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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.12.2008
Aktenzeichen: 2 B 325/08
Rechtsgebiete: SächsFrTrSchulVO


Vorschriften:

SächsFrTrSchulVO § 2
SächsFrTrSchulVO § 3
SächsFrTrSchulVO § 4
Die Frist in § 3 Abs. 1 SächsFrTrSchulVO gilt nur für die Genehmigung (neuer) Ersatzschulen, nicht für genehmigungspflichtige Änderungen bei (bestehenden) Ersatzschulen im Sinne von § 2 SächsFrTrSchulVO.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 2 B 325/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Schulrechts; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Henke

am 3. Dezember 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 28. August 2008 - 2 L 312/08 - geändert.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig die Aufnahme des Unterrichts im Bildungsgang "Metallarbeiter" an deren beruflicher Förderschule in Plauen zu genehmigen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 28.8.2008 hat Erfolg. Mit dem Beschluss hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung die Aufnahme des Unterrichts im Bildungsgang "Metallarbeiter" an deren beruflicher Förderschule in Plauen zu ermöglichen, abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht geht in der angegriffenen Entscheidung davon aus, dass die Antragstellerin weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund habe. Die Erweiterung der Förderschule der Antragstellerin um den Bildungsgang "Metallarbeiter" bedürfe einer Änderungsgenehmigung im Sinne von § 4 Abs. 1 SächsFrTrSchulG i. V. m. § 2 Satz 1 Nr. 2 SächsFrTrSchulVO. Diese Genehmigung unterfalle der Fristenregelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsFrTrSchulVO. Da vorliegend der Antrag unstreitig erst nach dem 31.1.2008 gestellt worden sei und der Antrag nur für den Beginn eines Schuljahres gestellt werden könnte (§ 3 Abs. 1 Satz 2 SächsFrTrSchulVO), gelte er gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 SächsFrTrSchulVO als für den Beginn des Schuljahres 2009/2010 gestellt. Darüber hinaus fehle es auch einem Anordnungsgrund, weil der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erst einen Tag nach dem Zeitpunkt des planmäßigen Unterrichtsbeginnes am 25.8.2009 gestellt worden sei. Auf den tatsächlichen Beginn der Beschulung in der konkreten Schule komme es in diesem Zusammenhang nicht an.

Hiergegen wendet die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung ein, § 3 SächsFrTrSchulVO gelte nach dem Wortlaut lediglich für die Genehmigung neuer Schulen, nicht für alle Genehmigungen. Dies ergebe sich schon aus den Absätzen 2 und 3, in denen die notwendigen Angaben und Anlagen aufgezählt seien. Die meisten dieser Angaben und Anlagen seien bei einer bloßen Erweiterung einer Schule nicht erforderlich. Darüber hinaus könnten die Ausweitung des Schulbetriebes auf weitere Unterrichtsstätten sowie der Wechsel des Trägers einer Ersatzschule auch im laufenden Schuljahr aus Gründen erforderlich sein, die ein Schulträger nicht beeinflussen könne, wie der Brand in einem Gebäude oder wirtschaftliche Schwierigkeiten des Trägers. In diesem Fall dürfe keine Frist bestehen. Der Anordnungsgrund sei auch nicht dadurch entfallen, dass die Auszubildenden der Fachrichtung "Metallarbeiter" im Berufschulzentrum in Plauen aufgenommen worden seien, weil diese Schüler auch im laufenden Schuljahr die Schule wechseln könnten, insbesondere wenn der Ausbilder dies wünsche. Eine sachgerechte Ausbildung könne zudem auch bei einem späteren Unterrichtsbeginn sichergestellt werden. Hierzu müssten nur die 13 Wochenstunden Unterricht, das seien insgesamt 520 Stunden, abweichend auf das Schuljahr verteilt werden.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Sie ist zulässig. Die dem Prozessbevollmächtigten vom Geschäftsführer der in Liquidation befindlichen Antragstellerin erteilte Prozessvollmacht ist wirksam. Der Insolvenzverwalter hat mit Schreiben vom 2.10.2008 mitgeteilt, dass der Geschäftsführer die Vollmacht in seinem Einverständnis und im Rahmen der ihm erteilten Vollmacht unterzeichnet hat (vgl. § 80 Abs. 1 InsO, § 164 Abs. 1 BGB).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die von der Antragstellerin fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu einer Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO ergeht eine einstweilige Anordnung, wenn das Bestehen eines zu regelnden Anspruchs, des sogenannten Anordnungsanspruchs, und die Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung, der sogenannten Anordnungsgrund, überwiegend wahrscheinlich sind.

