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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 11.01.2008
Aktenzeichen: 3 BS 403/07
Rechtsgebiete: LFGB, LMKV


Vorschriften:

LFGB § 11 Abs. 1
LMKV § 3 Abs. 1 Nr. 2
Werden auf dem Etikett eines neutral bezeichneten Lebensmittels zusätzlich Name und Anschrift einer Firma angegeben und wird diese nicht weiter spezifizierte Angabe aufgrund besonderer Wertschätzung der Kunden den Tatsachen entsprechend als Herstellerangabe verstanden, so ist zur Vermeidung einer irreführenden Herkunftsangabe auf dem Etikett kenntlich zu machen, wenn die angegebene Firma nicht mehr Hersteller, sondern nur noch Verkäufer des Lebensmittels ist.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 BS 403/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Sicherstellungsverfügung von 6 Fässern Himbeerbrause; Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hier: Beschwerde

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Sozialgericht Tischer

am 11. Januar 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 22. Oktober 2007 - 5 K 952/07 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht wird auf 180,00 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 12.9.2007 gegen den anlässlich einer Betriebskontrolle vor Ort erlassenen Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.9.2007 in der Fassung des nachträglich bestätigenden Bescheides vom 13.9.2007 wiederherzustellen, mit denen in den Räumen der von der Antragstellerin betriebenen Brauerei unter Anordnung des Sofortvollzugs sechs Fässer Himbeerbrause zu je 50 Litern wegen einer irreführenden Herkunftsangabe auf den Etiketten sichergestellt wurden.

Die dagegen von der Antragstellerin mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, sind nicht geeignet, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen. Denn aus ihnen ergibt sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht, dass die Bescheide vom 10.9.2007 und 13.9.2007 rechtswidrig sind und unter Berücksichtigung dessen im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO das private Interesse der Antragstellerin, den Vollzug dieser Bescheide auszusetzen, das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin überwiegt, diese Bescheide sofort zu vollziehen.

Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung zu Recht darauf gestützt, dass die Etiketten auf dem Verschluss am Fassdeckel der sechs streitigen Fässer nur Firma und Anschrift der Antragstellerin in angeben, obwohl die Himbeerbrause vom Brauhaus bei hergestellt und dort lediglich in die Fässer der Antragstellerin abgefüllt wurde, die auf dem Fassdeckel kreisförmig um den Verschluss herum nochmals in Großbuchstaben den Firmennamen der Antragstellerin und auf dem Fassbauch in großen roten Buchstaben den Schriftzug " Bier" tragen, was gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2 Nr. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) zur Täuschung über die Herkunft der Himbeerbrause geeignet, mithin irreführend ist und die Antragsgegnerin gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 5 LFGB i. V. m. § 10 Abs. 1 SächsAGLMBG zur Sicherstellung der sechs Fässer berechtigt.

Hiergegen wendet die Antragstellerin erfolglos ein, dass die Angabe ihrer Firma und Anschrift auf den Etiketten am Verschluss der Fässer keine Herkunftsangabe, sondern gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) lediglich eine zulässige Verkäuferangabe sei, die nicht irreführe, da die Bezeichnung des Lebensmittels ("Himbeerbrause, Erfrischungsgetränk mit Himbeergeschmack u. Süßungsmitteln") selbst keine Herkunftsangabe enthalte und somit durch die Etiketten bei den angesprochenen Verkehrskreisen keine Herkunftserwartung geweckt werde.

