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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.04.2009
Aktenzeichen: 4 B 229/08
Rechtsgebiete: KrW-/AbfG


Vorschriften:

KrW-/AbfG § 13 Abs. 1 Satz 1
KrW-/AbfG § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 B 229/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Untersagung der gewerblichen Altpapiersammlung; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerden

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 3. April 2009

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 16. Juni 2008 - 1 L 176/08 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen Nr. 1.a und 1.b des Bescheids der Stadt Hoyerswerda vom 31. März 2008 wird wiederhergestellt Gegen Nr. 3 des genannten Bescheids wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet.

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 16. Juni 2008 - 1 L 176/08 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird unter Änderung der Festsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf jeweils 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Das Passivrubrum war nach Anhörung der Beteiligten von Amts wegen zu ändern, weil die Aufgaben der vormals kreisfreien Stadt Hoyerswerda als untere Abfallbehörde (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 SächsABG n. F.) gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 des Sächsischen Kreisgebietsneugliederungsgesetzes vom 29.1.2008 (SächsGVBl. 102) zum 1.1.2009 auf den Landkreis Bautzen übergegangen sind. Mit diesem umfassenden Zuständigkeitswechsel ist der genannte Landkreis im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels (§ 173 VwGO i. V. m. §§ 239 ff. ZPO) als Antragsgegner an die Stelle der Stadt Hoyerswerda getreten, die den angegriffenen Bescheid vom 31.3.2008 erlassen hat (siehe dazu BVerwG, Urt. v. 2.11.1973, BVerwGE 44, 148; SächsOVG, Beschl. v. 11.12.2008, SächsVBl. 2009, 68 m. w. N.). Da der Prozessbevollmächtigte der vormaligen Antragsgegnerin nach dem Parteiwechsel sein Mandat niedergelegt hat, war er aus dem Rubrum zu streichen.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet (siehe 2.). Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) führen zur beantragten Änderung des angefochtenen Eilbeschlusses. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist dagegen unbegründet (siehe 3.).

1. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Anordnung Nr. 1.c des für sofort vollziehbar erklärten Bescheids der Stadt Hoyerswerda vom 31.3.2008 wiederhergestellt, durch die die Antragstellerin zur Unterlassung verpflichtet wurde, "falsche Informationen über die Sammlung von PPK in der Stadt Hoyerswerda" zu verbreiten. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die abfallrechtliche Anordnungen Nr. 1.a und Nr. 1.b und gegen die Zwangsgeldandrohung Nr. 3 im Bescheid vom 31.3.2008 für den Zeitpunkt ab der Zustellung des Eilbeschlusses abgelehnt und entschieden, dass die Anordnungen Nr. 1.a und 1.b erst mit Zustellung des Eilbeschlusses "wirksam werden".

Zur Begründung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich Nr. 1.c des Bescheids hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, ein Verbot der Verbreitung falscher Informationen über die Altpapierentsorgung dürfe nur dann ergehen, wenn es bereits zu Falschinformationen gekommen sei. Dies sei jedoch nicht hinreichend nachgewiesen. Im Übrigen sei der angegriffene Bescheid dagegen voraussichtlich rechtmäßig. Die beabsichtigte flächendeckende gewerbliche Sammlung von Altpapier mittels blauer Tonnen der Antragstellerin sei mit der gesetzliche Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorger (§ 13 Abs. 1 KrW-/AbfG) unvereinbar. Zumindest stünden einer solchen Sammlung überwiegende öffentliche Interessen entgegen. Da das Holsystem der Antragstellerin deutlich bequemer sei als die Nutzung der öffentlichen Altpapiercontainer, drohe ein erheblicher Rückgang des Altpapieraufkommens beim Entsorgungsträger. Dies beeinträchtige die Planungssicherheit und wirke sich nachteilig sowohl auf die Abfallgebühren als auch auf die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgungssystems beim Bürger aus. Die städtischen Investitionen in Altpapiersammelstellen würden bei einer flächendeckenden gewerblichen Sammlung sinnlos. Stelle die Antragstellerin ihre Tätigkeit ein - etwa wegen sinkender Altpapierpreise oder einer geänderten Unternehmensausrichtung - müsse die Antragsgegnerin erneut in die Altpapierentsorgung investieren. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts lägen auch keine Ermessensfehler mehr vor, nachdem die Antragsgegnerin die Begründung ihres Bescheid in zulässiger Weise auch auf die Gefährdung des städtischen Abfallentsorgungssystems gestützt habe. Die Zwangsgeldandrohung sei ebenfalls rechtmäßig.

