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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: 3 A 94/08
Rechtsgebiete: AufenthG, AufenthV


Vorschriften:

AufenthG § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
AufenthG § 10 Abs. 3 S. 1
AufenthG § 10 Abs. 3 S. 3
AufenthG § 25 Abs. 3
AufenthG § 25 Abs. 5
AufenthG § 28 Abs. 1 Nr. 1
AufenthV § 39 Nr. 5
Die in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG enthaltene Ausnahme von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gilt nur in denjenigen Fällen, in denen der Ausländer von vorneherein zum Zweck der Asylantragstellung in das Bundesgebiet eingereist ist.

Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Abschiebung im Sinne von § 39 Nr. 5 AufenthV ausgesetzt ist, ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 3 A 94/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 16. Oktober 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 9. September 2005 - 2 K 825/05 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der 1982 geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Er reiste erstmals im Jahr 1996 ohne Visum in das Bundesgebiet ein und beantragte nach Bestellung eines Vormundes am 24.10.1996 seine Anerkennung als Asylberechtigter, die das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 25.10.1996, bestandskräftig seit 24.9.1998, ohne Bezug auf § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet ablehnte. Im Zuge der Einstellung eines Asylfolgeverfahrens im Jahr 1999 tauchte der Kläger unter und wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Nachdem er sich eine Zeitlang in den Niederlanden und sodann in der Türkei aufgehalten hatte, reiste er im Jahr 2003 wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im September 2003 sprach er mit der deutschen Staatsangehörigen P.... L.... bei dem Standesamt Hohenstein-Ernstthal zwecks Anmeldung der Eheschließung vor. Am 13.1.2004 wurde er festgenommen, als er sich zur Asylantraganstellung in die Zentrale Ausländerbehörde in Chemnitz begeben hatte. Aus der Abschiebehaft stellte er unter dem 19.1.2004 einen weiteren Asylfolgeantrag, den das Bundesamt mit bestandskräftigem Bescheid vom 26.2.2004 ablehnte. Bereits am 26.1.2004 war dem Kläger zum Zwecke der Eheschließung am 28.1.2004 eine später bis 3.1.2005 verlängerte und in der Folgezeit im Hinblick auf das anhängige Verfahren erneuerte Duldung erteilt worden. Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 18.3.2004 wurde der Kläger wegen illegaler Einreise in das Bundesgebiet in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt.

Am 2.2.2004 stellte der Kläger unter Bezug auf die eheliche Lebensgemeinschaft einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, hilfsweise einer Aufenthaltsbefugnis, den der Rechtsvorgänger des Beklagten mit Bescheid vom 10.5.2005 im Wesentlichen mit folgender Begründung ablehnte:

Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 27 Abs. 1 AufenthG zu. Durch die illegale Einreise sei der Ausweisungsgrund eines nicht nur geringfügigen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt. Mangels eines atypischen Ausnahmefalls fehle es daher an der Regelerteilungsvoraussetzung des Nichtvorliegens eines Ausweisungsgrundes nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Zwar könne beim Familiennachzug gemäß § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG von dieser Voraussetzung abgesehen werden. Bei der Ermessensentscheidung seien die wirtschaftlichen und familiären Interessen des Klägers gegen das öffentliche Interesse der Bundesrepublik abzuwägen. Der Verstoß gegen die Einreisebestimmungen in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt stelle eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit dar. Derartigen Verstößen sei im Interesse sich rechtstreu verhaltender anderer Ausländer rechtlich entgegenzuwirken. Der Kläger verfüge nicht über einen dauerhaft gefestigten Aufenthalt. Ebensowenig werde durch die Versagung der Aufenthaltserlaubnis die familiäre Lebensgemeinschaft des Klägers zerstört. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens werde daher von § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht abgesehen. Des Weiteren setzte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG voraus, dass der Ausländer mit dem erforderlichen Visum eingereist sei. Ein solches habe der Kläger nie besessen. Er sei auch weder wegen der Schutzwirkungen des Asylrechts noch nach § 39 Nr. 5 AufenthV von dem Visumserfordernis befreit, weil für letzteres Voraussetzung sei, dass er während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben habe. Die Nachholung des Visumsverfahrens sei auch zumutbar im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG; besondere Härtemerkmale lägen nicht vor.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 20.5.2005 wies das Regierungspräsidium Chemnitz mit Widerspruchsbescheid vom 7.6.2005 zurück.

