Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.12.2004
Aktenzeichen: 4 B 71/03
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, BSHG, SGB X


Vorschriften:

BGB § 288 Abs. 1 Satz 1
BGB § 291
ZPO § 307
BSHG § 107
BSHG § 111
SGB X § 111
Ein Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG entsteht nicht mit jeder Leistungsgewährung stets von neuem, sondern einheitlich nach Ablauf des in § 107 Abs. 2 BSHG angesprochenen Zeitraumes von längstens zwei Jahren in Höhe des Gesamtumfanges der erbrachten Leistungen.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 4 B 71/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Kostenerstattung gem. § 107 BSHG

hier: Berufung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Verwaltungsgericht Wefer

am 23. Dezember 2004 ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 25. Juni 2001 - 6 K 3280/98 -, soweit darin die Klage abgewiesen wurde, geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.961,16 € und 4 % Zinsen hieraus ab dem 11. Dezember 1998 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt der Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verfolgt in dem Berufungsverfahren sein erstinstanzliches Klagebegehren auf Verurteilung des Beklagten zu einer Kostenerstattung nach § 107 BSHG von 24.750,68 € (48.408,12 DM) noch in einer Höhe von 22.961,16 € (44.908,13 DM) weiter, nachdem seine Klage in dem erstinstanzlichen Verfahren nur bis zu einem Betrag von 1.789,52 € (3.499,99 DM) Erfolg hatte.

Der Beklagte leistete Frau I. K. , die sich gemeinsam mit ihrem Ehemann und Kind nach der Aufnahme als Spätaussiedlerin seit 25.7.1995 zunächst in einem Übergangswohnheim in dem Bereich des Beklagten aufhielt, laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Am 25.11.1995 verzog die Familie in den Bereich des Klägers. Im Zeitraum vom Dezember 1995 bis Februar 1997 erhielt sie von diesem Leistungen nach dem BSHG in Höhe von insgesamt 24.750,68 € (48.408,12 DM). Insbesondere übernahm der Kläger Lohnkosten für Frau K. in Höhe von 22.687,89 € (44.373,65 DM), die anlässlich ihrer Beschäftigung als Arbeiterin bei der Arbeiterwohlfahrt in dem Zeitraum von März 1996 bis einschließlich Februar 1997 entstanden waren. Frau K. hatte dieses Beschäftigungsverhältnis aufgenommen, nachdem der Kläger ihr mit Schreiben vom 22.2.1996 mitteilte, dass er für sie diese Arbeitsstelle für den genannten Zeitraum im Rahmen des § 19 BSHG geschaffen habe. Die monatlich entstandenen Lohnkosten für Frau K. stellte die Arbeiterwohlfahrt dem Kläger monatlich in Rechnung, woraufhin dieser jeweilig die Auszahlung anwies. Der Kläger hat letztmals am 21.3.1997 den Lohnkostenbetrag für Frau K. für den Monat Februar 1997 in Höhe von 3.499,99 DM zur Auszahlung an die Arbeiterwohlfahrt angewiesen.

Mit Antrag des Klägers vom 5.2.1998 machte der Kläger bei dem Beklagten eine Kostenerstattung u.a. für die an Frau K. seit dem 1.12.1995 geleistete Hilfe zum Lebensunterhalt geltend. Den am 10.2.1998 bei dem Beklagten eingegangen Antrag lehnte dieser mit Schreiben vom 10.3.1998 ab, weil durch den Aufenthalt von Frau K. in dem Übergangswohnheim kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden sei.

Mit Schreiben vom 2.12.1998 hat der Kläger gegen den Beklagten am 11.12.1998 Klage erhoben und beantragt, diesen zu einer Zahlung von 48.408,12 DM (24.750,68 €), sowie 4 % Zinsen hieraus seit der Rechtshängigkeit zu verurteilen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgebracht, dass die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 107 BSHG vorliegen würden, da er an Frau K. , die vor ihrem Umzug in den Bereich des Klägers ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Bereich des Beklagten gehabt hätte, in dieser Höhe Leistungen nach dem BSHG erbracht habe.

