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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 15.01.2009
Aktenzeichen: 4 A 155/08
Rechtsgebiete: GVG, VwVfG, BNotO, Versorgungssatzung der Ländernotarkasse


Vorschriften:

GVG § 17a Abs. 5
VwVfG § 35
BNotO § 111 Abs. 3
Versorgungssatzung der Ländernotarkasse § 5 Abs. 2
Versorgungssatzung der Ländernotarkasse § 5 Abs. 3
Zur Frage, ob die Ländernotarkasse verpflichtet ist, einem Notar die Reisekosten zu erstatten, die anlässlich einer Nachuntersuchung entstanden sind.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

Im Namen des Volkes

Urteil

Az.: 4 A 155/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Erstattung von Reisekosten anlässlich einer ärztlichen Nachuntersuchung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein aufgrund der mündlichen Verhandlung am 15. Januar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 9. Dezember 2004 - 5 K 1183/04 - geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 766,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 2.8.2004 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Dem Kläger geht es um die Erstattung von Reisekosten, die wegen einer von der Beklagten verlangten Nachuntersuchung zur Überprüfung des Fortbestandes der Amtsunfähigkeit des Klägers entstanden sind.

Der Kläger, ehemaliger Notar, bezieht von der Beklagten Ruhegehaltsbezüge wegen Amtsunfähigkeit. Im Oktober 2003 verlangte die Beklagte eine Nachuntersuchung zur Fortdauer der Amtsunfähigkeit des Klägers. Die Nachuntersuchung wurde am 12.1.2004 in durchgeführt. Mit Schreiben vom 22.3.2004 teilte ihm die Beklagte mit, dass die von ihm geltend gemachten Reisekosten in Höhe von 766,04 € anlässlich dieser Nachuntersuchung nicht erstattet würden. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war diesem Schreiben nicht angeschlossen.

Das Verwaltungsgericht wies die am 2.8.2004 erhobene Klage mit Urteil vom 9.12.2004 ab; das Urteil wurde dem Kläger am 13.1.2005 zugestellt. Die als Leistungsklage zulässige Klage sei unbegründet, weil der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von Reisekosten nicht bestehe. § 5 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Versorgungssatzung der Beklagten (Satzung) scheide als Rechtsgrundlage aus. Hieraus ergebe sich lediglich, dass Kosten des Gutachtens getragen würden. Nichts anderes ergebe sich aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen und der VwGO. Schließlich könne der Kläger die Erstattung seiner Reisekosten auch nicht deswegen beanspruchen, weil die Nachuntersuchung von der Beklagten veranlasst worden sei.

Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 18.3.2008 - dem Kläger am 16.4.2008 zugegangen - die Berufung zugelassen. Mit Schreiben vom 16.4.2008 hat der Kläger die die Berufung begründet und dabei u. a. seine Auffassung dargelegt, dass sich der geltend gemachte Anspruch aus § 5 Abs. 3 der Satzung ergebe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 9.12.2004 - 5 K 1183/04 - zu verurteilen an den Kläger 766,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über den Basiszinssatz seit dem 2.8.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. § 5 Abs. 3 Satz 1 der Satzung sehe lediglich den Ersatz der Kosten für die Nachuntersuchung vor. Kosten der Nachuntersuchung seien Kosten des Gutachtens und nicht Reisekosten. Dies ergebe sich auch aus dem Verweis in § 5 Abs. 3 Satz 2 der Satzung auf die Kostenregelung des § 5 Abs. 2 Satz 4 der Satzung. Zwar betreffe diese Regelung lediglich die Kosten für ein Obergutachten. Dennoch könne hieraus entnommen werden, dass im Falle des § 5 Abs. 3 der Satzung lediglich Kosten des Gutachtens erstattet würden. Im Übrigen könne der geltend gemachte Anspruch auch nicht auf beamtenrechtliche Grundsätze oder verfahrensrechtliche Regelungen gestützt werden.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Senatsakten, die Verfahrenakten des Verwaltungsgerichts und die beigezogene Behördenakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet; die Klage ist zulässig (sh. 1) und begründet (sh. 2).

1. Die Prozess- und Prozesshandlungsvoraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere ist in dem Berufungsverfahren davon auszugehen, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (sh. 1.1), die erhobene allgemeine Leistungsklage statthaft (1.2) und ein Vorverfahren im Sinne der §§ 68 ff. VwGO - soweit überhaupt erforderlich - hier jedenfalls entbehrlich (sh. 1.3).

1.1 Der Senat hat wegen der Regelung in § 17a Abs. 5 GVG nicht die Frage zu klären, ob für die vorliegende Klage der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben ist oder die Notarsenate gemäß § 111 Abs. 3 BNotO zuständig sind. Nach § 17a Abs. 5 GVG sieht das Rechtsmittelgericht auch dann von einer Prüfung der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ab, wenn das erstinstanzliche Gericht - wie hier - die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweg stillschweigend bejaht hat und mangels Rüge eines Beteiligten von einer Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs durch Beschluss nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG absehen durfte.