2. Die - im Umfang der Ablehnung des Eilantrags - gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

2.1. Mit ihrer Beschwerdebegründung macht die Antragstellerin unter Hinweis auf obergerichtliche Rechtsprechung - namentlich den Senatsbeschluss vom 27.6.2008 (SächsVBl. 2009, 36) - geltend, das Verwaltungsgericht habe § 13 KrW-/AbfG fehlerhaft angewandt. Der Rückgang der Sammelmengen des öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgers sei als notwendige Folge der vom Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ausdrücklich vorgesehenen gewerblichen Sammlungen hinzunehmen. Damit verbundene Auswirkungen auf die Gebührenerhebung seien keine beachtlichen - oder gar überwiegenden - öffentliche Interessen i. S. v. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG. Eine Gebührenanhebung habe der Antragsgegner nicht einmal beziffert. Eine konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Abfallentsorgung sei nicht dargetan. Ein Zusammenhang mit den dazu vorgelegten Zahlen zur Bevölkerungsentwicklung von Hoyerswerda sei nicht erkennbar. Der Gesetzgeber mute dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger eine gewisse Flexibilität bei Aufbau- und Unterhaltung seiner Entsorgungseinrichtungen zu; dies gelte auch für die sog. Reserve- oder Auffangfunktion des Entsorgungsträgers. Die gewerbliche Sammlung der Antragstellerin erfasse nur einen Teil der städtischen Haushaltsabfälle. Durch das vollständige Verbot der gewerblichen Altpapiersammlung verschaffe sich die Antragsgegnerin einen später nicht mehr kompensierbaren Wettbewerbsvorteil. Dies sei mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, zumal die Antragstellerin mit ihrer gewerblichen Sammlung ein ungleich höheres Risiko trage als der Antragsgegner, der Verluste über Gebührenerhöhungen kompensieren könne. Die Antragstellerin trage auch das Risiko von Fehlbefüllungen ihrer blauen Tonnen. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners rechtfertigten eventuelle Fehlbefüllungen jedenfalls kein vollständiges Verbot der gewerblichen Sammlung. Da die Antragstellerin ihre Tonnen nur auf Bestellung und Aufforderung von Privatpersonen ausliefere, liege weder ein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften noch eine Belästigung von Grundeigentümern vor. Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners müsse die Antragstellerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht glaubhaft machen, welche wirtschaftlichen Nachteile ihr im Einzelnen drohten. Bedenken gegen eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung des gesammelten Altpapiers seien mit Blick auf die vorgelegten Liefer- und Abnahmeverträge nicht gerechtfertigt. Auch eine hilfsweise vorzunehmende offene Interessenabwägung falle zugunsten der Antragstellerin aus. Insbesondere bestehe kein abstrakter Vorrang der Überlassungspflicht vor der gewerblichen Sammlung.

2.2. Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt insoweit den angefochtenen Beschluss. Eine gewerbliche Sammlung liege schon begrifflich nicht vor, weil die Antragstellerin eine regelmäßige Entleerung der von ihr gestellten blauen Tonnen beabsichtige. Der erforderliche Nachweis einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung sei - schon mit Blick auf den drastischen Markteinbruch bei Altpapier als Folge der Wirtschaftskrise - nach wie vor nicht erbracht. Auch sei die Gefahr der Fehlbefüllung blauer Tonnen im Stadtgebiet von Hoyerswerda deutlich erhöht, weil sich die Höhe der Abfallgebühren nach der Masse des entsorgten Haus- und Biomülls richte. Die Einführung des Ident- und Wägesystems für die städtische Abfallentsorgung im Jahr 2006 habe zu vermehrten "wilden" Ablagerungen und Fehlbefüllungen von Abfallbehältern geführt. Zudem stünden der "Sammlung" der Antragsgegnerin überwiegende öffentliche Interessen entgegen, weil eine existentielle Gefährdung des mit erheblichen öffentlichen Mitteln geschaffenen öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystems mit seiner Auffang- und Reservefunktion drohe. Sinn und Zweck des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes sei es nicht, öffentliche Investitionen in das Entsorgungssystem durch die flächendeckende Überlassung lukrativer Abfallfraktionen an private Entsorger nutzlos werden zu lassen. Die Antragstellerin, die sich während des anhängigen Beschwerdeverfahrens offenbar nicht an die sofort vollziehbare Untersagungsverfügung halte, müsse sich den Vorwurf des überzogenen Gewinnstrebens gefallen lassen. Schließlich werde es der Antragstellerin aufgrund der drastisch gesunkenen Altpapierpreise nicht dauerhaft möglich sein, kostenlose Sammlungen anzubieten. Im Hinblick darauf erscheine das Begehren der Antragstellerin rechtsmissbräuchlich. 2.3. Auf die Beschwerde der Antragstellerin ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts antragsgemäß zu ändern.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen Nr. 1.a und 1.b des Bescheids der Stadt Hoyerswerda vom 31. März 2008 ist wiederherzustellen; gegen Nr. 3 des genannten Bescheids ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Im Hauptsacheverfahren wird sich der angegriffene Bescheid hinsichtlich der auf § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG gestützten Untersagungsverfügung (Nr. 1.a und 1.b) und hinsichtlich der zu deren Durchsetzung angeordneten Zwangsgeldandrohung (Nr. 3) voraussichtlich als rechtswidrig erweisen.

Eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Gerichts, die der Zulässigkeit des Eilantrags oder der Beschwerde entgegenstehen könnte, liegt entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht vor. Die Antragstellerin ist Adressatin eines belastenden Verwaltungsakts, zu deren Durchsetzung der Antragsgegner während des anhängigen Beschwerdeverfahrens ein Zwangsgeld festgesetzt hat. In dieser prozessualen Situation kann der Antragstellerin die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes selbst dann nicht verwehrt werden, wenn es ihr - wie vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren behauptet - aufgrund geänderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen nicht mehr möglich sein sollte, für die privaten Haushalte im Stadtgebiet eine regelmäßige kostenlose Altpapierabholung über blaue Tonnen anzubieten.

Die Untersagung der Sammlung von PPK-Abfällen aus privaten Haushalten (Nr. 1.a) und der Auslieferung entsprechender blauer Tonnen an private Haushalte (Nr. 1.b) dürfte sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtswidrig erweisen. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheids dient die Untersagungsverfügung der Durchsetzung der gesetzlichen Überlassungspflicht des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG. Gemäß dieser Vorschrift sind Erzeuger und Besitzer von Abfällen aus privaten Haushalten verpflichtet, diese dem nach Landesrecht (in Sachsen: Landkreise, kreisfreie Städte oder Abfallverbände, § 3 Abs. 1 SächsABG) zur Entsorgung verpflichteten juristischen Personen (öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger) zu überlassen, soweit sie zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG, auf den der angefochtene Bescheid ebenfalls verweist, besteht keine Überlassungspflicht für Abfälle, die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit dies dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nachgewiesen wird und nicht überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.

Ernstliche Zweifel daran, dass die Altpapiersammlung der Antragstellerin als "gewerbliche Sammlung" einzustufen ist, hat der Senat nicht. Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners schließt die Regelmäßigkeit der angesprochenen Altpapierabholung das Vorliegen einer solchen Sammeltätigkeit nicht aus. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG ermöglicht vielmehr auch gewerbliche Sammelsysteme außerhalb der Rückgabe- und Rücknahmepflichten nach § 24 KrW-/AbfG (so ausdrücklich Kunig, in: Kunig/Paetow/Versteyl, KrW-/AbfG, 2. Aufl., § 13 Rn. 36).

Zweifel am erforderlichen Nachweis über die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung sind ebenso wenig veranlasst (zum Maßstab vgl. Senatsbeschl. v. 6.1.2005, SächsVBl. 2005, 169, 172; VGH BW, Beschl. v. 11.2.2008, VBlBW 2008, 295, 296 m. w. N.). Die Antragsstellerin ist ein langjährig überregional tätiges Entsorgungsunternehmen, das - gerichtsbekannt - von anderen entsorgungspflichtigen Körperschaften in Sachsen mit der Altpapierentsorgung betraut ist. Dass die Antragstellerin das im Stadtgebiet von Hoyerswerda gesammelte Altpapier aus privaten Haushalten außerhalb der üblichen und schadlosen Verwertungswege (insbesondere: Veräußerung an Papierfabriken) verwerten sollte, erscheint dem Senat trotz der zwischenzeitlich gesunkenen Altpapierpreise wenig wahrscheinlich.

