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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 03.09.2008
Aktenzeichen: 5 A 348/08
Rechtsgebiete: InsO, ZPO, AO


Vorschriften:

InsO § 80
InsO § 85
ZPO § 240
AO § 119
AO § 157
SächsKAG § 26
1. Bei der Festsetzung eines Straßenausbaubeitrags sind Abweichungen vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff zulässig, wenn das Buchgrundstück lediglich zusammen mit angrenzenden Grundstücken desselben Eigentümers sinnvoll genutzt werden kann und die Grundstücke eine wirtschaftliche Einheit bilden.

2. Bei der Heranziehung eines sog. anderen Hinterliegergrundstücks zu einem Straßenausbaubeitrag ist die vermittelte Inanspruchnahmemöglichkeit zu bewerten.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 5 A 348/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Straßenausbaubeitrags

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden sowie die Richterinnen am Oberverwaltungsgericht Düvelshaupt und Schmidt-Rottmann aufgrund der mündlichen Verhandlung

am 3. September 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 10. Mai 2005 - 6 K 1134/03 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger, der als Insolvenzverwalter das zunächst unter dem Aktenzeichen 5 B 551/05 geführte Verfahren der T........................ GmbH fortsetzt, wendet sich gegen die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen.

Die Beklagte baute in der Zeit vom .9.1996 bis zum .12.1996 einen Teil der G...........straße in T..... auf einer Länge von 346 m aus. Die vormalige Klägerin ist als Eigentümerin der Flurstücke Nr. F1, F2.., F3, F4.., F5.., F6.., F7.. und F8.. der Gemarkung T....., Flur , im Grundbuch eingetragen. Die Flurstücke Nr. F5.., F6.., F4.. und F1 sind verzeichnet im Grundbuch von T....., Blatt 2519, als Grundstücke mit der laufenden Nummer 1 bis 4. Die übrigen Flurstücke sind als Grundstücke mit der laufenden Nummer 1 bis 4 eingetragen im Grundbuch von T....., Blatt . Das Flurstück F2.. (Grundstück Nr. 4 mit einer Größe von 3958 m², Wirtschaftsart: Gebäude- und Freifläche) liegt an dem neu ausgebauten Teil der G...........straße an, ebenso das als Verkehrsfläche im Grundbuch eingetragene Flurstück Nr. F3 und ein Punkt des Flurstücks Nr. F1. Die Flurstücke Nr. F5.. und F6.. sind als Verkehrsflächen im Grundbuch eingetragen. Der auf ihnen befindliche Weg führt zu dem nicht ausgebauten Teil der G...........straße, an dem auch das Flurstück Nr. F1 (Wirtschaftsart: Gebäude- und Freifläche) mit einem weiteren Punkt anliegt. Laut der in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten befindlichen Unterlagen (Verwaltungsakte I, S. 75) befindet sich ein größerer Teil des Flurstücks Nr. F6.. außerhalb des Abrechnungsgebiets für die Straßenbaubeiträge G...........straße.

Mit Bescheiden vom 26.6.2000 setzte die Beklagte für das Grundstück Flurstück Nr. F1 einen Straßenbaubeitrag in Höhe von 8.649,74 DM fest und für die übrigen Grundstücke einen einheitlichen Straßenbaubeitrag in Höhe von 11.514,69 DM. Den dagegen eingelegten Widersprüchen der früheren Klägerin half der Landkreis Torgau-Oschatz wegen einer Differenz bei der Ermittlung des umlagefähigen Aufwands teilweise ab und setzte den Straßenbaubeitrag für das Grundstück Flurstück Nr. F1 auf 3.992,57 € (7.808,79 DM) und für die übrigen Grundstücke auf 5.314,98 € (10.395,19 DM) fest (Widerspruchsbescheide vom 23.6.2003). Im Übrigen wies er die Widersprüche zurück. Der dagegen am 25.7.2003 erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 10.5.2005 statt und hob die Beschei-de der Beklagten in Gestalt der Widerspruchsbescheide des Landratsamtes T.....-Oschatz auf. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus:

Hinsichtlich der Flurstücke Nr. F2.., F3, F4.., F5.., F6.., F7.. und F8.. seien die Bescheide schon deshalb rechtswidrig, weil sie gegen den abgabenrechtlichen Grundsatz der Bestimmtheit verstießen. Da die Flurstücke zu unterschiedlichen Grundstücken gehörten, sei nicht klar erkennbar, welche Grundstücksflächen im einzelnen anrechenbar seien und welcher Beitrag letztlich auf welchem Grundstück laste. Von dem formellen Grundstücksbegriff sei auch nicht wegen einer wirtschaftlichen Einheit der Grundstücke abzuweichen. Die Flurstücke Nr. F3, F2.., F7.. und F8.. und F5.., F6.., F4.. und F1 stünden jeweils nicht in einem solchen Verhältnis zueinander, das nur eine gemeinsame bauliche Nutzung ermögliche.

