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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 20.04.2005
Aktenzeichen: 5 B 585/03
Rechtsgebiete: SächsWG, SächsGemO


Vorschriften:

SächsWG § 63 Abs. 2
SächsGemO § 4 Abs. 3
SächsGemO § 9 Abs. 2
1. Eine Satzung ist nichtig, wenn es dem Satzungsgeber im Zeitpunkt der Beschlussfassung an einer Satzungskompetenz fehlte. Aus dem Gesichtspunkt der "Vorwirkung" voraussichtlich in der Zukunft wieder zustehender Satzungskompetenz ergibt sich nichts anderes.

2. Unbestimmtheit einer aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt der "Rechtskraft" eines Auflösungsbeschlusses abstellenden In-Kraft-Tretens-Regelung.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 5 B 585/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Abwassergebühren

hier: Berufung

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik

am 20. April 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 9. Dezember 2002 - 6 K 741/00 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Berufung gegen die Aufhebung ihres Abwassergebührenbescheides durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 9.12.2002.

Die Aufgabe der Abwasserbeseitigung wurde bis zum 31.12.1998 für die Beklagte durch den Abwasserzweckverband "Untere Dahle" wahrgenommen. Ab dem 1.1.1999 nahm die Beklagte die Aufgabe selber war. Hierzu beschloss der Stadtrat der Beklagten am 10.12.1998 eine Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung (Abwassersatzung - AbwS), welche am 1.1.1999 in Kraft treten sollte. Zu ihrem In-Kraft-Treten enthielt sie folgende Regelung:

"§ 54 Inkrafttreten

(1) ...

(2) Diese Satzung tritt unmittelbar nach Rechtskraft der Auflösung des Abwasserverbandes "Untere Dahle" in Kraft. Die in der Stadtratssitzung am 5.6.1998 beschlossene Satzung über die Abwasserbeseitigung wird gleichzeitig gegenstandslos."

Im Anschluss an mehrere Vorauszahlungsbescheide setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 22.2.2000 eine Abwassergebühr für das Jahr 1999 in Höhe von 407,27 DM fest. Gleichzeitig erhob sie mit diesem Bescheid Abwassergebühren für den Zeitraum vom 1.1.2000 bis zum 3.1.2000 in Höhe von 4,70 DM.

Seinen hiergegen am 25.2.2000 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger mit der Auffassung, nicht an das Kanalnetz der Beklagten angeschlossen zu sein. Sein Abwasser werde durch eine private Kläranlage gereinigt und versickere im Anschluss an seine Ableitung durch einen Überlauf.

Das Landratsamt Torgau-Oschatz wies den Widerspruch mit Bescheid vom 27.4.2000 zurück. Zur Begründung führte es aus, dass der Kläger an die öffentliche Einrichtung der Abwasserbeseitigung angeschlossen sei. Sein Grundstück werde über einen zu dieser öffentlichen Einrichtung gehörenden Kanal entwässert, der dann in einen offenen Graben münde.

Zur Begründung seiner hierauf erhobenen Klage führte der Kläger aus, dass sein Abwasser in einen Kanal eingeleitet werde, den eine LPG im Jahre 1989 hergestellt habe. Die Beklagte habe weder nähere Kenntnis über dessen Verlauf, noch habe sie diesen gereinigt oder saniert. Sein Abwasser versickere wenige Meter nach der Einleitung in den Kanal in einem offenen Straßengraben. Die Satzung verstoße zudem gegen § 4 Abs. 3 Sächsische Gemeindeordnung - SächsGemO. Es sei für ihn nicht ersichtlich gewesen, wann die Rechtskraft der Auflösung des Abwasserverbandes "Untere Dahle" eingetreten sei und infolgedessen die Abwassergebührensatzung des Beklagten in Kraft getreten sei.

