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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.08.2006
Aktenzeichen: 4 B 72/06
Rechtsgebiete: BSHG, SchulG, VwGO


Vorschriften:

BSHG § 2 Abs. 1
BSHG § 4 Abs. 2
BSHG § 39
BSHG § 40 Abs. 1 Nr. 4
SchulG § 23 Abs. 3
VwGO § 67 Abs. 1 S. 4
VwGO § 67 Abs. 1 S. 7
Zur Eingliederungshilfe für eine angemessene Schulbildung i.S.v. § 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG kann die Übernahme der Kosten des Eigenanteils gehören, die der Träger der Schülerbeförderung von einem behinderten Schuler erhebt.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 4 B 72/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Eingliederungshilfe durch Übernahme von Kosten der Schülerbeförderung

hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, den Richter am Oberverwaltungsgericht Meng und den Richter am Oberverwaltungsgericht Heinlein auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 14. Juli 2005 - 5 K 1650/03 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte unter Aufhebung seines Bescheids vom 25. August 2003 und seines Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2003 zur Übernahme des Eigenanteils der Schülerbeförderungskosten der Klägerin für die Monate September und Oktober 2003 in Höhe von 184,00 € verpflichtet ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich gegen ein Urteil, durch das er verpflichtet wurde, der Klägerin Eingliederungshilfe für den Eigenanteil an Schülerbeförderungskosten zu bewilligen.

Die am 26.1.1987 geborene, hochgradig schwerhörige Klägerin (Grad der Behinderung: 100) besuchte seit ihrer Einschulung im August 1993 die etwa 40 km von ihrem Elternhaus gelegene öffentliche G. -G. -Schule - Schule für Schwerhörige - in C. , R. -Straße . Nachdem die Klägerin ursprünglich im dortigen Internat untergebracht war, nutzte sie seit Dezember 1997 täglich den Fahrdienst, für den die Stadt Chemnitz auf der Grundlage ihrer mehrfach geänderten Schülerbeförderungskostensatzung (nachfolgend: Satzung) einen sog. Eigenanteil erhebt. Dieser belief sich im Schuljahr 2001/2002 auf monatlich 45,00 DM; zum Schuljahr 2002/2003 wurde er auf 46,00 € erhöht. Im Schuljahr 2003/2004 betrug der Eigenanteil monatlich 92,00 €, höchstens 920,00 € im Jahr (vgl. Satzung i.d.F. der 3. Änderung vom 4.6.2003 und der 4. Änderung vom 19.12.2003).

Im Juli 2003 beantragten die Eltern der Klägerin beim damaligen Landeswohlfahrtsverband Sachsen die Erstattung von Beförderungskosten für die Klägerin. Der Landeswohlfahrtsverband leitete den Antrag "zuständigkeitshalber" an das Schulverwaltungsamt der Stadt Chemnitz weiter. Einem Schreiben des Landeswohlfahrtsverbands an das Schulverwaltungsamt vom 14.7.2003 ist zu entnehmen, dass die Klägerin im Hinblick auf eine Ganztagsbetreuung bis zum 18.9.1998 Eingliederungshilfe vom Landeswohlfahrtsverband erhielt. Für das Schuljahr 2003/2004 gab es nach einer Auskunft des Kommunalen Sozialverbands Sachsen an den Senat keine Leistungen des überörtlichen Sozialhilfeträgers an die Klägerin.

Auf einen von den Eltern der Klägerin bereits im April 2003 gestellten Antrag genehmigte die Stadt Chemnitz durch Bescheid vom 20.8.2003 für das Schuljahr 2003/2004, in dem die Klägerin die 9. Klasse besuchte, eine tägliche Beförderung der Klägerin von und zur Schule durch ein Sammeltaxi. In dem Bescheid wird darauf hingewiesen, dass nach der Schülerbeförderungssatzung ein Eigenanteil pro Monat in Höhe von 92,00 € im Monat, maximal für 10 Monate im Schuljahr zu zahlen sei. Dazu werde ein gesonderter Kostenbescheid ergehen. Den gegen den Bescheid vom 20.8.2003 eingelegten Widerspruch wies die Stadt Chemnitz mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2003 mit der Begründung zurück, die Höhe des Eigenanteils entspreche der Satzung.

Unter dem 24.9.2003 erließ die Stadt Chemnitz einen an Herrn R. F. , den Vater der Klägerin, gerichteten Kostenbescheid, durch den für den Zeitraum vom September 2003 bis Juni 2004 ein Eigenanteil für Schülerbeförderungsleistungen von monatlich 92,00 €, insgesamt 920,00 € festgesetzt wurde.

Die von den Eltern der Klägerin am 16.12.2003 erhobene Klage auf Erlass bzw. Erstattung des Eigenanteils für das Schuljahr 2003/2004 wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 9.7.2004 - 2 K 1780/03 - mit der Begründung abgewiesen, die Stadt Chemnitz sei in analoger Anwendung von § 4 Abs. 5 ihrer - rechtmäßigen - Satzung i.d.F. vom 4.6.2003 berechtigt, einen Eigenanteil für die Schülerbeförderungskosten festzusetzen. Zu einer vollständigen Übernahme der Beförderungskosten für Schüler der Klassen 5 und höher sei die Stadt Chemnitz nicht verpflichtet; die Erhebung von Eigenanteilen entspreche der jahrelangen Verwaltungspraxis der Stadt Chemnitz und sei - da die Übernahme von Schülerbeförderungskosten zur Leistungsverwaltung gehöre - auch ohne ausdrückliche Satzungsregelung zulässig. Auf die von der Stadt Chemnitz mit Rückwirkung beschlossene Satzungsänderung (4. Änderungssatzung) komme es nicht an. Einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil stellten die Eltern der Klägerin nicht.