Der Kläger hat am 21.6.2005 beim Verwaltungsgericht Chemnitz Klage erhoben und auf Hinweis des Gerichts zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 2.2.2004/11.2.2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Rechtsvorgänger des Beklagten hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 9.9.2005 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu, der lediglich im Hinblick auf die Befristung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 AufenthG im Ermessen der Behörde stehe. Der Anspruch ergebe sich aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG i. V. m. § 39 Nr. 5 AufenthV. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger nach bestandskräftiger Ablehnung seines Asylbegehrens und erneuter Einreise im Jahr 2004 wegen unerlaubter Einreise in Tateinheit mit unerlaubtem Aufenthalt rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Zwar sei der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt. Der Regelausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG greife aber nicht ein, da § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (Einreise mit dem erforderlichen Visum) nach der Systematik des Gesetzes eine Spezialvorschrift darstelle, die einen Rückgriff auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nur aus besonderen sachlichen Gründen, etwa wegen eines besonders schwerwiegenden Verstoßes gegen die Visumspflicht bzw. gegen Einreisebestimmungen rechtfertige, woran es vorliegend im Hinblick auf die vergleichsweise geringe Geldstrafe fehle. Auch auf § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG könne die Versagung der Aufenthaltserlaubnis nicht gestützt werden, da zugunsten des Klägers § 39 Nr. 5 AufenthV anzuwenden sei. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien gegeben, da die Abschiebung des Klägers nach § 60a AufenthG ausgesetzt und die Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen während seines Aufenthalts im Bundesgebiet erfolgt sei. Nach Sinn und Zweck sei die Vorschrift des § 39 Nr. 5 AufenthV dahin auszulegen, dass für den in ihr vorausgesetzten Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein Anspruch wegen Ermessensreduzierung auf Null genüge. Gleiches gelte für § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG.

Zur Begründung der vom Senat wegen ernstlicher Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassenen Berufung trägt der Beklagte vor: Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, bei Verstößen gegen die Visumspflicht stelle § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nach der Gesetzessystematik eine Spezialvorschrift gegenüber § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG dar, gehe fehl. Die Regelungen hätten völlig unterschiedliche Regelungsgegenstände. Auch ermögliche § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG lediglich ein Absehen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, nicht hingegen von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Ausgehend hiervon sei eine isolierte Prüfung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG angezeigt. Ferner sei das vom Verwaltungsgericht für einen Rückgriff auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG herangezogene Kriterium eines besonders schwerwiegenden Verstoßes gegen die Visumspflicht untauglich für eine Differenzierung. Im Rahmen des § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sei daher entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts das Für und Wider des Absehens von dem Regelausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zu prüfen. Hierfür werde vollumfänglich auf den angefochtenen Bescheid und den diesen bestätigenden Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Anders als vom Verwaltungsgericht angenommen, könne auch die Regelung des § 39 Nr. 5 AufenthV die Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht überwinden. Bei verfassungskonformer Auslegung beinhalte § 39 Nr. 5 AufenthV nur eine Verfahrensregelung, die das Erfordernis der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG unberührt lasse. Als bloße Verordnungsregelung könne sie das Aufenthaltsgesetz hinsichtlich der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, zu denen auch die Visumspflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG gehöre, nicht ändern. Dagegen wäre die Aufenthaltsverordnung mangels wirksamer Verordnungsermächtigung nichtig, wenn ihr der vom Verwaltungsgericht angenommene Zweck beigemessen werde. Würde von der Verordnungsermächtigung des § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, nach der in der Verordnung bestimmt werden kann, dass der Aufenthaltstitel vor der Einreise bei der Ausländerbehörde oder nach der Einreise eingeholt werden könne, auch die Ermächtigung erfasst, in der Verordnung von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG abzusehen, so wäre der Zweck und das Ausmaß der Ermächtigung nicht ausreichend bestimmt. Nur wenn § 39 Nr. 5 AufenthV dahin ausgelegt werde, dass die Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG unberührt blieben, werde vermieden, dass § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG und weitere wesentliche Erteilungsvoraussetzungen ins Leere liefen. Denn einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe nur derjenige, der die allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen des Aufenthaltsgesetzes erfülle. Folglich könne sich nur dann ein Anspruch des Klägers auf Einholung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet ergeben, wenn der Beklagte von den Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG und § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG absehen müsse, was indessen - wie in den angegriffenen Bescheiden begründet - nicht der Fall sei. Nach anderer Auffassung liefen entweder § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG oder § 39 Nr. 5 AufenthV "immer ins Leere", da ein Anspruch gemäß § 28 Abs. 1 AufenthG i. V. m. § 39 Nr. 5 AufenthV dem Ausländer nichts nutze, wenn die Behörde entweder nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG dennoch ermessensfehlerfrei die Nachholung des Visumsverfahrens verlangen könne oder bei angenommenem Vorrang des § 39 Nr. 5 AufenthV für die nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vorgesehene Ermessensausübung nie Raum sei. Aus den Darlegungen ergebe sich ferner, dass entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch eine Ausnahme im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG nicht gegeben sei, sondern § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG greife.