Mit Urteil vom 9.12.2002 hob das Verwaltungsgericht den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 22.2.2000 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Torgau-Oschatz vom 26.4.2000 auf, soweit sie den Abrechnungszeitraum vom 1.1.1999 bis zum 31.12.1999 betreffen. Die In-Kraft-Tretens-Regelung in § 54 Abs. 2 AbwS verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip. Sie mache dem betroffenen Bürger nicht erkennbar, wann die Satzung in Kraft trete und er mit den aus der Satzung sich ergebenden Rechtsfolgen rechnen müsse. Mit dieser Regelung habe die Beklagte von dem ihr nach § 4 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 SächsGemO zustehenden Recht Gebrauch gemacht, einen anderen Zeitpunkt für das In-Kraft-Treten der Satzung zu bestimmen als den Tag nach ihrer Bekanntmachung. Der hier gewählte Zeitpunkt "Rechts-kraft der Auflösung des Abwasserzweckverbandes Untere Dahle" sei für den Kläger nicht mit hinreichender Sicherheit zu ermitteln. Dieser Zeitpunkt lasse sich weder aus der Satzung selbst, noch unter Zuhilfenahme des Amtsblattes der Beklagten ermitteln. Selbst wenn es dem Kläger zugemutet werden könne, sich im Sächsischen Amtsblatt über eine Genehmigung der Auflösung des Abwasserzweckverbandes "Untere Dahle" zu informieren, ergebe sich aus dieser Genehmigung nicht, ob der die Auflösung genehmigende Bescheid bestandskräftig geworden sei. Der Bekanntmachung des Regierungspräsidiums Leipzig über die Genehmigung der Auflösung dieses Verbandes vom 31.12.1998 lasse sich nicht entnehmen, ob der Genehmigungsbescheid vom 2.12.1998 bestandskräftig geworden sei. Die einmonatige Widerspruchsfrist sei zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht abgelaufen gewesen. Die Unwirksamkeit des § 54 Abs. 2 AbwS führe nicht dazu, dass § 4 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 SächsGemO Anwendung finde, wonach Satzungen am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft treten. Denn zu diesem Zeitpunkt, dem 19.12.1998, habe der Beklagten keine Zuständigkeit für die Abwasserentsorgung zugestanden, so dass es ihr an einer Satzungskompetenz fehlte. Zudem habe es dem ausdrücklichen Willen des Satzungsgebers entsprochen, die Satzung erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft zu setzen. Fehle es hiernach an einer wirksamen Satzung für das Jahr 1999, sei die Beklagte schon aus diesem Grund nicht befugt, vom Kläger für diesen Zeitraum Abwassergebühren zu erheben.

Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 13.8.2003 - 5 B 214/03 - wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage einer hinreichenden Bestimmtheit der In-Kraft-Tretens-Regelung zugelassen.

Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus: Die gewählte In-Kraft-Tretens-Regelung stehe einer Wirksamkeit ihrer Abwassersatzung nicht entgegen. Die Regelung des In-Kraft-Tretens sei kein zwingender Satzungsbestandteil. Nach § 4 Abs. 3 SächsGemO trete eine Satzung am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft, sofern diese ihrerseits keinen anderen Zeitpunkt bestimme. Diese gesetzliche Folge trete auch für den Fall ein, dass keine Regelung zum In-Kraft-Treten in der Satzung enthalten sei. Eine - unterstellt - zu unbestimmte Regelung könne deshalb allenfalls dazu führen, dass die Satzung am Tage nach ihrer Bekanntmachung in Kraft trete, nicht aber zu einer Nichtigkeit der gesamten Satzung. Im Übrigen sei die Regelung aber auch hinreichend bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei eine In-Kraft-Tretens-Regelung selbst in dem Fall hinreichend bestimmt, dass sie ein In-Kraft-Treten von der Bereitstellung hinreichender Mittel zur Erfüllung der Satzungszwecke abhängig mache. Das Wirksamwerden eines Gesetzes könne hiernach vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig gemacht werden, wenn das mit dem Gesetz verfolgte rechtliche und soziale Ziel sonst nicht sachgerecht verwirklicht werden könne. Ein im Voraus bestimmbares Datum habe das Bundesverfassungsgericht gerade nicht gefordert. Hier verhalte es sich im Ergebnis nicht anders. Die Beklagte habe sich bewusst dafür entschieden, dass das In-Kraft-Treten erst erfolgen solle, wenn der Abwasserverband Untere Dahle rechtskräftig aufgelöst sei. Erst dann falle die Aufgabe der Abwasserentsorgung an sie zurück mit der Folge, dass sie rechtmäßigerweise die entsprechenden Satzungsregelungen in Kraft setzen konnte. Es handele sich um ein rechtlich nicht zu beanstandendes Interesse der Beklagten, dass die Aufgabe "nahtlos" übergehe. Dies könne aber nicht anders als hier geschehen realisiert werden. Es liege daher im Interesse einer "sachgerechten Bewältigung der Aufgabe", dieses Verfahren zu wählen. Es genüge, dass sich der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens nach den allgemeinen Auslegungsregeln bestimmen lasse. Hier könne das In-Kraft-Treten durch die Feststellung ermittelt werden, wann der Zweckverband Untere Dahle aufgelöst wurde. Hier sei die Genehmigung der Bekanntmachung im Sächsischen Amtsblatt vom 31.12.1998 erfolgt. Zuvor hätten alle am Zweckverband beteiligten Kommunen und der Zweckverband selbst Rechtsbehelfsverzichtserklärungen abgegeben, so dass der Verband zu diesem Zeitpunkt aufgelöst gewesen sei. Unerheblich sei es demgegenüber, ob dies "sofort" oder richtig nachvollziehbar dargelegt werde.

Ergänzend führt die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.4.2005 aus, dass der Gebührenbescheid auch nicht deswegen rechtswidrig sei, weil der Gebührenteil der Satzung aufgrund der Nichtigkeit des Beitragsteils nichtig wäre.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 9. Dezember 2002 - 6 K 741/00 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Dem Senat liegen neben der Verwaltungsakte die Gerichtsakte erster Instanz - 6 K 741/00 -, die Gerichtsakte zur Zulassung der Berufung - 5 B 214/03 - und die Berufungsakte - 5 B 585/03 - vor. Auf diese und die gewechselten Schriftsätze wird für die näheren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage gegen den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 22.2.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.4.2000 zu Recht stattgegeben. Dem angefochtenen Bescheid fehlt es an einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage, so dass dieser rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für den Abwassergebührenbescheid vom 22.2.2000 sollte die vom Stadtrat der Beklagten in seiner Sitzung vom 10.12.1998 beschlossene Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung (Abwassersatzung - (AbwS) sein. Gemäß ihrem § 54 Abs. 2 Satz 1 sollte diese "unmittelbar nach Rechtskraft der Auflösung des Abwasserverbandes Untere Dahle" in Kraft treten. Zugleich sollte die am 5.6.1998 beschlossene Satzung über die Abwasserbeseitigung gegenstandslos werden (§ 54 Abs. 2 Satz 2 AbwS).

1. Die am 10.12.1998 beschlossene Abwassersatzung stellt keine wirksame Grundlage für den angefochtenen Abwassergebührenbescheid dar, weil es der Beklagten im Zeitpunkt der Beschlussfassung an einer Satzungskompetenz fehlte.

