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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 09.05.2005
Aktenzeichen: 5 B 477/04.A
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG § 60 Abs. 7 Satz 2
In der Bundesrepublik Deutschland geborene und aufgewachsene Kleinkinder (hier: 6-jähriges Kind) sind im Falle ihrer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo jedenfalls dann keiner die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG (früher: § 53 Abs. 6 AuslG) rechtfertigenden Extremgefahr hinsichtlich Malaria oder anderer tropischer Krankheiten ausgesetzt, wenn sie nach ihrer Rückkehr nicht gezwungen sind, in einem großstädtischen Slum zu wohnen, in dem die Trinkwasserversorgung nicht gewährleistet ist.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 AufenthG

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2005

am 9. Mai 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 12. August 2002 - A 7 K 30153/99 - wird geändert. Die Klage wird im Umfang der Berufungszulassung abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1998 in Leipzig geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo. Seine im Jahre 1963 und 1974 in Kinshasa geborenen Eltern stellten für ihn unter dem 2.12.1998 einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter. Eine Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge fand nicht statt.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge lehnte mit Bescheid vom 9.2.1999 den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und drohte dem Kläger die Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo an.

Am 1999 erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Leipzig. Seine Klage begründete er lediglich im Hinblick auf den Antrag auf Gewährung von Asyl.

Das Verwaltungsgericht Leipzig hob mit Urteil vom 12.8.2002 den Bescheid der Beklagten vom 9.2.1999 insoweit auf, als mit ihm die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 AuslG versagt wurde und dem Kläger die Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo angedroht wurde. Es verpflichtete die Beklagte festzustellen, dass in der Person des Klägers Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG hinsichtlich der Demokratischen Republik Kongo vorliegen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung des stattgebenden Teils seines Urteils führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Im Falle einer Abschiebung in sein Heimatland wäre der Kläger aufgrund der dort herrschenden katastrophalen Versorgungslage einer extremen konkreten Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt. Zum einen beruhe dies auf den katastrophalen Lebensbedingungen hinsichtlich Ernährung, Hygiene und medizinischer Versorgung in der Demokratischen Republik Kongo. Zum anderen ergebe sich eine extreme Gefahrenlage für den Kläger im Hinblick auf dessen Alter und bisheriges Lebensumfeld. Im Falle einer Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo bestehe ein hohes lebensbedrohliches Infektionsrisiko. Der Kläger sei in der Bundesrepublik Deutschland geboren und hätte deshalb keinen relativen Immunschutz gegen tropische Krankheiten, insbesondere gegen Malaria aufbauen können, der ihm helfen könnte, die ersten eigenen Infektionen zu überleben. In der Bundesrepublik Deutschland geborene und später abgeschobene Kinder müssten sich völlig unvorbereitet mit Infektionen auseinander setzen. Für ein in Deutschland geborenes und zunächst hier aufgewachsenes Kind bestehe ein schweres Erkrankungs- und Sterberisiko. Im Vergleich zu erwachsenen Rückkehrern stellten in der Bundesrepublik Deutschland geborene Kinder nicht nur deshalb eine besondere Risikogruppe dar, weil sie nicht auf ein "immunologisches Gedächtnis" zurückgreifen könnten, sondern auch deshalb, weil ihr sich entwickelndes Immunsystem noch nicht in gleichem Maße wie das ausgereifte Immunsystem des Erwachsenen Infektionen abwehren könne, bevor es zu schwerwiegenden Schäden bis hin zum Tode komme. Die damit bestehende extreme Gesundheits- und Lebensgefährdung des Klägers werde durch die katastrophale Situation im Gesundheitssektor entscheidend verschärft.

Auf Antrag des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (im Folgenden: der Bundesbeauftragte) hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, soweit darin unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 9.2.1999 in seinen Nummern 3 und 4 die Beklagte verpflichtet wird festzustellen, dass in der Person des Klägers Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG hinsichtlich der Demokratischen Republik Kongo vorliegen.

Der Bundesbeauftragte nimmt zur Begründung seiner Berufung Bezug auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren und trägt unter Berufung auf obergerichtliche Rechtsprechung vor, dass die Voraussetzungen für die Annahme einer extremen Rechtsgutgefährdung nicht vorlägen.

Der Bundesbeauftragte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 12. August 2002 - A 7 K 30153/99 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 26.7.2004 dem Senat mitgeteilt, dass er keinen Kontakt mehr zu seinem Mandanten habe. Eine Anfrage beim zuständigen Einwohnermeldeamt ergab, dass der Kläger und seine Eltern von Amts wegen nach "unbekannt" abgemeldet wurden.

Die Beklagte hat sich in der Sache nicht geäußert.

Das Asylverfahren der Eltern des Klägers ist mit Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17.5.2004 (A 5 B 265/04) rechtskräftig beendet. Die Anträge der Eltern auf Anerkennung als Asylberechtigte und Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG und § 53 AuslG wurden abgelehnt.

