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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.09.2004
Aktenzeichen: 3 BS 266/04
Rechtsgebiete: AuslG, AAZuVO


Vorschriften:

AuslG § 55 Abs 1
AAZuVO § 2
AAZuVO § 3 Abs 2
AAZuVO § 3 Abs 3
AAZuVO § 5 Abs 3 Nr 1
1. Für Eilverträge abgelehnter Asylbewerber auf Unterlassung von Abschiebungen, die von der Zentralen Ausländerbehörde bereits angekündigt oder für deren Durchführung von dieser erkennbare Vorbereitungsmaßnahmen getroffen worden sind, ist der Freistaat Sachsen, vertreten durch das Regierungspräsidium Chemnitz - Zentrale Ausländerbehörde - passiv legitimiert. Demgegenüber sind Eilanträge auf Erteilung einer (vorläufigen) Duldung gegen die Gebietskörperschaft, der die örtlich jeweils zuständige untere Ausländerbehörde zugehört, zu richten (Bestätigung der Senatsrechtsprechung; Beschl. v. 20.2.2004 - 3 BS 95/04).

2. Die Zentrale Ausländerbehörde hat im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung von Abschiebungen inzident das Vorliegen eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Duldungsantrag zu prüfen. Liegt ein solcher Anspruch nach ihrer Auffassung vor, ist sie zu einer Unterlassung der Abschiebung auch dann verpflichtet, wenn die für die Erteilung der Duldung zuständige untere Ausländerbehörde den entsprechenden Antrag abgelehnt oder noch nicht über diesen entschieden hat oder ein solcher Antrag noch nicht gestellt wurde. Eine Bindungswirkung besteht nur im Falle der Erteilung einer Duldung.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 BS 266/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Abschiebung; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Pastor

am 10. September 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 28. Mai 2004 - 7 K 848/04 - wird verworfen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers kann keinen Erfolg haben, weil sie unzulässig ist.

Im Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts anhand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO darlegt. Dabei können nur Gründe berücksichtigt werden, deren Vortrag den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt. Nach dieser Vorschrift muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit dieser Entscheidung auseinander setzen. Dies bedeutet, dass die Beschwerdebegründung auf die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts eingehen und aufzeigen muss, weshalb sie der Beschwerdeführer nicht für tragfähig hält.

Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Beschwerde vor, dass es keiner ausführlichen bzw. spitzfindigen Begründung bedürfe, um das Recht des werdenden Vaters geltend zu machen, bei der werdenden Mutter zu verbleiben, die er seit längerem beantragt habe zu ehelichen. Es werde auf jegliche Rechtsgründe, insbesondere auf jene aus dem Grundgesetz verwiesen.

Dieser Beschwerdevortrag genügt den Darlegungsanforderungen gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ersichtlich nicht, da er auf die verwaltungsgerichtliche Entscheidung und die sie tragenden Erwägungen in keiner Weise eingeht, sondern dem Beschwerdegericht lediglich anheimstellt, die angefochtene Entscheidung einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen.

Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass die Beschwerde auch dann keinen Erfolg hätte haben können, wenn sie in einer den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Art und Weise begründet worden wäre. Denn der Antragsgegner ist für das auf Unterlassung der Abschiebung gerichtete vorläufige Rechtsschutzbegehren - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - nicht passiv legitimiert. Der angefochtene Beschluss hätte sich daher zumindest aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erwiesen. Dabei gibt das Verfahren, in dessen Verlauf das Verwaltungsgericht den Antragsteller aufgefordert hatte, seinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht gegen den Freistaat Sachsen, vertreten durch das Regierungspräsidium Chemnitz - Zentrale Ausländerbehörde -, sondern gegen den Antragsgegner zu richten, dem Senat Anlass zu den nachfolgenden Bemerkungen:

Die Verordnung der Sächsischen Staatsregierung und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über Zuständigkeiten nach dem Ausländergesetz und dem Asylverfahrensgesetz (Ausländer- und Asylverfahrenszuständigkeitsverordnung - AAZuVO) vom 7.8.2001 (SächsGVBl. S. 470) sieht in § 5 Abs. 3 Nr. 1 eine besondere sachliche Zuständigkeit des Regierungspräsidiums Chemnitz als Zentrale Ausländerbehörde für Maßnahmen zur Beendigung der Aufenthalts abgelehnter Asylbewerber einschließlich ihrer Familienangehörigen vor. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich in erster Linie um die Vorbereitung und Durchführung von Abschiebungen und damit um die Vornahme von Realakten. Die in § 5 Abs. 3 Nr. 1 AAZuVO vorgesehene Zuständigkeit der Zentralen Ausländerbehörde geht als besondere sachliche Zuständigkeit auch der § 3 Abs. 3 i.V.m. § 2 AAZuVO zu entnehmenden allgemeinen sachlichen Zuständigkeit der (unteren) Ausländerbehörde für Abschiebungen vor. Unberührt hiervon bleibt dagegen die sachliche Zuständigkeit der (unteren) Ausländerbehörde gemäß § 3 Abs. 2 i.V.m. § 2 AAZuVO über die Erteilung und Verlängerung einer Duldung, die nach der Legaldefinition des § 55 Abs. 1 AuslG eine zeitweise Aussetzung der Abschiebung darstellt und über die im Wege des Erlasses eines Verwaltungsakts zu entscheiden ist. Die von dem Verwaltungsgericht in seinem richterlichen Hinweis vertretene Auffassung, die untere Ausländerbehörde entscheide über das "ob", die Zentrale Ausländerbehörde lediglich über das "wie" der Abschiebung, wird der Regelung der Zuständigkeiten in der Verordnung dagegen nicht umfassend gerecht. Denn auch die Zentrale Ausländerbehörde muss - um einen Verstoß gegen Recht und Gesetz zu vermeiden - vor der Durchführung einer Abschiebung inzident überprüfen, ob der geplanten Abschiebung Hindernisse entgegenstehen. Eine Bindung durch die Entscheidung der Ausländerbehörde über einen dort gestellten Duldungsantrag erfolgt dabei aber nur in den Fällen, in denen die Duldung erteilt wird. Die Zentrale Ausländerbehörde ist in diesem Falle selbstverständlich auch nicht befugt, das Vorliegen von Duldungsgründen ihrerseits zu verneinen und abzuschieben. Umgekehrt bedeutet dies jedoch nicht, dass im Falle der Ablehnung eines Antrags auf Erteilung einer Duldung durch die Ausländerbehörde oder des Nichtvorliegens einer solchen Entscheidung die Zentrale Ausländerbehörde ohne eigene Prüfung davon ausgehen darf, dass Abschiebungshindernisse nicht vorliegen. Die Zentrale Ausländerbehörde ist vielmehr selbst für die Rechtmäßigkeit des von ihr vorzunehmenden Realakts der Abschiebung verantwortlich und hat daher auch Abschiebungshindernisse, die sie trotz einer entgegenstehenden oder noch nicht bekannten Auffassung der für die Erteilung einer Duldung zuständigen Behörde zu erkennen glaubt, stets zu beachten. Dem Ausländer wird in einem solchen Fall auch keine Duldung erteilt, sondern die Zentrale Ausländerbehörde unterlässt die Abschiebung, weil sie davon ausgeht, dass dem Ausländer ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen bereits gestellten oder noch zu stellenden Duldungsantrag zusteht und über diesen im ersteren Fall entweder ermessensfehlerhaft oder noch nicht entschieden wurde.

In der Rechtsprechung des Senats ist daher auch geklärt, dass rechtskräftig abgelehnte Asylbewerber einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den Freistaat Sachsen, vertreten durch das Regierungspräsidium Chemnitz - Zentrale Ausländerbehörde -, zu richten haben, sofern sie die Unterlassung von Abschiebungen begehren, die entweder von der Zentralen Ausländerbehörde bereits angekündigt oder für die von dieser zumindest erkennbare Vorbereitungsmaßnahmen getroffen worden sind. Demgegenüber sind Eilanträge gegen die Gebietskörperschaft, der die zuständige untere Ausländerbehörde zugehört, zu richten, sofern die Antragsteller die vorläufige Erteilung einer Duldung, d.h. das Aussetzen der Abschiebung gemäß § 55 Abs. 1 AuslG begehren (vgl. Beschluss d. Senats v. 20.2.2004 - 3 BS 95/04). Es obliegt damit im Ergebnis den Antragstellern, mit ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz jeweils darzulegen, ob sie sich gegen eine unmittelbar bevorstehende oder bereits erkennbar vorbereitete Abschiebung durch die Zentrale Ausländerbehörde wenden, ob sie die vorläufige Erteilung einer Duldung durch die untere Ausländerbehörde oder ob sie beides begehren, wobei der Antrag dementsprechend gegen den Freistaat Sachsen oder die Gebietskörperschaft, der die für die Erteilung von Duldungen zuständige untere Ausländerbehörde zugehört, oder gegen beide zu richten ist. Die Verwaltungsgerichte sind im Rahmen des § 86 Abs. 3 VwGO gehalten darauf hinzuwirken, dass die jeweils richtigen Antragsgegner in Anspruch genommen werden.

Im Hinblick auf die Beantragung einer vorläufigen Duldung im Wege eines Antrags nach § 123 VwGO gegen die Gebietskörperschaft der örtlich zuständigen unteren Ausländerbehörde - die im vorliegenden Verfahren allerdings nicht Streitgegenstand war - merkt der Senat weiterhin an, dass solche Anträge regelmäßig nicht bereits wegen einer im Grundsatz unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache abzulehnen sondern ausnahmsweise zulässig sein dürften, da ein Antragsteller, dessen Duldung bereits abgelaufen ist oder deren Ablauf unmittelbar bevorsteht, im Hinblick auf die Strafvorschrift des § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG nicht auf die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens verwiesen werden kann (so auch VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 22.12.2000, VBlBW 2001, 228 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht gemäß § 72 Nr. 1 GKG 2004 auf § 20 Abs. 3, § 14, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F..

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F. i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG 2004).

Ende der Entscheidung

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