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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 04.06.2008
Aktenzeichen: 5 B 65/06
Rechtsgebiete: SächsGemO, SächsKAG


Vorschriften:

SächsGemO § 20
SächsKAG § 9 a. F.
SächsKAG § 17 a. F.
SächsKAG § 2 n. F.
SächsKAG § 17 n. F.
1. Änderung der Rechtsprechung zur Einrichtungsbildung bei der Abwasserbeseitigung: Werden in einem Satzungsgebiet die meisten Grundstücke vollentsorgt, ein Teil aber nur schmutzwasserentsorgt, ist die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte nach dem Rechtmäßigkeitsmaßstab der Typengerechtigkeit noch hinzunehmen, wenn nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle von dem Typ "Vollentsorgung" abweichen (anders noch der erkennende Senat im Urteil von 24.2.2003 - 5 B 639/02 - und im Urteil vom 26.3.2003 - 5 B 638/02 -, SächsVBl. 2004, 103, sowie im Urteil vom 17.5.2006 - 5 B 196/05 -) und die abweichenden Fälle zusammen nicht mehr als 10 % der Nutzungsfläche ausmachen (anders noch der erkennende Senat im Beschluss vom 4.3.2004, JbSächsOVG 12, 125).

2. Liegt bei einer nach Ablauf des Prognosezeitraums erfolgenden Überprüfung des höchstzulässigen angemessenen Betriebskapitals eine Nachberechung anhand konkreter Zahlen vor, so ist diese heranzuziehen. Die Vorauskalkulation ist nicht im Nachhinein neu zu erstellen (im Anschluss an SächsOVG, Urt. v. 10.4.2008 - 1 B 388/06 - zum Verhältnis von Voraus-kalkulation und Nachberechnung bei der Erhebung einer Luftsicherheitsgebühr).

3. Wenden sich Mitglieder eines Stadtrats im Klagewege gegen einen - sie als Grundstückseigentümer betreffenden - Abwasserbeitragsbescheid, so dürfen sie allein deswegen nicht wegen Befangenheit von einer Entscheidung des Stadtrats über eine neue Abwasserbeitragssatzung ausgeschlossen werden, da in diesem Fall nur das gemeinsame Interesse der aus allen Grundstückseigentümern im Satzungsgebiet bestehenden Bevölkerungsgruppe betroffen ist.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: 5 B 65/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Abwasserbeitrags

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Düvelshaupt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Mai 2008

am 4. Juni 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 30. November 2005 - 1 K 134/01 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen als Gesamtschuldner.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erhebung eines Abwasserbeitrags.

Die Kläger sind als Gesellschafter bürgerlichen Rechts seit dem 18.5.1995 als Eigentümer des 300 m² großen Flurstücks Nr. F1 der Gemarkung F. (postalische Adresse: K. , F. ) im Grundbuch von F. , Blatt F2 , eingetragen. Das Grundstück ist mit einem viergeschossigen denkmalgeschützten Gebäude bebaut.

Die Freiberger Abwasserbeseitigung - ein Eigenbetrieb der Beklagten - zog die Klägerin zu 1 mit Bescheid vom 30.6.1998 (Bescheidnummer 0-374) und den Kläger zu 2 mit Bescheid vom 18.8.1998 (Bescheidnummer 0-374) als Gesamtschuldner für das o. g. Grundstück zu einem Abwasserbeitrag in Höhe von 1.500,00 DM (766,94 €) heran. Dabei wandte sie einen Nutzungsfaktor von 2,5 an, wodurch sich eine Nutzungsfläche von 750 m² ergab, die sie mit dem Beitragssatz von 2,00 DM (1,02 €) multipliziert hat. Satzungsgrundlage für die Festsetzung war die Allgemeine Abwassersatzung vom 19.12.1996. Gegen den "Abwasserbeitrag Nr. 0-374" legte die R. GmbH als Verwalterin des Grundstücks für die Eigentümer mit am 1.9.1998 eingegangenen Schreiben Widerspruch ein. Diesen begründete sie im Wesentlichen damit, dass nicht zwischen bereits erschlossenen und noch nicht erschlossenen Grundstücken differenziert werde sowie ein einheitlicher Beitragssatz für offene und geschlossene Bebauung festgelegt worden sei. Auch werde die Leistungsfähigkeit der Beitragspflichtigen nicht berücksichtigt. Die nicht vollständig bebaubare Grundstücksfläche werde zu Unrecht insgesamt angesetzt.