Die Bescheide bezüglich des Flurstücks Nr. F1 seien rechtswidrig, weil dieses Flurstück von der Erschließungswirkung der ausgebauten G...........straße nicht erfasst werde. Bei dem veranlagten Flurstück Nr. F1 handele es sich nicht um ein Hinterliegergrundstück zur ausgebauten G...........straße, sondern um ein Anliegergrundstück der nicht ausgebauten G...........straße. Es fehle an der für eine Beitragsverpflichtung erforderlichen vorteilhaften Inanspruchnahme der ausgebauten G...........straße. Bei natürlicher Betrachtungsweise werde das Flurstück aufgrund seiner unmittelbaren Verbindung zur nicht ausgebauten G...........straße von dieser über den öffentlich gewidmeten Weg auf dem Flurstück Nr. F6.. erschlossen.

Auf den Antrag der Beklagten hat der erkennende Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zugelassen, ob ein Hinterliegergrundstück zu einer Ausbaustraße nach § 26 SächsKAG unter Vorteilsgesichtspunkten zu einem Straßenausbaubeitrag herangezogen werden darf, wenn es über einen unmittelbaren Zugang zu einer anderen öffentlichen Straße verfügt (Beschl. v. 4.8.2005 - 5 B 385/05 -).

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichts sowohl hinsichtlich der Frage der wirtschaftlichen Einheit als auch in Bezug auf das Hinterliegergrundstück nicht zutreffe.

Die hinsichtlich der Flurstücke Nr. F2.., F3, F4.., F5.., F7.., F8.. und F6.. erfolgte Beitragsfestsetzung in einem Bescheid verstoße nicht gegen das Gebot der inhaltlichen Bestimmtheit, zumal sie die Beitragsschuld von insgesamt 11.514,69 DM auch noch im Berufungsverfahren auf die einzelnen Flurstücke aufschlüsseln könne. Hier sei jedoch ohnehin von einem Grundstück im beitragsrechtlichen Sinne auszugehen, da die Flurstücke eine wirtschaftliche Grundstückseinheit bildeten. Ohne das Flurstück F2.., das mit einer Größe von 3.958 m² auch für sich allein baulich genutzt werden könne, seien die übrigen Flurstücke aufgrund ihres Zuschnitts für sich allein betrachtet baulich nicht vernünftig nutzbar. Das Flurstück F6.. stelle mit der veranlagten Fläche von 310 m² die Zuwegung zu der auf dem Flurstück F2.. befindlichen Halle dar.

In Bezug auf das Flurstück Nr. F1 sei das Verwaltungsgericht unzutreffend davon ausgegangen, dass ein Hinterliegergrundstück (ausnahmslos) nicht gleichzeitig Anliegergrundstück einer anderen Straße sein könne. Das Sächsische Kommunalabgabengesetz setze für die Beitragserhebung aber nicht die Anliegereigenschaft voraus, sondern ausschließlich die Vorteilsvermittlung. Dementsprechend bestehe eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit nicht nur bei Hinterliegergrundstücken ohne weitere öffentliche Anbindung. Für die Vorteilsvermittlung und die Beteiligung an der Verteilung des Aufwands für die abzurechnende Straße sei vielmehr allein entscheidend, ob die Straße - werden die anderen Straßen hinweggedacht - von diesem Grundstück aus in Anspruch genommen werden könne. Die entgegenstehende Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts widerspreche zudem den verfassungsgrundsätzlichen Vorgaben des Beitrags als Sondervorteil für spezielle öffentliche Leistungen. Das Hinterliegergrundstück sei hier auch bereits wegen der Identität des Eigentümers von Anlieger- und Hinterliegergrundstück in die Verteilung des beitragsfähigen Aufwands einzubeziehen.

