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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.08.2009
Aktenzeichen: 3 B 427/09
Rechtsgebiete: ARB Nr. 1/80, GG, AufenthG


Vorschriften:

ARB Nr. 1/80 Art. 10
GG Art. 6 Abs. 1
AufenthG § 60a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 B 427/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Erteilung einer Duldung; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler

am 17. August 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den vorläufigen Rechtsschutz versagenden Teil des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10. Juli 2009 - 3 L 312/09 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die von ihm dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass es das Verwaltungsgericht zu Unrecht abgelehnt hat, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung zu erteilen.

Der Antragsteller, der vollziehbar zur Ausreise verpflichtet ist, nachdem die ursprünglich bis 28.7.2007 befristete Geltungsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis mit seit dem 5.1.2009 bestandskräftigen Bescheid vom 29.9.2005 auf den Tag der Bekanntgabe (20.10.2005) verkürzt wurde, hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die von ihm geltend gemachten Umstände, die die Antragsgegnerin gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zur Aussetzung der Abschiebung verpflichten sollen, liegen nicht vor. Dem Antragsteller ist weder unter dem Gesichtspunkt der ihm unbefristet erteilten Arbeitsberechtigung eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund Art. 10 ARB Nr. 1/80 zu erteilen; noch ist seine Abschiebung aus rechtlichen Gründen unmöglich im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, weil sie gegen Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 Abs. 1 EMRK verstoßen würde.

1. Die Streitfrage, ob dann, wenn der Arbeitnehmer über eine die Geltungsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis überschießende Arbeitserlaubnis verfügt und - wie hier unstreitig - die Voraussetzungen des Art. 6 ARB Nr. 1/80 nicht vorliegen, entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile v. 3.7.2003 - BVerwG 1 C 18.02 und 32.02 - zitiert nach JURIS) ein Aufenthaltsrecht unmittelbar aus dem assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbot des Art. 10 ARB Nr. 1/80 in Betracht zu ziehen ist (so im Anschluss an EuGH, Urt. v. 26.10.2006 - C-4/05 - Güzeli, zitiert nach JURIS; OVG Hamburg, Urt. v. 29.5.2008 - 4 Bf 232/07 - zitiert nach JURIS; VGH BW, Urt. v. 10.6.2008, InfAuslR 2008, 424; Senatsbeschl. v. 26.3.2009 - 3 BS 354/07), bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls fehlt es nämlich an der Voraussetzung für die Anwendung des assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbots, dass der Arbeitnehmer dem "regulären Arbeitsmarkt" angehört. Die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt ist gleichbedeutend mit dem Begriff der ordnungsgemäßen Beschäftigung in Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 (vgl. Hailbronner, AuslR, ARB 1/80 Art. 6 Rn. 11 m. w. N.). Eine ordnungsgemäße Beschäftigung erfordert nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts (EuGH, Urt. v. 5.6.1997, NVwZ 1998, 50). Über ein derartiges Aufenthaltsrecht verfügt der Antragsteller seit der bestandskräftigen Verkürzung der Geltungsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis auf den 25.10.2005 nicht mehr. Schon deshalb gehört er nicht - wie erforderlich - aufgrund seiner zwischen den Beteiligten streitigen Beschäftigung bei der ........................................ bis 5.2.2009 dem regulären Arbeitsmarkt an. Ob es sich anders verhalten würde, wenn der Antragsteller am 25.10.2005 aufgrund dieser angeblich bereits am 1.9.2005 aufgenommenen Beschäftigung einen auf Art. 10 ARB Nr. 1/80 gestützten Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis gestellt hätte, kann offen bleiben. Denn er hat seinerzeit keine Verlängerung, sondern erstmals am 15.1.2009 die Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt.