Nachdem der Kläger auf Hinweis des Senats zu dem ursprünglich gestellten Verpflichtungsantrag aus der Klageschrift vom 20.6.2005 zurückgekehrt ist, beantragt der Beklagte,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 9.9.2005 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor: Gegen die Deutung des § 39 Nr. 5 AufenthV als bloße Verfahrensregelung spreche bereits der Wortlaut ihres ersten Halbsatzes. Richtig sei auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bei Verstößen gegen die Visumspflicht eine Spezialvorschrift darstelle. Andernfalls sei die Regelung überflüssig, da die Einreise ohne das erforderliche Visum in aller Regel einen Ausweisungsgrund erfülle. Der Wille des Gesetzgebers gehe für den Fall der Eheschließung im Bundesgebiet mit einem deutschen Staatsangehörigen dahin, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden könne - trotz Einreise ohne Visum.

Wegen der Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten, der im Wege eines gesetzlichen Parteiwechsels an Stelle des aufgelösten Landkreises Chemnitzer Land in das Verfahren eingetreten ist (vgl. § 2 Abs. 1, § 3 Nr. 10 Buchst. a, § 4 Abs. 1 SächsKrGebNG), hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer (befristeten) Aufenthaltserlaubnis aus § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zusteht (1). Dem Kläger kann auch keine Aufenthaltserlaubnis nach Ermessen (2) oder aus humanitären Gründen erteilt werden (3).

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wegen seiner Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Zwar ist der Tatbestand dieser Anspruchsnorm erfüllt. Es fehlt jedoch an der zwingenden allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Ob ein Anspruch aus § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG - entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts - darüber hinaus zusätzlich an der Regelerteilungsvoraussetzung des Nichtvorliegens eines Ausweisungsgrundes nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG i. V. m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG scheitern würde, kann daher offen bleiben.

a) Der Kläger ist im Jahr 2003 unstreitig ohne Visum in das Bundesgebiet eingereist. Die Einreise erfolgte im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ohne das erforderliche Visum, weil er für den von vorneherein beabsichtigten und jedenfalls für den aktuellen Daueraufenthaltszweck der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet ein nationales Visum nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AufenthG benötigte, dieses aber nicht besaß.

b) Die Erforderlichkeit des Visums entfällt nicht deshalb, weil der Kläger im Januar 2004 einen weiteren Asylfolgeantrag gestellt hat, der mit Bescheid vom 26.2.2004 bestandskräftig abgelehnt worden ist. Auch abgelehnte Asylbewerber müssen grundsätzlich eine - asylunabhängige - Aufenthaltserlaubnis im Sichtvermerksverfahren einholen, wenn sie nicht aus anderen Gründen davon befreit sind oder die Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise einholen dürfen (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.6.1997, NVwZ 1998, 189). Befreiungstatbestände erfüllt der Kläger ersichtlich nicht. Auch aufgrund der Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ist er nicht berechtigt, die begehrte Aufenthalterlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nach der Einreise einzuholen.

