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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.03.2004
Aktenzeichen: 5 B 6/03
Rechtsgebiete: SächsKAG, SächsGemO


Vorschriften:

SächsKAG § 26 Abs. 1
SächsKAG § 30 Abs. 1
SächsKAG § 40 Abs. 2
SächsGemO § 73
1. Straßenausbaubeiträge dürfen auch dann erhoben werden, wenn zum Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses einer Ausbaumaßnahme eine (wirksame) Ausbaubeitragssatzung noch nicht existierte. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die den Beitrag auslösende Ausbaumaßnahme nach dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes am 1.9.1993 begonnen und fertig gestellt wurde.

2. Zur Frage der Verpflichtung der Gemeinden zur Erhebung von Ausbaubeiträgen und zum Erlass einer Ausbaubeitragssatzung (hier offen gelassen).


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 5 B 6/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Straßenausbaubeiträgen

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik ohne mündliche Verhandlung

am 23. März 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 7. Oktober 2002 - 6 K 1288/00 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen seine Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag. Er war zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des streitgegenständlichen Ausbaubeitragsbescheids Miteigentümer in Erbengemeinschaft des Grundstücks Leipzig, Gemarkung D. , Flurstück Nrn. G1 und G2 , Grundbuchblatt mit einer Gesamtgröße von 970 m2. Das Flurstück G1 liegt sowohl an der G. Straße als auch an der B. Straße. Das Flurstück Nr. G2 liegt ausschließlich an der G. Straße. Beide Flurstücke sind viergeschossig bebaut und werden gewerblich genutzt.

In der Zeit vom 6.8.1996 bis 26.11.1996 baute die Beklagte die G. Straße zwischen der J. -Straße und der B. Straße grundhaft neu aus. Die mit einem Großpflasterbelag mit bituminösem Überzug versehene Fahrbahn erhielt einen neuen Aufbau bestehend aus einer 19 cm Schicht Recyclingschotter, 10 cm Ausgleichsschicht, 22 cm bituminöser Tragschicht und 4 cm Asphaltbeton. An den beidseitigen Gehwehwegen wurden Regulierungs- bzw. Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Vor Baubeginn erstellte das Tiefbauamt der Beklagten eine Baubeschreibung, in der u.a. der Umfang der durchzuführenden Straßenbauarbeiten aufgeführt war. Unter dem 20.6.1996 schrieb das Tiefbauamt der Beklagten die Bauleistungen für die Rekonstruktion G. Straße öffentlich aus. Den Zuschlag erhielten die Firma R. + H. GmbH & Co. KG. Mit den Ingenieurleistungen wurde die Firma Institut Dr. K. & Partner Ingenieurgesellschaft mbH Leipzig beauftragt.

Nach Abschluss der Ausbauarbeiten reichte die Firma R. + H. GmbH & Co. KG unter dem 2.12.1996 eine Rechnung ein, die sie als Schlussrechnung bezeichnete. Die Firma Institut Dr. K. & Partner Ingenieurgesellschaft mbH Leipzig stellte ihre Kosten der Beklagten unter dem 30.11.1996 in Rechnung. Am 11.2.1997 erfolgte die Schlussabnahme der Arbeiten. Im Juli 1997 ging bei der Beklagten eine weitere Rechnung der Firma R. + H. GmbH & Co. KG vom 11.7.1997 über 14.679,03 DM ein. Die Rechnung enthält den handschriftlichen Vermerk "Schlussrechnung".

Am 23.10.1996 beschloss der Stadtrat der Beklagten die am 15.3.1997 im "Leipziger Amts-Blatt" veröffentlichte Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen (Straßenausbaubeitragssatzung) der Stadt Leipzig (im Weiteren: StrABS 1996). Die Satzung enthält u.a. folgende Regelungen:

§ 6

Verteilung des umlagefähigen Aufwands

Der umlagefähige Aufwand wird auf die Grundstücke, denen durch die Inanspruchnahme der ausgebauten Verkehrsanlage Vorteile zuwachsen (erschlossene Grundstücke), in dem Verhältnis verteilt, in dem die Nutzungsflächen dieser Grundstücke zueinander stehen. Die Nutzungsfläche ergibt sich durch Vervielfachen der Grundstücksfläche (§ 7) mit dem Nutzungsfaktor (§ 8).

§ 8

Nutzungsfaktor

(1) ...

(2) Der Nutzungsfaktor beträgt

1. ...

2. ...

3. bei eingeschossiger Bebauung oder Bebaubarkeit oder bei fiktiver eingeschossiger Bebaubarkeit 1,0

4. bei zweigeschossiger Bebauung oder zweigeschossiger fiktiver Bebaubarkeit 1,25

5. bei dreigeschossiger Bebauung oder dreigeschossiger fiktiver Bebaubarkeit 1,50

6. bei vier- und fünfgeschossiger Bebauung oder fiktiver vier- und fünfgeschossiger Bebaubarkeit 1,75

7. bei sechs- und mehrgeschossiger Bebauung oder fiktiver sechs- und mehrgeschossiger Bebaubarkeit 2,00

8. ...

(3) ...

§ 20

Inkrafttreten

Diese Satzung tritt am Tage nach ihrer Bekanntmachung in Kraft. Die Satzung findet mit der Maßgabe Anwendung, daß Beiträge erhoben werden, wenn die Anschaffung, Herstellung, Ausbau der Straße, Wege und Plätze (Verkehrsanlagen) nach dem Inkrafttreten des Sächsischen KAG (01.09.93) endgültig erfolgt ist.

Die Satzung regelt ferner in ihrem § 5 Abs. 1, dass bei den Fahrbahnen von Anliegerstraßen der Anteil der Beitragspflichtigen 75 % beträgt.

Der Stadtrat der Beklagten beschloss am 23.10.1996 "Allgemeines zur Satzung". Hier heißt es u.a.:

"Die Satzung wird folgendermaßen angewendet: Der Anteil der Beitragspflichtigen a, beitragsfähigen Aufwand beträgt

a) für vom 1.9.1993 bis 31.12.1996 fertiggestellte Verkehrsanlagen

bei Anliegerstraßen 45 %

bei Haupterschließungsstraßen 30 %

bei Hauptverkehrsstraßen 15 %

b) für vom 1.1.1997 bis 31.12.2000 fertiggestellte Verkehrsanlagen

bei Anliegerstraßen 60 %

bei Haupterschließungsstraßen 40 %

bei Hauptverkehrsstraßen 20 %

c) für vom 1.1.2001 fertiggestellte Verkehrsanlagen

bei Anliegerstraßen 75 %

bei Haupterschließungsstraßen 50 %

bei Hauptverkehrsstraße 25 %

Am 15.11.2000 beschloss der Stadtrat der Beklagten die Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen (Straßenausbaubeitragssatzung) der Stadt Leipzig vom 23. Oktober 1996 (im Weiteren: StrABS 2000). Gegenstand dieses Beschlusses ist die Straßenausbaubeitragssatzung mit ihrem vollständigen Wortlaut. Die Satzung wurde am 25.11.2000 im "Leipziger Amts-Blatt" veröffentlicht und trat am Tage der Bekanntmachung in Kraft. Sie sieht in § 8 (Nutzungsfaktor) nunmehr eine Steigerung des Nutzungsfaktors zwischen dem vierten und fünften Vollgeschoss sowie ab dem sechsten Vollgeschoss um jeweils 0,25 pro Vollgeschoss vor.