2. Dem Antragsteller ist auch nicht im Hinblick auf die Vorwirkungen aus Art. 6 Abs. 1 GG oder Art. 8 Abs. 1 EMRK eine Duldung zu erteilen, weil seine Abschiebung wegen unmittelbar bevorstehender Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen rechtlich unmöglich im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wäre. Unmittelbares Bevorstehen bedeutet, dass der Eheschließungstermin entweder bereits feststeht oder verbindlich bestimmbar ist (vgl. Senatsbeschl. v. 16.5.2006, AuAS 2006, 242). Das ist nach dem Beschwerdevorbringen nicht der Fall. Nachdem das Standesamt die Mitwirkung an der Eheschließung wegen eines offenkundigen Eheaufhebungsgrundes abgelehnt hatte, hat zwischenzeitlich das Amtsgericht Dresden mit Beschluss vom 25.6.2009 den Antrag des Antragstellers und seiner Partnerin, den Standesbeamten anzuweisen, die Ehe zwischen ihnen zu schließen, zurückgewiesen, da sich Anhaltspunkte für eine beabsichtigte Scheinehe u. a. aus der Tatsache ergäben, dass die um 26 Jahre ältere Partnerin bereits vor ihrer siebten Eheschließung stehe und in vorangegangenen drei Ehen bereits drei türkischen Staatsangehörigen zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland verholfen habe. Die zahlreichen von dem Antragsteller vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen, die das eheähnliche Zusammenleben zwischen ihm und seiner Partnerin belegen sollen, ändern nichts daran, dass derzeit nicht absehbar ist, wann und mit welchem Ergebnis das Landgericht Dresden über die anhängige Beschwerde entscheiden wird. Nach den Angaben in der vorliegenden Beschwerdebegründung werden nach Auskunft der Vorsitzenden Richterin derzeit das Standesamt und die Standesamtsaufsicht zur Stellungnahme aufgefordert und danach eine Entscheidung des Gerichts zum Fortgang des Verfahrens erfolgen. Damit kann die Eheschließung nicht als unmittelbar bevorstehend angesehen werden.

Auch das sonstige Beschwerdevorbringen führt nicht zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches wegen rechtlicher Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Das gilt zunächst für die mit eidesstattlicher Versicherung der Diplom-Psychologin ................. der Partnerin des Antragstellers bescheinigte Dysthymia (nach ICD-10 F34.1 - anhaltende Stimmungs- und Gefühlsstörung), bei der die emotionale Unterstützung durch den Partner einen maßgeblichen Stabilisierungsfaktor darstelle. Die Diplom-Psychologin geht dabei von der Ernsthaftigkeit der Eheschließungsabsicht sowie davon aus, dass im Falle der Trennung eine deutliche Verschlechterung der psychischen Gesundheit und wegen der hohen Somatisierungsneigung des körperlichen Allgemeinzustandes eintreten würde. Sollte die Ehe jedoch geschlossen werden, wird die Trennung für die Zeit der Einholung des dann erforderlichen Visums nur vorübergehend und nicht auf Dauer sein. Die vorübergehende Unterbrechung der Lebensgemeinschaft wäre angesichts der Möglichkeit von Besuchs-, Brief- und sonstigen Kommunikationskontakten auch dann zumutbar, wenn der Antragsteller in der Türkei noch seinen fünfzehnmonatigen Wehrdienst ableisten müsste (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.5.2006 - 11 S 40/05 - und OVG NW, Beschl. v. 27.4.2004 - 17 B 863/04 - jeweils zitiert nach JURIS). Die von ihm befürchtete Freiheitsstrafe wegen Wehrdienstentziehung unter Ausschöpfung des gesetzlichen Strafmaßes von sechs Monaten bis drei Jahren ist nicht voraussehbar, zumal schon vor Jahren die überwiegend verhängte Mindeststrafe häufig zusätzlich noch durch Umwandlung einer Freiheits- in eine Geldstrafe gemildert wurde (vgl. Senatsurt. v. 16.10.2008 - 3 A 94/08 - zitiert nach JURIS OVG NW, Urt. v. 19.4.2005 - 8 A 273/04.A - m. w. N.). Der Vortrag des Antragstellers, es sei nicht auszuschließen, dass seine Aktivitäten als Mitglied und Kassierer des Deutsch-Kurdischen Freundschaftsvereins bei einer Rückkehr in die Türkei für ihn nachteilig sein werden, ist nicht ausreichend substantiiert, um ein rechtliches Abschiebungshindernis zu begründen. Schließlich sind Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche in der Türkei bzw. bei Rückkehr in der Bundesrepublik Umstände, die typischerweise mit der (ggf. vorübergehenden) Beendigung des Aufenthalts einhergehen und hinzunehmen sind. Eine besondere Härte, die den 2003 im Alter von 27 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten Antragsteller treffen würde, ist insoweit nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG und folgt der Festsetzung erster Instanz.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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