Nach zwei Änderungen der Allgemeinen Abwassersatzung vom 19.12.1996 beschloss der Stadtrat der Beklagten am 6.4.2000 eine neue Allgemeine Abwassersatzung (ausgefertigt am 7.4.2000, veröffentlicht im Amtsblatt der Beklagten vom 12.4.2000). Deren Regelungen über den Abwasserbeitrag (§ 20 bis § 36) sollten rückwirkend zum 1.1.1996 in Kraft treten (§ 57 AAS 2000). Sie enthält u. a. folgende Regelungen:

"§ 1 Öffentliche Einrichtung

(1) Die Stadt Freiberg (im Folgenden "Stadt" genannt) als Abwasserbeseitigungspflichtige betreibt die Beseitigung des in ihrem Gebiet anfallenden Abwassers als eine öffentliche Einrichtung.

(2) Als angefallen gilt Abwasser, das über eine Grundstücksentwässerungsanlage in die öffentliche Abwasseranlage gelangt oder das in abflusslosen Gruben oder Kleinkläranlagen gesammelt wird.

[...]

§ 2 Begriffsbestimmungen

(1) Abwasser ist das durch Gebrauch in seinen Eigenschaften veränderte Wasser (Schmutzwasser), das aus dem Bereich von bebauten oder künstlich befestigten Flächen abfließende und gesammelte Wasser aus Niederschlägen (Niederschlagswasser) sowie das sonstige in Abwasseranlagen mit Schmutzwasser oder Niederschlagswasser fließende Wasser.

Abwasser ist auch das in Anlagen zum Behandeln, Lagern und Ablagern von Abfällen anfallende Wasser, soweit nichts anderes bestimmt wird.

[...]

§ 20 Erhebungsgrundsatz

(1) Die Stadt erhebt zur angemessenen Ausstattung der öffentlichen Abwasserbeseitigung mit Betriebskapital einen Abwasserbeitrag.

(2) Die Höhe des Betriebskapitals wird auf 35.763.800 DM festgesetzt.

(3) Durch Satzung können zur angemessenen Aufstockung des nach Abs. 2 festgesetzten Betriebskapitals gemäß § 17 Abs. 2 SächsKAG weitere Beiträge erhoben werden.

§ 21 Gegenstand der Beitragspflicht

(1) Der erstmaligen Beitragspflicht im Sinn von § 20 Abs. 1 unterliegen Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, wenn sie bebaut oder gewerblich genutzt werden können. Erschlossene Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, unterliegen der Beitragspflicht, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Stadt zur Bebauung anstehen.

(2) Wird ein Grundstück an die öffentlichen Abwasseranlagen tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es den Beitragspflichten auch dann, wenn die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht erfüllt sind.

(3) Grundstücke im Sinne der Abs. 1 und 2, die bei Inkrafttreten dieser Satzung bereits an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossen sind, unterliegen der erstmaligen Beitragspflicht gemäß § 20 Abs. 1. Voraussetzung ist, dass das Abwasser behandelt wird und die Abwasseranlagen den rechtlichen Anforderungen genügen.

(4) Grundstücke im Sinne der Abs. 1 bis 3, für die schon ein erstmaliger Beitrag (§ 20 Abs. 1) entstanden ist, unterliegen einer weiteren Beitragspflicht gemäß § 20 Abs. 3, wenn dies durch Satzung bestimmt wird.

§ 23 Beitragsmaßstab

Maßstab für die Bemessung des Abwasserbeitrags ist die Nutzungsfläche. Diese ergibt sich durch Vervielfachen der Grundstücksfläche (§ 24) mit dem Nutzungsfaktor (§ 25).