Mit Bescheid vom 6.4.1999 zog die Beklagte den Kläger zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 14.096,19 DM heran. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass der Kläger gemeinsam mit dem Miteigentümer Falk-Gert P. beitragspflichtig sei und mehrere Beitragschuldner als Gesamtschuldner haften. Die Beklagte legte dem Ausbaubeitragsbescheid einen beitragsfähigen Aufwand in Höhe von 236.550,89 DM zugrunde. Sie brachte von diesem Betrag einen 25 %igen Gemeindeanteil in Abzug, nachdem sie die G. Straße als Anliegerstraße einstufte. Ausgehend von einem umlagefähigen Ausbauaufwand in Höhe von 177.413,17 DM - die Kosten für die Regulierungs- und Instandsetzungsarbeiten an den Gehwegen wurden mit der Begründung der fehlenden Beitragsfähigkeit in Abzug gebracht - und einer Verteilungsfläche von 15.412 m2 errechnete die Beklagte einen Beitragssatz von 11,511366 DM pro m2 Grundstücksfläche. Unter Berücksichtigung der Mehrfacherschließung des Grundstücks des Klägers legte sie der Berechnung des Ausbaubeitrags eine heranzuziehende Grundstücksfläche von 1.527,75 m2 zugrunde. Von dem sich daraus ergebenden Ausbaubeitrag in Höhe von 17.586,49 DM brachte die Beklagte unter der Rubrik "abzüglich Erlass gemäß Beschluss des Stadtrates Nr. 628/96 vom 23.10.1996" 3.517,30 DM in Abzug.

Am 19.4.1999 legte der Kläger gegen den Beitragsbescheid der Beklagten Widerspruch ein und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Sein Grundstück habe durch den Ausbau der G. Straße keinen Vorteil erlangt. Die G. Straße sei zur Durchgangsstraße ausgebaut worden. Dies habe zu einer erheblichen Zunahme des Kraftfahrzeugverkehrs verbunden mit großen Geräuschbelästigungen für die Anwohner geführt. Die Kosten für die Ausbaumaßnahmen seien zu hoch, zumal die Anwohner zuvor nicht gehört worden seien und deshalb keinen Einfluss darauf hätten nehmen können. Die Beklagte habe vor der Planung der Maßnahme keinen Bauzustandsbericht erstellt. Wäre dieser erstellt worden, so wäre deutlich geworden, dass lediglich Reparaturen an der Fahrbahn erforderlich gewesen seien. Die Werklohnforderungen seien zu hoch. Die von der Firma R. + H. GmbH & Co. KG vorgelegte Rechnung vom 11.7.1997 hätte nicht anerkannt werden dürfen.

Mit Bescheid vom 13.7.2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Der ausbaubeitragsrechtliche Vorteilsbegriff werde durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der verbesserten Verkehrsanlage bestimmt. Als Anliegergrundstück sei diese Möglichkeit für das Grundstück des Klägers gegeben. Die G. Straße sei eine Anliegerstraße, die zuförderst der Erschließung der angrenzenden Grundstücke diene. Sie sei von der Beklagten nicht als Haupterschließungsstraße ausgebaut worden und sei auch nicht zur Aufnahme von innerörtlichem Durchgangsverkehr bestimmt. Die Höhe des entstandenen Ausbauaufwandes sei nicht zu beanstanden. Sowohl die Planung als auch die Ausführung der Ausbauarbeiten seien in das Ermessen der Beklagten gestellt. Sie lege hierbei den Umfang der auszuführenden Baumaßnahmen fest. Die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen auch unter Berücksichtigung der Anwohnerinteressen fehlerfrei ausgeübt. So sei der Gehweg nur instandgesetzt worden. Die insoweit entstandenen Kosten seien den Anwohnern nicht in Rechnung gestellt worden. Die Beklagte habe die Vorschriften über das Vergabeverfahren eingehalten. Es sei eine Ausschreibung erfolgt und die Bauleistungen offiziell vergeben worden. Eine vorherige Anhörung der Anwohner sei nicht erforderlich gewesen, nachdem die einschlägige Straßenausbaubeitragssatzung erst im Jahre 1997 in Kraft getreten sei, der Beschluss zur Durchführung der Baumaßnahmen aber bereits 1996 erfolgt sei.

Am 16.8.2000 erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Leipzig mit dem Antrag, den Beitragsbescheid der Beklagten vom 6.4.1999 und deren Widerspruchsbescheid vom 13.6.2000 aufzuheben. Zur Begründung wiederholte er sein bisheriges Vorbringen und trug ergänzend vor: Der Umlageschlüssel sei fehlerhaft, da die Verkehrsanlage bereits vor dem 31.12.1996 fertig gestellt worden sei, sie aber wegen einer Rechnung aus dem Jahre 1997 als eine ab dem 1.1.1997 fertig gestellte Verkehrsanlage angesehen werde. Hierdurch steige jedoch der Anteil der Beitragspflicht von 45 % auf 60 %. Im Übrigen habe sich die Anbindung der Grundstücke durch die von der Beklagten durchgeführten Baumaßnahmen nicht verbessert.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Urteil vom 7.10.2002 hob das Verwaltungsgericht Leipzig den Beitragsbescheid der Beklagten vom 6.4.1999 und deren Widerspruchsbescheid vom 13.6.2000 auf. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die am 23.10.1996 vom Stadtrat der Beklagten beschlossene und erst am 16.3.1997 in Kraft getretene Straßenausbaubeitragssatzung enthalte in § 20 Satz 2, wonach die Straßenausbaubeitragssatzung mit der Maßgabe Anwendung findet, dass für die Anschaffung, Herstellung oder den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Verkehrsanlagen), die nach dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabensetzes zum 1.9.1993 entgültig erfolgt sei, Beiträge erhoben würden, eine unzulässige Rückwirkungsregelung. Der grundhafte Ausbau der G. Straße sei mit der Schlussabnahme der Bauleistung am 8.11.1996 endgültig erfolgt und damit nach dem 1.9.1993 und vor dem In-Kraft-Treten der Straßenausbaubeitragssatzung am 16.3.1997. Eine Beitragserhebung komme damit allein nach der Regelung des § 20 Satz 2 der Straßenausbaubeitragssatzung in Betracht. Hierin liege jedoch eine unzulässige echte Rückwirkung der Straßenausbaubeitragssatzung, weil einem tatsächlich bereits abgeschlossenen Sachverhalt eine neue rechtliche Konsequenz zugeordnet werde. Der Ausbau der G. Straße sei mit deren "endgültiger Herstellung" abgeschlossen. Der Begriff "endgültige Herstellung" (bzw. Fertigstellung oder Beendigung der Maßnahme) sei hier als eine Herstellung im tatsächlichen Sinn zu verstehen. Die Herstellung oder der Ausbau sei dann endgültig erfolgt, wenn das jeweilige Bauprogramm erfüllt sei. Es komme deshalb auf die tatsächliche Fertigstellung des Ausbaus der Verkehrsanlage an, nicht jedoch auf den Eingang der letzten Unternehmerrechnung. Letzteres habe keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Herstellung einer Verkehrsanlage, sondern allenfalls Einfluss auf den Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht, da erst mit Eingang der letzten Unternehmerrechnung die Höhe der Gesamtaufwendungen für die Ausbaumaßnahme feststehe und erst dann der Beitrag durch die Gemeinde berechnet werden könne. Der Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht sei aber nur dann relevant, wenn eine Maßnahme überhaupt beitragspflichtig sei. Bestehe zum Zeitpunkt des Ausbaus der Verkehrsanlage keine Beitragspflicht, so könne es für den Zeitpunkt der endgültigen Herstellung auch nicht auf den Zugang der letzten Unternehmerrechnung ankommen. Der tatsächliche Ausbau der Verkehrsanlage G. Straße habe im November 1996 stattgefunden und mit der Schlussabnahme am 25.11.1996 geendet. Zu diesem Zeitpunkt habe keine Beitragspflicht für den Ausbau von Verkehrsanlagen bestanden, da die erste Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten erst am 16.3.1997 in Kraft getreten sei. Auf den Eingang der letzten Unternehmerrechnung am 11.7.1997 komme es deshalb nicht an. Obwohl der Ausbau der G. Straße mit der Schlussabnahme am 25.11.1996 endgültig hergestellt gewesen sei, unterwerfe die Straßenausbaubeitragssatzung einen vor ihrem In-Kraft-Treten bereits abgeschlossenen Sachverhalt einer neuen rechtlichen Regelung, hier dem Entstehen eines Straßenausbaubeitrags. Es könne nicht der Auffassung gefolgt werden, der Sachverhalt sei noch nicht abgeschlossen, weil die Beitragspflicht erst mit dem In-Kraft-Treten der Satzung - auch nach Abschluss der Ausbaumaßnahme - entstehe und damit erst zu diesem Zeitpunkt der Sachverhalt abgeschlossen werde. Zu trennen seien die tatsächlichen Ereignisse und damit der Lebenssachverhalt und die sich an diese Ereignisse anschließende rechtliche Bewertung oder Konsequenz. Das tatsächliche Ereignis sei der Ausbau der Verkehrsanlage, während die sachliche Beitragspflicht die rechtliche Bewertung für den Ausbau der Verkehrsanlage darstelle. Diese sachliche Beitragspflicht knüpfe an den tatsächlichen Ausbau an und stelle gerade die rechtliche Regelung dar, die erst durch das In-Kraft-Treten der Beitragssatzung der Gemeinde zum Tragen komme und damit auch die Regelung, für die zu beantworten sei, ob ihr Rückwirkung zukomme. Werde die Regelung an sich in den Sachverhalt mit einbezogen, komme es zu einer Vermischung zwischen dem zu beurteilenden Sachverhalt und der rechtlichen Regelung.