a) Der Beklagten fehlte es an einer Satzungskompetenz, da sie die ihr gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 Sächsisches Wassergesetz - SächsWG - obliegende Abwasserbeseitigungspflicht zuvor auf den Abwasserzweckverband "Untere Dahle" übertragen hatte und diese Aufgabe im Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 10.12.1998 noch nicht wieder der Beklagten zugefallen war. Die Genehmigung des Regierungspräsidiums Leipzig über die Auflösung dieses Abwasserzweckverbandes vom 2.12.1998 wurde - erst - am 31.12.1998 im Sächsischen Amtsblatt Nr. 53 veröffentlicht. Diese Genehmigung stellt eine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Beschluss über die Auflösung des Abwasserzweckverbandes "Untere Dahle" dar (vgl. Quecke, in: Quecke/Schmid, Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen, Stand: April 2005, § 4 RdNr. 111). Sie wird - frühestens - im Zeitpunkt ihrer öffentlichen Bekanntmachung wirksam. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte die Abwassersatzung zu einem Zeitpunkt beschlossen hat, in dem ihr die hierzu notwendige Satzungskompetenz nicht zustand.

Die ihr im Zeitpunkt der Beschlussfassung fehlende Satzungskompetenz konnte die Beklagte auch nicht durch die In-Kraft-Tretens-Regelung in § 54 Abs. 2 Satz 1 AbwS in Gestalt einer auf den Zeitpunkt der unanfechtbaren Auflösung des Abwasserzweckverbandes aufschiebend bestimmten Wirksamkeit kompensieren. Diese in dem die Beklagte betreffenden Normenkontrollurteil des Senats (NK-Urt. v. 12.11.2003, SächsVBl. 2004, 236 [238]) noch offen gelassene Frage ist zu verneinen. Für den Fall einer durch eine Gemeinde beabsichtigten Aufgabenübertragung auf einen Zweckverband hat der Senat bereits entschieden, dass diese fehlschlägt, wenn die Gemeinde nicht - mehr - über diese Kompetenz verfügt (Beschl. v. 22.9.2003, LKV 2004, 269). Zur Begründung hat er sich auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz bezogen, dass niemand mehr Rechte auf einen anderen übertragen kann, als er selbst inne hat. Dies spricht dafür, die Ausübung einer Satzungskompetenz nur für den Fall als zulässig anzusehen, dass diese dem beschlussfassenden Organ im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung zusteht. Hierbei handelt es sich um eine vom Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Satzung deutlich zu unterscheidende Frage. Die hier von der Rechtsprechung unter bestimmten Umständen anerkannte Möglichkeit, das In-Kraft-Treten einer Norm vom Eintritt einer Bedingung abhängig zu machen (BVerfG, Urt. v. 8.7.1976, BVerfGE 42, 263, zitiert nach juris - dort RdNr. 97; NdsOVG, Beschl. v. 16.8.1999, FEVS 51, 284 - zitiert nach juris) ist insoweit nicht einschlägig. Bei der Beschlussfassung handelt es sich um einen Teil des Normsetzungsverfahrens. Die In-Kraft-Tretens-Regelung stellt hingegen einen normativen Teil der Satzung dar (vgl. BVerfG, aaO., RdNr. 94). Fehlt es im Zeitpunkt der Beschlussfassung an der Normsetzungskompetenz, ist eine ordnungsgemäße Beschlussfassung über eine außerhalb der Kompetenz liegende Norm nicht möglich. Die Überschreitung der Normsetzungskompetenz kann auch nicht "unbeachtlich werden" durch eine aufschiebend bedingte Inkraftsetzung.