Entsprechend dem Inhalt einer Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses des Sächsischen Landtags, der auf eine Mehrfachpetition von Eltern behinderter Kinder ergangen war, eines Schreibens der Stadt Chemnitz an den Schulelternrat und eines Schreibens des Schulleiters beantragte "Familie R. F. " beim Sozialamt des Beklagten am 9.7.2003 die Übernahme der Eigenanteile der Schülerbeförderungskosten als Eingliederungshilfe. Das Schreiben wurde von Frau B. F. , der Mutter der Klägerin, unterschrieben.

Mit einem an die Eltern der Klägerin gerichteten Bescheid "für M. F. " vom 25.8.2003 lehnte der Beklagte die Übernahme eines Eigenanteils dieser Kosten ab. Die Klägerin habe dem Grunde nach einen Anspruch auf Eingliederungshilfe, jedoch dürfe die Stadt Chemnitz nach ihrer Satzung keinen Eigenanteil erheben. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Beförderung zur Schule (§ 23 SchulG i.V.m. § 1 Abs. 2 und 3 der Satzung). Soweit die Klägerin besondere Beförderungsleistungen nach § 3 der Satzung nutze, sei es ihr zumutbar, das "kostenfreie" Beförderungsangebot der Stadt Chemnitz zu nutzen.

Den am 15.9.2003 von den Eltern der Klägerin erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2003 (zugestellt am 29.10.2003) unter Hinweis auf die Begründung des Ausgangsbescheids zurück. Der Widerspruchsbescheid war an die Eltern der Klägerin gerichtet, enthielt - anders als der Ausgangsbescheid - jedoch nicht den Zusatz "für M. F. ".

Die am 21.11.2003 durch eine Rechtssekretärin der Rechtsschutz GmbH beim Verwaltungsgericht Chemnitz erhobene Klage bezeichnet die Eltern der Klägerin als Kläger, wobei die Klage nach dem in der Klageschrift formulierten und in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Antrag darauf gerichtet war, den Ausgangs- und Widerspruchsbescheid aufzuheben und "das beklagte Amt zu verurteilen, den Eigenanteil an der Schülerbeförderung für die Tochter der Kläger zu übernehmen". Die mit der Klageschrift vorgelegte Prozessvollmacht war von der Mutter der Klägerin unterschrieben. In der letzten mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vom 14.7.2005 erklärten die Eltern der - zwischenzeitlich volljährig gewordenen - Klägerin zu Protokoll, dass die vom Verwaltungsgericht als Kläger angesehenen Eltern die Klage "als gesetzliche Vertreter des Kindes" führten, "soweit Ansprüche des Kindes in Betracht" kämen.

Zur Begründung der Klage wurde unter Bezugnahme auf eine Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses des Sächsischen Landtages geltend gemacht, der Beklagte sei nach §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG zumindest zur teilweisen Übernahme des Eigenanteils verpflichtet, den die Stadt Chemnitz - entgegen dem Beklagtenvorbringen - durchaus erhebe. Die Klage sei auch ordnungsgemäß erhoben worden; eine Vertretung durch Rechtssekretäre der Rechtsschutz GmbH verstoße nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Klage sei bereits unzulässig, weil eine Prozessvertretung durch Rechtssekretäre einer Gewerkschaft gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoße. Die Prozessbevollmächtigten seien zurückzuweisen. Die Klage sei auch unbegründet. Die Schülerbeförderung obliege schulrechtlich der Stadt Chemnitz (§ 23 Abs. 3 SchulG); eine zusätzliche Inanspruchnahme des Beklagten scheide aufgrund des Nachrangprinzips aus. Die Rechtsausführungen des Petitionsausschusses, auf die sich die Klägerin stütze, seien unzutreffend.

Mit Urteil vom 14.7.2005 - 5 K 1650/03 - hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, "den Eigenanteil der Schülerbeförderungskosten der Klägerin zu bewilligen" (so Satz 1 der Entscheidungsformel). Der in der letzten mündlichen Verhandlung erklärte Klägerwechsel sei zulässig, weil der Streitstoff unberührt bleibe und die Klageänderung die endgültige Streitbeilegung fördere. Die zulässige Klage sei begründet. Die Klägerin gehöre wegen ihrer hochgradigen Schwerhörigkeit zu dem von § 39 Abs. 1 BSHG erfassten Personenkreis, so dass ihr Eingliederungshilfe zu einer angemessenen Schulbildung (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 bzw. 4 BSHG i.V.m. § 12 Eingliederungshilfe-VO) in der Schule für Schwerhörige zustehe. Der tägliche Taxitransport, der unter Auferlegung eines Eigenanteils genehmigt worden sei, gehöre zu den Maßnahmen zur Erleichterung oder Ermöglichung des Schulbesuchs. Die Kosten seien behinderungsbedingt, weil sie ohne die Schwerhörigkeit der Klägerin nicht in dieser Höhe anfallen würden. Der Nachranggrundsatz (§ 2 Abs. 1 BSHG) stehe dem Hilfeanspruch nicht entgegen. Die Klägerin könne nicht auf einen eventuellen schulrechtlichen Anspruch gegenüber der Stadt Chemnitz verwiesen werden, weil ein solcher Anspruch allenfalls im Wege eines langwierigen Klageverfahrens durchgesetzt werden könnte. Auch sei die zuvor von den Eltern der Klägerin erhobene Klage rechtskräftig abgewiesen worden. Dass die unterhaltspflichtigen Eltern der Klägerin die erhobenen Kosten aus eigenen Mitteln gedeckt hätten, stehe dem Anspruch ebenso wenig entgegen. Entgegen dem Vorbringen des Beklagten handele es sich nach der Schülerbeförderungskostensatzung der Stadt Chemnitz nicht um einen "Elternbeitrag" zur Schülerbeförderung, sondern um einen Eigenanteil. Der Anspruch der Klägerin bestehe gemäß § 28 BSHG allerdings nicht uneingeschränkt, weil im Hinblick auf eine weitgehende Gleichstellung von Behinderten und Nichtbehinderten nur die behinderungsbedingten Mehrkosten zu erstatten seien. Der Anspruch der Klägerin mindere sich damit um den Betrag, der im Kreisgebiet des Beklagten beim Besuch einer "normalen" wohnortnahen Schule zu tragen wäre.