In der mündlichen Verhandlung vom 3.9.2008 hat die Beklagte ergänzend ausgeführt, dass ein Teil der Fläche des Flurstücks Nr. F6.. (522 m²) seit 1996 als öffentliche Straße gewidmet sei. Diese Fläche sei bei der Veranlagung der Flurstücke Nr. F2.., F3, F4.., F5.., F6.., F7.. und F8.. herausgerechnet worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 10. Mai 2005 - 6 K 1134/03 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, seiner Meinung nach fehle es an einer wirtschaftlichen Einheit der Flurstücke Nr. F3, F2.., F7.., F8.., F5.., F6.. und F4... Die auf dem Flurstück F2.. stehenden Gebäude würden von verschiedenen Mietern genutzt. Ohnehin rechtfertige selbst eine einheitliche Nutzung der Flurstücke nicht die Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit. Des weiteren entstehe dem Flurstück Nr. F1 durch die Sanierung der Straße kein wirtschaftlicher Vorteil. Bereits aus der tatsächlichen Nutzung - u. a. durch ein Beerdigungsinstitut - folge, dass die Erschließung des Flurstücks über den hinteren, nicht ausgebauten Teil der G...........straße erfolge. Dort lägen auch sämtliche Versorgungsleitungen an. Wegen der tatsächlichen Gegebenheiten spiele die potentielle Nutzungsmöglichkeit keine Rolle. Zudem sei das Flurstück Nr. F6.. als öffentliche Straße gewidmet worden, um eine Zuwegung für das Flurstück Nr. F1 zu schaffen, das lediglich mit einem Punkt am sanierten Teil der G...........straße anliege und schwerpunktmäßig über den hinteren, unsanierten Bereich der G...........straße erschlossen werde.

Nachdem während des Berufungsverfahrens mit Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 17.8.2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der früheren Klägerin eröffnet worden war, hat der Kläger als Insolvenzverwalter der früheren Klägerin mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19.6.2008 erklärt, dass er das Verfahren aufnehme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verfahrensakten sowohl des Zulassungs- als auch des Berufungsverfahrens, die Akte des Verwaltungsgerichts und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Die Prozessvoraussetzungen des Berufungsverfahrens sind erfüllt. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der T........................ GmbH durch Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 17.8.2006 ist das Recht, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, von der früheren Klägerin auf den in dem Beschluss bestellten Insolvenzverwalter übergegangen (§ 80 InsO). Der nunmehr prozessführungsbefugte Insolvenzverwalter hat dadurch im Berufungsverfahren die Stellung als Kläger erlangt. Er hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 19.6.2008 erklärt, das Verfahren aufzunehmen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die bis dahin andauernde Unterbrechung ist nunmehr beendet (§ 173 VwGO i. V. m. § 240 ZPO).

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Straßenausbaubeitragsbescheide der Beklagten vom 26.6.2000 in Gestalt der Widerspruchsbescheide des Landratsamtes Torgau-Oschatz vom 23.6.2003 zu Unrecht aufgehoben. Die Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die T........................ GmbH nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die T........................ GmbH konnte mit diesen Bescheiden als Eigentümerin der Flurstücke Nr. F2.., F3, F4.., F5.., F7.., F8.. und F6.. zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 10.395,19 DM (5.314,98 €) und als Eigentümerin des Flurstücks Nr. F1 zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 7.808,79 DM (3.992,57 €) herangezogen werden.

Kommunalabgaben, zu denen Straßenausbaubeiträge gehören, werden nach § 2 Satz 1 SächsKAG in der hier maßgeblichen Fassung bis zum Inkrafttreten des Art. 38 des Gesetzes zur Modernisierung der sächsischen Verwaltung und zur Vereinfachung von Verwaltungsgesetzen (Sächsisches Verwaltungsmodernisierungsgesetz - SächsVwModG) vom 5.5.2004 (SächsGVBl. S. 148, 160) - SächsKAG a. F. - aufgrund einer Satzung erhoben, die die Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie die Entstehung und die Fälligkeit der Abgabenschuld bestimmen. Allerdings entfällt nach § 28 Abs. 1 Satz 3 SächsKAG für Satzungen über Beiträge zu Verkehrsanlagen die Festsetzung eines Beitragssatzes. Die Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen von Verkehrsanlagen (Straßenbaubeitragssatzung) vom 29.5.1996 in der Fassung der Satzung zur 1. Änderung dieser Satzung vom 29.3.2000 ist eine solche Satzung. Deren Voraussetzungen sind bei der Veranlagung der T........................ GmbH erfüllt. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der Satzung hat der Senat nicht.