Beim derzeitigen Verfahrensstand geht der Senat davon aus, dass der gewerblichen Sammlung der Antragstellerin voraussichtlich keine überwiegenden öffentlichen Interessen i. S. v. § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG entgegenstehen. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 27.6.2008, SächsVBl. 2009, 36, 37; Beschl. v. 3.11.2008, SächsVBl. 2009, 43, 44) gehören hierzu nicht jegliche öffentlichen Belange, sondern nur die auf die Verfolgung der Zielvorgaben und Zwecke des Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetzes gerichteten öffentlichen Interessen. Liegt ein derartiges Interesse vor, steht es der gewerblichen Sammlung nach dem Wortlaut des Gesetzes auch nur dann entgegen, wenn es das private Interesse an der gewerblichen Sammlung überwiegt. Für eine Abweichung von dieser Rechtsprechung, wie sie der Antragsgegner der Sache nach begehrt, bietet das vorliegende Verfahren keinen Anlass.

Indem § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG die abfallrechtliche Überlassungspflicht für bestimmte gewerbliche Abfallsammlungen ausschließt, nimmt das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz zwangsläufig in Kauf, dass öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern wirtschaft-lich lukrative Teile des zu verwertenden Abfalls von privaten Abfallsammlern entzogen werden; zugleich bleibt die öffentlich-rechtliche Entsorgungsverpflichtung bestehen. Zur Abmilderung dieses gesetzlich angelegten Spannungsverhältnisses können gewerblichen Sammlungen - anders als gemeinnützigen Sammlungen (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrW-/AbfG) - überwiegende öffentliche Interessen entgegen gehalten werden, die einen hinreichenden Bezug zur gesetzlichen Entsorgungspflicht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (§ 15 Abs. 1 KrW-/AbfG) haben. Danach dürfen gewerbliche Sammlungen von überlassungspflichtigen Abfällen nicht dazu führen, dass die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Entsorgung schwerwiegend beeinträchtigt wird, zumal die "Auffangverantwortung" des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auch dann noch wahrgenommen werden muss, wenn sich der Private aus der gewerblichen Abfallsammlung zurückzieht.

Nach diesem Maßstab lassen sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine öffentlichen Interessen feststellen, die der Durchführung der gewerblichen Sammlung von Altpapier und Pappe voraussichtlich überwiegen werden.

Die vom Antragsgegner in diesem Zusammenhang herangezogene Gefahr von Fehlbefüllungen der blauen Tonnen der Antragstellerin mit anderen Haushaltsabfällen überwiegt das Interesse an der Durchführung einer gewerblichen Altpapiersammlung nicht. Das Risiko von Fehlbefüllungen ihrer Tonnen dürfte von der Antragstellerin selbst zu tragen sein. Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragstellerin für die ordnungsgemäße Verwertung oder Entsorgung ihres gesamten Sammelguts (einschließlich Fehlbefüllungen) verantwortlich ist, wie sie es selbst vorgetragen hat.

Welche Auswirkungen die Aufstellung blauer Tonnen der Antragstellerin auf das Abfallentsorgungssystem in Hoyerswerda und dessen Finanzierung im Einzelnen hat, lässt sich beim derzeitigen Verfahrensstand nicht zuverlässig abschätzen. Anders als das Verwaltungsgericht hält es der Senat auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht für ausreichend, auf eine bessere Erreichbarkeit der blauen Tonnen der Antragstellerin gegenüber den städtischen Altpapiercontainern und einen daraus resultierenden allgemeinen Rückgang der Altpapiersammelmengen des öffentlichen Entsorgers zu verweisen. Ebenso wenig genügt der Verweis des Antragsgegners auf die sinkende Einwohnerzahl von Hoyerswerda und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Region. Eine derart schmale Tatsachengrundlage reicht selbst im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für eine sofort vollziehbare Untersagungsverfügung nicht aus. Ob es für die Untersagung einer gewerblichen Abfallsammlung der behördlichen Darlegung konkreter Zahlen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Kostengefüge der vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger durchgeführten gesamten Abfallentsorgung bedarf, wie es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 12.7.2007 (BayVBl. 2008, 181, 183) für ein Hauptsacheverfahren gefordert hat, mag dahinstehen.