Hier hat die Antragstellerin einen Anspruch darauf, dass ihr der Antragsgegner die Genehmigung für eine Erweiterung der Ersatzschule um den Bildungsgang "Metallbearbeiter" erteilt. Dass die Antragstellerin die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts steht auch § 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 SächsFrTrSchulVO der Erteilung der Genehmigung nicht entgegen.

Diese Vorschrift gilt nur für die Genehmigung neuer Ersatzschulen, nicht für die Genehmigung von Änderungen bei bestehenden Ersatzschulen. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der Vorschriften der Verordnung des Sächsischen Staatsministerium für Kultus über die Genehmigung und Anerkennung von Schulen in freier Trägerschaft. Während § 2 SächsFrTrSchulVO nach seiner Überschrift "Genehmigungspflichtige Änderungen bei Ersatzschulen" regelt, betrifft § 3 das "Genehmigungsverfahren für Ersatzschulen". Entsprechend ist im Text von § 3 Abs. 1 SächsFrTrSchulVO vom "Antrag auf Genehmigung einer Ersatzschule" die Rede. Hätte der Verordnungsgeber in § 3 SächsFrTrSchulVO nicht nur die Genehmigung einer (neuen) Ersatzschule regeln wollen, sondern auch die Genehmigung von Änderungen bei (bestehenden) Ersatzschulen, hätte es nahegelegen, dies im Wortlaut zum Ausdruck zu bringen, etwa durch die Formulierung, dass der "Antrag auf Genehmigung einer Ersatzschule oder ihrer Änderung" bis zum 31. Januar des Kalenderjahres zu stellen ist. Alternativ hätte in § 2 SächsFrTrSchulVO vorgesehen werden können, dass die Fristenregelung des § 3 Abs. 1 entsprechend gilt. Da dies nicht geschehen ist, spricht alles dafür, dass der Verordnungsgeber eine Frist nur für die Neuerrichtung einer Schule vorsehen wollte.

Für dieses Ergebnis spricht auch die Systematik der Verordnung. Regelt der Verordnungsgeber in § 2 SächsFrTrSchulVO die Genehmigungen von Änderungen bei Ersatzschulen und erst anschließend in § 3 SächsFrTrSchulVO das Genehmigungsverfahren für Ersatzschulen, ist davon auszugehen, dass es sich in § 3 SächsFrTrSchulVO um eine Spezialregelung für das Genehmigungsverfahren für (neue) Ersatzschulen handelt. Hierfür sprechen auch die in § 3 Abs. 2 bis 4 SächsFrTrSchulVO verlangten Angaben und Nachweise. Diese sind im vollen Umfang lediglich bei der Genehmigung einer neuen Ersatzschule erforderlich und sachgerecht, nicht aber bei den in § 2 SächsFrTrSchulVO genannten Erweiterungen oder Ausweitungen der Schule oder Gebäude oder den Wechsel des Schulträgers. So ist zum Beispiel bei einem neuen Bildungsgang die erneute Einreichung eines tabellarischen Lebenslaufes des Schulträgers oder der vertretungsberechtigten Person (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a und b SächsFrTrSchulVO) ebenso wenig erforderlich wie der erneute Nachweis über die Nutzungsrechte an den Unterrichtsräumen sowie Abnahmeprotokolle der zuständigen Behörden (Nr. 5, 6).

