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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.11.2009
Aktenzeichen: 3 D 149/08
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 D 149/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausländerrechts; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Freiherr von Welck, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Drehwald und den Richter am Verwaltungsgericht Jenkis

am 16. November 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 30. Oktober 2008 - 4 L 336/08 - geändert, soweit hierin der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung abgelehnt wurde.

Der Antragstellerin wird für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin bewilligt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer zur Vertretung bereiten Rechtsanwältin zu Unrecht abgelehnt. Die Bewilligungsvoraussetzungen gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO liegen vor, da der Antrag hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtsverfolgung nicht mutwillig ist und die Antragstellerin die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht selbst aufbringen kann.

Das Verwaltungsgericht Chemnitz hat auf Antrag der Klägerin zwar die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen Nr. 1 und 2 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 7.5.2008 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens angeordnet. Mit dem in Streit stehenden Bescheid war der Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu ihrem Ehemann u. a. deshalb abgelehnt worden, weil die Antragstellerin bis zu diesem Zeitpunkt keinen Nachweis erbracht hatte, dass sie sich auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen könne (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG), und ihr für den Fall, dass sie das Bundesgebiet nicht binnen eines Monat ab Bekanntgabe des Bescheids verlasse, die Abschiebung in ihr Heimatland angedroht worden. Das Verwaltungsgericht Chemnitz hatte dem Antrag auf Gewährung von Eilrechtschutz bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens stattgegeben, weil bei der gebotenen summarischen Prüfung die in Nr. 1 und 2 des in Streit stehenden Bescheids angeordneten Verfügungen weder offensichtlich rechtmäßig noch rechtswidrig seien und es die in diesem Falle anzustellende Interessenabwägung gebiete, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens anzuordnen.

Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das Gericht hingegen mit dem Hinweis darauf abgelehnt, dass die Prozessführung mutwillig erscheine, da sie entbehrlich gewesen sei. Die Antragstellerin hätte die erst am 19.5.2008 - am Tag der Einlegung des Widerspruchs - erstmals vorgelegte Meldebestätigung vom 5.5.2008 für die Anmeldung zu einem VHS Deutsch-Intensivkurs in Chemnitz früher vorlegen oder zumindest ihre Kursanmeldung mitteilen können, wodurch sie es hätte vermeiden können, dass ihrem Antragsbegehren wegen mangelnder Deutschkenntnisse der Erfolg versagt worden wäre. Damit hätte das vorliegende Verfahren bei rechtzeitiger Bemühung um Erlernung der deutschen Sprache vermieden werden können.

Mit der Versagung der begehrten Prozesskostenhilfe hat das Verwaltungsgericht Chemnitz die Anforderungen an das Vorliegen des die Gewährung von Prozesskostenhilfe ausschließenden Merkmals des Mutwillens überspannt. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2007, § 166 Rn. 9 m. w. N.). Mit dem Hinweis, die Antragstellerin hätte bei rechtzeitiger Durchführung eines Sprachkurses die Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und damit das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vermeiden können, hat das Verwaltungsgericht Chemnitz aber Erwägungen angestellt, die im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Interessenabwägung hätten Berücksichtigung finden und möglicherweise für eine geringere Schutzbedürftigkeit der Antragstellerin hätten sprechen können. Angesichts der Tatsache, dass - worauf das Verwaltungsgericht Chemnitz nicht eingegangen ist - die Versagung auch darauf gestützt worden war, die Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG seien nicht erfüllt, hätte der Antragstellerin aber auch eine frühere Durchführung eines Sprachkurses insoweit keine Vorteile gebracht. Darüber hinaus hatte sie in ihrem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes vom 23.9.2008 darauf hingewiesen, dass ihr bislang aus finanziellen Gründen die Durchführung eines Sprachkurses nicht möglich gewesen sei und die rückwirkende Anknüpfung an dieses Tatbestandsmerkmal gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße. Demnach war es aus Sicht der Antragstellerin zum damaligen Zeitpunkt offen, ob die frühere Durchführung eines Sprachkurses zu einem Erfolg ihres Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geführt hätte. Daher gab es für die Antragstellerin im konkreten Fall keine einfachere Möglichkeit für die Verwirklichung ihres Anspruchs, der ihre Rechtsverfolgung als mutwillig hätte erscheinen lassen können.

Da die Antragstellerin auch den Nachweis geführt hat, dass sie die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht selbst aufbringen kann, war ihr antragsgemäß Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 166 VwGO i. V m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet und Gerichtskosten nach § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses nicht erhoben werden. Eine Streitwertfestsetzung ist daher ebenfalls entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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