§ 24 Grundstücksfläche

(1) Als Grundstücksfläche gilt:

1. bei Grundstücken im Bereich des Bebauungsplans die Fläche, die unter Berücksichtigung des § 19 Abs. 1 SächsKAG der Ermittlung der zulässigen Nutzung zugrunde zu legen ist;

2. bei Grundstücken, die mit ihrer gesamten Fläche im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) oder im Bereich eines Bebauungsplans, der die erforderlichen Festsetzungen nicht enthält, liegen, die Fläche, die unter Berücksichtigung des § 19 Abs. 1 SächsKAG der Ermittlung der zulässigen Nutzung zugrunde zu legen ist;

3. bei Grundstücken, die teilweise in den unter Nr. 1 oder 2 beschriebenen Bereichen und teilweise im Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die nach § 19 Abs. 1 SächsKAG maßgebende Fläche;

4. bei Grundstücken, die mit ihrer gesamten Fläche im Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen oder aufgrund § 21 Abs. 2 beitragspflichtig sind, die nach § 19 Abs. 1 SächsKAG maßgebende Fläche.

(2) Die nach § 19 Abs. 2 SächsKAG vorgesehene Abgrenzung geschieht nach den Grundsätzen für die grundbuchmäßige Abschreibung von Teilflächen unter Beachtung der baurechtlichen Vorschriften ohne die Möglichkeit der Übernahme einer Baulast.

§ 25 Nutzungsfaktor

(1) Der Nutzungsfaktor bemisst sich nach den Vorteilen, die den Grundstücken nach Maßgabe ihrer zulässigen baulichen Nutzung durch die Einrichtung vermittelt werden. Die Vorteile orientieren sich an der Zahl der zulässigen Geschosse. Als Geschosse gelten Vollgeschosse im Sinne der Sächsischen Bauordnung.

(2) Der Nutzungsfaktor beträgt im Einzelnen:

1. in den Fällen des § 29 Abs. 2 und 3 0,2

2. in den Fällen des § 29 Abs. 4 und § 30 Abs. 4 0,5

3. bei eingeschossiger Bebaubarkeit 1,0

4. bei zweigeschossiger Bebaubarkeit 1,5

5. bei dreigeschossiger Bebaubarkeit 2,0

6. bei viergeschossiger Bebaubarkeit 2,5

7. bei fünfgeschossiger Bebaubarkeit 3,0

8. bei sechsgeschossiger Bebaubarkeit 3,5

9. für jedes weitere, über das 6. Geschoss hinausgehende Geschoss eine Erhöhung um 0,5

§ 26 Ermittlung des Nutzungsmaßes bei Grundstücken, für die ein Bebauungsplan die Geschosszahl festsetzt

(1) Als Geschosszahl gilt die im Bebauungsplan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse. Ist im Einzelfall eine größere Geschosszahl genehmigt, so ist diese zugrunde zu legen.

(2) Überschreiten Geschosse nach Abs. 1, die nicht als Wohn- oder Büroräume genutzt werden, die Höhe von 3,5 m, so gilt als Geschosszahl die Baumasse des Bauwerks geteilt durch die überbaute Grundstücksfläche und nochmals geteilt durch 3,5, mindestens jedoch die nach Abs. 1 maßgebende Geschosszahl. Bruchzahlen werden auf die nächstfolgende volle Zahl aufgerundet.

(3) Sind in einem Bebauungsplan über die bauliche Nutzung eines Grundstücks mehrere Festsetzungen (Geschosszahl, Gebäudehöhe, Baumassezahl) enthalten, so ist die Geschosszahl vor der Gebäudehöhe und diese vor der Baumassenzahl maßgebend.

§ 32 Beitragssatz

Der Abwasserbeitrag beträgt 2,00 DM je m² Nutzungsfläche."

Die den Abwassersatzungen zugrunde liegenden Globalberechnungen umfassen jeweils den Prognosezeitraum vom 1.1.1996 bis 31.12.2000.

