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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.08.2007
Aktenzeichen: 4 B 321/05
Rechtsgebiete: GG, WHG, SächsVerf, SächsGemO, SächsWHG


Vorschriften:

GG Art. 14 Abs. 1 S. 2
WHG § 18a
SächsVerf Art. 31 Abs. 2 S. 2
SächsGemO § 14
SächsWHG § 63 Abs. 2
1. Beseitigungsbedürftiges Abwasser fällt auf einem Grunstück in dem Augenblick an, in dem das in seinen Eigenschaften veränderte Wasser im Rohrleitungssystem gesammelt wird, um es zum Abwasser- kanal oder zur grundstückseigenen Abwasserbehandlungsanlage zu leiten.

2. Nur grundstücksbezogene Umstände sind in der Lage, einen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zur Abwasserbeseitigung zu begründen; er kommt nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht. Ein atypischer Ausnahmefall liegt nicht schon dann vor, wenn auf dem Grundstück eine Kläreinrichtung betrieben wird oder werden soll.

3. Der Umweltstandard einer Anlage auf dem betroffenen Grundstück kann zur Ausnahme einer atypischen Ausnahme und damit zur Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang führen, wenn er zum einen über dem der zentralen Anlage dient; des Weiteren muss die Anlage bereits vorhanden gewesen sein, bevor eine zentrale als öffentliche Einrichtung betriebene Abwasserentsorgungsanlage errichtet worden ist.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 4 B 321/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anschluss- und Benutzungszwang

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein

am 8. August 2007

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Kläger, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 4. März 2005 - 4 K 2206/02 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 6.189,64 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor angesprochene Urteil hat keinen Erfolg, weil die Darlegungen, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO), nicht geeignet sind, die Annahme der geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 und 5 VwGO zu begründen.

1. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die von den Klägern auf die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zur Abwasserbeseitigung gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das in Rede stehende Grundstück, auf dem ohne Rücksicht auf eine dezentrale Abwasserbeseitigungsanlage Abwasser anfalle, nach der einschlägigen - mit höherrangigem Recht vereinbaren - Satzung des Beklagten dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliege; die Voraussetzungen für eine Befreiung, die lediglich in atypischen Fällen in Betracht komme, lägen nicht vor. Dies gelte auch für den Fall, dass die Kläger eine dezentrale Anlage errichteten, die einem ökologisch höheren Standard entspräche als die zentrale Anlage des Beklagten.

2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nach der Rechtsprechung des Senats dann veranlasst, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Verfahrens zumindest als ungewiss anzusehen ist. Dies ist hier nicht der Fall.

Soweit die Kläger der Auffassung sind, dass ihr Grundstück nicht dem Anschluss- und Benutzungszwang nach § 3 der Satzung des Beklagten über die Abwasserbeseitigung und den Anschluss an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage vom 10.7.2002 (Satzung) unterliege, weil Abwasser im Hinblick auf die bisher betriebene dezentrale Abwasserbeseitigungsanlage nicht anfalle, kann ihnen der Senat nicht folgen. Denn Abwasser fällt in dem Augenblick an, in dem das in seinen Eigenschaften veränderte Wasser im Rohrleitungssystem gesammelt wird, um es zum Abwasserkanal oder zur grundstückseigenen Abwasserbehandlungsanlage zu leiten (NdsOVG, Beschl. v. 17.9.2001, NVwZ-RR 2002, 347 [348]).

Entgegen der Auffassung der Kläger bestehen auch keine Bedenken an der Vereinbarkeit der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs in § 3 der Satzung mit § 14 SächsGemO und Art. 14 GG bzw. Art. 31 SächsVerf. Im Hinblick auf den Schutzzweck des Anschluss- und Benutzungszwangs (insb. Gesundheit der Bevölkerung) und den Befreiungstatbestand des § 5 der Satzung ist der hiermit verbundene Eingriff in das Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG bzw. aus Art. 31 Abs. 1 SächsVerf eine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bzw. Art. 31 Abs. 1 Satz 2 SächsVerf (sh. hierzu auch BVerwG, Beschl. vom 19.12.1997, ZfW 1998, 494 [495]).

Zu Unrecht meinen die Kläger, sie hätten einen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang, weil das in Rede stehende Abwasserbeseitigungskonzept im Sinne des § 63 Abs. 2 SächsWG fehlerhaft sei. Ob eine solche Fehlerhaftigkeit vorliegt, ist für den Befreiungsanspruch unerheblich; nur grundstücksbezogene Umstände - wozu Fehler des Abwasserbeseitigungskonzepts nicht gehören - sind in der Lage, einen Befreiungsanspruch zu begründen (NdsOVG, Beschl. v. 17.9.2001, a.a.O.). Auch die Auffassung der Kläger, wonach § 18a Abs. 1 Satz 2 WHG für einen Befreiungsanspruch spreche, trifft nicht zu. Die Vorschrift, wonach dem Wohl der Allgemeinheit auch die Beseitigung von häuslichem Abwasser durch dezentrale Anlagen entsprechen kann, soll den Gemeinden lediglich mehr Spielraum für die Optimierung ihrer Entsorgungskonzepte eröffnen. Sie zwingt sie dagegen nicht, von der Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs abzusehen und begründet keinen Anspruch auf Befreiung vom Anschluss an das öffentliche Kanalnetz (BVerwG, Beschl. v. 19.12.1997, a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Kläger lässt sich auch die Richtlinie 91/271/EWG vom 21.5.1991 nicht für einen Befreiungsanspruch fruchtbar machen; sie enthält keine Regelungen zugunsten der vom Anschluss- und Benutzungszwang betroffenen Personen.

3. Zur Klärung der von den Klägerin als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zum Anschluss- und Benutzungszwang bei der Abwasserbeseitigung bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Die Fragen lassen sich ohne weiteres im Zulassungsverfahren entscheiden. Der Senat stimmt der Rechtsprechung des OVG Brandenburg (Urt. vom 31.7.2003 - 2 A 316/02 - zit. aus juris) zu, deren Grundsätze im Freistaat Sachsen entsprechend anwendbar sind. Danach kann der Betroffene gegen die satzungsmäßige Anordnung des Anschluss- und Benutzungszwangs nicht mit Erfolg einwenden, das Abwasserbeseitigungskonzept sei ökologisch verfehlt und eine Konzeption mit dezentralen grundstückbezogenen Anlagen sei geeigneter. Des weiteren berührt die wasserrechtliche und bauordnungsrechtliche Zulässigkeit von Kleinkläranlagen den Anschluss- und Benutzungszwang zu zentralen öffentlichen Einrichtungen grundsätzlich nicht. Die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung eines Zweckverbands kommt nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht; sie wird regelmäßig nicht schon durch eine auf dem Grundstück betriebene oder künftig zu betreibende Kläreinrichtung begründet. Der Umweltstandard einer Anlage auf dem betroffenen Grundstück kann zur Annahme einer atypischen Ausnahme und damit zur Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang führen, wenn er zum einen über dem der zentralen Anlage liegt; des weiteren muss die Anlage bereits vorhanden gewesen sein, bevor eine zentrale als öffentliche Einrichtung betriebene Abwasserentsorgungsanlage errichtet worden ist.

Im Übrigen haben die Kläger weder den Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO noch den konkludent geltend gemachten Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechenden Weise dargelegt.

4. Nach alledem war der Antrag abzulehnen. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat orientiert sich dabei an der Festsetzung des Streitwerts durch das Verwaltungsgericht, gegen die die Beteiligten Einwände nicht erhoben haben.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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