Die echte Rückwirkung der Straßenausbaubeitragssatzung sei auch nicht deshalb unbeachtlich, weil der Bürger keinen Anlass gehabt habe, in die alte Rechtslage zu vertrauen bzw. sein Vertrauen nicht schutzwürdig sei. Eine solche Ausnahme liege nicht vor, da das Vertrauen des Klägers insoweit schutzwürdig gewesen sei, als die Beklagte rechtlich nicht verpflichtet gewesen sei, eine Straßenausbaubeitragssatzung zu erlassen. Eine solche Verpflichtung ergebe sich insbesondere nicht aus § 26 SächsKAG. Vielmehr stelle diese Regelung den Erlass einer Ausbaubeitragssatzung in das Ermessen der Gemeinde. Auch ersetze die Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 23.10.1996 keine bisher unklare oder nichtige Regelung, da die Beklagte zuvor keine Straßenausbaubeitragssatzung besessen habe.

Das Urteil wurde der Beklagten am 27.11.2002 zugestellt.

Am 18.12.2002 hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese am 2.12.2002 begründet. Im Einzelnen trägt die Beklagte vor: Die Ausbaubeitragssatzung enthalte auch insoweit keine echte Rückwirkung, als sie eine Beitragspflicht auch für die Ausbaumaßnahmen vorsehe, die vor ihrem In-Kraft-Treten abgeschlossen seien. § 40 Satz 2 SächsKAG bestimme ausdrücklich, dass die Vorschriften des 5. Abschnittes mit der Maßgabe Anwendung fänden, dass solche Beiträge nur erhoben würden, wenn die Anschaffung, Herstellung oder der Ausbau der Verkehrsanlagen sowie der Straßen und Wege nach dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes endgültig erfolgt sei. § 30 Abs. 1 SächsKAG bestimme ferner, dass die Beitragsschuld mit der Fertigstellung der Verkehrsanlage (in diesem Fall erste Schlussabnahme am 25.11.1996), frühestens jedoch mit In-Kraft-Treten der Satzung entstehe. Die Straßenausbaubeitragssatzung der Stadt Leipzig sei am 23.10.1996 vom Stadtrat beschlossen worden und am 16.3.1997 in Kraft getreten. Die Fertigstellung einer Verkehrsanlage setze die Abnahme voraus. Diese orientiere sich am Bauprogramm und im darin festgelegten Ausbaustandard. Voraussetzung für die Entstehung der Beitragsschuld sei ferner die Wirksamkeit der Satzung und die Berechenbarkeit des Beitrages. Der Eingang der letzten Unternehmerrechnung sei also auch Voraussetzung für das Entstehen der Beitragsschuld. Die Firma R. + H. GmbH & Co. KG habe zwei Schlussrechnungen vorgelegt. Eine datiere vom 3.12.1996, die andere vom 11.7.1997. Da gemäß § 3 der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten der beitragsfähige Aufwand nach den tatsächlichen Kosten zu ermitteln sei, seien trotz dieses Vorgehens beide Rechnungen bei der Beitragserhebung einzubeziehen. Als Datum der letzten Unternehmerrechnung sei von der beauftragten Baufirma nach Abschluss der Arbeiten, endgültiger Fertigstellung und Endabnahme, der 11.7.1997 bestimmt worden. Die G. Straße sei deshalb erst nach dem In-Kraft-Treten der Straßenausbaubeitragssatzung fertig gestellt worden. Das Verwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung nicht beachtet, dass die Kommunen verpflichtet seien, sich die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen in der Regel von ihren Einwohnern zu beschaffen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 7. Oktober 2002 - 6 K 1288/00 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass im Falle der G. Straße die Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten eine echte Rückwirkung entfalte, soweit § 20 Satz 2 ihre Anwendung auf vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossene Ausbaumaßnahmen bestimme. Diese echte Rückwirkung sei aus den vom Verwaltungsgericht näher dargelegten Gründen von verfassungswegen unzulässig. Der Ausbau der G. Straße sei zudem nicht erforderlich gewesen. Die Zufahrt zum Neubaugebiet D. sei bereits vor der streitgegenständlichen Baumaßnahme nicht über die G. Straße, sondern über zwei andere Zufahrtsstraßen erfolgt. Es wäre deshalb die Reparatur von Schlaglöchern ausreichend gewesen. Im Übrigen sei die Anbindung der Grundstücke an die G. Straße schon zum 3.10.1990 erfolgt.

Vorsorglich erhebe er die Einrede der Verjährung.

Dem Senat liegen die zur Sache gehörenden Akten der Beklagten (2 Heftungen), die Verfahrensakten des Verwaltungsgerichts Leipzig im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (6 K 1287/00) und im erstinstanzlichen Verfahren (6 K 1288/00) sowie die Verfahrensakten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vor. Auf sie wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht den Beitragsbescheid der Beklagten vom 6.4.1999 und deren Widerspruchsbescheid vom 13.6.2000 aufgehoben. Diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger kann für den Ausbau der G. Straße in der Zeit von August 1996 bis November 1996 zu Straßenausbaubeiträgen herangezogen werden.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts besteht für den Ausbaubeitragsbescheid eine gültige Rechtsgrundlage.

Kommunalabgaben, zu denen Straßenausbaubeiträge gehören, werden nach § 2 Satz 1 SächsKAG auf der Grundlage einer Satzung erhoben. Die Abgabensatzung muss nach § 2 Satz 2 SächsKAG die Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie die Entstehung und die Fälligkeit der Abgabenschuld bestimmen. Für Satzungen über Beiträge zu Verkehrsanlagen bestimmt § 28 Abs. 1 Satz 3 SächsKAG, dass die Festsetzung eines Beitragssatzes entfällt.

Die Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 23.10.1996 begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Solche sind nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen.

Bedenken an der materiellen Rechtmäßigkeit der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 23.10.1996 bestehen insoweit, als nach § 8 Abs. 2 Nr. 6 und Nr. 7 der Nutzungsfaktor bei vier- und fünfgeschossiger Bebauung oder fiktiver vier- und fünfgeschossiger Bebaubarkeit einheitlich 1,75 und bei sechs- und mehrgeschossiger Bebauung oder fiktiver sechs- und mehrgeschossiger Bebaubarkeit einheitlich 2,0 beträgt.