1. Mit der Veranlagung der Flurstücke Nr. F2.., F3, F4.., F5.., F7.., F8.. und F6.. zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 10.395,19 DM (5.314,98 €) hat die Beklagte nicht gegen den abgabenrechtlichen Grundsatz der Bestimmtheit verstoßen. Im vorliegenden Fall liegt kein formeller Mangel darin, dass die Beklagte nicht für jedes Flurstück einen Beitragsbetrag festgesetzt hat. Sie konnte hier einen einheitlichen Beitrag ohne interne Differenzierung festsetzen, da die veranlagten Flurstücke bei Entstehen der sachlichen Beitragspflicht eine wirtschaftliche Einheit bildeten.

Das Gebot inhaltlicher Bestimmtheit von Abgabenbescheiden (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, Nr. 4 Buchst. c SächsKAG i. V. m. § 119 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 2 AO) gebietet es, dass der Regelungsgehalt aus dem Verwaltungsakt eindeutig und exakt entnommen werden kann. Das Erfordernis inhaltlicher Bestimmtheit des Abgabenbescheides soll u. a. sicherstellen, dass der Betroffene erkennen kann, welcher Sachverhalt mit Abgaben belegt wird und die entstehende Abgabenschuld - sowie gegebenenfalls ein Eingreifen von Abgabenbefreiungen und -vergünstigungen, aber auch der Verjährung - für den Betroffenen ohne Weiteres feststellbar ist (für das Steuerrecht: BFH, Urt. v. 22.11.1995, BFHE 179, 177). Welche Anforderungen an die Angaben zur "Art" der Steuer zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BFH, a. a. O.; Rüsken in: Klein, AO, 8. Aufl., § 157 Rn. 10). Bei nicht periodischen Steuern ist zur hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit die nähere Konkretisierung des Steuergegenstandes unerlässlich (vgl. auch Tipke in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 157 AO Rn. 9). So muss in einem Abwasserbeitragsbescheid, der eine Beitragspflicht für ein einzelnes Grundstück festlegt, angegeben werden, hinsichtlich welches im Einzelnen bezeichneten Grundstückes die Abgabe entstanden sein soll (vgl. BFH, a. a. O., für die Grunderwerbssteuer sowie Rüsken, a. a. O.; vgl. auch Urt. des erkennenden Senats v. 12.7.2007 - 5 B 566/05 -, KStZ 2008, 135 - Heidenau III). Entsprechend sind Abwasserbeiträge nach der ständigen Rechtsprechung des Senates grundsätzlich für das Buchgrundstück festzusetzen.

Abweichungen vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff sind nur dann zulässig, wenn es nach dem Inhalt und Sinn des Beitragsrechts gröblich unangemessen wäre, den bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff zugrunde zu legen, z. B. weil das Buchgrundstück etwa bei unzureichender Größe allein nicht bebaubar wäre, zusammen mit angrenzenden Grundstücken desselben Eigentümers jedoch ohne weiteres baulich angemessen genutzt werden darf (BVerwG, Urt. v. 16.9.1998 - 8 C 8.97 -, zitiert nach juris, zu Erschließungsbeiträgen nach dem BauGB; Beschl. des erkennenden Senats vom 15.4.2008 - 5 BS 239/07 -, zitiert nach juris). Für Straßenausbaubeiträge gilt nichts anderes. Dieser Auffassung ist auch das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen, wenn es für die Erhebung von Straßenbaubeiträgen grundsätzlich von der Veranlagung des Buchgrundstücks ausgeht, im Falle einer Veranlagung mehrerer Flächen aufgrund einer wirtschaftlichen Einheit aber ein Mindestmaß an rechtlicher Zusammengehörigkeit der Flächen verlangt (OVG NRW, Urt. v. 15.3.2005, NWVBl. 2005, 317).