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der "Vorwirkung" einer aller Voraussicht in der Zukunft - wieder - zustehenden Normsetzungskompetenz. Die von der Beklagten für diese Auffassung angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verhältnis von Fachplanungsrecht und gemeindlicher Planungshoheit (Urt. v. 16.12.1988, BVerwGE 81, 11 = DVBl 1989, 458 = NVwZ 1989, 655 = Buchholz 406.11 § 38 BBauG/BauGB Nr. 4 - zitiert nach juris) lässt die Annahme einer "Vorwirkung" für den vorliegenden Zusammenhang nicht zu. Das Bundesverwaltungsgericht sieht es hiernach lediglich als zulässig an, dass eine Gemeinde für den Fall einer mit hinreichender Sicherheit zu erwartenden Aufhebung einer das Fachplanungsrecht begründenden besonderen Zweckbestimmung (hier: Bahnanlage) die für diesen Fall zu erwartenden Nutzungswünsche von vornherein in die von ihr bauplanungsrechtlich für angemessen und für erforderlich erachtete Richtung lenken darf. Hierzu sieht es die Gemeinde als befugt an, dass sie eine Bauleitplanung einleitet und die zur Sicherung der Bauleitplanung zur Verfügung stehenden Instrumente der Veränderungssperre und Zurückstellung von Baugesuchen (§§ 14 f. BauGB) anwendet (BVerwG, aaO, RdNr. 29 bei juris). Eine abschließende Beschlussfassung über die gemeindliche Bauleitpläne macht es hingegen ausdrücklich davon abhängig, dass die beplante Fläche zuvor durch eine hierauf gerichtete Maßnahme ihren ein anderweitiges Fachplanungsrecht begründenden Rechtscharakter verloren hat (aaO, ebd.). Soweit aus dieser Rechtsprechung eine "Vorwirkung" zukünftiger Satzungskompetenz abgeleitet wird, beschränkt sich diese auf einleitende und die Einleitung absichernde Beschlüsse. Eine Kompetenz zur abschließenden Beschlussfassung - was hier einer Beschlussfassung über die Abwassersatzung entspräche - sieht auch das Bundesverwaltungsgericht als unzulässig an. Dabei ist als wesentlicher Unterschied zu dem vorliegenden Fall zu beachten, dass der Gemeinde ihre gemeindliche Planungshoheit auch im Hinblick auf die dem Fachplanungsrecht unterstehenden Flächen ihres Gemeindegebiets zusteht und diese Flächen sogar planerischen Aussagen der Gemeinde zugänglich sind, sofern sie nur der besonderen Zweckbestimmung dieser Flächen nicht widersprechen (BVerwG, aaO, RdNr. 27). Der Beklagten stand hingegen zum Zeitpunkt ihrer Beschlussfassung eine Satzungskompetenz für den Erlass von Abwassersatzungen schon dem Grunde nach nicht zu.

2. Die am 10.12.1998 beschlossene Abwassersatzung stellt zudem keine wirksame Rechtsgrundlage für den Erlass des Abwassergebührenbescheides dar, weil die In-Kraft-Tretens-Regelung in § 54 Abs. 2 Satz 1 AbwS fehlerhaft ist, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung führt. Hierzu teilt der Senat die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die er sich zu Eigen macht und verweist auf diese zur Vermeidung von Wiederholungen. Hervorzuheben ist insoweit nur, dass die gewählte In-Kraft-Tretens-Regelung unwirksam ist, weil der Zeitpunkt des Eintritts der "Rechtskraft" des Auflösungsbeschlusses für den Bürger nicht verlässlich ermittelbar ist.

Die Berufungsbegründung der Beklagten rechtfertigt keine andere Sichtweise. Auch aus der von ihr angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8.7.1996 (aaO) lässt sich keine Rechtfertigung für die Unbestimmtheit der In-Kraft-Tretens-Regelung des § 54 Abs. 2 Satz 1 AbwS ableiten. Dieses hat keine durchgreifenden Bedenken dagegen gesehen, dass der Gesetzgeber das In-Kraft-Treten eines Gesetzes im Hinblick auf die besonders gelagerten Verhältnisse von dem Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht hat. Es könne ihm zumindest dann nicht verwehrt sein, das Wirksamwerden der Geltungsanordnung des Gesetzes vom Vorliegen bestimmter Voraussetzungen abhängig zu machen, wenn das mit dem Gesetz verfolgte rechtliche und soziale Ziel sonst nicht sachgerecht verwirklicht werden könne. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn es sich - wie im Fall der "Conterganstiftung" - nicht um ein "generell" anwendbares, sondern um ein "spezielles" Gesetz handele, das für einen bestimmten und feststehenden Personenkreis Regelungen treffe.