Dem Senat liegen die zur Sache gehörenden Akten der Beklagten (eine Heftung), die Akten des Verwaltungsgerichts Leipzig in dem Verfahren A 7 K 30153/99 sowie die Akten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts in dem Zulassungsverfahren A 5 B 746/02 vor. Auf sie sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten entscheiden, da sie in der ordnungsgemäßen Ladung darauf hingewiesen wurden (§ 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten ist zulässig. Die Bezugnahme auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren erfüllt die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.9.1999, NVwZ 2000, 67).

Die Berufung ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, im Hinblick auf den Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festzustellen, weil eine extreme Gefahr für sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit als allein geltend gemachte Tatsachengrundlage des im Berufungsverfahren streitigen Anspruchs aus dem im Zeitpunkt der Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts geltenden § 60 Abs. 7 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz -AufenthG) vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950) im Falle seiner Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht besteht.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift hebt allein auf das Bestehen einer konkreten, individuellen Gefahr für die genannten Rechtsgüter ab ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zuzurechnen ist. Macht der Ausländer geltend, von Gefahren betroffen zu sein, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der er angehört, allgemein ausgesetzt ist, werden diese gem. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auch dann nicht erfasst, wenn sie einzelne Ausländer konkret und in individualisierbarer Weise betreffen. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG werden Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, welcher der Ausländer angehört, in dem Staat allgemein ausgesetzt ist, bei Entscheidungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt. Nach dieser Bestimmung kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von sonstigen Ausländergruppen allgemein oder in einzelne Zielländer für längstens sechs Monate ausgesetzt wird (Satz 1); für längere Aussetzungen bedarf es des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern (Satz 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 AufenthG). Beruft sich der einzelne Ausländer auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig also nur im Rahmen eines generellen Abschiebungsstopps nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten.

Die "Allgemeinheit" der Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hängt nicht davon ab, ob sie sich auf die Bevölkerung oder bestimmte Bevölkerungsgruppen gleichartig auswirkt, wie das etwa bei Hungersnöten, Seuchen, Bürgerkriegswirren oder Naturkatastrophen der Fall sein kann. Die Sperrwirkung kann auch bei eher diffusen Gefährdungslagen greifen, etwa dann, wenn Gefahren für Leib und Leben aus den allgemein schlechten Lebensverhältnissen (soziale und wirtschaftliche Missstände) im Zielstaat hergeleitet werden. So weit es um den Schutz vor den einer Vielzahl von Personen im Zielstaat drohenden typischen Gefahren solcher Missstände (etwa Obdachlosigkeit, Lebensmittelknappheit, gesundheitliche Gefährdungen) geht, ist die Notwendigkeit einer politischen Leitentscheidung in gleicher Weise gegeben (zu der inhaltsgleichen Vorschrift des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG: BVerwG, Urt. v. 8.12.1998, BVerwGE 108, 77 [82 f.]; Urt. v. 12.7.2001, BVerwGE 115, 1 [4, 6]).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der inhaltsgleichen Vorschrift des § 53 Abs. 6 AuslG (Urt. v. 21.7.2001, NVwZ 2001, 1420; Beschl. v. 26.1.1999, NVwZ 1999, 668; Urt. v. 8.12.1998, aaO), der sich der Senat anschließt, dürfen das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und die Verwaltungsgerichte im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dem einzelnen Ausländer trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 2, § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.

Ob eine aus einer allgemeinen Gefahr erwachsene extreme Gefahrenlage vorliegt, ist stets mit Blick auf sämtliche einem Ausländer drohenden Gefahren zu beurteilen. Dabei geht es allerdings nicht um eine "mathematische" oder "statistische" Summierung von Einzelgefahren; vielmehr ist jeweils eine einzelfallbezogene umfassende Bewertung der aus der allgemeinen Gefahr für den Ausländer folgenden Gesamtgefährdungslage vorzunehmen, um auf dieser Grundlage über das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage entscheiden zu können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.9.1999 Buchholz 402, 214 § 53 AuslG Nr. 17; Urt. v. 19.11.1996 NVwZ 1997, 685). Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der erforderlichen Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist gegenüber dem im Asylrecht entwickelten Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage allerdings einer strengerer Maßstab anzulegen. Die allgemeine Gefahr muss sich für den jeweiligen Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit verwirklichen. Nur dann rechtfertigt sich die Annahme eines aus den Grundrechten folgenden zwingenden Abschiebungshindernisses, dass die gesetzliche Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG beseitigen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.11.1996, aaO und Urt. v. 12.7.2001, BVerwGE 115, 1).