Gegen das ihm am 25.8.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 20.9.2005 die Zulassung der Berufung beantragt und diesen Antrag am 25.10.2005 begründet. Mit Beschluss vom 17.1.2006 hat der Senat die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen

Mit seiner am 1.3.2006 begründeten Berufung macht der Beklagte unter ergänzender Bezugnahme auf die Begründung seines Zulassungsantrags geltend, das angefochtene Urteil lasse nicht erkennen, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe er Eingliederungshilfe zu bewilligen habe. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Schülerbeförderung der Stadt Chemnitz obliege, wobei die speziellere Regelung des Schulgesetzes einen Hilfeanspruch nach dem BSHG ausschließe. Zweck der Satzungsermächtigung in § 23 Abs. 3 SchulG sei es nicht, mit erheblichem Verwaltungsaufwand öffentliche Mittel von einer Kasse in die andere zu verlagern. Ausgeschlossen sei ein Anspruch auch deshalb, weil die Finanzausgleichsgesetze des Freistaates Sachsen durchgängig Regelungen zur Erstattung von Schülerbeförderungskosten zwischen Schulträgern und anderen Kommunen enthielten (vgl. etwa § 20 FAG 1994). Als "Maßnahme" i.S.v. § 40 BSHG und § 12 EingliederungsVO komme allenfalls eine Beförderung von Schülern, nicht aber eine Übernahme von Kosten eines Eigenanteils, sei es des Kindes, sei es - wie hier - der Eltern in Betracht. Eine Beförderung der Klägerin zur Schule sei auch unabhängig von der Behinderung erforderlich, sie hänge allein von der Entfernung zwischen Wohnung und Schule ab.

Ein Hilfeanspruch gegen den Beklagten scheide auch deshalb aus, weil es die Klägerin versäumt habe, zumutbare und erfolgversprechende Rechtsbehelfe einzulegen, wie es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlich sei. Effektiver Rechtsschutz wäre in Form eines Antrags auf Kostenerlass (§ 7 der Satzung) und eines Eil- und Hauptsacheantrags gegen die Stadt Chemnitz ebenso möglich gewesen, wie eine Klage gegen den Kostenbescheid. Da die Satzung eine nachträgliche Teilkostenerstattungsmöglichkeit für nicht in Anspruch genommene Beförderungsleistungen (§ 4 Abs. 1 Satz 2) vorsehe, könne der Beklagte auch nicht ohne weiteres zur Tragung der Höchstkosten für das gesamte Schuljahr verpflichtet werden. Das Verwaltungsgericht habe es versäumt, sich die entsprechende Abrechnung vorlegen zu lassen. Auch sei dem Beklagten aus einem Parallelverfahren bekannt, dass die Stadt Chemnitz Schülern von Ganztagsschulen den Eigenanteil an den Beförderungskosten erlasse. Schließlich habe es das Verwaltungsgericht versäumt, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern der Klägerin zu prüfen.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Chemnitz - 5 K 1650/03 - die Klägerin in vollem Umfang mit der Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, sie habe einen Anspruch auf Bewilligung von 920,00 € für das Schuljahr 2003/2004 (Zeitraum September 2003 bis Juni 2004), da ihr diese Kosten für die Schulfahrten mit dem Sammeltaxi entstanden seien. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der eine gerichtliche Überprüfung auf den behördlich geregelten Zeitraum beschränkt sei, umfasse die Klage jedoch nur den Zeitraum bis Oktober 2003. Für diesen Zeitraum bestehe ein einkommensunabhängiger Hilfeanspruch aus § 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG gegen den Beklagten. Aus der Satzung der Stadt Chemnitz lasse sich eine Nachrangigkeit des sozialhilferechtlichen Anspruchs nicht ableiten. Eine Befreiungsmöglichkeit nach § 7 der Satzung scheide gemäß dessen Abs. 1 aus, weil weder die Klägerin noch ihre Eltern laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen hätten. Eine Rückerstattung wegen teilweiser Nichtinanspruchnahme von Beförderungsleistungen komme ebenso wenig in Betracht, weil die Klägerin ausweislich einer Bescheinigung ihrer Schule vom 4.4.2006 in keinem Monat Fehlzeiten von mehr als 18 Tagen aufgewiesen habe, wie § 4 Abs. 7 der Satzung es für eine Erstattung voraussetze. Ebenso wenig schließe § 23 SchulG oder ein Finanzausgleichsgesetz den Anspruch der Klägerin aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Chemnitz in den Verfahren 5 K 1650/03 und 2 K 1780/03, die vom Beklagten vorgelegte Behördenakte (eine Heftung) sowie die Senatsakten 4 B 645/05 und 4 B 72/06 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand der Berufung des Beklagten ist die im Hauptausspruch des Verwaltungsgerichts ohne jegliche Einschränkungen ausgesprochene Verpflichtung des Beklagten, "den Eigenanteil der Schülerbeförderungskosten der Klägerin zu bewilligen". Dementsprechend unterliegt der - nur in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils angesprochene - Abzugsbetrag, um den sich die vom Beklagten zu bewilligenden Kosten des Eigenanteils nach Auffassung des Verwaltungsgerichts vermindern sollen, der uneingeschränkten Überprüfung im Berufungsverfahren