aa) Allerdings lässt § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG - entgegen der Auffassung des Beklagten - die Erteilung eines Aufenthaltstitels ohne vorheriges Visumsverfahren zu. Die Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind nur dann maßgebend, wenn vor der Einreise ins Bundesgebiet die Beantragung eines Visums erforderlich ist. Die Erforderlichkeit entfällt, wenn das Visum aufgrund gesetzlicher Regelungen im Aufenthaltsgesetz oder in der Aufenthaltsverordnung entbehrlich ist. Entbehrlich ist das Visum aber nicht nur dann, wenn eine Norm (z. B. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) ausdrücklich anordnet, dass von der Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG abgesehen werden kann (z. B. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) oder muss (z. B. § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), sondern auch dann, wenn sie die Erteilung eines Aufenthaltstitels - wie § 10 Abs. 3 Satz 1 und 3 AufenthG - vor der Ausreise erlaubt. Wenn § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bestimmt, dass einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden darf, bedeutet das nichts anderes, als dass er eine humanitäre Aufenthalterlaubnis nach der Einreise einholen darf, ohne dass ihm eine Ausreise zum Zwecke der Nachholung des Visumsverfahrens abverlangt werden kann. Gleiches gilt "im Falle eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis" nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG. Dass Satz 1 in diesem Falle keine Anwendung findet, bezieht sich auf die dort getroffene Beschränkung der erteilbaren Aufenthaltstitel; unberührt bleibt die Zulässigkeit, einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Ausreise - also ohne Nachholung des Visumsverfahrens - zu erfüllen. Demnach ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 und 3 AufenthG ebenso wie in den ausdrücklich formulierten Ausnahmefällen des § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG abzusehen (vgl. Kloesel/ Christ/Häußer, Kommentar zum Ausländerrecht, § 5 AufenthG Rn. 53; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 4 AufenthG Rn. 38; ebenso auch die Verordnungsbegründung zu § 39 AufenthV, BR-Drs. 631/04: "Darüber hinaus sieht das Aufenthaltsgesetz vor, dass für bestimmte Fallgruppen vom Erfordernis des § 5 Abs. 2 Satz 1 abgesehen werden kann oder abgesehen werden muss (zum Beispiel § 5 Abs. 3, § 10 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz), so dass auch in diesen Fällen eine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder einer Niederlassungserlaubnis ohne vorherige Ausreise möglich ist.").

Der Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG differenziert nicht danach, ob der abgelehnte Asylantrag im Zusammenhang mit der Einreise gestellt wurde. Nach Auffassung des Senats ist die Norm aber einschränkend dahin auszulegen, dass die in ihr geregelte Ausnahme von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nur in denjenigen Fällen gilt, in denen der Ausländer von vorneherein zum Zweck der Asylantragstellung in das Bundesgebiet eingereist ist. Der Normzweck, abgelehnte Asylbewerber im Falle eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu begünstigen, rechtfertigt das Absehen von der Einreise mit dem erforderlichen Visum nämlich nur dann, wenn die Einreise wegen der beabsichtigten Asylantragstellung auch ohne das für längerfristige Aufenthalte an sich erforderliche Visum nicht illegal war und zur Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG i. V. m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG führte. Diese Bedingung bildet den Anknüpfungspunkt und zugleich den Rechtfertigungsgrund dafür, dass dem Ausländer die Einreise ohne das erforderliche Visum unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG nach negativem Abschluss des Asylverfahrens nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG entgegengehalten werden soll. Mit Sinn und Zweck des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG wäre es dagegen unvereinbar, abgelehnten Asylbewerbern die Nachholung des Visumsverfahrens unabhängig davon abzunehmen, ob sie zum Zwecke der Asylantragstellung ohne Visum eingereist sind. Denn der ohne das erforderliche Visum eingereiste und daher wegen illegaler Einreise straffällig gewordene Ausländer soll nicht deshalb privilegiert werden, weil er sich zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Einreise zur Asylantragstellung entscheidet.