Geboten ist die verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG immer dann, wenn der einzelne extrem gefährdete Asylbewerber ansonsten gänzlich schutzlos bliebe, d.h. wenn seine Abschiebung in den Zielstaat ohne Eingreifen des Bundesamtes oder der Verwaltungsgerichte tatsächlich vollzogen würde. Die verfassungskonforme Anwendung ist mit Rücksicht auf das gesetzliche Schutzkonzept aber auch dann zulässig, wenn der Abschiebung zwar anderweitige - nicht unter § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 Satz 1 oder § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG fallende - Hindernisse entgegenstehen, diese aber dem Ausländer nach der Rechtswirkung keinen gleichwertigen Schutz bieten. Ein anderweitiger Schutz ist deshalb nur dann gleichwertig, wenn er dem entspricht, den der Ausländer bei Vorliegen eines Erlasses nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG hätte oder den er bei Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erreichen könnte. Die Zuerkennung von Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG setzt somit neben dem Vorliegen einer extremen Gefahrenlage das Nichtbestehen eines anderweitigen gleichwertigen Abschiebungsschutzes voraus (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.7.2001, aaO).

Der Kläger verfügt zwar nicht über einen solchen anderweitigen gleichwertigen Abschiebungsschutz. Die Zuerkennung von Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheidet aber aus, weil eine extreme Gefahrenlage nicht vorliegt, welcher der Kläger bei einer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo ausgesetzt wäre.

Der Kläger begehrt Abschiebungsschutz im Hinblick auf die typischen Folgen der schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen in der Demokratischen Republik Kongo (mangelhafte Versorgungslage, unzureichendes Gesundheitssystem, Arbeitslosigkeit, wie Unternährung, Krankheit und Tod).

Eine vom Verwaltungsgericht Leipzig angenommene Extremgefahr infolge der schlechten Versorgungslage in der Demokratischen Republik Kongo lässt sich für den Kläger nicht feststellen. Er würde nicht unmittelbar nach seiner Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo aufgrund der dort herrschenden, die allgemeinen Lebensbedingungen (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) prägenden Versorgungslage, in eine extreme Gefährdungslage geraten, die ihn mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit dem sicheren Tode oder schwersten Verletzungen ausliefern würde. Der Kläger stammt aus Kinshasa und kann nur auf dem Luftwege über den Flughafen von Kinshasa abgeschoben werden. Deshalb beschränkt sich die Prüfung des Senats auf die Lebensbedingungen im Großraum dieser Stadt, in der die Situation ohnehin besser ist als in den übrigen Landesteilen. Der Kläger kann nur zusammen mit seinen Eltern in die Demokratische Republik Kongo abgeschoben werden. Deren Begehren, ihnen Abschiebungsschutz nach der damals geltenden Vorschrift des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren, wurde vom erkennenden Senat mit Urteil vom 17.5.2004 (A 5 B 265/04) abgelehnt. Der Senat hat in seinem Urteil vom 17.5.2004 u.a. ausgeführt:

"Der Senat vermag nicht festzustellen, dass ein abgeschobener Asylbewerber im Großraum Kinshasa mangels jeglicher Lebensgrundlage in eine extreme Gefahrenlage geriete und dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert wäre. Diese Einschätzung gilt jedenfalls für den Normalfall eines im Wesentlichen gesunden Menschen, der sich nach seiner Abschiebung aufgrund seines längeren Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland in einem gutem Ernährungszustand befindet.

Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen herrscht in der Region Kinshasa keine allgemeine Hungersnot, bei der einem großen Teil der Bevölkerung "mangels jeglicher Lebensgrundlage" der baldige sichere Hungerstod droht. Es ist auch nicht erkennbar, dass gerade im Großraum Kinshasa eine besonders schlechte Lebensmittelversorgung bestünde. Allerdings besteht eine angespannte Versorgungslage mit Lebensmitteln. Die Hauptursache hierfür ist das Fehlen hinreichender Transportmöglichkeit aus den fruchtbaren Agrarprovinzen in die Stadt. Die Verbindungsstraße in den Bandundu und zur Hafenstadt Matadi sowie die Eisenbahnverbindung dorthin sind in desolatem Zustand. Die Flussschifffahrt auf dem Kongo in die Ostprovinzen ist seit Jahren kriegsbedingt unterbrochen. Gegenwärtig gibt es verstärkte Bemühungen, den Kongo entsprechend einschlägiger VN-Sicherheitsrats-Resolutionen wieder für die Schifffahrt zu öffnen. Die MONUC (VN-Mission im Kongo) hat in geringem Umfang die Flussschifffahrt von Kinshasa in die Rebellengebiete zur humanitären Lebensmittelversorgung wieder eröffnet. Daneben verkehren regelmäßig kleinere Transportboote zwischen dem Bandundu und Kinshasa. In Ergänzung dazu versucht die Bevölkerung in Kinshasa, mit städtischer Kleinstlandwirtschaft und Kleinviehhaltung die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln zu sichern. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist für die Bevölkerung in Kinshasa schwierig. Dank verschiedener Überlebensstrategien herrscht jedoch keine akute Unterversorgung wie etwa in anderen Hungersgebieten in Afrika (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4.8.2003, Stand: Juli 2003).