Ausgehend davon ist die Berufung des Beklagten unbegründet (sh. 1.). Die von Anfang an von der Klägerin - und nicht von ihren Eltern - erhobene (1.1.) Klage ist insgesamt zulässig (1.2.) und begründet (1.3). Die Klägerin hat für den maßgeblichen Bewilligungszeitraum einen Anspruch gegen den Beklagten auf Übernahme des vollständigen Eigenanteils der Klägerin als Eingliederungshilfe nach §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG, der weder aufgrund schulrechtlicher noch anderer Regelungen ausgeschlossen ist. Wegen der vom Verwaltungsgericht zeitlich unbegrenzt und in unbestimmter Höhe ausgesprochenen Leistungsverpflichtung ist die Berufung mit der aus Satz 1 der Entscheidungsformel ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen (2.).

1. Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

1.1. Die am 21.11.2003 beim Verwaltungsgericht Chemnitz erhobene Klage ist als Klage der M. F. - nicht ihrer Eltern - anzusehen, obgleich in der Klageschrift die Eltern als Kläger bezeichnet wurden und das Verwaltungsgericht diese bis zur letzten mündlichen Verhandlung als Kläger geführt und einen gewillkürten Parteiwechsel angenommen hat. Der auslegungsfähigen und -bedürftigen Klageschrift ist nach dem erkennbaren Klageziel (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 91 Rn. 3) noch hinreichend klar zu entnehmen, dass die Klage von Anfang an nicht als Rechtsschutzbegehren der Eltern, sondern der Klägerin anzusehen war. Zum einen ergibt sich aus dem in der Klageschrift angekündigten und in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll genommenen Antrag "den Eigenanteil ... für die Tochter der Kläger zu übernehmen" in Verbindung mit der Klagebegründung, die ausdrücklich auf §§ 39, 40 BSHG verweist, dass von Anfang an nur ein Hilfeanspruch der körperlich behinderten Klägerin selbst, nicht (auch) ein Anspruch ihrer Eltern angesprochen sein sollte. Des weiteren musste bei lebensnaher Würdigung des Sachverhalts ersichtlich sein, dass die Klägerin wegen ihrer Behinderung in besonderem Maße auf die Hilfe ihrer Eltern bei der Bewältigung des Lebensalltags angewiesen war. Dass deshalb die Eltern gleichsam selbstverständlich für die Klägerin bei allen diese betreffenden Angelegenheiten auftraten, war bei dieser Sachlage nahe liegend. Dementsprechend haben auch die in der Berufungsverhandlung anwesenden Eltern der Klägerin glaubhaft dargelegt, dass sie die rechtlichen Angelegenheiten ihrer seinerzeit noch minderjährigen Tochter sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren als deren gesetzliche Vertreter regeln wollten. Da somit die Klage von der Klägerin und nicht ihren Eltern erhoben wurde, bedarf es keiner Erwägungen zu der vom Verwaltungsgericht - ohne nähere Begründung - angenommenen Zulässigkeit eines gewillkürten Parteiwechsels.

Im Hinblick auf das Vorbringen des Beklagten in der Berufungsverhandlung, er habe den von den Eltern der Klägerin am 15.9.2003 erhobenen Widerspruch nicht als Widerspruch im Namen der Klägerin angesehen, sondern entsprechend seiner ständigen Behördenpraxis als Widerspruch der - vom Ausgangsbescheid nicht selbst rechtlich betroffenen Eltern - merkt der Senat allerdings an: Der Beklagte ist im Widerspruchsverfahren, das gemäß § 114 BSHG unter beratender Mitwirkung sozial erfahrener Personen durchzuführen ist, gehalten einen Widerspruch sachdienlich auszulegen. Davon ausgehend liegen hier keine Anhaltspunkte dafür vor, dass - wie es der Beklagte angedeutet hat - der Vater der Klägerin den Widerspruch etwa in seiner Eigenschaft als Vertreter einer Elterninitiative hätte erheben wollen. Entsprechende Anhaltspunkte ergeben sich weder aus der Behördenakte noch aus dem knapp gehalten Widerspruchsbescheid vom 23.10.2003, der zur Zurückweisung des Widerspruchs nur auf die Begründung des Ausgangsbescheids verweist.