Die von der C. GmbH im November 1996 für die Beklagte erstellte Globalberechnung, aus deren Ziffer IV und deren Anlage 2 sich die Konzeption der Beklagten zur Abwasserbeseitigung ergibt, kommt zu einem höchstzulässigen Betriebskapital von 162.225.655 DM. Dieses setzt sich zusammen aus dem Wiederbeschaffungszeitwert 1995 für die vorhandenen Anlagen des Kanalnetzes in Höhe von 155.585.154 DM und für die vorhandene Kläranlage in Höhe von 2.062.420 DM sowie den für 1996 bis 2001 geplanten Investitionsmaßnahmen für das Kanalnetz von insgesamt 22.111.000 DM (12.111.000 DM für den Neubau von Kanalanlagen plus 10.000.000 DM für ein Regenüberlaufbecken) und für die Kläranlage von 45.643.350 DM. In Abzug gebracht werden die erwarteten Zuweisungen und Zuschüsse Dritter (Kapitalzuschüsse) von 15.752.000 DM. Beim Straßenentwässerungsanteil werden abgezogen 29.988.013 DM (25 % aus den Kosten der Mischwasseranlagen ohne Grundstücksanschlüsse), 15.050.967 DM (50 % aus den Kosten der Regenwasseranlagen ohne Grundstücksanschlüsse) und 2.385.289 DM (5 % aus den Kosten der Kläranlagen). Bei einem Abzug der bereits gewährten Zuschüsse von 11.571.255 DM ermittelt die C. GmbH ein Betriebskapital von 150.654.400 DM. Ein höchstzulässiges angemessenes Betriebskapital wird in der Globalberechnung nicht ausgewiesen.

Das in der Überarbeitung und Ergänzung vom Februar 2000 errechnete höchstzulässige Betriebskapital liegt insgesamt bei 161.220.487 DM. Dies setzt sich zusammen aus Investitionen für hergestellte Anlagen bis 1995 von 157.647.574 DM (155.585.154 DM für die Abwassersammlung und 2.062.420 DM für die Abwasserbehandlung in der Zentralkläranlage) und Investitionen für in den Jahren 1996 bis 2000 herzustellende Anlagen von 78.876.546 DM (22.111.000 DM für die Abwassersammlung und 56.765.546 DM für die Zentralkläranlage). In Abzug gebracht werden Zuschüsse von 27.323.255 DM (11.571.255 DM an erhaltenen Zuschüssen und 15.752.000 an erwarteten Zuschüssen für 1996 bis 2000) und ein Straßenentwässerungskostenanteil von insgesamt 47.980.378 DM. In der überarbeiteten Globalberechnung ist ein angemessenes Betriebskapital in Höhe von 68.005.652 DM ausgewiesen. Als Investitionen sind darin insgesamt 110.864.042 DM angegeben (18.172.794 für hergestellte und erneuerte Anlagen von 1990 bis 1995, 78.876.546 DM für herzustellende Anlagen von 1996 bis 2000 und 13.814.702 DM für zu erneuernde Anlagen von 1996 bis 2000). Als Abzüge sind aufgeführt Zuschüsse von 27.323.255 DM und ein Straßenentwässerungskostenanteil von insgesamt 15.535.135 DM.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2000, der der R. GmbH am 22.12.2000 zugestellt wurde, wies das Landratsamt Freiberg den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei zwar wegen der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung zulässig. Der Sache nach aber sei er unbegründet.