Die Flurstücke Nr. F2.., F3, F4.., F5.., F7.., F8.. und F6.. sind hier zu Recht zusammengefasst worden. Die zu einem Beitrag veranlagten Flächen sind infolge ihres Zuschnitts für sich nicht bebaubar. Bis auf das an den ausgebauten Teil der G...........straße anliegende Flurstück Nr. F2.. sind die Flurstücke schmal geschnitten und von geringer Größe. Auf dem 832 m² großen Flurstück Nr. F6.. befindet sich größtenteils eine öffentliche Wegefläche (522 m²). Bei diesen Gegebenheiten ist eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung jeweils nur gemeinsam mit anderen Flächen möglich. So ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte die Flurstücke - in Orientierung an die tatsächliche Nutzung - zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenfasst. Sie hat dazu in der mündlichen Verhandlung vom 3.9.2008 ausgeführt, die auf diesen Flurstücken befindlichen Gebäude würden als Werkstätten, Büros und Lagergebäude genutzt. Auf dem einzeln veranlagten Flurstück Nr. F1 befände sich dagegen ein Silogebäude. Diesem Vortrag hat der Kläger nicht widersprochen. Zwar wird weder im Bescheid vom 26.6.2000 noch im Widerspruchsbescheid vom 23.6.2003 explizit auf die wirtschaftliche Einheit hingewiesen. Die angenommene wirtschaftliche Einheit ist aber für die Klägerseite augenfällig und wird zudem daraus deutlich, dass die Beklagte die - außerhalb des Abrechnungsgebiets liegende - Fläche von 522 m² von der Gesamtfläche aller Flurstücke in Abzug gebracht hat und nicht von dem Flurstück Nr. F6... Des weiteren hat sie bei der Veranlagung einen einheitlichen Nutzungsfaktor angesetzt und einen Gewerbezuschlag erhoben. Eine Differenzierung des Beitrags nach den einzelnen Flurstücken war in diesem Fall nicht notwendig.

Die einheitliche Veranlagung im Falle einer bestehenden wirtschaftlichen Einheit ist zu unterscheiden von der - gesetzlich nicht ausdrücklich untersagten - Zusammenfassung mehrerer Abgabefälle in einem Bescheid. Erfolgt die Zusammenfassung dadurch, dass für jedes veranlagte Flurstück ein Beitrag festgesetzt wird, wird die Bestimmtheit des Bescheides nicht beeinträchtigt. Werden mehrere Abgabefälle in einer unaufgegliederten Festsetzung zusammengefasst und in einem Bescheid die Beitragsforderungen für mehrere Grundstücke in einem Betrag festgesetzt, kommt es entscheidend darauf an, ob im Wege der Auslegung eine entsprechende Zuordnung des Betrages auf die Grundstücke möglich ist (so auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.2.2008 - 9 S 26.07 -, zitiert nach juris, und OVG NRW, Beschl. v. 12.4.2007 - 15 A 100/07 -, zitiert nach juris; vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 76a). Steht eindeutig fest, welche Abgabefälle von dem Bescheid erfasst werden und besteht auch sonst keine Notwendigkeit zu einer Differenzierung, ist der Bestimmtheitsgrundsatz nicht verletzt (BFH, Urt. v. 22.11.1995, a. a. O.; OVG NRW, Beschl. v. 12.4.2007 - 15 A 100/07 -, zitiert nach juris). Im vorliegenden Fall kann jedoch wegen der gegebenen wirtschaftlichen Einheit dahinstehen, wie hoch der auf die einzelnen Flurstücke jeweils entfallende Beitrag ist.

2. Die Festsetzung eines Straßenausbaubeitrags in Höhe von 7.808,79 DM (3.992,57 €) für das Flurstück Nr. F1 ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Als Hinterliegergrundstück kommt diesem Grundstück im Hinblick auf den ausgebauten Teil der G...........straße eine vorteilsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit zu.

Ein Hinterliegergrundstück ist ein Grundstück, das durch ein Anliegergrundstück von der abzurechnenden Straße getrennt wird. Es ist zu unterscheiden zwischen sog. gefangenen und anderen Hinterliegergrundstücken. Die gefangenen Hinterliegergrundstücke haben ausschließlich über die jeweils vorgelagerten Anliegergrundstücke eine Verbindung zum gemeindlichen Verkehrsnetz. Die anderen Hinterliegergrundstücke liegen - aus der Sicht der abzurechnenden Verkehrsanlage - mit ihren rückwärtigen Teilflächen oder einer seitlichen Teilfläche an einer weiteren selbständigen Straße. Bei ihnen geht es lediglich um eine zusätzliche Erschließung durch die dem Anliegergrundstück vorgelagerte Verkehrsanlage (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 401a; s. auch ders. in: "Hinterliegergrundstücke bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands", KStZ 2007, S. 161 ff.). Das Flurstück Nr. F1 ist dieser Gruppe der anderen Hinterliegergrundstücke zuzuordnen. Es wird durch die - einer wirtschaftlichen Einheit mit anderen Flurstücken angehörenden - Flurstücke Nr. F3 und F2.. von der abzurechnenden Straße getrennt und liegt mit einer rückwärtigen Teilfläche an dem Flurstück Nr. F6.. an, auf dem sich eine öffentliche Wegefläche befindet. Zwar berührt ein Eckpunkt des Flurstücks Nr. F1 den ausgebauten Teil der G...........straße. Durch diese punktförmige Berührung wird das Grundstück aber nicht zum Anliegergrundstück dieser Verkehrsanlage.