1.2. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klage auch nicht deshalb unzulässig, weil sie durch eine Rechtssekretärin der Rechtsschutz GmbH erhoben wurde. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die vom Beklagten erstinstanzlich angeregte Zurückweisung (§ 173 VwGO i.V.m. § 157 Abs. 2 ZPO) des Klägervertreters wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz hätte erfolgen müssen jedenfalls deshalb, weil Prozesshandlungen, die vor der Zurückweisung eines Prozessbevollmächtigten ergehen, wirksam bleiben (vgl. Kopp/Schenke, aaO, § 67 Rn. 47 m.w.N.). Dementsprechend kommt es für die vom Beklagten bestrittene Wirksamkeit der Klageerhebung nicht darauf an, ob die Klägerin vor dem Verwaltungsgericht in Anwendung von § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO durch einen Rechtssekretär vertreten werden durfte. Im Übrigen lässt § 67 Abs. 1 Satz 4 und 7 VwGO eine Prozessvertretung durch Angestellte einer juristischen Person zu, deren Anteile - wie die der Rechtsschutz GmbH (vgl. Mitzkus/Schneider, GewArch 2005, 8) - sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer Gewerkschaft stehen, soweit es sich um Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts sowie der damit in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des Sozialhilferechts handelt. Diese Voraussetzung ist bei einer Klage auf Bewilligung von Eingliederungshilfe (§§ 39, 40 BSHG), die im Zusammenhang mit einer Behinderung steht, erfüllt (vgl. Czybulka in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 67 Rn. 92 m.w.N.). Die Klägerin ist jedenfalls seit Dezember 2005 auch selbst Mitglied des . Ob eine Prozessvertretung in "reinen" Sozialhilfeangelegenheiten gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen würde, hat der Senat nicht zu entscheiden (zum Streitstand einerseits VG Hannover, Beschl. v. 4.2.2002, NdsVBl. 2002, 302; HessVGH, Beschl. v. 31.1.2003 - 10 TG 157/03 -, juris; andererseits NdsOVG; Beschl. v. 14.6.2004, GewArch 2005, 434, m.w.N.).

Die - nach der Klarstellung in der mündlichen Verhandlung des Senats (vgl. S. 2 f. der Niederschrift) - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 16.1.1986, NVwZ 1987, 412) auf eine Hilfebewilligung in Höhe von insgesamt 184,00 € (jeweils 92,00 € für September und Oktober 2003) für den vom Sozialhilfeträger geregelten Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids gerichtete Klage ist auch im Übrigen zulässig.

1.3. Die Verpflichtungsklage ist begründet, weil die Klägerin einen Anspruch gegen den Beklagten als sachlich zuständigen örtlichen Sozialhilfeträger auf Übernahme des für die Monate September und Oktober 2003 angefallenen Eigenanteils an den Schülerbeförderungskosten aus §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG, § 1 Nr. 5, § 12 Nr. 1 EingliederungshilfeVO (jeweils i.d.F. des Gesetzes vom 1.7.2001) hat; aus dem Nachranggrundsatz folgt nichts anderes.

Die wegen ihrer hochgradigen Schwerhörigkeit körperlich behinderte Klägerin gehört unstreitig zu dem in § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG genannten Personenkreis, dem Eingliederungshilfe zu einer angemessenen Schulbildung (§ 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG, § 12 Nr. 2 EingliederungshilfeVO) insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu gewähren ist. Für die sozialhilferechtliche Prüfung, ob die für den Besuch einer bestimmten Schule notwendige Unterstützung als "Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung" erforderlich ist, ist der Sozialhilfeträger an die Entscheidung der Schulverwaltung über die Zuweisung eines schulpflichtigen behinderten Kinds an eine bestimmte Schule gebunden (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.2005, NJW 2005, 3160 f.; SächsOVG, Urt. v. 7.12.2005 - 4 B 131/05 -, juris), wie sie sich für die Klägerin - unstreitig - aus einem undatierten Bescheid des damaligen Oberschulamts Chemnitz aus dem Jahr 1993 ergibt.

Bei der von der Klägerin besuchten Schule für Schwerhörige handelt es sich nach der Art der Hilfegewährung (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.5.1975, BVerwGE 48, 228), die sich auf den schulischen Unterricht beschränkt, ersichtlich nicht um eine der in § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG genannten Einrichtungen (Anstalt, Heim oder gleichartige Einrichtung oder eine Einrichtung zur teilstationären Betreuung), so dass nicht der überörtliche Sozialhilfeträger, sondern der Beklagte als örtlicher Sozialhilfeträger für die Hilfegewährung sachlich zuständig ist (§ 100 Abs. 2 BSHG). Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin seinerzeit gleichwohl Eingliederungshilfe vom damaligen Landeswohlfahrtsverband Sachsen gewährt worden sein sollte, wie es der Beklagte schriftsätzlich vorgetragen hat, hat der erkennende Senat aufgrund der dazu eingeholten amtlichen Auskunft des Kommunalen Sozialverbands Sachsen vom 6.4.2006 nicht.

Die Kosten, die durch die Nutzung des Sammeltaxis zur Schülerbeförderung entstehen, sind Folge der Behinderung, weil die Klägerin wegen ihrer schweren körperlichen Behinderung - insoweit unstreitig - nicht in der Lage ist, den Schulweg nach Chemnitz selbstständig zurückzulegen. Dass der Klägerin eine andere, kostengünstigere Möglichkeit zur Bewältigung des täglichen Schulwegs zur Verfügung gestanden hätte, macht der Beklagte im gerichtlichen Verfahren nicht geltend. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Kostenübernahme scheidet auch nicht mit der Erwägung aus, dass es sich dabei nicht um eine "Maßnahme" der Schulbildung i.S.v. § 12 EingliederungshilfeVO handele. Zwar sind Form und Maß der Hilfegewährung grundsätzlich gemäß § 4 Abs. 2 BSHG in das Ermessen des Sozialhilfeträgers gestellt, wobei es im Schuljahr 2003/2004 möglicherweise auch andere Transportmöglichkeiten gegeben hätte. Mit Rücksicht auf die tatsächliche Taxibeförderung in der streitgegenständlichen Zeit ist jetzt aber als Hilfeleistung nur noch die Übernahme der dazu von der Stadt Chemnitz erhobenen Kosten möglich (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.9.1992, NVwZ-RR 1993, 198).