Am 22.1.2001 erhoben die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten gegen den Bescheid der Beklagten vom 18.8.1998 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Freiberg Klage. Zur Begründung ihrer Klage führten sie im Wesentlichen aus: Es werde bestritten, dass die entsprechenden Kalkulationsunterlagen dem Stadtrat der Beklagten bei Beschlussfassung über den Beitragssatz vollständig vorgelegen hätten oder zumindest zugänglich gewesen seien. Der beschlossene Beitragssatz sei nicht ordnungsgemäß kalkuliert worden. Dies betreffe zum einen den Straßenentwässerungsanteil. Zum anderen berücksichtige die Globalberechnung nicht alle angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücke. Des weiteren werde die für die Bemessung des Abwasserbeitrages durch die Satzung vorgegebene ausschließliche Berücksichtigung der Nutzungsfläche § 18 SächsKAG nicht gerecht. Es müsse auch nach dem Maß der wirtschaftlichen Vorteile differenziert werden. Das spiele insbesondere bei Gewerbebetrieben mit hohem Wasserverbrauch eine Rolle. Ferner sei das Betriebskapital nicht ordnungsgemäß festgesetzt worden, da der beitragsfähige Gesamtaufwand nicht korrekt ermittelt worden sei und die Ermittlung der Wiederbeschaffungszeitwerte nicht nachvollziehbar sei. Es sei nicht erkennbar, für welche konkrete Ermittlung das Indexverfahren und für welche das Mengenverfahren angewandt worden sei. Eine Kombination sei unzulässig. Auch sei die Bewertung des Anlagevermögens der Kläranlage fehlerhaft erfolgt. Im Übrigen werde auf die Widerspruchsbegründung Bezug genommen.

Im Oktober 2005 erstellte die Beklagte eine Kontrollrechnung zur Angemessenheit des Betriebskapitals. In der Kontrollrechnung sind Investitionen für 1990 bis 2000 aufgeführt von insgesamt 78.932.035 DM für die Zentrale Abwasserbeseitigung Schmutzwasser und 44.352.247 DM für die Zentrale Abwasserbeseitigung Niederschlagswasser. Die Investitionen sind aufgeführt für Herstellungen und Erneuerungen im Zeitraum 1990 bis 1995, Herstellungen im Zeitraum 1996 bis 2000 und Erneuerungen im Zeitraum 1996 bis 2000. Zuschüsse sind abgezogen in Höhe von 54.035.566 DM für die Zentrale Abwasserbeseitigung Schmutzwasser und 30.926.504 DM für die Zentrale Abwasserbeseitigung Niederschlagswasser. Das ergibt ein angemessenes Betriebskapital von 24.896.469 DM für die Zentrale Abwasserbeseitigung Schmutzwasser und 13.425.743 DM für die Zentrale Abwasserbeseitigung Niederschlagswasser, insgesamt 38.322.212 DM. Auf der Flächenseite gelangt die Kontrollrechnung zu 15.200.226,25 m² Bemessungseinheiten.

Mit Urteil vom 30.11.2005 hob das Verwaltungsgericht die Bescheide der Beklagten vom 30.6.1998 und 18.8.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Freiberg vom 21.12.2000 auf und ließ die Berufung gegen das Urteil wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zu.

Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Die Klage sei schon deshalb zulässig, weil die Widerspruchsbehörde in der Sache entschieden und damit den Rechtsweg für eine sachliche Überprüfung des Verwaltungsaktes eröffnet habe. Die Klage sei auch begründet. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, da die den Bescheiden zuletzt zugrunde liegende - rückwirkend zum 1.1.1996 in Kraft gesetzte - Abwassersatzung 2000 nichtig sei. Die in ihr getroffene Regelung, die Beseitigung des Schmutz- und Niederschlagswassers als eine öffentliche Einrichtung zu betreiben, sei rechtswidrig. Hier hätten zwei unterschiedliche Einrichtungen gebildet werden müssen, da von allen 5.269 angeschlossenen und anschließbaren Grundstücken das Schmutzwasser entsorgt werde, jedoch nur für 5.145 dieser Grundstücke auch eine Niederschlagswasserbeseitigung vorgesehen sei. Dementsprechend hätte die Beklagte (mindestens) zwei unterschiedliche Einrichtungen bilden müssen - eine für die Grundstücke, die sowohl hinsichtlich des Schmutzwassers als auch des Niederschlagswassers entsorgt werden, und eine für die Grundstücke, die nur den Vorteil der Schmutzwasserbeseitigung genießen. Dieser Mangel sei auch nicht unbeachtlich. Der Auffassung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, wonach ein solcher Fehler mangels Verstoßes gegen den Grundsatz der Abgabengleichheit nicht zur Unwirksamkeit der Satzung führe, wenn nachgewiesen werden könne, dass der in ihr ausgewiesene Beitragssatz nicht mehr als 10 % über dem Satz liege, der rechtmäßiger Weise auf die Teilentsorgung Schmutzwasserentwässerung entfiele und der Flächenanteil 20 % nicht übersteige, könne das Verwaltungsgericht nicht folgen. Diese Auffassung verstoße gegen Bundesrecht. An der Rechtswidrigkeit der Abwassersatzung 2000 ändere auch die am 23.5.2004 in Kraft getretene Änderung des § 9 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG nichts. Sie gelte nicht für Satzungen, die nach bisherigem Recht erlassen worden seien. Auf die übrigen, zwischen den Beteiligten streitigen Fragen, komme es wegen der Nichtigkeit der dem Bescheid zugrunde liegenden Satzung nicht an. Auch auf die Allgemeine Abwassersatzung 1996 lasse sich der angefochtene Bescheid nicht stützen, da diese unter demselben Fehler leide und darüber hinaus auch aus anderen Gründen nichtig sei.