Eine im September 2001 veröffentlichte Untersuchung der landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Kinshasa zur Ernährungssituation in Kinshasa ergab u.a., dass z.B. von 611 Haushalten in Kinshasa in einem Untersuchungszeitraum von drei Monaten 22 % der Haushalte eine Mahlzeit, 61,1 % zwei und 16,1 % drei Mahlzeiten pro Tag zu sich nehmen konnten. Von 598 Haushalten hatten 14,1 % im Untersuchungszeitraum eine gesteigerte Menge Lebensmittel zur Verfügung gehabt, 59,1 % weniger, bei 26,8 % lag die Menge der konsumierten Lebensmittel über drei Monate gleich. Diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Versorgung mit Lebensmitteln für die Bevölkerung in Kinshasa im Herbst 2001 schwierig war, das aber dank verschiedener Überlebensstrategien keine akute Unterversorgung herrschte. In den Armutsvierteln von Kinshasa, Kimbanseke und Selemba waren im Februar 2001 12 % der Kinder unter fünf Jahren latent unterernährt, unter akuter Unterernährung litten 2,6 % (Auswärtiges Amt vom 16.5.2002 an VG München - 508 - 516.80/39442). OCHA, die humanitäre Koordinierungsorganisation der Vereinten Nationen, kam im Februar 2002 zu dem Ergebnis, dass dank der Anpassungsfähigkeit der Menschen im informellen Nahrungssektor eine befürchtete akute Mangelsituation im Großraum Kinshasa ausgeblieben ist. Hier variiert die allgemeine (zu unterscheiden von akuter/schwerer) Unterernährungsrate zwischen 10 und 20 %.

In Kinshasa gibt es Volkskantinen, in denen die völlig Mittellosen mit dem Nötigsten versorgt werden (Auswärtiges Amt vom 16.6.2001 an VG München). Versorgungsengpässe werden vor allem durch die traditionelle Solidarität und gegenseitige Unterstützung im Familienverband aufgefangen (UNHCR vom 22.4.2002 an VG Gelsenkirchen).

Ausgehend von den oben dargestellten Kriterien fehlt jede Grundlage für die Prognose, gerade die Kläger werden mit hoher Wahrscheinlichkeit mangels jeglicher Lebensgrundlage bald nach der Rückkehr an Hunger sterben. Die Kläger haben vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge angegeben, dass ihre Eltern in Kinshasa lebten. Sie verfügen somit über einen familiären Rückhalt, der es ihnen ermöglicht, eine die Gefahr des Hungertodes ausschließende Lebensgrundlage zu finden."

Der Senat macht sich seine Ausführungen in dem vorgenannten Urteil auch im vorliegenden Verfahren zu Eigen, soweit es um die Einschätzung der Prognose geht, ob der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit mangels jeglicher Lebensgrundlage bald nach der Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo an Hunger sterben wird. Aus den Gründen der vorgenannten Entscheidung besteht eine derartige Gefahr auch für den Kläger nicht. Etwas anderes folgt auch nicht aus seinem Alter. Hier ist darauf abzustellen, dass sich sein Schicksal insoweit nicht von dem seiner Eltern unterscheiden wird mit der Folge, dass es im Hinblick auf den familiären Rückhalt seiner Eltern auch ihm möglich ist, eine die Gefahr des Hungertodes auszuschließende Lebensgrundlage zu finden.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Kläger im Falle seiner Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo auch nicht einem extremen Krankheits- und Sterberisiko ausgesetzt. Der Senat macht sich auch insoweit die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 17.5.2004 zu Eigen. Der Senat hat hierzu ausgeführt:

"Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts vermag der Senat auch ein extremes Krankheits- und Sterberisiko von in die Demokratische Republik Kongo zurückkehrenden Asylbewerbern nicht zu erkennen.

Es gibt keine Erkenntnisse über Seuchen oder Epidemien in der Demokratischen Republik Kongo mit einem akuten Sterberisiko für weite Teile der Bevölkerung. An den typischen Infektionskrankheiten und parasitären Erkrankungen in den der Demokratischen Republik Kongo vergleichbaren afrikanischen Ländern sterben pro Jahr 997 von 100.000 Einwohnern, also etwa 1 % (Gutachten von Dr. Thomas Junghanss vom 9.2.2001 für den VGH Baden-Württemberg). Hierbei ist zu beachten, dass mehr als die Hälfte der Sterbefälle - nämlich 514 von 100.000 Einwohnern pro Jahr - auf einer HIV-Infektion beruhen, also einer Krankheit, die nicht in vergleichbarem Maße unausweichlich ist wie die anderen im Gutachten Dr. Junghanss genannten Krankheiten. Nach den vorliegenden Erkenntnissen bestehen - abgesehen von der individuellen körperlichen Konstitution und der malariaspezifischen Gefahr, für die Besonderheiten gelten - folgende typische Risikofaktoren:

In der Demokratischen Republik Kongo existiert kein Krankenversicherungssystem. Bei abhängig Beschäftigten zahlen in der Regel die Arbeitgeber die Behandlungskosten. Allerdings beträgt, wie der Senat bereits oben ausgeführt hat, die Arbeitslosenquote 90 %. In dieser Situation ist die finanzielle Lage und der Umstand von Bedeutung, ob Bindungen an eine Großfamilie bestehen, die ggf. doch die Kosten einer Behandlung übernehmen kann. Das gesundheitliche Risiko wird durch das Fehlen jeglicher finanzieller Mittel und fehlende familiäre Bindungen erhöht (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement - Bundesamt für Flüchtlinge vom 5.10.2001). Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine ärztliche Erstversorgung auch mittellosen Patienten gewährt wird, die keine Unterstützung durch die eigene Familie erlangen können und dass die Möglichkeit der Kostenübernahme durch kirchliche oder sonstige karitativ tätigen Organisationen besteht. 70 % der Gesundheitszentren in Kinshasa gehören den Kirchen (sachverständige Aussage von Dr. Clemens Ochel vom 27.6.2002, gegenüber dem VG Frankfurt, S. 15).

Das gesundheitliche Risiko wird wesentlich auch durch die Wohnverhältnisse bestimmt. In den Randgebieten Kinshasas bestehen schlechte hygienische Verhältnisse. Dort gibt es keine Entwässerung und keine Versorgung mit Wasser, das in etwa Trinkwasserqualität aufweist. Dadurch erhöht sich das Risiko einer Malariainfektion und von Durchfallerkrankungen beträchtlich (Dr. Ochel, aaO, S. 3, 7 und 11).

Weiter ist das Alter für das Ausmaß der gesundheitlichen Gefährdung von Bedeutung. Die Bevölkerung ab 50 Jahren ist von Infektionskrankheiten stärker betroffen, weil die Leistungsfähigkeit des Abwehrsystems zunehmend nachlässt (Dr. Ochel, aaO, S. 6). Besondere Risiken bestehen ferner für Kinder bis zum Alter von fünf Jahren. Ausweislich des Gutachtens Dr. Junghanss vom 9.2.2001 sterben in Ländern der Kategorie 5 (einschließlich der Demokratischen Republik Kongo) von 1.000 Kindern bis zum Alter von fünf Jahren 170 (männlich) bzw. 153 (weiblich). Die Weltgesundheitsorganisation gibt speziell für die Demokratische Republik Kongo die Kindersterblichkeit bis zum Alter von fünf Jahren sogar mit 218 (männlich) bzw. 205 (weiblich) an. Für die hohe Sterbewahrscheinlichkeit sind nach den vorliegenden Erkenntnissen vor allem folgende Risikofaktoren von Bedeutung: Mangel- und Fehlernährung können sich in diesem Alter schädlicher auswirken (Dr. Ochel, aaO, S. 7; Dr. Junghanss vom aaO, S. 15). Generell ist das sich erst entwickelnde Immunsystem von Kindern in diesem Alter nicht in gleichem Maße in der Lage, Infektionen abzuwehren, bevor es zu schwerwiegenden Schäden bis hin zum Tode kommt; der Krankheitsverlauf im Falle einer Infektion ist in den ersten fünf Lebensjahren komplizierter als bei älteren Kindern oder Erwachsenen (Dr. Junghanss vom aaO, S. 14; Dr. Ochel, aaO, S. 7 und 11). Haupttodesursachen in den ersten Lebensjahren sind Atemwegs- und Durchfallerkrankungen. Episoden von Durchfallerkrankungen sind im Kindesalter besonders häufig und bedrohen die Kinder stark, weil sie sehr austrocknen. Man geht deshalb davon aus, dass Kinder bis zum Alter von fünf Jahren ungefähr 20 lebensbedrohliche Durchfallinfektionen durchmachen (Dr. Ochel, aaO, S. 7 und 11). Die Gefährdung Schwangerer ist wegen der schwangerschaftsbedingten Immunsuppression derjenigen von Kleinkindern vergleichbar (sachverständige Aussage von Dr. Junghanss vom 6.11.2002 gegenüber dem VGH Baden-Württemberg).

Hiervon ausgehend kann für die Kläger nicht von einer Extremgefahr ausgegangen werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie nach ihrer Rückkehr mangels finanzieller Mittel in einem Slum wohnen müssten und von der gesundheitlichen Versorgung ausgeschlossen wären. Auch kommen weitere Risikofaktoren von Bedeutung im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Insbesondere besteht für die nunmehr 42- und 29-jährigen Kläger keine altersspezifische Gefährdung. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass Rückkehrer in die Demokratische Republik Kongo hinsichtlich Magen-Darm-Infektionen ein erhöhtes Risiko gegenüber der einheimischen Bevölkerung tragen, weil sie sich erst - wieder - an die dortige Keimflora gewöhnen müssen (Dr. Ochel, aaO, S. 11; Institut für Afrika-Kunde vom 19.3.2002 an VG München, S. 3). Dies vermag die Prognose einer Extremgefahr nicht zu begründen. Wie der Senat bereits oben dargelegt hat, trifft dieses Risiko vor allem Kinder bis zu fünf Jahren, weniger dagegen Erwachsene.