bb) Ausgehend davon ist im Streitfall nicht von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG abzusehen. Das aus dieser Vorschrift folgende Recht, im Falle eines Anspruchs die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor der Ausreise zu erhalten, steht dem Kläger nicht zu, weil er im Jahr 2003 ohne das erforderliche Visum zur Vorbereitung der Eheschließung und nicht zur Asylantragstellung eingereist war und deshalb wegen unerlaubter Einreise verurteilt worden ist. Das steht nach den auf entsprechenden Vorhalt und mehrfaches Nachfragen in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen des Klägers zur Überzeugung des Senats fest. Der Kläger vermochte danach nicht ansatzweise einen Zusammenhang zwischen seiner Einreise "ungefähr einen Monat" vor dem Besuch des Standesamtes Hohenstein-Ernstthal im September 2003 und seinem erst fünf Monate später im Januar 2004 gestellten Asyl(folge)antrag glaubhaft zu machen.

c) Dem Kläger steht ferner nicht das Recht zur Seite, die begehrte Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nach Maßgabe von § 39 AufenthV nach der Einreise einzuholen.

aa) Der Senat teilt allerdings nicht die von dem Beklagten gegen die Verordnungsbestimmung vorgetragenen Bedenken. Das Recht aus § 39 AufenthV, unter den dort genannten Voraussetzungen den Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einzuholen, lässt - wie auch das Verwaltungsgericht angenommen hat - aus gesetzessystematischen Gründen die allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem erforderlichen Visum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht zum Tragen kommen (vgl. VGH BW, Beschl. v. 5.3.2008, VBlBW 2008, 353; OVG NW, Beschl. v. 21.12.2007 - 18 B 1535/07 - zitiert nach JURIS; Ziff. 5.2.1.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums; vgl. auch Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 5 Rn. 52). Beide Vorschriften können nicht nebeneinander Anwendung finden, da das spezielle Recht zur Einholung der Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet und die Forderung der Nachholung des Visumsverfahrens zur Wahrung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung sich gegenseitig ausschließen. Soll das Recht aus § 39 AufenthV nicht leerlaufen, muss es die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG entgegen der Ansicht des Beklagten verdrängen. Dieses Verständnis liegt auch der bereits zitierten Begründung zu § 39 AufenthV zugrunde. Danach sollen auf Grund der Verordnungsermächtigung in § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG Ausnahmen von dem von § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorausgesetzten, für längerfristige Aufenthalte sich aus § 6 Abs. 4 AufenthG ergebenden Visumserfordernis festgelegt werden können. Dem diene § 39 AufenthG. Die dort geregelten Ausnahmen sollen zusätzlich zu den im Aufenthaltsgesetz eröffneten Möglichkeiten (z. B. nach § 5 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Halbsatz 2) und Verpflichtungen (z. B. nach § 5 Abs. 3 Halbsatz 1, § 10 Abs. 3), vom Visumserfordernis abzusehen, gelten, worauf die Eingangsformulierung "über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus" hinweise (vgl. BR-Drs. 731/04 zu § 39 AufenthV; Kloesel/Christ/Häußer, Kommentar zum Ausländerrecht, § 5 AufenthG Rn. 53, Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 4 AufenthG Rn. 36 und 38; Nr. 5.2.1.1 Vorläufige Anwendungshinweise des Bundesministerium des Innern; OVG NRW, Beschl. v. 21.12.2007 - 18 B 1535/07 - zitiert nach JURIS; VGH BW, Beschl. v. 14.3.2006, VBlBW 2006, 357, vgl. zu den Vorgängervorschriften in § 9 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG und § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG: BVerwG, Urt. v. 3.6.1997, NVwZ 1998, 189).