Zur Begründung ihrer dagegen am 18.1.2006 eingelegten Berufung führt die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.2.2006 u. a. aus, dass das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin zu 1 in fehlerhafter Weise für zulässig gehalten habe. Die anwaltlich vertretene Klägerin zu 1 habe als Klagegegenstand nur den - an den Kläger zu 2 gerichteten - Bescheid der Beklagten vom 18.8.1998 und nicht den an sie adressierten Bescheid vom 30.6.1998 benannt. So habe sie mangels einer ordnungsgemäßen Klageerhebung die Klagefrist verstreichen lassen. Das Urteil sei auch in der Sache aus verschiedenen Gründen fehlerhaft. Im Übrigen habe der Stadtrat der Beklagten am 1.6.2006 eine neue allgemeine Abwassersatzung beschlossen, die rückwirkend zum 1.1.2006 in Kraft getreten sei. Nach § 1 Abs. 2 der AAS 2006 betreibe die Beklagte die Abwasserbeseitigung als eine einheitliche öffentliche Einrichtung (aufgabenbezogene Einheitseinrichtung) und erhebe nach §§ 20 ff. AAS 2006 einen Teilbetrag für die Teilleistung Schmutzwasserbeseitigung. Für die Inanspruchnahme der Teilleistung Niederschlagswasserbeseitigung würden ausschließlich Benutzungsgebühren erhoben (§§ 37 ff. AAS 2006). Die vor dem Inkrafttreten der AAS 2006 für die Vollentsorgung erlassenen Beitragsbescheide würden gem. § 21 Abs. 4 AAS 2006 als Bescheide über einen Teilbetrag für die Schmutzwasserbeseitigung gelten. Der Beitragssatz in Höhe von 1,02 € pro m² Nutzfläche sei unverändert geblieben. Mit der vor dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in Kraft gesetzten wirksamen Beitragssatzung sei der Mangel der ursprünglich fehlenden wirksamen Satzungsgrundlage nunmehr geheilt worden. Somit sei die AAS 2006 auch Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der hier angefochtenen Bescheide. Diese seien nunmehr Bescheide über einen Teilbetrag für die Schmutzwasserbeseitigung und beruhten damit auf einer wirksamen Satzungsgrundlage. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die AAS 2000 sei wegen der Bildung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung und der Erhebung eines einheitlichen Beitrags trotz unterschiedlicher Aufgabenerfüllung fehlerhaft, beruhe auf der bis zum Inkrafttreten des neuen Sächsischen Kommunalabgabengesetzes geltenden Rechtslage und der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Mit dem Erlass der AAS 2006 sei dieser Argumentation die Grundlage entzogen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 30. November 2005 - 1 K 134/01 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz und führen darüber hinaus im Wesentlichen aus: Die dem Urteil zugrunde liegende Allgemeine Abwassersatzung 2000 sei mit der AAS 2006 bis zum 31.12.2005 aufrechterhalten und erst zum 1.1.2006 außer Kraft gesetzt worden. Die angegriffenen Bescheide beträfen jedoch den Zeitraum, in dem die Beklagte sich auf die Allgemeine Abwassersatzung 2000 stütze. Hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraums entfalte die nunmehr erlassene Abwassersatzung keine Rückwirkung. Die AAS 2000 sei ihrer Meinung nach auch aus den übrigen von ihnen vorgetragenen Gründen unwirksam. Insofern beziehen sie sich auf ihre Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren.