Die Kläger können für sich auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie als Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefen, alsbald an Malaria zu sterben, weil ihre in der Demokratischen Republik Kongo erworbene Teilimmunität während des Auslandsaufenthaltes verloren gegangen sei. Der Senat vermag auch insoweit eine Extremgefahr nicht zu erkennen.

Bei fehlender Teilimmunität ist von einer um ein Mehrfaches gesteigerten Gefährdung auszugehen. Innerhalb des ersten Lebensjahrzehnts baut sich in Malaria-Übertragungsgebieten infolge der anhaltenden Exposition gegenüber Malaria-Erregern eine so genannte Semi-Immunität auf, die das Erkrankungsrisiko mindert bzw. einen schweren Krankheitsverlauf verhindert (Dr. Junghanss vom 6.11.2002, Dr. Ochel, aaO, S. 4 und 8). Dabei ist die Schutzwirkung der Semi-Immunität beträchtlich. Dies zeigt sich daran, dass 90 % aller Malaria-Toten Kinder sind, die noch nicht über eine - voll ausgebaute - Semi-Immunität verfügen (Dr. Junghanss, aaO). Die malariaspezifische Sterblichkeitsrate liegt für Kinder von ein bis vier Jahren mit etwa 1 % um das 6,6-fache höher als diejenige für die Gesamtbevölkerung (Dr. Junghanss vom 9.2.2001: Insgesamt 134 von 100.000 Einwohnern pro Jahr). Es ist weiter davon auszugehen, dass eine einmal erworbene Semi-Immunität nach längerem Aufenthalt außerhalb eines Malaria-Übertragungsgebietes - wie er hier vorliegt - wieder verloren geht (Dr. Junghanss vom 15.10.2001, S. 7 ff.; Dr. Ochel, aaO, S. 3 f. und 10 f.).

Die Altersgruppe der ein- bis vierjährigen in der Demokratischen Republik Kongo lebenden Kinder kann im Wesentlichen als Referenzgruppe für die spezifische Malaria-Gefährdung der Gruppe der Rückkehrer genommen werden (Dr. Junghanss vom 6.11.2002). Der bessere Ernährungszustand der Rückkehrer wird dadurch aufgewogen, dass auf die in der Demokratischen Republik Kongo geborenen Säuglinge über die Muttermilch Schutzstoffe gegen Malaria übertragen werden dürften (Dr. Junghanss, aaO, S. 5). Wie bereits oben dargelegt, beträgt die malariaspezifische Sterblichkeit der Altergruppe von einem bis zu vier Jahren etwa 1 %. Im Hinblick darauf käme eine Extremgefahr allenfalls dann in Betracht, wenn es sichere und besonders gewichtige Anhaltspunkte dafür gäbe, dass gerade die Gruppe der Rückkehrer ein viel höheres Risiko trifft, an Malaria zu sterben, als die in der Demokratischen Republik Kongo lebenden Kinder im Alter von einem bis zu vier Jahren. Solche Anhaltspunkte sind aber nicht erkennbar. Zwar kann das malariaspezifische Sterberisiko insbesondere dann sprunghaft steigen, wenn Durchfallerkrankungen aufgrund verseuchten Wassers hinzukommen (Dr. Junghanss, aaO, S. 7). Es besteht, wie der Senat bereits ausgeführt hat, insoweit aufgrund fehlender Gewöhnung an die Keimflora jedoch ein gesteigertes Risiko insbesondere für Kleinkinder, die von außen in das Erregergebiet kommen, nicht hingegen für Erwachsene (Dr. Junghanss, aaO, S. 7).

In die Demokratische Republik Kongo zurückkehrende Asylbewerber können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie würden bei einer Malaria-Erkrankung nicht adäquat behandelt werden, weil in den Gesundheitseinrichtungen davon ausgegangen werde, dass sie über eine Semi-Immunität verfügen würden. Dieser Gesichtspunkt ist bereits deshalb nur von eingeschränktem Gewicht, weil die Diagnose und Therapie der Malaria in der Demokratischen Republik Kongo ohnehin als komplett inadäquat anzusehen ist (Dr. Junghanss, aaO, S. 4). Rückkehrern ist es zudem zuzumuten, offen zu legen, dass sie sich längere Zeit im Ausland aufgehalten haben und daher möglicherweise nicht mehr über den Schutz der Semi-Immunität verfügen. Da hiervon das Überleben abhängen kann, kann es nicht ausschlaggebend sein, dass die behandelnden Ärzte den Rückkehrer dann möglicherweise als vermögend ansehen (Dr. Ochel, aaO, S. 15; vgl. BVerwG, Urt. v. 2.9.1997, BVerwGE 105, 187 [194] zur Obliegenheit des Ausländers, drohenden Gefahren durch zumutbares eigenes Verhalten zu begegnen). Es kann deshalb nicht festgestellt werden, dass jeder Rückkehrer einem Sterberisiko unterliegt, welches gegenüber demjenigen der in der Demokratischen Republik Kongo lebenden Kleinkindern drastisch gesteigert wäre.