Zwar werden in Teilen des Schrifttums Bedenken gegen die hinreichende Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung unter dem Aspekt geäußert, dass sie nur die beiden Regelungsvarianten für die Befreiung von der Visumspflicht (vor und nach der Einreise) enthalte, ohne deren Voraussetzungen tatbestandsmäßig auch nur annähernd zu beschreiben und damit das Regelungsprogramm vorhersehbar zu machen; § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG werde daher den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG nur dann gerecht, wenn man die Voraussetzungen und den Umfang der Regelungsvarianten auf der Grundlage der bisherigen Praxis konkretisiere (so Renner a. a. O., § 4 Rn. 36). Wohl daran anknüpfend begründet der Beklagte seine Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit des Ausmaßes der in § 99 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 AufenthG geregelten Ermächtigungsgrundlage damit, dass ihr nicht zu entnehmen sei, dass auch von den allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen für den vor oder nach der Einreise einholbaren Aufenthaltstitel abgewichen werden könne. Dem ist nicht zu folgen. Die Verordnungsermächtigung in § 99 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entspricht derjenigen in § 3 Abs. 3 Satz 2 AuslG, deren hinreichende Bestimmtheit in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht nicht in Frage gestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.6.1997, a. a. O.) Der Einwand des Beklagten greift auch deshalb nicht durch, weil die dem Verordnungsgeber erteilte Ermächtigung, zu bestimmen, dass der Aufenthaltstitel vor der Einreise bei der Ausländerbehörde oder nach der Einreise eingeholt werden kann, inhaltlich gleichbedeutend ist mit der Ermächtigung, vom Visumserfordernis in weiteren als den im Gesetz selbst geregelten Fällen zu suspendieren (vgl. die oben zitierten Nachweise zur Begründung des § 39 AufenthV). Die Möglichkeit, dass der Ausländer den Aufenthaltstitel nach der Einreise einholt, impliziert, dass ihm die Einhaltung des vorgeschalteten Visumsverfahrens nicht abverlangt wird. Die Ermächtigungsgrundlage eröffnet damit gerade nicht die Möglichkeit, pauschal von allen allgemeinen und besonderen Erteilungsvoraussetzungen abzusehen, sondern beschränkt diese Möglichkeit auf die Erteilungsvoraussetzung des Visumerfordernisses (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG).

bb) Der Kläger erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Bestimmung des § 39 Nr. 5 AufenthV. Danach kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen, wenn seine Abschiebung nach § 60a AufenthG ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat. Die Abschiebung des Klägers ist indes nicht - wie erforderlich - aktuell noch nach § 60a AufenthG ausgesetzt.

Die dem Kläger nach § 60a AufenthG im Hinblick auf die Eheschließung erteilte und danach bis 3.1.2005 verlängerte Duldung ist inzwischen nicht mehr nach § 60a AufenthG, sondern im Hinblick auf den noch anhängigen Rechtsstreit aufgrund der erstinstanzlichen Verpflichtung vom 9.9.2005 verfügt worden. Eine derartige ausschließlich zum Zweck der Durchführung des vorliegenden Verfahrens erteilte Duldung bleibt im Rahmen des § 39 Nr. 5 AufenthV außer Betracht (vgl. VGH BW, Beschl. v. 5.3.2008, a. a. O. unter Hinweis darauf, dass es der Ausländer ansonsten in der Hand hätte, die tatbestandliche Voraussetzung selbst herbeizuführen). Nach der im Präsens formulierten Tatbestandsvoraussetzung ("ausgesetzt ist") reicht es freilich auch nicht aus, dass der Kläger bis 3.1.2005 im Besitz einer auf der Grundlage von § 60a AufenthG erteilten Duldung wegen der Eheschließung war. Bei Verpflichtungsklagen, die auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels gerichtet sind, ist grundsätzlich, d. h. soweit sich nicht ausnahmsweise aus dem anzuwendenden Recht ein anderer Zeitpunkt ergibt, auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen, wenn zu beurteilen ist, ob schon aus Rechtsgründen der Aufenthaltstitel erteilt werden muss oder nicht erteilt werden darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.11.1997, NVwZ-RR 1998, 517). Ein nach materiellem Recht abweichender Beurteilungszeitpunkt lässt sich § 39 Nr. 5 AufenthV nicht entnehmen (ebenso zur Vorgängerregelung des § 9 Abs. 2 DVAuslG: OVG NW, Urt. v. 26.11.2001, NWVBl. 2002, 183; a. A.: VGH BW, Beschl. v. 5.3.2008, a. a. O., m. w. N.). Wie alle anderen Tatbestände in § 39 Nr. 1 bis 4 und Nr. 6 AufenthV verweist auch der Aufenthaltsstatus in § 39 Nr. 5 AufenthV auf einen gegenwärtigen Zustand, der die zwangsweise Beendigung des Aufenthalts des Ausländers hindert. Selbst wenn man für maßgeblich hält, dass der nach § 39 AufenthV und der Vorgängerregelung begünstigte Personenkreis auf sich rechtmäßig, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhaltende Ausländer beschränkt sein und nur ausgeschlossen werden sollte, dass Ausländer mit strafbarem, illegalem Aufenthalt in den Genuss der Begünstigung gelangen (so VGH BW, Beschl. v. 5.3.2008, a. a. O.), so dürfte daraus im Streitfall nichts zugunsten des Klägers folgen, wäre dann doch der der Duldung vom 24.1.2004 vorangegangene illegale Aufenthalt zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Schließlich führt es zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis, wenn man für die in § 39 Nr. 5 AufenthV geforderte Duldung verlangt, dass sie nicht allein aus der Heirat hergeleitet wird (so OVG Saarland, Beschl. v. 30.4.2008 - 2 B 207/08 - zitiert nach JURIS).

