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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.10.2009
Aktenzeichen: 3 B 241/08
Rechtsgebiete: StVO, FeV


Vorschriften:

StVO § 3 Abs. 1
FeV § 46 Abs. 1
FeV § 46 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 B 241/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Entziehung der Fahrerlaubnis; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Freiherr von Welck, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 26. Oktober 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 19. Juni 2008 - 2 L 195/08 - geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Fahrerlaubnisentziehungsverfügung der Stadt Plauen vom 27. Mai 2008 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die in Nummer 1 des Bescheides der Stadt Plauen vom 27.5.2008 verfügte Fahrerlaubnisentziehung nicht wiederherzustellen, kann aus den mit der Beschwerdebegründung dargelegten und im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens in zulässiger Weise ergänzten Gründen keinen Bestand mehr haben.

Das Verwaltungsgericht hat die auf § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1, 3, §§ 11, 14, 13 FeV und Nr. 9.1 und 9.2 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV (Anlage) gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis für rechtmäßig gehalten, weil der Antragsteller sich zweifelsfrei jedenfalls durch die unter akuter Einwirkung des Betäubungsmittels Metamphetamin unternommene Fahrt am 28.12.2007 als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe und die Nichteignung mangels eines durchgängigen Abstinenznachweises auch noch im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung am 19.6.2008 fortbestehe. Inzwischen hat der Antragsteller die schon in der Beschwerdebegründung behauptete Abstinenz durch das Ergebnis der gleichzeitig angekündigten Teilnahme an einem Drogenkontrollprogramm der TÜV ................ GmbH belegt. Nach deren abschließender Teilnahmebescheinigung vom 16.6.2009 wurden als gerichtsverwertbare Analysen sechs polytoxikologische Urin- screenings auf Drogen im Zeitraum vom 9.7.2008 bis 12.6.2009 unter ärztlicher Sicht durchgeführt, wobei in keiner Urinprobe Drogensubstanzen gefunden werden konnten, so dass sich kein Anhalt auf Drogenkonsum im vereinbarten Zeitraum ergeben habe. Ausgehend davon kann in dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung in Ermangelung der letzten Behördenentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht mehr von einer feststehenden Nichteignung, sondern allenfalls noch von Eignungszweifeln ausgegangen werden. Im Streitfall kann mit ihnen allerdings nicht mehr der Vorrang des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs der Entziehungsverfügung vor dem Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Beibehaltung seiner Fahrerlaubnis begründet werden.

So wie Eignungszweifel die Behörde nicht zur Entziehung der Fahrerlaubnis berechtigen, sondern zunächst zur Aufklärung durch Anordnung der Vorlage von ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Gutachten verpflichten (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV) und je nach dem Ergebnis bzw. im Falle der Weigerung des Betroffenen, sich untersuchen zu lassen, oder nicht fristgerechter Gutachtensbeibringung den Schluss auf die Nichteignung (§ 11 Abs. 8 Satz FeV) zulassen und in der Folge die Entziehung gebieten, so darf die Behörde auch nicht per se an einer Entziehungsverfügung festhalten, wenn vor Erlass des Widerspruchsbescheides die Nichteignung des Betroffenen nicht mehr feststeht, sondern allenfalls noch Eignungszweifel fortbestehen. Sollen Zweifel mit einem früheren Drogenkonsum begründet werden, ist zusätzlich zu beachten, dass nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens herangezogen werden kann (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urt. v. 9.6.2005, NJW 2005, 3081). Der festgestellte Betäubungsmittelmissbrach muss vielmehr nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten noch geeignet sein, die Kraftfahreignung in Zweifel zu ziehen. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser rechtfertigt den erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen durch Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nur dann, wenn er zur Abwehr einer bei realistischer Einschätzung tatsächlich bestehenden Gefahr notwendig ist und also noch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Betroffene noch Drogen einnimmt oder jedenfalls rückfallgefährdet ist und sich dies auf sein Verhalten im Straßenverkehr auswirken kann. Bei der Beurteilung lassen sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht schematisch feste Zeiten bestimmen, nach deren Ablauf ein Drogenkonsum im Rahmen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV unbeachtlich werden soll.

Ob bei Anlegung dieses Maßstabs im vorliegenden Fall trotz des Ergebnisses der Teilnahme an dem Drogenkontrollprogramm, des inzwischen vergangenen Zeitraums von 22 Monaten seit der Drogenfahrt und der Behauptung des Antragstellers, dass es sich um einen einmaligen Metamphetamin-Konsum gehandelt habe, dessen Konsequenzen ihn nachhaltig beeindruckt hätten, die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Abklärung einer Rückfallgefährdung noch zulässig ist, wofür ggf. der zusätzliche gelegentliche Cannabiskonsum im Jahr 2007 sprechen mag, kann offen bleiben. Denn der Antragsteller hat im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens selbst angefragt, ob das Oberverwaltungsgericht eine medizinisch-psychologische Untersuchung anordnen könne, damit er in die Lage versetzt werde, die Wiederherstellung seiner Kraftfahreignung nachzuweisen. Jedenfalls in Verbindung mit dem Ergebnis der Teilnahme an dem Drogenkontrollprogramm lässt die Bereitschaft des Antragstellers, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen, etwa fortbestehende Eignungszweifel nicht als derart gewichtig erscheinen, dass der Sofortvollzug unabhängig von dem Ergebnis weiterer behördlicher Aufklärung aufrechterhalten werden müsste.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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