Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: 3 BS 399/03
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 108 Abs. 2
VwGO § 123
VwGO § 146
Zur Frage der Zulässigkeit und Begründetheit einer gegen einen gerichtlichen Zwischenbeschluss eingelegten Beschwerde.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 BS 399/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Stellenbesetzung

hier: Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde gegen Zwischenbeschluss

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Künzler und die Richterin am Verwaltungsgericht Behler

am 17. Dezember 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 13. November 2003 - 11 K 3824/03 - aufgehoben.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 13.11.2003, aufgrund dessen dem Antragsgegner in einem über die Besetzung einer Richterstelle geführten Konkurrentenverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO untersagt wird, bis zum Abschluss des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Ernennung vorzunehmen, ist zulässig und begründet.

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht zunächst nicht § 146 Abs. 2 VwGO entgegen, wonach prozessleitende Verfügungen unanfechtbar sind; der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist keine Verfügung im Sinne der genannten Regelung.

Prozessleitende Verfügungen im Sinne des § 146 Abs. 2 VwGO sind Entscheidungen des Gerichts oder des Vorsitzenden, die sich auf den äußeren, förmlichen Fortgang des Verfahrens beziehen (Schenke in: Kopp, VwGO, 13. Aufl., § 146 RdNr. 10 m. w. N.). Ihnen kommt im Vergleich zu verfahrensbeendenden Entscheidungen nur eine untergeordnete Bedeutung zu, weshalb nach der in § 146 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung die Verzögerung des Rechtsstreits durch Eröffnung einer gegen diese Entscheidungen gegebenen Beschwerdemöglichkeit nicht sinnvoll ist. Daraus folgt umgekehrt, dass Verfahrenshandlungen, die in die Rechtsstellung eines Beteiligten erheblich eingreifen, nicht von diesem Beschwerdeausschluss erfasst werden.

Eine solche von dem Beschwerdeausschluss nicht erfasste Verfahrenshandlung ist auch der hier in Rede stehende Zwischenbeschluss des Verwaltungsgerichts Dresden (sh. dazu: Schenke, in: aaO RdNr. 11 m. w. N.). Die mit diesem Beschluss getroffene Entscheidung der Untersagung einer Ernennung bis zum Abschluss des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens beschränkt sich nicht nur auf den äußeren, förmlichen Fortgang des Verfahrens, sondern hat Auswirkungen auf dessen Inhalt.

Die materiell-rechtlichen Auswirkungen bestehen zum einen deshalb, weil durch den Zwischenbeschluss der Sache nach befristet über das einstweilige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin entschieden wird, indem durch einen gleichsam vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz dem Antragsbegehren befristet entsprochen wird. Des Weiteren wird bei einer Verfahrensweise wie hier - der Zwischenbeschluss erging am Tag des gerichtlichen Eingangs des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht, ohne dass der Antragsgegner zuvor Kenntnis sowohl von dem Antrag wie auch der Absicht, einen gerichtlichen Zwischenbeschluss zu treffen, hatte - der Anspruch des Antragsgegners auf Gewährung des rechtlichen Gehörs betroffen (§ 108 Abs. 2 VwGO), der auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich geboten ist (Schenke, in: aaO, § 123 RdNr. 1 m. w. N.).

Der Antragsgegner ist durch den angefochtenen Beschluss auch beschwert und hat an dessen Aufhebung ein rechtlich schützenswertes Interesse, obgleich er vorgebracht hat, er würde ohnehin während des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Ernennung nicht vornehmen.

Die Beschwer eines Antragsgegners durch einen Beschluss i. S. von § 123 VwGO liegt vor, wenn die Beeinträchtigung seiner subjektiven Rechte in Rede steht. Liegt eine Beschwer im genannten Sinne vor, dann ist zugleich regelmäßig auch das Rechtsschutzinteresse anzunehmen (sh. dazu: Happ, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 146 RdNr. 32, § 124 RdNr. 32; Meyer-Ladewig, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorbem. § 124 RdNr. 39).