Auch Sinn und Zweck der Vorschriften führen zu keiner anderen Beurteilung. Die in § 3 Abs. 1 Satz 1 SächsFrTrSchulVO geregelte relativ lange Frist ist bei der Neuerrichtung einer Ersatzschule geeignet und erforderlich, um die Genehmigungsvoraussetzungen hinreichend prüfen zu können. Bei den in § 2 SächsFrTrSchulVO genannten genehmigungspflichtigen Änderungen wird indes eine derart lange Frist nicht notwendigerweise benötigt. So lässt sich die Genehmigung eines zusätzlichen Bildungsganges oder einer weiteren Unterrichtsstätte regelmäßig schneller erteilen als die Genehmigung für die Neuerrichtung einer Ersatzschule. Der Antragsteller weist auch zu Recht darauf hin, dass die in § 3 Abs. 1 SächsFrTrSchulVO vorgesehene Frist zumindest für die in § 2 Satz 2 SächsFrTrSchulVO genannten Tatbestände auch nicht sachgerecht wäre. So kann zum Beispiel bei einem Brand die Ausweitung des Schulbetriebes auf weitere Unterrichtsstätten kurzfristig erforderlich sein.

Sollte gleichwohl ein praktisches Bedürfnis bestehen, für die in § 2 Satz 1 SächsFrTrSchulVO eine Genehmigungsfrist vorzusehen, müsste der Verordnungsgeber dies ausdrücklich regeln, weil eine derartige Fristenregelung das Recht zur Errichtung von Schulen in freier Trägerschaft (Art. 102 Abs. 3 SächsVerf) einschränkt.

Eine Anordnungsanspruch oder Anordnungsgrund entfällt auch nicht deshalb, weil der Eilantrag kurz nach dem in Ziffer III Nr. 2 Buchst. b VwV Bedarf und Schuljahresablauf 2008/2009 bestimmten Zeitpunkt des planmäßigen Unterrichtsbeginnes (25.8.2008) erhoben wurde. Die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus zur Klassen- und Gruppenbildung, zur Bedarfsberechnung für die Unterrichtsversorgung und zum Ablauf des Schuljahres 2008/2009 gilt nur für staatliche Schulen (vgl. Ziffer I Nr.1, Ziffer III Nr. 1 VwV Bedarf und Schuljahresablauf 2008/2009). Maßgeblich für Ersatzschulen ist § 3 Abs. 1 SächsFrTrSchulG, wonach Abweichungen u. a. in der schulischen Organisation bei Ersatzschulen möglich sind, soweit eine Gleichwertigkeit mit den öffentlichen Schulen (noch) gegeben ist. Wegen der Privatschulfreiheit obliegt es grundsätzlich der Antragstellerin, den Unterrichtsbeginn festzulegen. Allerdings darf er nicht so festgelegt werden, dass eine Gleichwertigkeit mit den öffentlichen Schulen nicht mehr gegeben ist. Hiervon kann aber bei einem zeitnahen Unterrichtsbeginn nicht ausgegangen werden, wenn bei der Aufnahme neuer Schüler der Unterricht für diese Schüler abweichend auf das Schuljahr verteilt wird und somit die nötige Gesamtstundenzahl erreicht wird. Zudem ist auch ein Übertritt von Schülern, die an anderen Schulen aufgenommen worden sind, denkbar.

Die Entscheidung ist eilbedürftig. Eine Entscheidung in der Hauptsache würde voraussichtlich zu spät kommen, um den Unterrichtsbetrieb noch im laufenden Schuljahr aufzunehmen, so dass das Recht der Antragstellerin, bereits 2008/2009 den Bildungsgang "Metallbearbeiter" anzubieten, bei einem Abwarten der Hauptsacheentscheidung endgültig vereitelt würde. Deshalb ist hier auch die Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG. Wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache erscheint eine Halbierung des Auffangstreitwertes nicht angezeigt (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abgedruckt z. B. bei Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Anh. § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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