Der Beklagte hatte in dem erstinstanzlichen Verfahren zunächst die vollumfängliche Abweisung der Klage beantragt, weil seiner Auffassung nach Frau K. durch ihren Aufenthalt in dem Übergangswohnheim keinen gewöhnlichen Aufenthalt habe begründen können. Hinsichtlich der von dem Kläger übernommenen Lohnkosten für Frau K. brachte er vor, dass die Sozialhilfeträger im Beitrittsgebiet eine vollständige Kostenübernahme ablehnten. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 18.3.1999 (NVwZ-RR 1999, 583) entschieden hatte, dass die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes von Spätaussiedlern auch in einem Übergangswohnheim möglich sei, anerkannte er "eine Erstattungsverpflichtung gem. § 107 BSHG i.H.v. 3.499,99 DM für den Zeitraum Februar 1997". Eine weitere Erstattung für die in dem Zeitraum Dezember 1995 bis Januar 1997 von dem Kläger aufgewendeten Kosten lehnte er ab, weil seiner Auffassung nach ein entsprechender Anspruch wegen Fristablaufs nach § 111 SGB X ausgeschlossen sei.

Das Verwaltungsgericht Dresden hat mit Urteil vom 6.7.2001 den Beklagten entsprechend seinem Anerkenntnis zur Zahlung von 3.499,99 DM (1.789,52 €) nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 11.12.1998 verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Klageabweisung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der von dem Kläger geltend gemachte Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG wegen der Ausschlussfrist von zwölf Monaten nach § 111 Satz 1 SGB X nicht gegeben sei. Da der Kläger erstmals mit Schreiben vom 5.2.1998 am 10.2.1998 bei dem Beklagten den Erstattungsanspruch geltend gemacht habe, könne er nur die Erstattung der im Monat Februar 1997 aufgewendeten Kosten beanspruchen.

Gegen das dem Kläger am 31.7.2001 zugestellte Urteil hat dieser, soweit darin seine Klage abgewiesen wurde, mit Schriftsatz vom 28.8.2001 am 29.8.2001 die Zulassung der Berufung bei dem Verwaltungsgericht Dresden beantragt. Mit Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 22.1.2003 - 4 B 594/01 - wurde die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zugelassen. Zur Begründung wird darin ausgeführt, dass fraglich sei, ob bei einem Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG durch jede einzelne Sozialhilfeleistung eine Ausschlussfrist nach § 111 SGB X gesondert ausgelöst werde oder diese Ausschlussfrist hinsichtlich aller Sozialhilfeleistungen erst nach Ende des gem. § 107 Abs. 2 BSHG maßgeblichen Zeitraumes zu laufen beginne. Der Beschluss wurde dem Kläger am 31.1.2003 zugestellt.