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG sind die Ausbaubeiträge nach den Vorteilen zu bemessen. § 29 Abs. 1 SächsKAG bestimmt, dass Verteilungsmaßstäbe insbesondere die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung für sich allein oder in Verbindung mit der Grundstücksfläche oder Grundstücksbreite an der Verkehrsanlage sind. In Gebieten mit unterschiedlicher zulässiger baulicher oder sonstiger Nutzung hat der Verteilungsmaßstab diese Unterschiede nach Art und Maß zu berücksichtigen (§ 29 Abs. 2 SächsKAG). Mit diesen Bestimmungen im Sächsischen Kommunalabgabengesetz könnte die Regelung in § 8 Abs. 2 Nr. 6 und Nr. 7 StrABS 1996 über den Nutzungsfaktor nicht vereinbar sein. Der Senat hat sich mit dieser Frage bislang noch nicht auseinander gesetzt. Er hat lediglich in mehreren Entscheidungen (u.a. Urt. v. 22.8.2001 - 5 B 521/00 -) ausgeführt, dass eine Verteilungsregelung in einer Straßenausbaubeitragssatzung rechtlich nicht zu beanstanden ist, die den sogenannten kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab wählt und den Nutzungsfaktor bei eingeschossiger Bebauung bzw. Bebaubarkeit eines Grundstücks mit 1,0 und für jedes weitere Vollgeschoss mit 0,5 bestimmt. Für das Erschließungsbeitragsrecht vertritt der Senat die Auffassung (vgl. u.a. Urt. v. 22.8.2001, aaO.), dass eine Verteilungsregelung, die bei der Bestimmung des Nutzungsfaktors keine Steigerung zwischen dem vierten und fünften sowie ab dem sechsten Vollgeschoss aufweist, mit höherrangigem Recht (hier § 131 Abs. 1 bis 3 BauGB) nicht vereinbar ist und dies zur Nichtigkeit der gesamten Beitragssatzung führt.

Der Senat kann die Frage der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten in ihrer Straßenausbaubeitragssatzung vom 23.10.1996 aufgenommenen Regelung des Nutzungsfaktors in dem vorliegenden Fall dahingestellt sein lassen, weil die Beklagte diesen - möglichen - Fehler in der vom Stadtrat am 15.11.2000 beschlossenen Änderung der Straßenausbaubeitragssatzung behoben hat. Die geänderte Fassung sieht nunmehr bei der Bestimmung des Nutzungsfaktors vor, dass dieser zwischen einer vier- und fünfgeschossigen Bebauung bzw. fiktiven vier- und fünfgeschossiger Bebaubarkeit, sowie bei jedem über das sechste Geschoss hinausgehenden Geschoss um jeweils 0,25 steigt. Eine solche Regelung hält nach Auffassung des Senats einer rechtlichen Überprüfung Stand.

Im Hinblick darauf, dass die Verteilungsregelung in der Fassung der Straßenausbaubeitragssatzung vom 15.11.2000 rechtlich unbedenklich ist, kann der Senat auch im vorliegenden Fall die Frage dahingestellt sein lassen, welche Auswirkungen es auf die Gültigkeit einer Verteilungsregelung hat, wenn in dem Abrechnungsgebiet keine von der gerügten Regelung betroffenen Sachverhalte anzutreffen sind. Der vorliegende Fall ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen im Abrechnungsgebiet die Grundstücke mit maximal vier Vollgeschossen bebaut oder bebaubar sind. Hier stellt sich deshalb die Frage, ob im Ausbaubeitragsrecht der Grundsatz der regionalen Teilbarkeit der Gültigkeit einer Verteilungsregelung anzuwenden ist mit der Folge, dass eine Verteilungsregelung nur dann als eine unzureichende Grundlage für eine Heranziehung zu qualifizieren ist, wenn sie nicht genügt, um den für eine bestimmte beitragsfähige Ausbaumaßnahme entstandenen umlagefähigen Aufwand angemessen vorteilsgerecht zu verteilen (vgl. zu diesem Problemkreis: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl. 2001, § 36 Rdnr. 11 m.w.N.). Der Senat kann diese Frage jedoch offen lassen, da sie aus den oben genannten Gründen nicht entscheidungserheblich ist Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts begegnet die in § 20 Satz 2 beider Straßenausbaubeitragssatzungen enthaltene Regelung keinen rechtlichen Bedenken. Danach findet die jeweilige Ausbaubeitragssatzung mit der Maßgabe Anwendung, dass Beiträge erhoben werden, wenn die Anschaffung, Herstellung, Ausbau der Straße, Wege und Plätze (Verkehrsanlagen) nach dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes (1.9.1993) endgültig erfolgt sind. Diese Bestimmung steht nicht im Gegensatz zu der Rechtslage, wie sie sich aus den maßgeblichen Vorschriften des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes ergibt.

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG können die Gemeinden, soweit das Baugesetzbuch nicht anzuwenden ist, zur Deckung des Aufwands für die Anschaffung, Herstellung oder den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Verkehrsanlagen) Beiträge für Grundstücke erheben, denen durch die Verkehrsanlage Vorteile zuwachsen. § 30 Abs. 1 SächsKAG bestimmt weiter, dass die Beitragsschuld mit der Fertigstellung der Verkehrsanlage, frühestens jedoch mit In-Kraft-Treten der Satzung entsteht. Die letztgenannte Vorschrift ist dahingehend auszulegen, dass Straßenausbaubeiträge auch dann erhoben werden dürfen, wenn zum Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses einer Ausbaumaßnahme eine (wirksame) Ausbaubeitragssatzung noch nicht existiert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die den Beitrag auslösende Ausbaumaßnahme nach dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes am 1.9.1993 begonnen und fertig gestellt wurde. Offen bleiben kann im vorliegenden Fall die Frage, ob dies auch für den Fall gilt, dass die Ausbaumaßnahme vor dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes begonnen und nach dem In-Kraft-Treten abgeschlossen wurde. Diese Frage stellt sich im vorliegenden Fall nicht, weil die streitgegenständliche Ausbaumaßnahme nach dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes am 1.9.1993 begonnen und abgeschlossen wurde.

Der Senat leitet seine Auffassung aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 30 Abs. 1 SächsKAG her. Die Bestimmung, dass die Beitragsschuld mit der Fertigstellung der Verkehrsanlage, frühestens jedoch mit In-Kraft-Treten der Satzung entsteht, soll durch die Verwendung des Wortes "frühestens" gerade verdeutlichen, dass die Beitragsschuld nicht bereits mit der Fertigstellung der Verkehrsanlage, sondern erst mit dem In-Kraft-Treten der Satzung entsehen kann, wenn eine solche im Zeitpunkt der Fertigstellung rechtsgültig noch nicht bestand.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, § 30 Abs. 1 SächsKAG verhalte sich zu der hier maßgeblichen Frage nach seiner Anwendung auf die die Beitragspflicht begründenden Lebenssachverhalte nicht. Er beinhalte vielmehr, soweit er auch auf das In-Kraft-Treten einer Satzung abstelle, im Hinblick darauf, dass eine dem Grund und der Höhe nach voll ausgebildete Beitragsschuld nur nach In-Kraft-Treten einer Satzung mit einer wirksamen Verteilungsregelung entstehen könne und zudem § 2 Satz 2 SächsKAG die Bestimmung des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht durch Satzung erfordere, eine rein deklaratorische Regelung. Eine solche Bedeutung der Vorschrift des § 30 Abs. 1 SächsKAG kann nach Auffassung des Senats den maßgeblichen Bestimmungen des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes aber gerade nicht entnommen werden. § 2 Satz 2 SächsKAG bestimmt, worauf der Senat bereits oben hingewiesen hat, dass die Erhebung einer Kommunalabgabe - und damit auch eines Ausbaubeitrages - eine rechtsgültige Satzung voraussetzt. Betont nunmehr der Gesetzgeber in § 30 Abs. 1 SächsKAG, dass ein Ausbaubeitrag erst nach Fertigstellung der Verkehrsanlage, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten einer - rechtsgültigen - Satzung entsteht, so wird durch die Verwendung des Wortes "frühestens" eben deutlich gemacht, dass es für das Entstehen der (sachlichen) Beitragspflichten gleichgültig ist, ob die Fertigstellung der Verkehrsanlage dem In-Kraft-Treten der Satzung vorangeht oder ihr nachfolgt. Aufgrund des Wortlautes der Vorschrift kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Hinweis auf das In-Kraft-Treten der Satzung um eine lediglich deklaratorische Regelung handelt, weil das Satzungserfordernis bereits in § 2 Satz 2 SächsKAG geregelt ist. Vielmehr spricht gerade der systematische Zusammenhang zwischen der Vorschrift des § 2 Satz 2 SächsKAG und der Vorschrift des § 30 Abs. 1 SächsKAG für die Auffassung, dass der Landesgesetzgeber gerade keine, die Regelung in § 2 Satz 2 SächsKAG in § 30 Abs. 1 SächsKAG gleichsam nur deklaratorisch aufnehmende Regelung treffen wollte.