Abgesehen davon, dass § 39 Nr. 5 AufenthV die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG und nicht lediglich einen darauf gerichteten Duldungsanspruch voraussetzt, ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger aktuell aus verfahrensunabhängigen Gründen eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG beanspruchen könnte. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass dem Kläger zwecks Nachholung des Visumsverfahrens eine vorübergehende Unterbrechung der ehelichen Lebensgemeinschaft, aus der bislang keine Kinder hervorgegangen sind, etwa wegen besonderer Angewiesenheit der Eheleute auf Unterstützung unzumutbar und seine Abschiebung daher wegen eines aus Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK resultierenden Hindernisses rechtlich unmöglich im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG wäre. Auch eine Unterbrechung für den Zeitraum der vom Kläger im Falle der Abschiebung befürchteten Heranziehung zur Ableistung des ihm als türkischem Staatsbürger nach dem Recht seines Heimatlandes obliegenden Wehrdienstes von inzwischen nur noch 15 Monaten ist angesichts der Möglichkeit von Besuchs-, Brief- und sonstigen Kommunikationskontakten zumutbar (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.5.2006 - 11 S 40/05 - und OVG NW, Beschl. v. 27.4.2004 - 17 B 863/04 - jeweils zitiert nach JURIS). Eine Freiheitsstrafe wegen Wehrdienstentziehung unter Ausschöpfung des gesetzlichen Strafmaßes von sechs Monaten bis drei Jahren ist nicht voraussehbar, wird die überwiegend verhängte Mindeststrafe doch häufig zusätzlich noch durch Umwandlung einer Freiheits- in eine Geldstrafe gemildert (vgl. OVG NW, Urt. v. 19.4.2005 - 8 A 273/04.A - m. w. N.; Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Stand: 25.10.2007, S. 22 f.).

2. Ermessensansprüche auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis außerhalb des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes kommen nicht in Betracht. Da der Asylfolgeantrag des Klägers unanfechtbar abgelehnt worden ist, darf ihm ein Aufenthaltstitel nur nach Abschnitt 5 (§ 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) bzw. "im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels" (§ 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG) erteilt werden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts genügt nach der herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, für einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG auch kein Fall der Ermessensreduzierung auf Null (OVG Saarland, Beschl. v. 30.4.2008 - 2 B 207/08 - zitiert nach JURIS; OVG M-V, Urt. v. 26.09.2007 - 2 L 173/06 - zitiert nach JURIS; NdsOVG, Beschl. v. 26.7.2007 - 12 ME 252/07 -, zitiert nach JURIS; VGH BW, Urt. v. 26.7.2006, VBlBW 2007, 30; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 9.3.2006 - 11 N 77/05, zitiert nach JURIS, unter ausführlicher Darstellung der Entstehungsgeschichte; Discher in: GK-AufenthG, § 10 Rn. 171 ff; Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl. 2005, § 10 Rn. 10; ebenso Ziff. 10.3.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums zum Aufenthaltsgesetz; a. A.: Hailbronner, Ausländerrecht, § 10 Rn. 16; Blechinger/Bülow/Weißflog, Das neue Zuwanderungsrecht, Stand: Juni 2007, Ziff. 3/5.13.4).