Es kommt hinzu, dass Rückkehrer im Zusammenhang mit der Gewährung von Abschiebungsschutz darauf verwiesen werden können, das malariaspezifische Risiko durch vorbeugende Maßnahmen nochmals erheblich zu senken, auch wenn eine solche Vorsorge von der einheimischen Bevölkerung weithin nicht praktiziert wird. Der Senat lässt dabei dahingestellt, ob Rückkehrer auf eine den (Wieder-)Aufbau der Semi-Immunität begleitende Malaria-Prophylaxe mit dem in der Demokratischen Republik Kongo leicht verfügbaren und preiswerten Medikament "Fansidar" verwiesen werden könnten (in diese Richtung: Dr. Ochel, aaO, S. 8 f.). Der Gutachter Dr. Junghanss (aaO, S. 3) hält allerdings eine solche Prophylaxe für nicht verantwortbar, weil auf diese Weise das für die Malaria-Prophylaxe in der Demokratischen Republik Kongo bedeutsame Medikament infolge Resistenzentwicklung in kurzer Zeit entwertet würde. Entscheidend gemindert wird das Malaria-Risiko nach den Ausführungen des Gutachters jedenfalls durch Verwendung eines imprägnierten Moskito-Netzes, wobei die Imprägnierung etwa einmal jährlich erneuert werden muss, eine Maßnahme, die nach Angaben von Dr. Junghanss in der Demokratischen Republik Kongo häufig nicht befolgt wird. Die Zahl infektiöser Stiche und damit das Risiko "klinisch relevanter Stadien der Malaria" kann dadurch um etwa die Hälfte gesenkt werden (Dr. Junghanss, aaO, S. 1 f.). Nach Überzeugung des Senats können gerade Rückkehrer, die lange im Bundesgebiet gelebt haben, bei Kosten von etwa zwei bis fünf Euro für ein Moskito-Netz und von zwei bis drei Euro für die Imprägnierung (Dr. Ochel, aaO, S. 14) ohne weiteres auf eine solche vorbeugende Maßnahme verwiesen werden.

Nach allem fehlt hinsichtlich der Kläger die Grundlage für die Prognose, sie würden im Falle der Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit an Malaria sterben.

Es besteht auch nicht die extreme Gefahr, die Kläger würden malariabedingt schwerste Verletzungen erleiden. Zwar ist sicher, dass Rückkehrer, die ihre Semi-Immunität verloren haben, in Malaria-Gebieten bald mit einer schweren Malaria rechnen müssen (Dr. Junghanss, aaO, S. 6). Eine schwere Malaria kann auch bleibende Schäden zur Folge haben. Das Risiko von Spätschäden infolge einer schweren Malaria liegt indessen etwa bei 10 bis 20 %. Dabei handelt es sich auch keineswegs stets um schwerwiegende Schäden, wie etwa Erblindung und Lähmung, zumal wenn berücksichtigt wird, dass jedes Kind in einem Malaria-Gebiet eine schwere Malaria durchmacht (Dr. Junghanss, aaO, S. 5 und 7).

Damit kann auch eine extreme Gefahr "schwerster Verletzungen" nicht festgestellt werden."

Eine andere Beurteilung ist hier nicht deshalb angezeigt, weil der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland geboren wurde. Es besteht auch für ihn keine Gefahr in dem oben dargelegten Sinne, an Malaria zu erkranken und zu sterben.

Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 17.5.2004 ausgeführt, dass die Ansteckungsgefahr bei Rückkehrern in die Demokratische Republik Kongo höher als bei den im Kongo lebenden Menschen ist, die über eine gewisse Semi-Immunität verfügen. Die Semi-Immunität bedeutet nach der Aussage des Tropenmediziners Ochel vom 27.6.2002 in dem Verfahren des Verwaltungsgerichts Frankfurt (4 E 30155/98.A[3], S. 3 bis 9) keinen generellen Schutz, sondern mindert nur das Risiko von Ansteckung und schwerem Verlauf um ungefähr 30 %. Die Semi-Immunität kann schon nach wenigen Wochen nachlassen, geht aber jedenfalls bei einem Aufenthalt von einem halben bis einem ganzen Jahr außerhalb der Malariagebiete verloren. Rückkehrer in die Demokratische Republik Kongo aus Deutschland haben in aller Regel - und so auch hier bei einem in Deutschland geborenen Kind - keine Semi-Immunität gegen Malaria. Über die dann bestehende Ansteckungsgefahr mit Malaria liegen tropenmedizinische Vergleichsuntersuchungen an Touristen ohne Malariaprophylaxe vor, denen man die Rückkehrer allenfalls gleichstellen kann. Nach diesen Untersuchungen erkranken von 1.000 Touristen, die ohne Malariaprophylaxe in Malariagebiete reisen und sich dort einen Monat lang aufhalten, drei bis zehn an Malaria (also bis 1 %). Das Risiko liegt bei Kindern deutlich höher und auch die ältere Bevölkerung ab ungefähr 50 Jahre ist stärker betroffen. Die Sachverständigenaussage des Tropenmediziners Ochel differenziert nach Altersgruppen von Rückkehrern. Da die in der Demokratischen Republik Kongo wohnenden Kleinkinder bis zu 5 Jahren in dieser Lebenszeit auch erst anfangen, ihren Immunschutz aufzubauen, ist das Erkrankungs- und Sterberisiko bei rückkehrenden Kindern - wie hier - im Alter bis zu 5 Jahren nicht wesentlich höher als bei dort wohnenden Kindern, wobei jedoch auf der anderen Seite das besonders hohe Sterberisiko in dieser Altersgruppe ins Gewicht fällt. In der nächsten Altersgruppe zwischen 5 und 15 Jahren haben die rückkehrenden Kinder ein höheres Risiko als die gleiche Altersgruppe im Land, haben indessen aufgrund ihres ausgereiften Immunsystems bessere Lebenschancen als die jüngeren Rückkehrerkinder (Sachverständigenaussage Ochel vom 27.6.2002, S. 11). Von Bedeutung ist, dass die Malaria zu den Krankheiten gehört, die im Kongo bekämpft werden. Es sind Malariamedikamente erhältlich (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28.5.2004, S. 33).