Der Kläger hat mit am 28.2.2003 bei dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 25.2.2003 die Berufung begründet. Mit seiner Begründung macht er geltend, dass die Ausschlussfrist des § 111 SGB X erst mit dem Ende des in § 107 Abs. 2 BSHG angesprochenen Zeitraumes beginne. Durch diese Regelung, wonach die Verpflichtung zur Kostenerstattung entfalle, wenn zum einen für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten keine Hilfe gewährt worden sei oder des Weiteren zwei Jahre seit dem Aufenthaltswechsel vergangen seien, werde das Ende des Erstattungszeitraumes geregelt. Damit sei auch das Ziel des § 111 SGB X, schnellstmöglich Klarheit und Rechtsfrieden zwischen den Trägern der Sozialhilfe zu erreichen, sicher gestellt. Daher sei nicht - wie bei sonstigen Erstattungsansprüchen - der Ablauf eines jeden einzelnen Bewilligungsabschnittes maßgebend. Des Weiteren könne nach § 111 Satz 2 SGB X die Ausschlussfrist frühestens mit dem Zeitpunkt beginnen, in dem der Erstattungsberechtigte von der Entscheidung des Erstattungspflichtigen über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 26.6.2001 - 6 K 3280/98 - zu ändern, soweit die Klage abgewiesen wurde und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 22.961,16 € nebst 4 % Zinsen ab dem 11.12.1998 bis zum 31.12.2001 und Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.1.2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bekräftigt sein bisheriges Vorbringen, wonach dem geltend gemachten Anspruch die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X entgegen stehe. Im Rahmen des Sozialhilferechts würden Leistungen regelmäßig für einen Kalendermonat erbracht. Diese Bewilligungsabschnitte seien auch für den Beginn der Ausschlussfrist maßgebend. Eine Zusammenfassung der einzelnen Zeitabschnitte zu einem Gesamtzeitraum sei nicht zulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in dem Antragsverfahren (4 B 594/01) und dem Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht sowie dem Klageverfahren (6 K 3280/98) gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und auf die Verfahrensakten der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Klägers gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden ist begründet. Entgegen dieser Entscheidung hat der Kläger nicht nur einen Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 3.499,99 DM (1.789,52 €), sondern kann nach § 107 BSHG eine weitere Kostenerstattung in Höhe von 22.961,16 € (44.908,13 DM) beanspruchen (sh. dazu: 1.). Diesem weiteren Anspruch steht die Ausschlussfrist nach § 111 SGB X nicht entgegen (sh. dazu: 2). Der geltend gemachte Anspruch auf Verzinsung des von dem Beklagten zu erstattenden Betrages ist nach § 90 VwGO i.V.m. §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 30.4.2000 gültigen Fassung, nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet (sh. dazu: 3.).

1. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nach den §§ 107, 111 Abs. 1 BSHG sind gegeben. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob dies schon deshalb anzunehmen wäre, weil der Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren seine Erstattungsverpflichtung für den Monat Februar 1997 in seinem Schriftsatz vom 21.6.2001 anerkannt hat, weil aus seinem Vorbringen, wonach er für den davor liegenden Zeitraum wegen der Ausschlussregelung in § 111 SGB X nicht zur Erstattung verpflichtet sei, zum Ausdruck kommen könnte, dass er zwar insoweit die Durchsetzbarkeit des Erstattungsanspruches, nicht jedoch diesen Anspruch an sich bestreitet (sh. dazu: Mergler/Zink, BSHG, § 111 RdNr. 15). Unabhängig davon, ob bereits wegen eines solchen Anerkenntnisses nach § 173 VwGO i.V.m. § 307 ZPO vom Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 107, 111 Abs. 1 BSHG auszugehen wären, liegen diese jedenfalls der Sache nach vor.

Die Voraussetzung für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch liegen dem Grunde nach gem. § 107 Abs. 1 BSHG zum einen deshalb vor, weil sich Frau K. vor ihrem Umzug in den Bereich des Klägers am 25.11.1995 in einem Übergangswohnheim für Aussiedler in dem Bereich des Beklagten zunächst "bis auf weiteres aufhielt" und damit ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Bereich hatte. Anhaltspunkte, wonach Frau K. einen der Begründung eines solchen Aufenthaltes entgegenstehenden Willen hatte oder das Übergangswohnheim zu einer Begründung eines vorläufigen Lebensmittelpunktes nicht bestimmt oder geeignet gewesen sein könnte, liegen nicht vor ( sh. dazu: BVerwG, Urt. v. 23.10.2001, NVwZ-RR 2002,284; Urt. v. 7.10.1999, FEVS 51, 383; Urt. v. 18.3.1999, NVwZ-RR 1999, 583). Des Weiteren hat der Kläger an Frau K. im Dezember 1995 und damit nach § 107 Abs. 1 BSHG innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel wegen deren Hilfebedürftigkeit Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet.