3. Humanitäre Aufenthaltserlaubnisse nach Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes i. V. m. § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG können dem Kläger ebenfalls nicht erteilt werden.

a) Eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG scheitert bereits daran, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - (Bundesamt) mit Bescheid vom 26.2.2004 bestandskräftig festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG) nicht vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestehen keine Bedenken dagegen, in Fällen wie hier die Feststellung des Bundesamts zu § 53 AuslG auch im Rahmen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zugrunde zu legen. Solange diese negative Feststellung des Bundesamts Bestand hat, ist die Ausländerbehörde daran gebunden (§ 42 Satz 1 AsylVfG); zu einer eigenen inhaltlichen Prüfung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG ist die Ausländerbehörde danach (ebenso wie die Gerichte im Aufenthaltserlaubnisverfahren) grundsätzlich und so auch hier weder berechtigt noch verpflichtet (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.2006, BVerwGE 126, 192).

b) Ein Anspruch des Klägers ergibt sich ferner nicht aus § 25 Abs. 5 AufenthG. Nach dieser Vorschrift kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte für tatsächliche Gründe, aus denen der Kläger an der Ausreise in die Türkei gehindert sein könnte. Auch rechtliche Hindernisse liegen nicht vor. Solche können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (z. B. Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (z. B. aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland herzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG. Bei Bestehen solcher Abschiebungsverbote hat nach dem Gesetzeskonzept die zwangsweise Rückführung des betroffenen Ausländers zu unterbleiben; auch die freiwillige Ausreise ist unter diesen Umständen unzumutbar. Ebenso wie im Rahmen des § 25 Abs. 3 AufenthG ist die Ausländerbehörde aber bei der Entscheidung über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG bei ehemaligen Asylbewerbern nicht zu einer eigenen inhaltlichen Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG berechtigt, sondern bleibt gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG an die (positive oder negative) Feststellung des Bundesamts hierzu gebunden (BVerwG, Urt. v. 27.6.2006, a. a. O.).

Ausgehend davon sind rechtliche Hindernisse nicht feststellbar. Da das Bundesamt im Falle des Klägers bestandskräftig, d.h. mit nach wie vor bindender Wirkung entschieden hat, dass Abschiebungshindernisse im Sinne des § 53 AuslG (jetzt § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG) nicht vorliegen, ist auch im vorliegenden Zusammenhang davon auszugehen, dass derartige zielstaatsbezogene Gefahren nicht vorliegen und damit einer freiwilligen Ausreise des Klägers nicht entgegenstehen. Die freiwillige Ausreise ist dem Kläger auch nicht ehebedingt und wegen einer etwaigen Ableistung des Wehrdienstes unzumutbar. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen unter 1.c)bb) (letzter Absatz) verwiesen.

Schließlich kann eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis nicht nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG allein deshalb erteilt werden, weil die Abschiebung des Klägers seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Zusätzlich müssen vielmehr die Voraussetzungen des Satzes 1 der Vorschrift erfüllt sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.2006, a. a. O.). Das ist - wie dargelegt - nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da sowohl der Frage, ob die in § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG geregelte Ausnahme von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nur in denjenigen Fällen gilt, in denen der Ausländer von vorneherein zum Zweck der Asylantragstellung in das Bundesgebiet eingereist ist, als auch der Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung, ob die Abschiebung im Sinne von § 39 Nr. 5 AufenthV ausgesetzt ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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