Die Antragstellerin übersieht bei dieser Argumentation, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2 Nr. 1 LFGB nicht nur zur Täuschung geeignete (irreführende) Bezeichnungen über die Herkunft verbietet, sondern daneben auch derartige Angaben. Im Unterschied zur Bezeichnung des Lebensmittels, d.h. zu dessen Benennung mit einem kurz die Eigenschaften oder sonstigen wertbestimmenden Faktoren unmittelbar zum Ausdruck bringenden Namen (vgl. auch § 4 LMKV), sind die von § 11 LFGB gesondert erfassten Angaben zu einem Lebensmittel tatsächliche (weitere) Erklärungen jeder Art zu den Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere auch zu dessen Herkunft (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: August 2007, § 11 LFGB Rn. 79/80). Auf die herkunftsneutrale Bezeichnung der hier streitigen Himbeerbrause kommt es deshalb nicht an, selbst wenn die vom Verwaltungsgericht zitierten gerichtlichen Entscheidungen herkunftsbezogene, irreführende Bezeichnungen von Lebensmitteln betreffen. Denn dies schließt es nicht aus, die dazu aufgestellten Grundsätze auf die über die Bezeichnung des Lebensmittels hinausgehenden weiteren Angaben zu übertragen.

Es kommt auch nicht darauf an, dass § 3 Abs. 1 Nr. 2 LMKV freistellt, ob auf Fertigpackungen von Lebensmitteln der Hersteller, der Verpacker oder (soweit in der EU oder im EWR niedergelassen) der Verkäufer angegeben wird, darüber hinaus hingegen nicht vorgeschrieben ist, mitzuteilen, ob es sich dabei um den Hersteller, Verpacker oder Verkäufer handelt (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: August 2007, § 3 LMKV Rn. 10 a. E.). Denn es mag zwar in der Regel ausreichen, wenn sich ein Verantwortlicher (gleich ob Hersteller, Verpacker oder Verkäufer) für das in den Verkehr gebrachte Lebensmittel ohne weitere Ermittlungen feststellen lässt, soweit dieser Angabe keine weitergehende Bedeutung zukommt. Jedoch schließt dies nicht aus, dass sich aus der Angabe des Herstellers, Verpackers oder Verkäufers gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 LMKV, wenn dessen Eigenschaft nicht bezeichnet wird, aufgrund weiterer Umstände des Einzelfalles - wie hier - eine irreführende Herkunftsangabe im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2 Nr. 1 LFGB ergibt.

Dies folgt daraus, dass der von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB verwendete Begriff der Herkunft nach allgemeinem Sprachgebrauch neben der geografischen Herkunft insbesondere auch den Hersteller erfasst, da der Verbraucher mit einem bestimmten Hersteller oft eine spezielle Wertschätzung verbindet, gleichgültig, ob die damit verbundenen Wertvorstellungen, insbesondere im Hinblick auf die mit der Herkunft verbundene Qualität, richtig sind. Erforderlich ist lediglich, dass die Herkunftsangabe bei den vom Produkt angesprochenen Verkehrskreisen den Kaufentschluss oder den Verbrauch des Lebensmittels beeinflussen kann und nicht nur wertneutral der Identifizierung der Ware dient (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: August 2007, § 11 LFGB Rn. 119 bis 121 m. w. N.). Lässt sich eine solche spezielle Wertschätzung der Herkunftsangabe durch die angesprochenen Verkehrskreise feststellen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei der erforderlichen Auslegung im Lichte des Gemeinschaftsrechts und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für die anschließende Frage, ob die Etikettierung eines Lebensmittels irreführend ist, darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher, der durch das Lebensmittel angesprochen wird, die betreffende Aussage wahrscheinlich auffassen wird (BVerwG, Beschl. v. 18.10.2000, LRE 40, 166 ff., m. w. N.).