Ausgeschlossen ist eine Hilfegewährung an die Klägerin auch nicht deshalb, weil der Kostenbescheid der Stadt Chemnitz vom 24.9.2004, durch den ein Eigenanteil an den Schülerbeförderungskosten für das Schuljahr 2003/2004 in Höhe von 920,00 €, zahlbar in fünf Raten zu je 184,00 € festgesetzt wurde, nicht an die Klägerin selbst, sondern an deren Vater gerichtet war. In dieser Beurteilung geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass die Stadt Chemnitz nicht etwa einen "Elternbeitrag", sondern einen Eigenanteil zur Schülerbeförderung erhoben hat, der jedenfalls vorrangig von der Klägerin zu tragen ist und deshalb in ihrer Person einen sozialhilferechtlichen Bedarf begründet.

Die Erhebung von Schülerbeförderungskosten im Freistaat Sachsen ist gesetzlich nur in § 23 Abs. 3 SchulG angesprochen. Danach regeln die Landkreise und kreisfreien Städte als "Träger der notwendigen Schülerbeförderung" die Einzelheiten der Schülerbeförderung durch Satzung, wozu insbesondere die Höhe und das Verfahren der Erhebung eines Eigenanteils von Schülern oder Eltern zählen (§ 23 Abs. 3 Satz 2 SchulG). Die Landkreise und kreisfreien Städten haben grundsätzlich die Kosten der von ihnen einzurichtenden und zu organisierenden Schülerbeförderung zu tragen, wobei eine Kostenüberwälzung auf Schüler oder Eltern durch Erhebung von Eigenanteilen nach Maßgabe einer entsprechenden Satzung des Schülerbeförderungsträgers zulässig ist (vgl Schmidt, SächsVBl. 2005, 267 [269, 272 f.]). Ob solche Eigenanteile rechtlich (nicht: wirtschaftlich) von einem - oft minderjährigen - Schüler oder aber von seinen Eltern zu tragen ist, hängt von der Ausgestaltung der jeweiligen Satzung ab. Im Hinblick darauf, dass die Schülerbeförderung bei minderjährigen Kindern nicht nur die Rechtsposition des jeweiligen Schülers selbst, sondern auch das elterliche Erziehungsrecht (Art. 6 Abs. 2 GG, Art. 22 Abs. 3 SächsVerf) betreffen kann (vgl. Nachweise bei Schmidt, aaO S. 269), kommen als Kostenschuldner grundsätzlich sowohl die jeweiligen Schüler als auch deren Eltern in Betracht.

Da die Schülerbeförderungskostensatzung der Stadt Chemnitz die "Schülerinnen und Schüler" als Anspruchsberechtigte bezeichnet (§ 2 Abs. 1) und auch im Folgenden von eigenen Ansprüchen der Schüler spricht (vgl. § 4 Abs. 3 b Satz 2, § 5 Abs. 3, § 7 Abs. 1), liegt es aus Sicht des Senats eher fern, die von der Stadt Chemnitz als Eigenanteil erhobenen Kosten als eine Art "Elternbeitrag" anzusehen, der nicht bei der Klägerin, sondern ausschließlich bei ihren Eltern anfällt. Die mehrfache Erwähnung der Erziehungsberechtigten in der Satzung der Stadt Chemnitz beruht vielmehr ersichtlich darauf, dass die von den Satzungsbestimmungen betroffenen Schüler meist minderjährig und deshalb nicht zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig sind (§ 1 SächsVwVfG i.V.m. § 12 VwVfG), weshalb sie von ihren Erziehungsberechtigten gesetzlich vertreten werden müssen. Da minderjährige Schüler im Regelfall auch über kein ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen verfügen, werden die Erziehungsberechtigten nach Maßgabe der Schülerkostenbeförderungssatzung der Stadt Chemnitz gewissermaßen als Haftungsschuldner herangezogen, die für die in der Person des Schülers begründeten finanziellen Verpflichtungen zusätzlich in Anspruch genommen werden können. Diese vom Wortlaut wie von der Systematik nahegelegte Auslegung der städtischen Satzung ermöglicht es dem Träger der Schülerbeförderung zugleich, sich im Interesse eines einfachen Verwaltungsvollzugs wegen der anfallenden Kosten unmittelbar an die Eltern von minderjährigen Schülern zu wenden.

Vor diesem Hintergrund ändert die Adressierung des Kostenbescheides der Stadt Chemnitz vom 24.9.2003 an den Vater der Klägerin und die nachfolgende Begleichung der Abgabenschuld durch die Eltern der Klägerin nichts daran, dass der Eigenanteil an der Schülerbeförderung nach der Schülerbeförderungskostensatzung der Stadt Chemnitz vorrangig eine finanzielle Verpflichtung der Klägerin ist und deshalb zu jenen Aufwendungen zählt, die in ihrer Person als Teil der Kosten für eine angemessene Schulbildung anfallen. Ob der von der Stadt Chemnitz erlassene Kostenbescheid im Einzelnen rechtmäßig ist, hat der Senat im Rechtsstreit um die Bewilligung von Eingliederungshilfe nicht zu entscheiden. Durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Kostenerhebung sind insoweit jedenfalls nicht ersichtlich; im Übrigen ist der Kostenbescheid nunmehr bestandskräftig.