Für eine andere rechtliche Beurteilung spricht auch nicht die Gesetzesbegründung zu § 30 Abs. 1 SächsKAG (vgl. LT-Drucks. 1/2843, S. 33). Dort heißt es:

"Die Entstehung der Beitragsschuld wird an die Fertigstellung der Verkehrsanlage geknüpft. Ob eine Anlage fertig gestellt ist, richtet sich nach dem Ausbauprogramm der Gemeinde. Dieses ist (anders als beim Erschließungsbeitrag) nicht in der Satzung zu verankern. In der Regel wird das Ausbauprogramm durch Beschluss des zuständigen Organs festgelegt werden."

Dieser Begründung kann nicht entnommen werden, der Landesgesetzgeber habe mit der Aufnahme des In-Kraft-Tretens einer Ausbaubeitragssatzung in § 30 Abs. 1 SächsKAG lediglich die bereits in § 2 Satz 2 SächsKAG vorhandene Regelung deklaratorisch wiederholt. Unabhängig davon, dass es einer solchen nur deklaratorischen Regelung im Hinblick auf den § 2 Satz 2 SächsKAG nicht bedurfte, ist es das Wort "frühestens", das hier den gesetzgeberischen Willen hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, auch vor dem In-Kraft-Treten einer Satzung bereits fertiggestellte Verkehrsanlagen dem Ausbaubeitragsrecht zu unterstellen.

Dieser Wille des Gesetzgebers folgt auch aus der Regelung in § 40 Abs. 2 SächsKAG. Danach finden die Vorschriften über Ausbaubeiträge mit der Maßgabe Anwendung, dass solche Beiträge nur erhoben werden können, wenn die Anschaffung, Herstellung oder der Ausbau der Verkehrsanlagen sowie der Straßen und Wege nach dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes endgültig erfolgt ist. Dieser Vorschrift hätte es nicht bedurft, wenn § 30 Abs. 1 SächsKAG in dem Sinne zu verstehen wäre, dass eine Beitragspflicht nur für solche Ausbaumaßnahmen entstehen kann, die nicht bereits vor dem In-Kraft-Treten einer rechtsgültigen Satzung abgeschlossen sind.

Da sich somit bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 30 Abs. 1 SächsKAG ergibt, dass es für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht gleichgültig ist, ob die Fertigstellung der Verkehrsanlage dem In-Kraft-Treten der Satzung vorangeht oder ihr nachfolgt, kommt es nicht auf die Frage an, ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Entstehung von Erschließungsbeitragspflichten in Fällen der technischen Fertigstellung von Erschließungsanlagen vor dem In-Kraft-Treten einer wirksamen Erschließungsbeitragssatzung (vgl. Urt. v. 14.3.1975, NJW 1975, 1426) auf das Entstehen der Beitragspflicht bei Straßenausbaumaßnahmen anzuwenden ist. Die das Entstehen der Beitragspflicht von Erschließungsbeiträgen regelnden Vorschriften sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine dem § 30 Abs. 1 SächsKAG entsprechende Bestimmung nicht enthalten und somit der Wortlaut der erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften es offen lässt, ob ein Erschließungsbeitrag nur dann entstehen kann, wenn im Zeitpunkt des technischen Abschlusses der Erschließungsmaßnahme eine rechtsgültige Satzung besteht.

Im Hinblick auf das vom Senat oben näher ausgeführte Verständnis des § 30 Abs. 1 SächsKAG kommt es auf die vom Verwaltungsgericht aufgeworfenen Fragen der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer rückwirkenden Ausbaubeitragssatzung nicht an. Bestimmt, wie im Freistaat Sachsen, der Landesgesetzgeber, dass die sachliche Beitragspflicht auch für den Fall mit dem In-Kraft-Treten einer rechtswirksamen Satzung entsteht, dass die Verkehrsanlage vor deren In-Kraft-Treten fertig gestellt wurde, so stellt sich bei der Einbeziehung solcher Sachverhalte in den Regelungsbereich einer Satzung nicht die Frage der zulässigen Rückwirkung. Dies gilt unabhängig davon, ob die Satzung rückwirkend in Kraft getreten ist, sie eine dem § 20 Satz 2 der Straßenausbausatzung der Beklagten entsprechende Regelung enthält oder es an einer entsprechenden Regelung in der einschlägigen Straßenausbaubeitragssatzung fehlt. Es handelt sich hier entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht um eine unzulässige Vermengung des Lebenssachverhaltes (Straßenausbau) als Abgabentatbestand mit der an ihn anknüpfenden Rechtsfolge des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht. Diese Argumentation wäre nur dann tragfähig, wenn das Kommunalabgabengesetz eine dem § 30 Abs. 1 SächsKAG entsprechende Regelung nicht enthalten würde.

Die somit landesgesetzlich normierte Beitragsfähigkeit von Ausbaumaßnahmen, die bereits vor Erlass einer Beitragssatzung tatsächlich und - da die Fertigstellung einer Verkehrsanlage im Gegensatz zum Erschließungsbeitragsrecht nicht durch Satzung zu regeln ist - rechtlich abgeschlossen waren, begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die in § 30 Abs. 1 SächsKAG enthaltene Regelung und die nach Auffassung des Senats dadurch ermöglichte tatbestandliche Rückanknüpfung von Beitragssatzungen an Sachverhalte, die im Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens abgeschlossen waren, verstößt nicht gegen die im Rechtsstaatsprinzip enthaltenen Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Vorschrift des § 30 Abs. 1 SächsKAG die Ausbaumaßnahmen erfasst, die nach In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes am 1.9.1993 begonnen und abgeschlossen wurden. Ob verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 30 Abs. 1 SächsKAG mit Erfolg vorgebracht werden können, wenn es um die Anwendung der Vorschrift auf Ausbaumaßnahmen geht, die vor dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes begonnen und erst nach dem In-Kraft-Treten beendet wurden, braucht im vorliegenden Fall nicht zu entschieden werden, da die streitgegenständlichen Ausbaumaßnahmen erst nach dem 1.9.1993 begonnen wurden.

Für den hier maßgeblichen Fall begegnet die in § 30 Abs. 1 SächsKAG getroffene Regelung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.