Die von dem Flurstück Nr. F1 aus bestehende Inanspruchnahmemöglichkeit der ausgebauten Straße über das Flurstück Nr. F3 bzw. Nr. F2.. ist auch vorteilsrelevant im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG, weil aufgrund der Eigentümeridentität und der gegebenen räumlich engen Beziehung des Grundstücks zur ausgebauten Anlage angenommen werden kann, dass die Anlage von diesem Grundstück aus in stärkerem Umfang in Anspruch genommen werden wird als von anderen Grundstücken aus und dies zu einer Steigerung des Gebrauchswerts des Grundstücks führt. Dabei hängt die Annahme einer vorteilsrelevanten Inanspruchnahmemöglichkeit nicht davon ab, ob auch noch andere Straßen einen solchen Vorteil verschaffen. Für die Vorteilsvermittlung ist vielmehr grundsätzlich entscheidend, ob die Straße - werden die anderen Straßen hinweggedacht - von diesem Grundstück aus in Anspruch genommen werden kann. Das ist hier der Fall. Anders als bei gefangenen Hinterliegergrundstücken, bei denen grundsätzlich bereits die Eigentümeridentität die im Rahmen der Beitragserhebung geforderte hinreichend gesicherte Inanspruchnahmemöglichkeit gewährleistet, ist bei den anderen - bereits an eine Verkehrsanlage angrenzenden - Hinterliegergrundstücken allerdings zusätzlich eine Bewertung der vermittelten Inanspruchnahmemöglichkeit angezeigt. Ist die gebotene Inanspruchnahmemöglichkeit für ein (Hinterlieger-) Grundstück objektiv wertlos, weil nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist, dass von diesem Grundstück aus die ausgebaute Verkehrsanlage in einem relevanten Umfang in Anspruch genommen werden wird, hat dieses Grundstück aus der gebotenen Inanspruchnahmemöglichkeit keinen nennenswerten Vorteil und scheidet deshalb aus dem Kreis der bei der Aufwandsverteilung zu berücksichtigenden Grundstücke aus (OVG LSA, Urt. v. 3.4.2007 - 4 L 230/06 -, zitiert nach juris; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 401i ff., unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 30.5.1997, NVwZ-RR 1998, 67, zum Erschließungsbeitragsrecht).

Die hier gegebene Inanspruchnahmemöglichkeit des ausgebauten Teils der G...........straße ist nicht objektiv wertlos. Sie ermöglicht eine weitere Anbindung des Flurstücks Nr. F1 an das übrige Verkehrsnetz. Dieser Anbindung kommt hier schon deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil die G...........straße nicht durchgängig befahrbar ist und das Areal, in dem das Grundstück liegt, nur von zwei Richtungen aus angefahren werden kann. Durch die Möglichkeit, das Areal auch über den ausgebauten Teil der Straße zu erreichen, ist das Flurstück Nr. F1 optimal in das örtliche Verkehrsnetz eingebunden. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung zudem ausgeführt, dass die Anfahrtsmöglichkeit über den neu ausgebauten Teil auch genutzt werde. Bei der Anfahrt von der anderen Seite - über den nicht ausgebauten Teil der G...........straße - müsse auf dem Flurstück Nr. F6.. das Tor passiert werden, das die Wegefläche von der übrigen Grundstücksfläche abgrenze. Das Tor sei meistens geschlossen. Diesen Angaben hat der Kläger nicht widersprochen. Auch wenn das vom Kläger in der Berufungsbegründung angeführte Beerdigungsinstitut wegen der Nähe des Friedhofs die Anbindung über den hinteren Teil der G...........straße nutzt, führt dies für das Flurstück Nr. F1 nicht zu einer objektiven Wertlosigkeit der Anbindung über die ausgebaute Verkehrsanlage.

Der Senat weist darauf hin, dass beim Ausbau des anderen Teils der G...........straße die Ermäßigungsregelung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen von Verkehrsanlagen (Straßenbaubeitragssatzung) vom 29.5.1996 in der Fassung der Satzung zur 1. Änderung dieser Satzung vom 29.3.2000 zum Tragen kommen dürfte mit der Folge, dass dann nur 60 % der Nutzungsfläche zu berücksichtigen wären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.307,55 € (18.203,98 DM) festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 GKG in Übereinstimmung mit Ziffer 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, S. 1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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