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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.06.2009
Aktenzeichen: 3 D 79/08
Rechtsgebiete: GG, StAG


Vorschriften:

GG Art. 6
GG Art. 11
StAG § 3 Abs. 1 Nr. 1
StAG § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 3 D 79/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Abschiebung; Antrag nach § 123 VwGO

hier: Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Ullrich, den Richter am Verwaltungsgericht Jenkis und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 22. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 11. Juni 2008 - 3 L 279/08 - wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das - inzwischen erledigte - einstweilige Anordnungsverfahren 3 L 279/08 hat keinen Erfolg. Es kann dahingestellt blieben, ob der Antragsteller zu 2. als ungeborenes Kind hier beteiligtenfähig ist. Denn die Rechtsverfolgung bietet unter Zugrundelegung der Begründungen der Beschwerden gegen die im Prozesskostenhilfeverfahren und im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO ergangenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts vom 11.6.2008 ohnehin nicht die hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).

Zwar steht der Bewilligung nicht entgegen, dass sich der Rechtsstreit mit der Abschiebung der seinerzeit schwangeren Antragstellerin zu 1. in die Tschechische Republik erledigt hat. Unter Billigkeitsgesichtspunkten ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe in einem solchen Fall als zulässig anzusehen, wenn der Rechtsschutzsuchende vor Eintritt der Verfahrensbeendigung alles Zumutbare getan hat, um eine (abschließende) Entscheidung des Gerichts über seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu erreichen. Hiervon ist auszugehen, wenn - wie hier - die Betroffenen in Zusammenhang mit der Abgabe der Erledigungserklärung nochmals um Entscheidung über die Beschwerde gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts gebeten haben (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 16.3.2004, SächsVBl. 2005, 89).

Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerde beschränkt sich im Wesentlichen auf das Vorbringen, wonach das Verwaltungsgericht bei der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt habe, dass in den Adern des von der vietnamesischen Antragstellerin ausgetragenen Antragstellers zu 2., dessen Vater ein deutscher Staatsangehöriger sei, bereits jetzt "sanguis teutonicus" fließe. Die Vorwirkungen des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit durch das Kind nach seiner Geburt nach § 4 Abs. 1 StAG seien vom Verwaltungsgericht nicht bedacht worden. Eine eingehende Auseinandersetzung mit den Folgen der Abschiebung des Antragstellers zu 2. sei unterblieben, wobei es nicht allein um den Zusatzaufwand in Zusammenhang mit einer erneuten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland gehe. Vielmehr sei darüber hinaus zu berücksichtigen, dass bereits ein von einem deutschen Staatsangehörigen gezeugtes ungeborenes Kind einen Rechtsanspruch auf Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland habe. Da die Mutter nicht von ihrem Kind getrennt werden könne, hätte auch sie wegen der Schutzwirkungen von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht abgeschoben werden dürfen.

Mit diesem Vortrag, mit dem sich die Antragsteller auf das Freizügigkeitsgrundrecht des Art. 11 Abs. 1 GG i. V. m. den mittelbaren Schutzwirkungen des Art. 6 GG berufen, verkennen sie dessen Schutzbereich. Art. 11 GG garantiert als Deutschengrundrecht eine Freiheit, die historisch und funktional mit dem Status der Staatsbürgerschaft eng verknüpft ist (vgl. Durner, in: Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 11 Rn. 54). Maßgeblich ist insoweit die in Art. 116 Abs. 1 GG enthaltene Definition des Deutschen. Die dort als die die Eigenschaft des Deutschen vermittelnd genannte - nur hier in Betracht kommende - deutsche Staatsangehörigkeit kann jedoch frühestens mit der Geburt erworben werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 StAG). Der nasciturus, d. h. das ungeborene Kind ist mithin noch nicht staatsangehörigkeitsfähig. Die in der Beschwerde angeführte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Schleswig (vgl. Beschl. v. 15.12.1999, NJW 2000, 1271) ist hierfür ohne Bedeutung, da sie die - hier nicht streitgegenständliche - besonders gesetzlich geregelte Frage der vorgeburtlichen Beistandschaft nach §§ 1712 BGB ff. betrifft. Art. 11 GG vermag damit keine vorgeburtlichen Schutzwirkungen zu Gunsten des Antragstellers zu 2. zu entfalten. Dies gilt hier auch unter dem Gesichtspunkt der von den Antragstellern geltend gemachten Nachteile im Hinblick auf eine nach der Abschiebung erforderliche Wiedereinreise nach der Geburt des Kindes. Zwar schützt Art 11 GG das Recht, an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen (vgl. BVerfGE 80, 137, 150). Damit könnte nach der Geburt des Antragstellers zu 2. ihm selber wie auch der Antragstellerin zu 1. ein durch Art. 6 GG vermitteltes Bleiberecht in der Bundesrepublik zustehen. Einer vorgeburtlichen Sicherung dieses Rechts im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes bedarf es jedoch nicht. Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, dass der Verweis der Antragsteller auf die ggf. zu gewährende Möglichkeit einer Wiedereinreise in tatsächlicher Hinsicht unzumutbar wäre. Auch mit dem Vorbringen, dass sich die Antragstellerin zu 1. bei einem Aufenthalt in der Tschechischen Republik in einer ungleich schwierigeren rechtlichen Situation befände als bei einem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, da sie mit einem tschechischen Staatsangehörigen verheiratetet sei, dessen Vaterschaft sie dann vor einem tschechischen Gericht anfechten müsse, hat sie ein Abschiebungshindernis nicht dargelegt. Schwierigkeiten bei der prozessualen Durchsetzung von familienrechtlichen Rechtsansprüchen im Ausland vermögen grundsätzlich kein Abschiebungshindernis zu begründen. Die Antragsteller räumen mit diesem Vorbringen vielmehr selber ein, dass die Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt des Antragsstellers zu 2. nach § 4 Abs. 1 StAG derzeit nicht gegeben sind. Das Verwaltungsgericht hat hierzu zutreffend festgestellt, dass nach § 1594 Abs. 2 BGB die nach § 1592 Nr. 2 BGB anerkannte Vaterschaft des deutschen Kindsvaters nicht wirksam ist, solange die (rechtliche) Vaterschaft eines anderen Mannes, hier ihres tschechischen Ehemannes nach § 1592 Nr. 1 BGB besteht, weshalb das Kind zunächst mit der Geburt die vietnamesische und die tschechische Staatsangehörigkeit erwerben dürfte. Da die Beschwerde im Übrigen auch die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Fehlen einer nach Art. 6 GG schutzwürdigen gelebten familiären Gemeinschaft der Antragstellerin zu 1. mit dem deutschen Kindsvater nicht substanziiert in Zweifel gezogen hat, vermag die Beschwerde nach alldem keinen Erfolg zu haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da nach § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffer 5502 des Kostenverzeichnisses eine Festgebühr von 50,00 € erhoben wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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