Die Voraussetzungen für den hier geltend gemachten Umfang der Kostenerstattung liegen nach § 111 Abs. 1 BSHG ebenfalls vor. Die dort angesprochene Rechtmäßigkeit der Hilfeleistung ist gegeben, weil Frau K. ihren notwendigen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln nicht beschaffen konnte (§ 11 Abs. 1 BSHG), weshalb ihr laufende und einmalige Leistungen zu gewähren waren (§ 21 BSHG). Es bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die von dem Kläger für Frau K. geschaffene Arbeitsmöglichkeit bei der Arbeiterwohlfahrt und die Übernahme der entstandenen Lohnkosten rechtswidrig waren (§ 19 BSHG). Einer weiteren Aufklärung zu der von dem Kläger geschaffenen Arbeitsmöglichkeit bedurfte es dabei nicht. Zwar spricht viel dafür, dass die von dem Kläger neu geschaffene Arbeitsstelle bei der Arbeiterwohlfahrt - einem Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege i.S.v. § 10 BSHG - eine nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BSHG gemeinnützige und zusätzliche Arbeitsgelegenheit war, für die dem Hilfe Suchenden das übliche Entgelt gewährt werden kann. Die Rechtmäßigkeit dieser im Abschnitt 2 des BSHG geregelten Hilfe zum Lebensunterhalt wäre jedoch auch dann gegeben, wenn es sich um eine nichtgemeinnützige und nichtzusätzliche Arbeit i.S.v. § 19 Abs. 1 BSHG gehandelt haben sollte, weil die Beschäftigung außerhalb des Satzungszweckes der Arbeiterwohlfahrt erfolgte und für die ebenfalls die Kosten übernommen werden können (sh. dazu: LPK-BSHG, 6. Auflage, § 19 RdNr. 2 und 8; Mergler/Zink, BSHG, § 19 RdNr. 12). Eine Rechtswidrigkeit dieser Hilfemaßnahme ist auch nicht wegen des Vorbringens des Beklagten anzunehmen, wonach Sozialhilfeträger im Beitrittsgebiet solche Kosten nicht vollständig übernehmen würden. Maßgeblich nach § 111 Abs. 1 Satz 2 BSHG sind nicht die von dem Beklagten angesprochenen Verhältnisse, sondern diejenigen am Aufenthaltsort des Hilfeempfängers.

2. Dem Kostenerstattungsanspruch nach §§ 107, 111 Abs. 1 BSHG steht entgegen der Auffassung des Beklagten nicht die Ausschlussregelung nach § 111 Satz 1 SGB X entgegen.

Nach § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Diese auch für die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruches nach § 107 BSHG anzuwendende Ausschlussfrist hat der Kläger hier durch sein am 10.2.1998 bei dem Beklagten eingegangenen Erstattungsbegehren eingehalten, da sein Erstattungsanspruch jedenfalls nicht später als zwölf Monate zuvor entstanden ist.

Die Regelung über die Ausschlussfrist in § 111 SGB X gilt nach § 37 SGB I auch für den Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG. Nach § 37 Satz 1 Halbs. 1 SGB I gelten das Erste und Zehnte Sozialgesetzbuch für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuches, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts anderes ergibt. Eine besondere Regelung über die Frist zur Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruches nach dem BSHG war bis zum 31.12.1993 diejenige in § 112 BSHG, wonach innerhalb von sechs Monaten nach der Entscheidung über die Gewährung der Hilfe das Erstattungsverlangen mitzuteilen war. Da seit der Aufhebung dieser Regelung mit Wirkung zum 1.1.1994 durch Art. 7 Nr. 31 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23.6.1993 (BGBl. I S. 944) weder das BSHG noch das SächsAG BSHG eine besondere Regelung über Ausschlussfristen enthalten, gilt seit diesem Zeitpunkt nach § 37 Satz 1 Halbs. 1 SGB X auch für einen Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG die Ausschlussfrist von zwölf Monaten nach § 111 Satz 1 SGB X (ThürOVG, Urt. v. 4.3.2004, Az.: 3 KO 1149/03, zitiert nach juris; OVG Lüneburg, Urt. v. 10.4.2002, FEVS 54, 64).

