Bejahung der Frage ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Kläger die zweite Voraussetzung des Ausschlussgrundes erfüllt. Die Beklagte hat in ihrem Zulassungsantrag an keiner Stelle dargelegt, in welcher Weise der Kläger die in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG genannten Handlungen durch ein eigenes Tun gefördert haben sollte; sie verweist zur Begründung ausschließlich auf die vom Kläger in Deutschland wahrgenommene übergeordnete Funktion in der MEK.

Hieraus ergibt sich indessen nicht, dass der Kläger etwaige Handlungen der MEK, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, in zurechenbarer Weise unterstützt hätte. Es ist weder vorgetragen noch sonst aus dem Akteninhalt ersichtlich, dass sich der Kläger an terroristischen Anschlägen im Iran oder gewalttätigen Aktivitäten der MEK in anderen Ländern beteiligt hätte. So datieren etwa die von der Beklagten aufgezählten Aktionen der MEK gegen diplomatische Vertretungen Teherans in Deutschland aus dem Jahr 1992, liegen also bereits zeitlich weit vor der Ausreise des Klägers aus dem Iran im Jahr 1999. Auch aus den Feststellungen zum rechtskräftig abgeschlossenen Erstantrag ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine aktive Teilnahme des Klägers an bewaffneten Aktivitäten der MEK oder in deren Vorfeld, sei es im Iran oder in Drittländern. Nach dem gesamten Akteninhalt entsteht vielmehr das Bild, dass der Kläger nach Ablehnung seines Erstantrags und vor Stellung seines Folgeantrags seine bis dahin ausgeübte untergeordnete exilpolitische Tätigkeit für die MEK ausgeweitet hat. Angesichts dieser Sachlage hätte es substantiierter Darlegungen der Beklagten zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG beim Kläger bedurft. Mangels entsprechenden Vorbringens kommt es auf die Frage, ob die MEK eine terroristische Organisation darstellt, für die Berufungsinstanz nicht an.

b) Ebenfalls nicht klärungsbedürftig ist die weitere aufgeworfene Rechtsfrage, "ob durch die Aufnahme einer Organisation, hier der MEK, in die EU-Terrorliste aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass ein Ausländer, der sich in qualifizierter Weise und herausgehobener Position für diese Organisation betätigt bzw. betätigt hat, den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG zuwiderhandelt bzw. zuwidergehandelt hat". Soweit darin die Frage enthalten ist, ob die Aufnahme einer Organisation in die EU-Terrorliste die Annahme rechtfertigt, dass diese Organisation den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderhandelt bzw. zuwidergehandelt hat, gilt das oben unter a) Ausgeführt: Die Beantwortung dieser Frage, die grundsätzliche Bedeutung haben mag, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich.

Soweit die Beklagte indessen mit der aufgeworfenen Frage geklärt haben möchte, ob die Betätigung eines Ausländers in qualifizierter und herausgehobener Weise für eine in die EU-Terrorliste aufgenommene Organisation die Annahme rechtfertigt, der Ausländer habe den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt oder sich an Zuwiderhandlungen anderer beteiligt, lässt sich diese Frage ohne weiteres anhand des Wortlauts des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 AsylVfG verneinen, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte: Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmungen ist entweder ein eigenes Handeln oder eine Anstiftung bzw. Teilnahme des Ausländers an den dort genannten Handlungen erforderlich. Der Ausschlussgrund knüpft damit ausdrücklich nicht an eine bloße Mitgliedschaft bei einer Organisation - in welcher Stellung auch immer - an, sondern an einen zurechenbaren Beitrag an konkret benannten Handlungen. Dies verdeutlicht auch der Wortlaut der umgesetzten Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 [Arb. 12 Abs. 1 Buchst c, Abs. 3: "sich Handlungen zuschulden kommen ließ", "Personen (...), die andere zu den genannten (...) Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen"]. Für diese Auslegung spricht auch das bereits zitierte Vorabentscheidungsersuchen (BVerwG, EuGH-Vorlage v. 14.10.2008 a. a. O).

2. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 VwGO zuzulassen. Der Zulassungsantrag der Beklagten benennt bereits keinen in § 138 VwGO enthaltenen Verfahrensmangel. Soweit die Beklagte pauschal eine mangelnde Tatsachenaufklärung durch das Verwaltungsgericht rügt, begründet dieses Vorbringen keinen Gehörsverstoß i. S. v. § 138 Nr. 3 VwGO; ein solcher ist auch sonst nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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