Als ansonsten nicht sachgerecht zu erreichendes Ziel macht die Beklagte ihr Interesse an einem "nahtlosen" Übergang des zuvor vom Zweckverband und zukünftig von ihr zu erlassenden Satzungsrechts geltend. Hierzu hat der Senat bereits in seinem Normenkontrollurteil vom 12.11.2003 (aaO) den Einwand erhoben, dass auch insoweit eine "Satzungslücke" zwischen dem Zeitpunkt der Wirksamkeit des Auflösungsbeschlusses und dem Eintritt der "Rechtskraft" dieses Beschlusses besteht. Wirksam wird der Beschluss über die Auflösung des Abwasserzweckverbandes im Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung seiner Genehmigung durch das Regierungspräsidium, hier am 31.12.1998. Gegenüber den Zweckverbandsmitgliedern stellt die Genehmigung bzw. ihre Versagung einen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt dar (Quecke, aaO, RdNr. 112), so dass dieser frühestens im Zeitpunkt des Ablaufs der Rechtsbehelfsfrist (siehe § 70 VwGO) unanfechtbar wird. Insoweit beruft sich die Beklagte darauf, dass sämtliche Zweckverbandsmitglieder im Zusammenhang mit dem Auflösungsbeschluss einen Rechtsbehelfsverzicht erklärt hätten. Ein dessen ungeachtet eingelegter Widerspruch gegen die Genehmigung wäre folglich aller Voraussicht nach unzulässig gewesen. Wirksamkeit und Unanfechtbarkeit des Auflösungsbeschlusses fielen damit im vorliegenden Fall ausnahmsweise auf den gleichen Zeitpunkt, was den oben genannten Einwand entkräfte.

Zur Rechtfertigung der Unbestimmtheit der von der Beklagten beschlossenen In-Kraft-Tretens-Regelung fehlt es an einem sachlichen Grund, da sie das von ihr verfolgte Ziel eines "nahtlosen" Übergangs von altem zu neuem Satzungsrecht auf rechtsstaatlich unbedenkliche Weise erreichen kann. Es wäre ihr möglich gewesen, auf die Auflösung des Abwasserzweckverbandes zum 31.12.1998 kraft der ihr dann zustehenden Satzungskompetenz im Januar 1999 unter Anordnung ihrer Rückwirkung zum 1.1.1999 eine Abwassersatzung zu erlassen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Rückwirkung bestünden für diesen Fall nicht, da es einem entgegenstehenden Vertrauen auf Seiten der Satzungsunterworfenen fehlt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.7.2002, 2 BvL 14/98 - zitiert nach juris, dort RdNr. 92 f., s.a. Quecke, aaO, § 4 RdNr. 102). Für den beitrags- und gebührenrechtlichen Teil der Satzung wäre so ein "nahtloser" Übergang mit dem vorhergehenden Satzungsrecht gewährleistet. Soweit die Beklagte die Gefahr von Geltungslücken zu in der Satzung enthaltenen Ge- und Verboten sieht, ist darauf zu verweisen, dass diese zu einem wesentlichen Teil gegenüber den gesetzlichen Regelungen etwa im Wasserhaushaltsgesetz und Sächsischen Wassergesetz nur von deklaratorischem Charakter sind. Diese sind zudem oftmals auch ordnungs- wie strafrechtlich abgesichert. Es ist deshalb nicht zu befürchten, dass etwa wegen eines für einige Tage nicht bestehenden Anschluss- und Benutzungszwangs nicht zu bewältigende Probleme im Satzungsgebiet zu erwarten wären. Hierbei handelt es sich zudem um ein Problem, was regelmäßig auch in der Gründungsphase eines Abwasserzweckverbandes besteht. Zur Vermeidung dieses "Restrisikos" steht der Beklagten jedoch auch noch ein anderer Weg zur Verfügung. Hierzu bedürfte es nur der Beschlussfassung, dass das bisherige Satzungsrecht - des Abwasserzweckverbandes - bis zum Erlass neuen Satzungsrechts - durch die Beklagte - fortgelten soll. Dies entspricht der Situation, wie sie regelmäßig bei kommunalen Zusammenschlüssen hinsichtlich der Fortgeltung des Ortsrechtes besteht. Hier sieht § 9 Abs. 2 SächsGemO bei der Vereinbarung von Gebietsänderungen eine Bestimmung über das künftig geltende Ortsrecht vor. Wie in anderen Bundesländern ist auch im Freistaat Sachsen kraft dieser Regelung davon auszugehen, dass das bisherige Ortsrecht der aufgenommenen Gebietsteile grundsätzlich weitergilt (Quecke, aaO, § 9 RdNr. 24). Hinsichtlich der hiervon ausgenommenen Hauptsatzung wird bei der Vereinigung mehrerer Gemeinden davon ausgegangen, dass für eine kurze Übergangszeit bis zum In-Kraft-Treten der Hauptsatzung der neuen Gemeinde die Fortgeltung der Hauptsatzung einer der beteiligten Gemeinde vorgesehen werden kann (Quecke, aaO, § 9 RdNr. 26). Es sind deshalb keine Bedenken dagegen ersichtlich, für einen Übergangszeitraum die Fortgeltung der bisherigen Abwassersatzung vorzusehen und diese nach Übergang der Satzungskompetenz durch eine Satzung des neuen Aufgabenträgers zu ersetzen.