§ 111 SGB X ist dabei nach der Übergangsregelung in § 120 Abs. 2 SGB X in seiner vom 1.1.2001 geltenden Fassung anzuwenden, wenn - wie hier - ein Erstattungsverfahren am 1.6.2000 noch nicht abschließend entschieden war. Nach der seit dem 1.1.2001 geltenden Fassung von § 111 Satz 2 SGB X beginnt der Lauf der Frist zur Geltendmachung eines Erstattungsanspruches frühestens zu dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungsverpflichteten Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Diese auf die Kenntniserlangung abhebende Regelung spricht allerdings eine Fallgestaltung an, die bei einem Kostenerstattungsanspruch nach § 107 BSHG nicht eintreten kann. Denn in einem solchen Fall entscheidet nicht der erstattungspflichtige Träger, sondern der erstattungsberechtigte Träger über seine Leistungspflicht. Daraus folgt jedoch nicht, dass in einem solchen Fall die Ausschlussfrist nach § 111 Satz 1 SGB X nicht zu laufen beginnen und demnach nicht anwendbar sein kann. Eine solche Auslegung wäre mit dem Sinn und Zweck der Neuregelung in § 111 Satz 2 SGB X nicht vereinbar.

Mit dem dort angesprochenen frühesten Beginn der zwölfmonatigen Ausschlussfrist sollte ermöglicht werden, dass durch Erstattungsansprüche auch Leistungen für Zeiträume erfasst werden, deren Ende länger als zwölf Monate zurück liegt. Ein solcher Fall ist etwa angesprochen, wenn ein Träger der Unfallversicherung rückwirkend eine Versichertenrente gewährt und deren Empfänger für diesen rückwirkenden Zeitraum bereits von einem anderen Träger Leistungen erhalten hat. Ein Erstattungsanspruch dieses anderen Trägers war nach der bis zum 31.12.2001 geltenden Regelung in § 111 Satz 2 SGB X, wonach die Frist von zwölf Monaten frühestens mit der Entstehung des Erstattungsanspruches begann, ausgeschlossen, wenn der Erstattungsanspruch bereits vor mehr als zwölf Monaten entstanden war, obwohl dieser Träger erst nach Ablauf dieser Frist von der rückwirkenden Leistungsbewilligung des Trägers der Unfallversicherung Kenntnis erhielt und somit keine Möglichkeit zu einer rechtzeitigen Geltendmachung hatte. Durch die ab dem 1.1.2001 gültige Fassung von § 111 Satz 2 BSHG, die nunmehr in diesen Fällen auf die Kenntnis des Erstattungsberechtigten über die Entscheidung der Leistungspflicht des Erstattungspflichtigen abhebt, wurde demnach der Fristbeginn hinausgeschoben, weil nunmehr nicht mehr der Zeitraum maßgebend ist, für den eine Sozialleistung erbracht wurde, sondern der Zeitpunkt, in dem die Leistung erbracht worden ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass in den übrigen Fällen, in denen - wie hier - keine Entscheidung des Erstattungsverpflichteten getroffen wird, keine Ausschlussfrist gilt. Vielmehr ging der Gesetzgeber davon aus, dass insoweit die bislang in ihrem Beginn frühestens an das Entstehen des Erstattungsanspruches anknüpfende Ausschlussfrist weiterhin gilt. Denn der Gesetzgeber hat in seiner Begründung zu der ab 1.1.2001 gültigen Regelung in § 111 Satz 2 SGB X ausdrücklich darauf abgehoben, dass es nicht sachgerecht sei, auf das Entstehen des Erstattungsanspruches abzustellen, wenn der Erstattungsberechtigte erst zwölf Monate später von der Entscheidung des Erstattungsverpflichteten erfahren habe (BTDrs 14/4375, S. 60). Daraus folgt umgekehrt, dass in den Fällen, in denen eine solche Entscheidung nicht zu treffen ist, auf den bislang geltenden Beginn der Ausschlussfrist, somit frühestens auf den Zeitpunkt des Entstehens des Erstattungsanspruches abzuheben ist (OVG Lüneburg, Urt. v. 23.1.2003, NVwZ-RR 2003, 657; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.1.2004, FEVS 55, 424; VGH München, Beschl. v. 22.8.2001, FEVS 53, 165).