Die am 1.6.2006 vom Stadtrat der Beklagten beschlossene Allgemeine Abwassersatzung der Stadt Freiberg ist am 2.6.2006 ausgefertigt und im Amtsblatt der Stadt Freiberg vom 21.6.2006 bekannt gemacht worden. Sie ist rückwirkend zum 01.01.2006 in Kraft getreten. Vor der Beratung und Beschlussfassung über die AAS 2006 in der Stadtratssitzung vom 1.6.2006 hatte der Stadtrat beschlossen, dass die Stadträte M. und H. wegen Befangenheit ausgeschlossen sind. Die Stadträte sind Kläger in den beim Verwaltungsgericht Chemnitz anhängigen, derzeit ruhenden Verfahren 1 K 987/05 (Herr M. ) bzw. 1 K 952/05 (Herr H. ), in denen es um Abwasserbeiträge geht, die ihnen gegenüber wegen ihres Grundstückseigentums im Satzungsgebiet der Beklagten erlassen worden sind. Am 30.5.2007 haben beide Stadträte in einem an die Oberbürgermeisterin der Beklagten gerichteten Schreiben vom 21.5.2007 gerügt, dass sie zu Unrecht von der Entscheidung über die AAS 2006 ausgeschlossen worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird verwiesen auf die Gerichtsakte, die Akten des Verwaltungsgerichts sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten (9 Heftungen) und die im Berufungsverfahren vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten bezüglich der Allgemeinen Abwassersatzung vom 1.6.2006 (3 Ordner).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Abwasserbeitragsbescheide der Beklagten vom 30.6.1998 und 18.8.1998 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Freiberg vom 21.12.2000 zu Unrecht aufgehoben. Die Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Kläger können als Eigentümer des Grundstücks K. zu dem in Höhe von 1.500,00 DM (766,94 €) festgesetzten Abwasserbeitrag herangezogen werden.

Zwar ist die Berufung - anders als die Beklagte meint - nicht bereits wegen Unzulässigkeit der Klage der Klägerin zu 1 begründet. Die Klage der Klägerin zu 1 ist vielmehr zulässig. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es im vorliegenden Fall unschädlich, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger bei Klageerhebung nur den gegenüber dem Kläger zu 2 am 18.8.1998 erlassenen Bescheid der Beklagten ausdrücklich benannt hat, nicht dagegen aber den gegenüber der Klägerin zu 1 am 30.6.1998 erlassenen Bescheid der Beklagten. Da aus der Klagebegründung deutlich wird, dass sich beide Kläger gegen die ihnen als Grundstückseigentümer gegenüber erfolgte Beitragsfestsetzung wenden, ist der Bescheid vom 30.6.1998 nicht bestandskräftig geworden.

Die Berufung hat jedoch wegen der Unbegründetheit der Klage Erfolg. Taugliche Satzungsgrundlage der angefochtenen Beitragsbescheide der Beklagten vom 30.6.1998 und 18.8.1998 ist bereits die am 6.4.2000 erlassene, rückwirkend zum 1.1.1996 in Kraft getretene, Allgemeine Abwassersatzung der Beklagten - AAS 2000 - (1). Auf die Allgemeine Abwassersatzung der Beklagten vom 1.6.2006 - AAS 2006 - können die Bescheide nicht gestützt werden, da diese formell rechtswidrig ist (2).

1. Satzungsgrundlage für die in den angefochtenen Bescheiden vom 30.6.1998 und 18.8.1998 festgesetzten Abwasserbeiträge ist die AAS 2000, die rückwirkend zum 1.1.1996 in Kraft gesetzt worden ist. Diese Satzung ist formell und materiell rechtmäßig.

Die AAS 2000 ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie ist ohne Verfahrensfehler zustande gekommen.