1.2 Die erhobene allgemeine Leistungsklage ist statthaft, weil die Beklagte über die Erstattung der geltend gemachten Reisekosten nicht durch Verwaltungsakt entscheidet und dementsprechend nicht die Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO richtige Klageart ist; weder aus den Satzungen der Beklagten noch aus der BNotO ergibt sich, dass die geltend gemachten Kosten durch Verwaltungsakt festgesetzt werden müssten. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Schreiben der Beklagten vom 22.3.2004 auch nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Aus Form und Inhalt des Schreibens ist ersichtlich, dass eine Regelung im Sinne des § 35 VwVfG nicht vorliegt und auch von der Beklagten nicht getroffen werden sollte. Der Kläger wurde lediglich darauf hingewiesen, dass der von ihm geltend gemachte Anspruch nach Auffassung der Beklagten nicht vorliege.

1.3 Ob eine auf Erstattung von Reisekosten gegen die Beklagte gerichtete allgemeine Leistungsklage wegen § 113 Abs. 7 BNotO und § 126 Abs. 3 Nr. 1 BRRG grundsätzlich nur dann zulässig ist, wenn zuvor ein Vorverfahren im Sinne der §§ 68 ff. VwGO durchgeführt wurde, bedarf keiner Klärung; hier ist die Durchführung eines Vorverfahrens jedenfalls aus Gründen der Prozessökonomie entbehrlich. Aus Gründen der Prozessökonomie und in Einklang mit dem Regelungszweck des §§ 68 ff. VwGO ist über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus ein Vorverfahren jedenfalls bei gebundenen Entscheidungen entbehrlich, wenn sich ein Beklagter, der auch zuständige Widerspruchsbehörde ist, auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat (Bader, in: Bader, VwGO, 3. Aufl., § 68, Rn. 29 m. w. N.) . Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Insbesondere hat die Beklagte sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sachlich auf die Klage eingelassen und die Abweisung der Klage beantragt, ohne das Fehlen eines Vorverfahrens zu rügen.

2. Die Klage ist begründet, weil der Kläger einen Anspruch auf Erstattung seiner Reisekosten in der - zwischen den Beteiligten unstreitigen - Höhe von 766,04 € aus § 5 Abs. 3 Satz 1 der Satzung in der hier maßgeblichen Fassung vom 1.1.2007 hat. Nach dieser Regelung kann die Ländernotarkasse nach Feststellung der Amtsunfähigkeit jederzeit auf ihre Kosten wegen der Fortdauer der Amtsunfähigkeit eine Nachuntersuchung verlangen und hierfür den Gutachter bestimmen. Im Hinblick auf den klaren Wortlaut der Vorschrift, die eine Beschränkung der Kostenlast der Beklagten nicht vorsieht, gehören zu den dort in Bezug genommenen Kosten auch die Kosten, die dem Betroffenen anlässlich der in § 5 Abs. 3 Satz 1 der Satzung angesprochenen Nachuntersuchung entstehen, mithin auch die vom Kläger geltend gemachten Reisekosten.

Dieser Auslegung steht § 5 Abs. 2 der Satzung, der für die Durchführung des Nachuntersuchungsverfahrens gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 der Satzung entsprechend gilt, nicht entgegen. Dies gilt auch für den Fall, dass sich diese Verweisung ungeachtet der klaren Kostenregelung in § 5 Abs. 3 Satz 1 der Satzung umfassend auf § 5 Abs. 2 Satz 4 der Satzung erstreckt. Nach dieser Vorschrift trägt die Kosten des Gutachtens die Ländernotarkasse, wenn im Ergebnis Amtsunfähigkeit festgestellt wird, andernfalls der Antragsteller. Sie regelt lediglich, wer die Kosten für das dort in Bezug genommene Gutachten trägt, nicht jedoch, dass die Beklagte nur die Kosten für dieses Gutachten trägt. Schon deshalb kann die Vorschrift nicht für die Auffassung fruchtbar gemacht werden, dass die Beklagte im Falle des § 5 Abs. 3 Satz 1 der Satzung nicht verpflichtet sei, Reisekosten des Betroffenen zu erstatten.

Der Senat neigt im Übrigen der Auffassung zu, dass die Verweisung in § 5 Abs. 3 Satz 2 der Satzung im Lichte der klaren Kostenregelung in § 5 Abs. 3 Satz 1 der Satzung auszulegen ist. Dies dürfte zur Folge haben, dass die Kostenregelung des § 5 Abs. 2 Satz 4 der Satzung in den Fällen des § 5 Abs. 3 Satz 1 der Satzung allenfalls insoweit Anwendung findet, als die Kosten des in § 5 Abs. 2 Satz 3 der Satzung in Bezug genommenen Obergutachtens in Rede stehen. Da Kosten für ein Obergutachten, die nach § 5 Abs. 2 Satz 4 der Satzung die Beklagte zu tragen hätte, nicht geltend gemacht wurden, konnte der Senat die Frage jedoch offen lassen.

Hat der Kläger den geltend gemachten Anspruch bereits aus der Satzung der Beklagten, kann auch offen bleiben, ob dieser auch mit Erfolg auf verwaltungsverfahrens- oder beamtenrechtliche Regelungen gestützt werden könnte.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB analog.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 766,04 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 3 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).



Ende der Entscheidung

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