Danach hat der Kläger durch sein Erstattungsbegehren vom 10.2.1998 die Ausschlussfrist von zwölf Monaten nach § 111 Satz 1 SGB X auch für die in dem Zeitraum Dezember 1995 bis Januar 1997 aufgewendeten Kosten eingehalten, weil sein Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG jedenfalls nicht vor mehr als zwölf Monaten, sondern innerhalb dieser Frist entstanden war. Denn ein Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG entsteht nicht mit jeder Leistungsgewährung stets von neuem, sondern einheitlich nach Ablauf des in § 107 Abs. 2 BSHG angesprochenen Zeitraumes von längstens zwei Jahren in Höhe des Gesamtumfanges der erbrachten Leistungen.

Nach § 107 Abs. 1 BSHG ist bei einem Aufenthaltswechsel vom Ort des bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes der bisher zuständige Träger der Sozialhilfe dem nunmehr zuständigen Träger zur Kostenerstattung verpflichtet, wobei diese Verpflichtung nach § 107 Abs. 2 Satz 2 BSHG längstens für zwei Jahre nach dem Aufenthaltswechsel besteht. Sinn und Zweck der Kostenerstattung nach § 107 BSHG ist damit ein zeitlich begrenzter Ausgleich der durch einen Aufenthaltswechsel eines Hilfe Suchenden in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers der Sozialhilfe verursachten Kostenverschiebung. Der nunmehr zuständige Träger soll einen Ausgleich für die durch den Umzug eines Hilfe Suchenden verursachten Kosten für einen begrenzten Zeitraum erhalten; der bislang zuständige Träger, der durch diesen Umzug von seiner Leistungsverpflichtung frei wurde, ist zu diesem Ausgleich verpflichtet, indem er die Mehraufwendungen des nunmehr zuständigen Trägers für einen begrenzten Zeitraum erstattet. Der Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG entspricht damit der in einem maßgeblichen Zeitraum stattgefundenen Kostenverschiebung, weshalb er ein Ausgleichsanspruch zur Rückgängigmachung einer zeitraumbezogenen Kostenverschiebung ist. Wegen dieser Zeitraumbezogenheit der durch die Erstattung auszugleichenden Kostenverschiebung entsteht ein Kostenerstattungsanspruch nach § 107 BSHG nicht durch mehrfache Leistungserbringungen innerhalb des angesprochenen Zeitraumes stets von neuem. Die jeweiligen Leistungen sind vielmehr gleichsam einzelne Rechnungsposten, aus deren Gesamtheit sich der Umfang der Kostenverschiebung ergibt, der durch einen entsprechenden einheitlichen Erstattungsanspruch auszugleichen ist.

Gegenteiliges ergibt sich nicht deshalb, weil Leistungen der Sozialhilfe keine rentengleichen Dauerleistungen sind, sondern zeitabschnittsweise entsprechend der sich ständig ändernden Lage des Hilfe Suchenden bewilligt werden. Diese zeitabschnittsbezogene Bewilligung von Sozialhilfeleistungen bezieht sich darauf, dass in Fällen einer nicht von vornherein auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum beschränkten Leistung auf den Zeitpunkt des Eintritts der Erfüllungsfiktion nach § 107 Abs. 1 SGB X abzuheben ist (BVerwG, Urt. v. 10.4.2003, FEVS 54, 495). Der Kostenerstattungsanspruch nach § 107 BSHG ist wegen seiner zeitlichen Begrenzung auf längstens zwei Jahre nach § 107 Abs. 2 Satz 2 BSHG jedoch auf die Leistungsgewährung innerhalb eines bestimmten Bewilligungszeitraumes beschränkt; er entsteht nicht durch Leistungen für jeweilig neu zu bestimmende Bewilligungszeiträume, sondern durch die Gesamtheit der auszugleichenden Leistungserbringung innerhalb eines bestimmten Bewilligungszeitraumes nach dem Aufenthaltswechsel.