Nach der Sachverständigenaussage des Gutachters Ochel gibt es im ganzen Kongo Gesundheitszentren, in denen nicht nur die Ärzte, sondern auch die Schwestern und Pfleger in der Behandlung von Malaria, einem weit verbreiteten Gesundheitsproblem des Kongo, ausgebildet sind. Fieberhafte Erkrankungen werden im Kongo im Zeifel immer auf Malaria behandelt und Medikamente sind, wenn auch teilweise aus unsicherer Herstellung, vorhanden (Sachverständigenaussage Ochel vom 27.6.2002, S. 9/10).

Wie weit sich das Sterberisiko für Rückkehrer gegenüber der dort wohnenden Bevölkerung insgesamt erhöht, beantwortet der Sachverständige Ochel nicht generell, sondern macht es insbesondere von dem Umgang mit der Erkrankung abhängig, von einer frühzeitigen Erkennung und Behandlung der Malaria, den eingesetzten Medikamenten sowie dem Wohnort in einem normalen Wohnviertel in Kinshasa oder einem Slumviertel (Sachverständigenaussage Ochel, S. 11/12). Daraus folgt, dass das Sterberisiko für Rückkehrer aller Altersgruppen und damit auch Kindern von konkreten Umständen abhängt, die sich einer generellen Betrachtung entziehen. Bei der hier nur möglichen Abschiebung im Familienverband wäre bei konkreter Betrachtung beispielsweise auch die Fähigkeit der Eltern zur Beschaffung des Lebensunterhalts und einer Wohnung in Kinshasa zu würdigen. Vom Bestehen dieser Fähigkeit ist aus den Gründen des Urteils des erkennenden Senats vom 17.5.2004 in dem Verfahren der Eltern des Klägers auszugehen. Dies bedeutet, dass die Rückkehr des Klägers in die Demokratische Republik Kongo mit Blick auf die Möglichkeit einer Malariaansteckung nicht zwangsläufig darauf hinausläuft, ihn gleichsam sehenden Auges alsbald dem sicheren Tod oder schwersten Gesundheitsbeeinträchtigungen auszuliefern.

Diese Auffassung wird bestätigt durch die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 14.4.2005 an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Az.: 508-516.80/43623). Das Auswärtige Amt stützt sich in seiner Auskunft auf eine Stellungnahme eines Mitarbeiters der Abteilung für Sozialwesen der Universität Kinshasa (UNIKIN), wonach im Allgemeinen weder für Säuglinge noch für Kleinkinder, die nicht in Slums wohnen, sondern die ihren Aufenthalt in Stadtvierteln nehmen können, in denen eine Trinkwasserversorgung gewährleistet ist, die Gefahr besteht, alsbald nach ihrer Rückkehr nach Deutschland lebensgefährlich zu erkranken. Zur Vorbeugung des Ausbruchs von Krankheiten im Falle der Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo empfiehlt der Arzt entsprechende Schutzimpfungen. Diese sind in der Bundesrepublik Deutschland möglich und vermindern damit noch in weiterem Umfang die Gefahr einer lebensbedrohlichen Krankheit wie Malaria oder andere tropische Erkrankungen.

Nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen ist der Kläger im Falle seiner Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo auch nicht gezwungen, in einem Slum zu wohnen, in dem die Trinkwasserversorgung nicht gewährleistet ist.

Aus den o.g. Gründen kann somit eine die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründende extreme Gefahr nicht festgestellt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten in erster Instanz trägt dieser selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO in analoger Anwendung). Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b Abs. 1 AsylVfG).

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.

Ende der Entscheidung

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