Belastende Gesetze, die in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen und dadurch echte Rückwirkung entfalten, sind wegen Verstoßes gegen das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes regelmäßig verfassungswidrig. Dagegen sind Normen, die eine unechte Rückwirkung entfalten, grundsätzlich zulässig, wenn nicht der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes je nach Lage der Verhältnisse im einzelnen Fall der Regelungsbefugnis Schranken setzt. Eine Norm entfaltet dann eine unechte Rückwirkung, wenn sie zwar nicht auf vergangene, aber auch nicht nur auf zukünftige Rechtsbeziehungen, sondern auf gegenwärtige, in der Vergangenheit noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und die damit zugleich betroffene Rechtsposition nachträglich im Ganzen entwertet. Die Rückanknüpfung ist in einem solchen Fall mit der Verfassung vereinbar, wenn das Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen günstigen Rechtslage nicht generell schutzwürdiger erscheint als das öffentliche Interesse an einer Änderung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.5.1986, BVerfGE 72, 155; Beschl. v. 14.5.1986, BVerfGE 72, 200; Beschl. v. 30.9.1987, BVerfGE 76, 256).

In diesem Sinne entfaltet § 30 Abs. 1 SächsKAG keine echte Rückwirkung, weil durch diese Regelung keine in der Vergangenheit bereits abgeschlossenen Sachverhalte berührt werden. Dies folgt aus § 40 Abs. 2 SächsKAG, wonach die Vorschriften des fünften Abschnittes (Beiträge für Verkehrsanlagen, besondere Wegebeiträge) mit der Maßgabe Anwendung finden, dass solche Beiträge nur erhoben werden können, wenn die Anschaffung, Herstellung oder der Ausbau der Verkehrsanlagen sowie der Straßen und Wege nach dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes endgültig erfolgt ist. Diese Regelung schließt das Entstehen einer Ausbaubeitragspflicht für die Fälle aus, in denen vor dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes die Verkehrsanlagen bereits fertig gestellt waren.

Der Anwendungsbereich der Vorschriften über Ausbaubeiträge wird durch die vorgenannte Vorschrift auf Maßnahmen erstreckt, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Vorschrift bereits begonnen, aber noch nicht abgeschlossen waren, und bewirkt insoweit eine tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) auf zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes noch nicht abgeschlossene Sachverhalte im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Ob es sich bei allen in diesem Zusammenhang denkbaren Konstellationen um eine zulässige unechte Rückwirkung handelt, braucht der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Entstehen einer sachlichen Beitragspflicht für die Herstellung einer Anbaustraße, die erst nach dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes begonnen wurde. Es handelt sich hierbei um einen Fall, in dem es an einer tatbestandlichen Rückanknüpfung fehlt.

Da es in Fällen der vorliegenden Art an einer tatbestandlichen Rückanknüpfung auf zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes noch nicht abgeschlossene Sachverhalte fehlt, braucht der Senat sich auch nicht mit der Frage des Vertrauensschutzes zu befassen. Dies gilt auch für die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage im Hinblick auf die in § 20 Satz 2 beider Straßenausbaubeitragssatzungen der Beklagten enthaltene Regelung über die Einbeziehung von Straßenausbaumaßnahmen, die vor dem In-Kraft-Treten der Satzung abgeschlossen waren. Wie der Senat bereits oben ausgeführt hat, entfalten nämlich beide Straßenausbaubeitragssatzungen der Beklagten weder eine echte noch eine unechte Rückwirkung von verfassungsrechtlicher Bedeutung. Auf die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage des Vertrauensschutzes kommt es also auch insoweit nicht an. Dies bedeutet, dass der Senat den vorliegenden Fall nicht zum Anlass nehmen muss, die Frage zu entscheiden, ob die Erhebung von Ausbaubeiträgen und damit auch der Erlass einer entsprechenden Satzung im Ermessen der Gemeinde steht, oder ob die Gemeinde verpflichtet ist, einen Ausbaubeitrag zu erheben und dementsprechend eine Ausbaubeitragssatzung zu erlassen.

Für die Auffassung, dass im Unterschied zum Baugesetzbuch, welches zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen verpflichtet (vgl. § 127 Abs. 1 BauGB), die Erhebung von Beiträgen für Straßenausbaumaßnahmen in das kommunalpolitische Ermessen der Gemeinde gestellt ist, könnte der Gesetzeswortlaut des § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG sprechen. Dort heißt es, dass die Gemeinden Beiträge zur Deckung des Aufwands für die Anschaffung, Herstellung oder den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen erheben "können". Auch die Überschrift "Erhebungsermächtigung für Beiträge zu Verkehrsanlagen, besondere Wegebeiträge" könnte darauf hindeuten, dass die Gemeinden befugt, aber nicht verpflichtet sind, Straßenausbaubeiträge zu erheben. Eine entsprechende Formulierung findet sich auch in § 40 Abs. 2 SächsKAG. Auch dort verwendet der Landesgesetzgeber die Formulierung, dass Ausbaubeiträge unter den dort näher aufgeführten Voraussetzungen erhoben werden "können".

Dem Begriff "können" muss jedoch nicht zwangsläufig die Bedeutung zukommen, dass der Landesgesetzgeber die Erhebung von Ausbaubeiträgen in das kommunalpolitische Ermessen der Gemeinden gestellt hat. Der Gesetzgeber verwendet in der Regel den Begriff "können", um deutlich zu machen, dass der Verwaltung ein Ermessensspielraum zusteht. Aus Sinn und Zweck einer Vorschrift kann sich allerdings ergeben, dass dem Wort "können" die Bedeutung von "dürfen" zukommt, ohne dass damit der Behörde ein Ermessen einräumt werden soll. In diesem Sinne eines "Kompetenz-Könnens" dürfte das Wort "können" in den vorgenannten Vorschriften zu verstehen sein.

Für die Vorschrift des § 40 Abs. 2 SächsKAG ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Mit der Formulierung "nur erhoben werden können" stellt der Gesetzgeber klar, dass Ausbaubeiträge für vor dem In-Kraft-Treten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes begonnene Ausbaumaßnahmen nur erhoben werden "dürfen", wenn sie nach diesem Zeitpunkt endgültig abgeschlossen werden. Die Norm ist nicht in dem Sinne einer den Regelungsbereich der vorangehenden Vorschriften erweiternden Ermächtigung zur Erhebung von Ausbaubeiträgen, sondern in einem einschränkenden Sinne zu verstehen.

Für die Auslegung des in § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG verwendeten Begriffs "können" im Sinne der Einräumung eines Ermessens könnten die Motive des historischen Gesetzgebers sprechen. In der Begründung des Regierungsentwurfes zu § 26 SächsKAG heißt es, dass es den Gemeinden überlassen sei, ob und in welchem Umfang sie von der Erhebungsmöglichkeit von Ausbaubeiträgen Gebrauch machen wollen (vgl. LT-Drucks. 1/2843, S. 31). Diese Formulierung schließt es aber nicht aus, die Erhebung von Ausbaubeiträgen den Einnahmebeschaffungsgrundsätzen des § 73 SächsGemO zu unterstellen. Ein solches Verständnis wird durch den historischen Gesetzgeber wohl nicht ausgeschlossen. Zwar heißt es in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 26 SächsKAG (aaO), dass aus dem Grundsatz des Vorrangs spezieller Entgelte bei den kommunalen Einnahmebeschaffungsgrundsätzen sich keine Pflicht zur Erhebung von Ausbaubeiträgen herleiten lasse, da Verkehrsanlagen keine öffentlichen Einrichtungen, sondern öffentliche Sachen seien, für deren ihrer Widmung entsprechende Nutzung nach dem geltenden Recht keine Rechtsgrundlage zur Erhebung von Leistungsentgelten bestehe. Dies spricht zwar für die Annahme, der Landesgesetzgeber habe die Erhebung von Ausbaubeiträgen in das Ermessen der Gemeinden stellen wollen. Die historische Auslegungsmethode einer Norm vermag allerdings dem Inhalt einer Norm keinen anderen Sinn zu vermitteln, als den sich aus der Wort- und Sinnauslegung ergebenden. Hinzu kommt, dass die Auffassung, es lasse sich aus dem Grundsatz des Vorrangs spezieller Entgelte keine Pflicht zur Erhebung von Ausbaubeiträgen herleiten, weil Verkehrsanlagen öffentliche Sachen seien, für deren widmungsgemäßen Gebrauch die Gemeinden keine Benutzungsgebühren erhoben dürften, in dieser Allgemeinheit nicht tragfähig sein dürfte. Die fehlende Möglichkeit, Benutzungsgebühren zu erheben, schließt es aus Rechtsgründen nicht aus, eine Verpflichtung zur Erhebung von Beiträgen zu regeln. Der in der amtlichen Gesetzesbegründung zu § 26 SächsKAG enthaltene Hinweis dürfte deshalb nicht haltbar sein.