Lediglich ergänzend ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass der Unwirksamkeit der In-Kraft-Tretens-Regelung nicht entgegengehalten werden kann, die Satzung sei jedenfalls zum heutigen Zeitpunkt in Kraft getreten, da die Auflösung des Abwasserzweckverbandes offenkundig "rechtskräftig" geworden sei, so dass es auf den - genauen - Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens nicht ankomme. Dieser Auffassung steht entgegen, dass die Gültigkeit von Satzungsrecht für den Normunterworfenen verlässlich ermittelbar sein muss und ein In-Kraft-Treten "zum gegebenen Zeitpunkt" deshalb ausgeschlossen ist.

Ein In-Kraft-Treten der Abwassersatzung am Tag nach ihrer Bekanntmachung (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 SächsGemO) als Konsequenz der nichtigen In-Kraft-Tretens-Regelung in § 54 Abs. 2 Satz 1 AbwS kommt nicht in Betracht. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht diese Möglichkeit als ausgeschlossen angesehen, da die Beklagte diesen Zeitpunkt ausdrücklich nicht wollte und ihr zudem am Tag nach der Bekanntmachung der Satzung keine Satzungskompetenz zustand.

3. Für den Abwassergebührenbescheid der Beklagten fehlt es auch an einer anderweitigen satzungsrechtlichen Grundlage.

Auch für den Fall einer gänzlich unterbliebenen Rückwirkungsanordnung kann eine Satzung ab dem Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens die Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides bewirken (BVerwG, Beschl. v. 15.3.1983, 8 B 152/82 - zitiert nach juris; SächsOVG, Urt. v. 15.11.2001 - 5 B 697/00 -; VG Dresden, Urt. v. 4.5.2000, SächsVBl 2000, 274). Die Änderungen der Abwassersatzung vom 10.12.1998 durch die Beschlüsse vom 25.2.1999, 25.3.1999 und 2.12.1999 betreffen jeweils nur einzelne Normen, weshalb sie keine eigenständige satzungsrechtliche Grundlage für den angefochtenen Bescheid darstellen können. Die letzte Änderungssatzung vom 8.6.2000 ist durch Normenkontrollurteil des Senats vom 12.11.2003 (aaO) für nichtig erklärt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 208,23 € festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 72 Nr. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - n.F. in Verbindung mit §§ 25 Abs. 1, 13 Abs. 2 GKG a.F. Sie entspricht der Höhe der im Berufungsverfahren noch streitigen Forderung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.).

Ende der Entscheidung

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