Davon ausgehend ist der Erstattungsanspruch des Klägers nach § 107 BSHG nicht später als zwölf Monate vor der Geltendmachung am 10.2.1998, sondern innerhalb dieser Ausschlussfrist nach § 111 Satz 1 SGB X entstanden. Denn der Kläger hatte in dem ausgleichspflichtigen Zeitraum letztmals durch die Übernahme der für den Monat Februar 1997 entstandenen Lohnkosten eine in Abschnitt 2 des BSHG angesprochene Hilfeleistung zum Lebensunterhalt i.S.v. § 19 BSHG erbracht. Ob der Kläger diese Leistung durch seine Verfügung vom 21.3.1997 zu der Kostenübernahme und durch seine Zahlungsanweisung vom selben Tag oder erst durch die tatsächliche Übernahme der Lohnkosten erbracht hat, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Denn jedenfalls erfolgte die Leistungserbringung nicht später als zwölf Monate vor der Geltendmachung seines Erstattungsanspruches am 10.2.1998 bei dem Beklagten - somit vor dem 10.2.1997 -, sondern innerhalb der Ausschlussfrist nach § 111 Satz 1 SGB X.

3. Ist daher der Erstattungsanspruch des Klägers nach § 107 BSHG auch hinsichtlich der in dem Zeitraum Dezember 1995 bis Januar 1997 aufgewendeten Kosten begründet, so hat er nach § 90 VwGO i.V.m. §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechend der bis zum 30.4.2000 gültigen Fassung, einen Zinsanspruch von 4 % seit der Rechtshängigkeit. Der von ihm darüber hinaus geltend gemachte Zinsanspruch von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.1.2002 steht ihm dagegen nicht zu.

Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Prozesszinsen aus seinem Erstattungsanspruch, weil es für die sozialhilferechtliche Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe keine die entsprechende Anwendung des § 291 BGB ausschließende Regelung gibt. Ebenso wie für sonstige öffentlich-rechtlichen Geldforderungen sind daher auch für die angesprochenen Erstattungsforderungen Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten ( BVerwG, Urt. v. 22.2.2001, DÖV 2001, 783; OVG Hamburg, Beschl. v. 8.9.2000, FEVS 52, 253).

Der dem Grunde nach bestehende Zinsanspruch des Klägers ist nur in Höhe von 4 % seit Rechtshängigkeit nach § 288 Satz 1 BGB entsprechend der bis zum 30.4.2000 gültigen Fassung, begründet. Die Regelung ist in dieser Fassung hier anzuwenden, weil nach Art. 229 Abs. 1 Satz 3 EGBGB die Anwendbarkeit des § 288 BGB, der seit dem 1.5.2000 eine Verzinsung während des Verzugs mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vorsieht, nur auf Forderungen anzuwenden ist, die vom 1.5.2000 an fällig werden. Da die Erstattungsforderung des Klägers bereits vor diesem Zeitpunkt fällig geworden war, ist der Zinsanspruch des Klägers nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB in der bis zum 30.4.2000 geltenden Fassung damit nur in Höhe von 4 % begründet.

Da der Kläger somit einen in der genannten Höhe ab der Rechtshängigkeit am 11.2.1998 (§ 90 Abs. 1 i.V.m. § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO) mit 4 % zu verzinsenden Erstattungsanspruch gegen den Beklagten auch hinsichtlich der von Dezember 1995 bis Januar 1997 aufgewendeten Kosten hat, ist das insoweit klageabweisende Urteil zu ändern und der Beklagte zu einer entsprechenden Zahlung zu verurteilen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen hat der Beklagte nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.

Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung (§ 194 Abs. 5 VwGO).

Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

Zurück