Entgegen den Ausführungen des Beklagten ist der Hilfeanspruch nicht gemäß § 28 BSHG i.V.m. §§ 79 ff. BSHG mit der Erwägung ausgeschlossen, dass der Klägerin und ihren Eltern, die keine laufende Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, die Aufbringung des Eigenanteils an den Schülerbeförderungskosten aus dem Einkommen und Vermögen zuzumuten sind. Bei der von der Klägerin besuchten Schule für Schwerhörige handelt es sich um eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 1 BSHG (vgl. Schellhorn/Jzirasek/Seipp, BSHG, 14. Aufl., § 43 Rn. 8), so dass die Klägerin und deren Eltern gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BSHG bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung nur die Kosten des Lebensunterhalts aufzubringen haben. Angesichts des vom Gesetzgeber einkommensunabhängig ausgestalteten Hilfeanspruchs waren Ermittlungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Klägerin und ihrer Eltern nicht veranlasst. Bei dieser Beurteilung geht der Senat mit dem Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 22.5.1975, BVerwGE 48, 228 = FEVS 23, 403) davon aus, dass § 43 BSHG Eltern von Kosten für die Ausbildung behinderter Kinder entlasten soll, damit ihr Interesse an der für eine Eingliederung unabdingbaren Unterstützung der Eingliederung nicht wegen der damit verbundenen Kosten erlahmt. Mit der einkommensunabhängigen Hilfeleistung soll dem Interesse der Allgemeinheit an einer Eingliederung von Kindern mit Behinderungen angemessen Rechnung getragen werden, um eine möglichst selbstständige Teilhabe am gesellschaftlichen wie beruflichen Leben zu gewährleisten.

Anders als das Verwaltungsgericht sieht der Senat allerdings keine Grundlage für die Annahme, der Hilfeanspruch der Klägerin mindere sich um den Betrag, den die Klägerin beim Besuch einer "normalen" wohnortnahen Schule im Kreisgebiet des Beklagten aufzuwenden hätte. Einen solchen Abzugsposten enthält der Gesetzeswortlaut nicht. Insbesondere handelt es sich bei solchen fiktiven Aufwendungen nicht um "Kosten des Lebensunterhalts" i.S.v. § 43 Abs. 2 Satz 1 BSHG, die ein Hilfesuchender und dessen Eltern selbst zu tragen haben. Für einen solchen Abzugsposten bietet auch die vom Verwaltungsgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 22.5.1975, BVerwGE 48, 228) keinen Beleg. Eine Differenzierung zwischen den tatsächlichen Beförderungskosten eines behinderten Schülers und Kosten, die dem selben Schüler ohne Behinderung beim Besuch einer wohnortnahen Schule entstehen würden, hat das Bundesverwaltungsgericht weder im Urteil vom 22.5.1975 (aaO) noch im nachfolgenden Urteil vom 10.9.1992 (Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 8 = FEVS 43, 265) vorgenommen. Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 22.5.1975 (aaO), dass den Eltern behinderter Kinder durch eine angemessene Schulbildung keine höheren Kosten entstehen sollen als anderen Eltern, beziehen sich im Kontext der Entscheidungsgründe nicht etwa auf den Umfang des Hilfeanspruchs, sondern nur auf das "gesetzgeberische Motiv" für den seinerzeit neu gefassten § 43 BSHG. Zudem lässt es nicht feststellen, welche schulische und berufliche Entwicklung ein Mensch ohne Behinderung genommen hätte. Dass §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG damit eine einkommensunabhängige Übernahme von Schülerbeförderungskosten körperlich behinderter Schüler durch den Sozialhilfeträger beinhaltet, ist die zwingende Folge einer ausdrücklichen gesetzlichen Anspruchsregelung, die auch nicht unter Hinweis auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 18 Abs. 1 SächsVerf) und die Kostenlast von nicht-behinderten Kindern und deren Eltern in Frage gestellt werden kann. Dementsprechend hatte der Senat nicht zu prüfen, welche Kosten der Klägerin beim Besuch einer wohnortnahen Schule im Kreisgebiet des Beklagten nach dessen Schülerbeförderungssatzung vom 4.12.2003 entstanden wären

Entgegen der Auffassung des Beklagten wird der - bundesrechtliche - Hilfeanspruch der Klägerin aus § 39 Abs. 1, § 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG weder durch die landesrechtlichen Regelung der Schülerbeförderung in § 23 Abs. 3 SchulG noch durch landesrechtliche Regelungen über den kommunalen Finanzausgleich verdrängt.