Der Senat vermag zwar nicht, wie das am Betriebsort der Antragstellerin ansässige Verwaltungsgericht dies getan hat, aus eigener Kenntnis zu beurteilen, ob die von der Himbeerbrause der Antragstellerin angesprochenen Verkehrskreise mit der Angabe ihrer Firma und Anschrift auf den Etiketten eine spezielle Wertschätzung verbinden und diese mithin als eine die Kaufentscheidung beeinflussende Herkunftsangabe verstehen. Jedoch gibt es unabhängig davon genügend weitere Anhaltspunkte, die es bei der hier gebotenen summarischen Prüfung als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen, dass mit der Himbeerbrause der Antragstellerin eine solche spezielle, aus der eigenen Herstellung durch die Antragstellerin folgende Wertschätzung durch ihre Kunden verbunden ist. Denn bevor der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin verboten wurde, ihr Brunnenwasser mangels Trinkwasserqualität zur Getränkeherstellung zu nutzen, was Gegenstand eines weiteren Rechtsstreits ist und die Antragstellerin zwang, unter anderem die hier streitige Himbeerbrause ab September 2007 aus der Herstellung einer anderen Brauerei zu beziehen, bezeichnete sie ihre selbst hergestellte Himbeerbrause (damals mit geringfügig veränderter, anders als jetzt noch Zucker enthaltender Rezeptur) zwar nicht auf den Fässern selbst, jedoch auf den in großer Zahl vor allem aus August 2007 vorliegenden Lieferscheinen als " 's Fassbrause". Selbst auf einer vom 5.12.2007 stammenden, von der Antragsgegnerin vorgelegten Sortimentsliste für eine Gaststätte wurde von der Antragstellerin die Bezeichnung " 's Fassbrause (Himbeergeschmack)" verwendet. Dementsprechend wird die Himbeerbrause ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten Kopien von Getränkekarten zweier Lokale auch dort als "Rote Fassbrause - Original von " angeboten. Dies macht deutlich, dass die Himbeerbrause der Antragstellerin, die im Übrigen im Internet als die älteste Privatbrauerei auftritt, so dass von einem erheblichen örtlichen Bekanntheitsgrad ausgegangen werden kann, jedenfalls in ihrem örtlichen Einzugsbereich eine spezielle Wertschätzung genießt, welche die Kaufentscheidung und den Verbrauch der von der Antragstellerin hergestellten Himbeerbrause beeinflusst.

Entsprach jedoch bis August 2007 die nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 LMKV vorgeschriebene Angabe der Firma und der Anschrift der Antragstellerin auf den Etiketten der tatsächlichen Herkunft der Himbeerbrause und war diese Angabe Grundlage einer speziellen Wertschätzung bei den Abnehmern, ist die unveränderte Beibehaltung dieser Angabe trotz ihrer veränderten Bedeutung (nunmehr statt Hersteller- nur noch Verkäuferangabe) geeignet, über die Herkunft der Himbeerbrause zu täuschen, weil die angesprochenen Verkehrskreise davon ausgehen müssen, weiterhin Himbeerbrause aus der Herstellung der Antragstellerin zu erhalten. In einem solchen Fall ist deshalb der Bedeutungswechsel bei der Angabe im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 2 LMKV kenntlich zu machen, um eine irreführende Herkunftsangabe gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB zu vermeiden.

Sind danach die allein entscheidungstragenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden, kann ebenso wie in erster Instanz dahinstehen, ob zumindest bei zweien der sichergestellten Fässer eine doppelte und schon deshalb irreführende Etikettierung vorliegt, weil die bei den anderen vier Fässern weitgehend unkenntlich gemachten Etiketten am Fassbauch, die noch die alte Rezeptur mit der zusätzlichen Zutat Zucker und abweichenden Mindesthaltbarkeitsdaten aufweisen, bei diesen beiden Fässern im Wesentlichen noch vorhanden sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und § 53 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG und folgt der Festsetzung erster Instanz, die auf dem von der Antragstellerin mitgeteilten Wert eines Fasses Himbeerbrause von 30,00 € beruht und aufgrund der begrenzten Haltbarkeit der Himbeerbrause im Vergleich zu der zu erwartenden Verfahrensdauer in der Hauptsache zutreffend wegen einer Vorwegnahme der Hauptsache im vorläufigen Rechtsschutzverfahren auf eine Halbierung des sich daraus ergebenden Betrages verzichtet (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i. d. F. vom 7./8.7.2004, abgedruckt bei Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, Anh § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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