Subjektive Rechte des Antragsgegners sind hier durch den angefochtenen Beschluss betroffen, weil er in einem Verwaltungsprozess durch eine gerichtliche Entscheidung als Verpflichteter herangezogen wurde, obgleich er zum einen keine Kenntnis von dem Verwaltungsprozess hatte und sich des Weiteren in diesem Prozess bis zum Ergehen der angefochtenen Entscheidung nicht äußern konnte. Damit wurde ihm sein Gehörsanspruch (§ 108 Abs. 2 VwGO) vorenthalten und ihm eine prozessrechtliche Stellung beigemessen, die seiner Rolle als Subjekt des Verfahrens nicht entsprach. Vielmehr wurde er gleichsam als bloßes Verfahrensobjekt einer gerichtlichen Verpflichtung unterworfen (sh. dazu: Dawin, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietz-ner, aaO, § 108 RdNr. 5). Die vom Antragsgegner in diesem Beschwerdeverfahren beantragte Aufhebung des vom Verwaltungsgericht getroffenen Zwischenbeschlusses hätte demnach die Folge, dass er nicht weiterhin als bloßes Verfahrensobjekt in die ihn verpflichtende gerichtliche Entscheidung einbezogen wäre.

Die - auch im Übrigen zulässige - Beschwerde ist begründet; die Voraussetzungen für den in Rede stehenden Zwischenbeschluss liegen nicht vor.

Durch einen Zwischenbeschluss in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, das - wie hier - zur Sicherung eines Bewerberverfahrensanspruches auf gleichen Zugang zu einer richterlichen Stelle geführt wird, können vorläufige Sicherungsmaßnahmen getroffen werden, wenn das Nichtabwarten der gerichtlichen Entscheidung durch die Behörde zu einem irreversiblen Rechtsverlust des Antragstellers führen würde. Dabei ist allerdings zu bemerken, dass in dem angesprochenen Verfahren die Pflicht der Behörde, einen Mitkonkurrenten bis zu einer Entscheidung über das einstweilige Rechtsschutzbegehren des erfolglosen Mitbewerbers nicht zu ernennen, bereits unmittelbar aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt, weshalb es eines Zwischenbeschlusses mit dem Inhalt einer entsprechenden Verpflichtung von daher nicht bedarf (Schenke, in: Kopp, aaO, § 123 RdNr. 3 und 5). Ein Zwischenbeschluss kann - und muss ggf. - jedoch dann getroffen werden, wenn die Besorgnis besteht, dass die Behörde beabsichtigt, sich über die genannte Pflicht hinwegzusetzen, und deshalb die Notwendigkeit einer zeitlich eng begrenzten und durch die Entscheidung über die einstweilige Anordnung auflösend bedingten Zwischenregelung besteht (Schenke, in: aaO, RdNr. 29).

Eine solche Notwendigkeit besteht hier nicht. Die Antragstellerin hatte eine solche Zwischenregelung beim Verwaltungsgericht beantragt, ohne jedoch zu begründen, woraus sie die Notwendigkeit für eine solche Regelung herleitet. Dafür sprechende Umstände sind auch darüber hinaus nicht ersichtlich. Der Antragsgegner hat im Beschwerdeverfahren vorgebracht, dass er in seiner bisherigen Praxis nicht ein Mal vor Abschluss eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens eine Ernennung vorgenommen habe. Tragfähige Anhaltspunkte, aufgrund derer die Richtigkeit dieses Vorbringens angezweifelt werden könnte, sind nicht ersichtlich. So hat auch das Verwaltungsgericht in der Begründung des angefochtenen Beschlusses auf solche Anhaltspunkte nicht abgehoben. Vielmehr hat es ausgeführt, dass die Zwischenverfügung notwendig sei, weil die Sach- und Rechtslage ohne die einschlägigen Verwaltungsakten nicht beurteilt werden könne.

Da sich somit der angefochtene Beschluss als rechtswidrig erweist, ist er aufzuheben.

Eine Kostenentscheidung entfällt, da das Verfahren auf Erlass einer Zwischenentscheidung keine eigenständige Kostenfolge auslöst (sh. dazu: ThürOVG, Beschl. v. 3.5.2002, ThürVBl. 2003, 14 m. w. N.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

Zurück