Soweit die sächsischen Landkreise und kreisfreien Städte als "Träger der notwendigen Schülerbeförderung" die Schülerbeförderung durchführen (§ 23 Abs. 3 Satz 1 und 3 SchulG), handelt es sich - nicht anders als bei den öffentlichen Schulen selbst (vgl. Nachweise bei SächsOVG, Urt. v. 7.12.2005 - 4 B 131/05 -, juris) - zwar um eine eigenständige Hilfegewährung außerhalb des Sozialhilferechts, auf deren Inanspruchnahme ein behinderter Schüler verwiesen werden kann. Wird ein bestehender Hilfebedarf durch schulische Einrichtungen (einschließlich der Schülerbeförderung) nicht in vollem Umfang erfüllt, wird der zuständige Sozialhilfeträger jedoch nicht von seiner Leistungspflicht frei, sondern er muss dem Hilfesuchenden gegenüber für den nicht anderweitig gedeckten Hilfebedarf einstehen (wie etwa für einen Integrationshelfer, vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.9.2003 - 5 B 259/02 -, juris; Urt. v. 28.4.2005, NJW 2005, 3160). Dies gilt auch dann, wenn es der Träger der Schülerbeförderung im Rahmen seines Satzungsermessens nach § 23 Abs. 3 Satz 2 SchulG gewissermaßen "in der Hand" hat, Eigenanteile von Schülern zu erheben. Für den Hilfeanspruchs eines behinderten Schülers gegen den zuständigen Sozialhilfeträger und dessen - notfalls gerichtliche - Durchsetzung ist es nach dem sozialhilferechtlichen Bedarfsdeckungsgrundsatz unerheblich, ob es zu den vom Beklagten angeführten unzweckmäßigen Verschiebungen von öffentlichen Mitteln "von einem Topf in den anderen" kommt. Entscheidend ist nicht die Rechtsbeziehung zwischen dem Sozialhilfeträger und dem Träger der Schülerbeförderung, sondern allein das Bestehen eines tatsächlichen Hilfebedarfs. Besteht ein solcher Hilfebedarf ist der zuständige Sozialhilfeträger zu dessen Deckung verpflichtet; der Streit zwischen Sozialhilfeträger und dem Träger der Schülerbeförderung kann nicht "auf dem Rücken" des Behinderten ausgetragen werden.

Aus den vom Beklagten herangezogenen Finanzausgleichsgesetzen des Freistaats Sachsen folgt nichts anderes; im Übrigen wurde ein kommunaler Schullastenausgleich zur Erstattung von Schülerbeförderungskosten letztmalig in § 20 des Gesetzes über einen Finanzausgleich mit den Gemeinden und Landkreisen im Freistaat Sachen vom 14.12.1993 (SächsGVBl. S. 1269) aufgenommen. Die späteren Finanzausgleichsgesetze enthalten lediglich einen Schülernebenansatz, der sich über die Bedarfsmesszahl auf die Höhe der Schlüsselzuweisungen auswirkt.

Schließlich war die Klägerin durch den Nachranggrundsatz (§ 2 Abs. 1 BSHG) nicht etwa gehalten, gegenüber Dritten weitere Anträge in einem Verwaltungsverfahren oder gar in einem gerichtlichen Eil- oder Hauptsacheverfahren zu stellen. Zwar kann es einem Hilfesuchenden nach den Umständen des Einzelfalls auch zugemutet werden, Anträge zu stellen und den Rechtsweg zu beschreiten, um einen vermeintlichen Rechtsanspruch gegen einen Dritten durchzusetzen. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch nur dann, wenn ein Anspruch gegen einen Dritten rechtzeitig realisiert werden kann, was insbesondere bei einer ungeklärten Rechtslage ausscheidet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.9.2003 - 5 B 259/02 -, m.w.N.). Erfolgversprechende Selbsthilfemöglichkeiten standen der Klägerin jedoch ersichtlich nicht zur Verfügung. Ansprüche gegen den Landeswohlfahrtsverband Sachsen kamen nicht ernstlich in Betracht, weil der überörtliche Sozialhilfeträger für die Eingliederungshilfe außerhalb einer Einrichtung nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG nicht sachlich zuständig war. Ein Antrag der Klägerin bei der Stadt Chemnitz auf Kostenerlass gemäß § 7 der Satzung (a.F./n.F.) schied ebenfalls aus, weil weder die Klägerin noch ihre Eltern laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen, wie es nach der genannten Norm für einen Kostenerlass erforderlich ist. Ein Antrag auf (Teil-)Erstattung wegen nicht in Anspruch genommener Beförderungsleistungen kam ebenso wenig in Betracht, weil die Klägerin nicht die dafür erforderliche Zahl von Fehltagen nach § 4 Abs. 7 a.F./n.F) aufwies (mehr als 18 Kalendertage in einem Monat). Eine Anfechtung des - an ihren Vater gerichteten - Kostenbescheids durch die Klägerin war ebenso wenig veranlasst, zumal die Eltern der Klägerin erfolglos Widerspruch und Klage erhoben hatten, und eine rechtzeitige Deckung des Hilfebedarfs der Klägerin für die Monate September und Oktober 2003 ersichtlich nicht mehr erfolgen konnte.

Da der Klägerin nach alledem ein Einspruch auf Eingliederungshilfe in Form der Übernahme des Eigenanteils an den Schülerbeförderungskosten für den hier maßgeblichen Bewilligungszeitraum hat, ist die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

2. Im Hinblick auf die Unbestimmtheit des erstinstanzlichen Verpflichtungsausspruchs erfolgt die Zurückweisung der Berufung mit der in den Tenor aufzunehmenden Maßgabe, dass der Beklagte unter Aufhebung seines Bescheids vom 25.8.2003 und seines Widerspruchsbescheids vom 23.10.2003 zur Übernahme des Eigenanteils der Schülerbeförderungskosten der Klägerin für die Monate September und Oktober 2003 in Höhe von 184,00 € verpflichtet ist.

Soweit in dieser Maßgabe eine Änderung des erstinstanzlichen Urteils zu sehen ist, führt diese nicht zu einer anteiligen Kostenlast der Klägerin, da sie mit ihrem im Berufungsverfahren lediglich klargestellten Klagebegehren in der Sache nicht unterlegen ist (vgl. bereits SächsOVG, Urt. v. 13.12.2005 - 4 B 886/04 -, juris). Damit ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 1 VwGO, nicht aus § 155 Abs. 1 VwGO.

Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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