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner bei einem Rückzug der Antragstellerin aus der gewerblichen Abfallsammlung (etwa infolge der Wirtschaftskrise) nicht mehr in der Lage wäre, für eine ordnungsgemäße Entsorgung von Altpapier und Pappe zu sorgen, sind beim derzeitigen Verfahrensstand nicht erkennbar.

Eine abschließende Klärung der rechtlichen Anforderungen für die gewerbliche Sammlung von Altpapier durch die Antragstellerin dürfte allerdings erst im Ergebnis des beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Revisionsverfahrens 7 C 16.08 zu erlangen sein, über das nach Mitteilung des Bundesverwaltungsgerichts im Verlaufe des Jahres entschieden werden soll.

Nach alledem dürften sich sowohl das Verbot der gewerblichen Sammlung von PPK-Abfällen aus privaten Haushalten (Nr. 1.a) als auch das Verbot der Auslieferung von blauen Tonnen an private Haushalte (Nr. 1.b) als rechtswidrig erweisen. Im Hinblick darauf ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin in dem aus Satz 2 der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang wiederherzustellen.

Wegen des damit verbundenen Wegfalls der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzung des § 2 Nr. 2 SächsVwVG ist in diesem Umfang zugleich die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die auf §§ 20, 22 SächsVwVG gestützte Zwangsgeldandrohung (Nr. 3 des Bescheids) anzuordnen. Ob die Zwangsgeldandrohung, die nach ihrem Wortlaut mehrere Unterlassungsanordnungen (Nr. 1.a, 1.b. und 1.c) betrifft, hinreichend bestimmt ist, mag im Beschwerdeverfahren dahinstehen.

Dementsprechend hat die Beschwerde der Antragstellerin in dem aus Satz 2 der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

3. Die Beschwerde des Antragsgegners, die sich gegen die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Anordnung Nr. 1.c im Bescheid der Stadt Hoyerswerda vom 31.3.2008 richtet, durch die die Antragstellerin zur Unterlassung der Verbreitung "falsche(r) Informationen über die Sammlung von PPK in der Stadt Hoyerswerda" verpflichtet wurde, ist dagegen zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der Anordnung Nr. 1.c zu recht angeordnet. Gegenüber der entscheidungstragenden Begründung des Verwaltungsgerichts, die Verbreitung "falscher Informationen" über die Altpapierentsorgung sei "nicht hinreichend nachgewiesen" (Beschlussabdruck S. 4), verweist der Antragsgegner zur Begründung seiner Beschwerde auf den Inhalt der Behördenakte, die Telefonvermerke und mehrere von etwa dreißig Personen unterschriebene "Beschwerden" enthält, nach der zwei Männer bei der Verteilung blauer Tonnen an Haushalte in der dreizehnten Kalenderwoche des vergangenen Jahres mitgeteilt hätten, dass Altpapiercontainer künftig "nicht mehr zur Verfügung stehen" sollten. Diese - in der Art einer Massenpetition (Art. 35 Satz 1 SächsVerf) - an die Stadt Hoyerswerda gerichteten "Beschwerden" geben die Äußerungen von Mitarbeitern der Antragsgegnerin nicht wörtlich, sondern nur sinngemäß und zusammenfassend wieder, weshalb es im Hauptsacheverfahren - soweit noch entscheidungserheblich - einer weiteren Aufklärung zu den Begleitumständen der Verteilung der blauen Tonnen bedürfte. Die Formulierung der "Beschwerden" ist nicht so eindeutig, dass sie auf eine gezielte Fehlinformation über die künftige Altpapierentsorgung durch Mitarbeiter der Antragstellerin schließen lassen. Soweit der Telefonvermerk vom 27.3.2008 auf eine Fehlinformation über die künftige Altpapierentsorgung hindeutet, dürften die näheren Umstände des Telefonats jedoch einer weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren bedürfen. Erst auf der Grundlage weiterer Tatsachenfeststellungen dürfte auch darüber zu befinden sein, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG gegeben waren und ob die Anordnung Nr. 1.c zur Durchsetzung abfallrechtlicher Pflichten (zu den Voraussetzungen: Versteyl, in Kunig/Paetow/Versteyl, a. a. O., § 21 Rn. 8) gegenüber der Antragstellerin erlassen werden durfte.

Dementsprechend ist die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Der Senat hält einen Streitwert in Höhe von 20.000,00 € für Verfahren der vorliegenden Art für angemessen; die davon abweichende Festsetzung des Verwaltungsgerichts ist entsprechend zu ändern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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