Für eine Verpflichtung der Gemeinden, Straßenausbaubeitragssatzungen zu erlassen und Straßenausbaubeiträge zu erheben, spricht die Regelung in § 73 SächsGemO über die Grundsätze der Einnahmebeschaffung. Nach dessen Absatz 1 erheben die Gemeinden Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften. Absatz 2 der Regelung bestimmt, dass die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Einnahmen soweit vertretbar und geboten, aus selbst zu bestimmenden Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen und im Übrigen aus Steuern zu beschaffen hat. § 73 Abs. 2 SächsGemO schreibt zwingend die Rangfolge für die Einnahmen der Gemeinden vor. Die Vorschrift will ein ausgewogenes Verhältnis unter den einzelnen Einnahmearten schaffen und eine gerechte Lastenverteilung erreichen.

§ 73 Abs. 2 und 4 SächsGemO stellt folgende verbindliche Reihenfolge der Deckungsmittel auf:

1. Spezielle Entgelte

2. Steuern

3. Kredite.

Spezielle Entgelte sind Verwaltungsgebühren, Benutzungsgebühren, privatrechtliche Benutzungsentgelte und Beiträge. Die in § 73 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO geregelte Vorrangigkeit der speziellen Entgelte vor Steuern folgt aus dem Verursacherprinzip und dient dem Vorteilsausgleich (Schmid, in: Quecke/Schmid, Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen, Rdnr. 15 zu § 73). Derjenige, der aus speziellen Leistungen der Verwaltung individuell zurechenbare Vorteile erfährt, soll auch die dabei anfallenden Kosten tragen und nicht anonym der Steuerzahler. Der Vorrang der speziellen Entgelte dürfte für Straßenausbaumaßnahmen folglich bedeuten, dass die Gemeinde verpflichtet ist, vor der Finanzierung der Ausbaumaßnahme durch Steuern oder Kredite Beiträge zu erheben. Da die Gemeinde für die Straßenbenutzung keine Benutzungsgebühren erheben darf, kann sie folglich auch nicht nach freiem Ermessen darüber entscheiden, ob sie Straßenbaubeiträge erhebt oder nicht. Geboten sein dürfte die Entgelterhebung immer dann, wenn die sonstigen Einnahmen der Gemeinde nicht ausreichen, die Erfüllung ihrer Aufgaben zu finanzieren. Diese Situation ist dann gegeben, wenn die Gemeinde Steuern erheben oder Kredite in Anspruch nehmen müsste, um die Straßenausbaumaßnahme zu finanzieren. In diesem Falle dürfte sie gehalten sein, Straßenbaubeiträge zu erheben. Das bedeutet, dass die Gemeinden dann auch verpflichtet wären, Straßenbaubeitragssatzungen zu erlassen.

Dem dürfte nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden können, das Sächsische Kommunalabgabengesetz sei hinsichtlich der Regelungen über den Erlass von Straßenbaubeitragssatzungen gegenüber der Sächsischen Gemeindeordnung die speziellere Vorschrift. Eine solche Argumentation verkennt, dass die Erhebung eines Straßenausbaubeitrages rechtlich nur dann zulässig ist, wenn unter anderem die Gemeinde eine entsprechende Straßenbaubeitragssatzung erlassen hat. Dies folgt bereits aus § 73 Abs. 1 SächsGemO und wird in § 2 Abs. 2 SächsKAG aufgegriffen. Der Ausbaubeitrag als ein spezielles Entgelt im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO ist eine Abgabe, die folglich nach beiden vorgenannten Vorschriften nur dann erhoben werden darf, wenn die Gemeinde eine Straßenbaubeitragssatzung erlassen hat. Die Ermächtigung zur Erhebung von Ausbaubeiträgen und damit zum Erlass von Straßenbaubeitragssatzungen ist in § 26 SächsKAG geregelt. Ohne diese Regelung dürften die Gemeinden keine Straßenbaubeitragssatzungen erlassen. Es spricht deshalb vieles dafür, dass die Regelung über die Zulässigkeit der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen in § 26 SächsKAG ausschließlich eine entsprechende Ermächtigung enthält, ohne eine verbindliche Regelung darüber zu treffen, ob die Gemeinden Ausbaubeiträge erheben müssen oder nicht. Eine solche Regelung dürfte der Landesgesetzgeber auch bewusst nicht in die Bestimmungen über Ausbaubeiträge aufgenommen haben. Er trägt damit dem Umstand Rechnung, dass der in § 73 Abs. 2 Nr. 1 SächsGemO geregelte Einnahmebeschaffungsgrundsatz die Gemeinden zur Erhebung von Ausbaubeiträgen nur für den Fall verpflichtet, dass ohne die Erhebung von Ausbaubeiträgen die entsprechenden Maßnahmen durch Steuern oder durch Kredite finanziert werden müssten. Es spricht deshalb vieles dafür, die Frage der Erhebungspflicht und damit der Pflicht zum Erlass einer entsprechenden Satzung als in § 73 SächsGemO und nicht in den § 26 ff. SächsKAG geregelt anzusehen. Dies würde bedeuten, dass die Frage der Verpflichtung zur Erhebung von Ausbaubeiträgen speziell in der Sächsischen Gemeindeordnung und nicht im Sächsischen Kommunalabgabengesetz geregelt wäre.

Der Senat kann letztlich die hier aufgeworfene Frage nach der Verpflichtung der Erhebung von Ausbaubeiträgen offen lassen, da deren Beantwortung im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich ist.

Dem Ausbaubeitragsbescheid der Beklagten liegt somit eine rechtswirksame Satzung zugrunde.

Der Ausbaubeitragsbescheid ist auch nicht aus den vom Kläger vorgetragenen Gründen rechtswidrig.

Es handelt sich bei der G. Straße um eine Verkehrsanlage im Sinne des § 26 Abs. 1 SächsKAG i.V.m. § 1 Abs. 1 beider Straßenausbaubeitragssatzungen der Beklagten. Die G. Straße ist eine in der Baulast der Beklagten stehende Straße, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist.

Bei den von der Beklagten in der G. Straße durchgeführten Arbeiten handelt es sich um Ausbaumaßnahmen im Sinne des § 26 Abs. 1 SächsKAG. Der Ausbau im Sinne dieser Vorschrift umfasst nämlich nach § 26 Abs. 2 SächsKAG neben der Erweiterung, Verbesserung (ohne laufende Unterhaltung und Instandsetzung) auch die Erneuerung der Verkehrsanlage.

Unter einer Erneuerung wird im Straßenbaubeitragsrecht die Ersetzung einer abgenutzten Anlage durch eine gleichsam neue Anlage von - im Vergleich zum ursprünglichen Ausbau - gleicher räumlicher Ausdehnung, gleicher funktioneller Aufteilung der Fläche und gleichwertiger Befestigungsart verstanden. Es handelt sich folglich um eine Maßnahme, durch die eine nicht mehr (voll) funktionsfähige, also erneuerungsbedürftige Anlage in einen im wesentlichen der ursprünglichen Anlage vergleichbaren Zustand versetzt wird (vgl. Driehaus, aaO, § 32 Rdnr. 13 m.w.N.). Die G. Straße wurde in diesem Sinne erneuert. Sie entspricht in ihrem Zustand nach Abschluss der Ausbaumaßnahmen in ihren wesentlichen Eigenschaften der Anlage vor Beginn der Ausbaumaßnahmen. Sie ist mit dieser sowohl funktional als auch qualitativ vergleichbar.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist für die Beurteilung der Beitragsfähigkeit der Ausbaumaßnahme ohne Belang, dass den Anliegern der Straße keine Mitsprache vor und während des Ausbaus gewährt worden ist. Eine solche Mitsprache ist keine Voraussetzung für die Beitragsfähigkeit der Maßnahme (vgl. OVG NW, Beschl. v. 14.11.1997 - 15 A 529/95 -, zitiert nach Driehaus, aaO, § 32 Rdnr. 1).

Die Beklagte hat auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise den beitragsfähigen Aufwand ermittelt. Sie hat die Kosten für die Arbeiten an den Gehwegen als bloße Kosten für die Instandsetzung nicht in den ausbaubeitragsfähigen Aufwand eingerechnet. Entgegen der Auffassung der Kläger wurden die Baumaßnahmen vorher ausgeschrieben. Sie wurden in einem ordnungsgemäßen Verfahren vergeben.

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass entsprechend dem Vortrag des Klägers die Werklohnforderungen überhöht sind und deshalb von der Beklagten nicht in voller Höhe hätten anerkannt und als beitragsfähigen Aufwand angesehen werden dürfen. Der Vortrag des Klägers ist insoweit unsubstantiiert. Er lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen die Werklohnforderungen insbesondere der Firma R. + H. GmbH überhöht sein sollen. Der Senat teilt allerdings die Bedenken des Klägers, dass die Beklagte die von der Firma R. + H. GmbH unter dem 11.7.1997 in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 12.764,73 DM in den beitragsfähigen Aufwand einbezogen hat. Bedenken bestehen an der Berücksichtigungsfähigkeit dieser Kosten insoweit, als die Firma R. + H. GmbH bereits ihre Rechnung vom 3.12.1996 als Schlussrechnung bezeichnet hat. Geht man, wie der Senat, davon aus, dass die Abnahme der Arbeiten nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen nicht, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat, im November 1996, sondern erst im Februar 1997 stattgefunden hat, spricht vieles dafür, dass zu diesem Zeitpunkt die G. Straße im Sinne des § 30 Abs. 1 SächsKAG fertig gestellt war und deshalb die nach diesem Zeitpunkt mit Rechnung geltend gemachten Kosten keine beitragsfähigen Kosten darstellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Eingang der letzten Unternehmerrechnung ein Merkmal der Fertigstellung einer Verkehrsanlage ist. Im vorliegenden Fall stellt sich allerdings weiter die Frage, ob diese Rechnung auch bei der vorgenannten Betrachtungsweise nicht deshalb berücksichtigungsfähig ist, weil in dem Zeitpunkt ihrer Stellung möglicherweise eine wirksame Ausbausatzung noch nicht vorlag.

Der Senat kann diese Fragen jedoch dahingestellt sein lassen, weil sich ein möglicher Fehler nicht zu Lasten des Klägers ausgewirkt hat. Die Beklagte hat entsprechend ihrer Ausbaubeitragssatzung einen 25 %igen Gemeindeanteil gemäß § 28 SächsKAG i.V.m. § 3 ihrer Straßenausbaubeitragssatzung vom beitragsfähigen Aufwand für die Erneuerung der G. Straße in Abzug gebracht. Sie hat ferner einen Betrag in Höhe von 3.517,30 DM in Abzug gebracht, den sie als "Erlaß gem. Beschluß des Stadtrates Nr. 628/96 vom 23.10.1996" bezeichnet hat. Dieser Abzug dürfte rechtlich unzulässig sein. Der Abzug beruht auf dem Beschluss des Stadtrates vom 23.10.1996 über die Anwendung der Ausbaubeitragssatzung. In dem Beschluss heißt es unter anderem, dass der Anteil der Beitragspflichtigen am beitragsfähigen Aufwand für vom 1.1.1997 bis 31.12.2000 fertig gestellte Verkehrsanlagen bei Anliegerstraßen 60 % beträgt. Dieser Beschluss ist unwirksam, da er einen von der Ausbaubeitragssatzung abweichenden Anteil des öffentlichen Interesses regelt. Eine solche Regelung ist jedoch nur in Form einer Satzung möglich (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG). Der durch den Stadtratsbeschluss beschlossene Abzug kann auch nicht rechtlich als Erlass gewertet werden. Unabhängig davon, dass die Voraussetzungen für einen Erlass nicht für alle im Zeitpunkt des Beschlusses potenziellen Beitragspflichtigen vorliegen dürften, ist dies jedenfalls bei dem Kläger nicht der Fall.

Der Kläger kann seiner Inanspruchnahme für die Kosten der Erneuerung der G. Straße nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Ausbaumaßnahme habe für die Anlieger der G. Straße keinen rechtlich relevanten Vorteil erbracht. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG darf ein Ausbaubeitrag nur für die Grundstücke erhoben werden, denen durch die Verkehrsanlage Vorteile erwachsen. Dies bedeutet, dass nur diejenigen Grundstückseigentümer im Straßenbaubeitragsrecht mit ihren Grundstücken bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwands zu beteiligen sind, denen eine vorteilsrelevante Inanspruchnahme der ausgebauten Straße möglich ist. Vorteilsrelevant in diesem Sinne ist eine Inanspruchnahmemöglichkeit, die für bestimmte Grundstücke bzw. deren Eigentümer im Verhältnis zu einem anderen deshalb besonders vorteilhaft ist, weil es aufgrund der räumlich engen Beziehung dieser Grundstücke zur ausgebauten Anlage erfahrungsgemäß angenommen werden kann, diese werden von ihnen aus in stärkerem Umfang in Anspruch genommen als von anderen Grundstücken aus, wirke sich für deren Erschließungssituation folglich mehr aus und führe also für sie zu einer Steigerung ihres Gebrauchwertes, die für die anderen Grundstücke nicht in vergleichbarer Weise eintritt (Driehaus, aaO, § 35 Rdnr. 9, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Falle des Grundstücks des Klägers gegeben. Der Kläger kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Ausbaumaßnahme sei nicht notwendig gewesen. Der alte Zustand der G. Straße war die Fahrbahn betreffend durch eine Grobpflasterung mit Bitumendecke gekennzeichnet. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass diese Bitumendecke an mehreren Stellen Schäden aufwies. Der Kläger hat durch die Erneuerung der G. Straße somit auch durch die Ausbaumaßnahme bereits dadurch einen Vorteil erhalten, dass er nunmehr gefahrlos die Straße befahren kann. Er kann dem nicht entgegenhalten, das Verkehrsaufkommen in der G. Straße habe sich nach Durchführung der Ausbaumaßnahmen erhöht. Die G. Straße ist wie auch schon vor ihrem Ausbau von der Beklagten als Anliegerstraße eingestuft worden. Die Ausbaumaßnahmen entsprechen dieser Funktion der Straße. Es trifft nicht zu, dass die Beklagte die G. Straße zu einer innerörtlichen Erschließungsanlage ausgebaut hat.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung berufen. Die sachliche Beitragspflicht konnte frühestens mit dem In-Kraft-Treten der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten am 16.3.1997 entstehen. Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. C SächsKAG i.V.m. § 169 AO) war deshalb im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids noch nicht abgelaufen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der vom Kläger angefochtene Beitragsbescheid rechtmäßig ist. Die Klage war deshalb in Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.

Beschluss vom 23. März 2004

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gemäß § 25 Abs. 3, § 13 Abs. 2 GKG auf 7.193,46 € (entspricht 14.069,19 DM) festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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