Die Satzung ist in einer ordnungsgemäß einberufenen und geleiteten Stadtratssitzung beraten und beschlossen worden. So ist die Sitzung am 6.4.2000 - wie § 36 Abs. 4 Satz 1 SächsGemO es verlangt - rechtzeitig ortsüblich bekannt gemacht worden. In der öffentlichen Bekanntmachung der Sitzung im Amtsblatt der Stadt Freiberg vom 29.3.2000 war sowohl der Tagesordnungspunkt "Beschluss der Allgemeinen Abwassersatzung" als auch der Tagesordnungspunkt "Beschluss zur überarbeiteten Globalberechung für die Abwassersatzung" angegeben. Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO kann der Gemeinderat nur in einer ordnungsgemäß einberufenen und geleiteten Sitzung beraten und beschließen. Dazu beruft der Bürgermeister die Ratsversammlung schriftlich mit angemessener Frist ein und teilt rechtzeitig die Verhandlungsgegenstände mit; dabei sind die für die Beratung erforderlichen Unterlagen beizufügen, soweit nicht das öffentliche Wohl und berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen (§ 36 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO). Nach Aktenlage sind die Stadträte hier unter Übersendung der zu beschließenden AAS 2000 und Auszügen aus der überarbeiteten und ergänzten Globalberechnung vom Februar 2000 zur Stadtratssitzung am 6.4.2000 eingeladen worden. In der übersandten Beschlussvorlage 2000/60 wurde ihnen mitgeteilt, dass die vollständige überarbeitete Globalberechnung im Büro des Stadtrates und bei der Freiberger Abwasserbeseitigung ausliegt. Das ist ausreichend. Nach der Rechtsprechung des Senates verlangt § 36 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO, dass den Gemeinderäten mit den Versammlungsunterlagen auch die Globalberechnung oder zumindest eine Kalkulation übermittelt wird, damit sie sich ihre Meinung über den Erlass und den Inhalt der Abwasserbeitrags- und Gebührensatzung bilden können. Nicht zu den zu übersendenden Unterlagen gehören aber die Pläne, die der Flächenermittlung in der Globalberechnung zugrunde liegen. Es ist ausreichend, wenn diese im Rathaus oder bei einem Zweckverband in dessen Geschäftsstelle einzusehen sind (SächsOVG, Urt. v. 21.5.2003 - 5 B 168/01 -). Im Übrigen wäre ein Verfahrensfehler wegen des der - am 12.4.2000 im Amtsblatt der Beklagten bekanntgemachten - Satzung angefügten Hinweises nach § 4 Abs. 4 SächsGemO geheilt, da eine entsprechende Verletzung gegenüber der Beklagten - soweit ersichtlich - nicht binnen Jahresfrist schriftlich geltend gemacht worden ist. Die Klagebegründung, in der die Kläger rügen, dass die Kalkulationsunterlagen nicht vollständig zugänglich gewesen seien, datiert erst vom 25.4.2001.

Die AAS 2000 ist auch materiell rechtmäßig. Zum einen ist sie trotz der hier erfolgten Gleichbehandlung der in unterschiedlichem Umfang wahrgenommenen Aufgabe der Abwasserbeseitigung nicht zu beanstanden (a). Zum anderen greifen die umfangreichen Ausführungen der Kläger zur fehlerhaften Kalkulation des Beitragssatzes nicht durch (b).

a) Die von der Beklagten vorgenommene Einrichtungsbildung ist hier nicht fehlerhaft erfolgt, obwohl ein Teil der angeschlossenen und anschließbaren Grundstücke nicht - wie die übrigen Grundstücke - voll entsorgt wird, sondern nur schmutzwasserentsorgt.

Nach § 1 Abs. 1 AAS 2000 betreibt die Beklagte als Abwasserbeseitigungspflichtige die Beseitigung des in ihrem Gebiet anfallenden Abwassers als eine öffentliche Einrichtung, wobei Abwasser vor allem das auf den Grundstücken anfallende Schmutz- und Niederschlagswasser ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 AAS 2000). Der Erfüllung dieser einheitlichen Aufgabe dient eine Einrichtung stets dann, wenn die angeschlossenen und anschließbaren Grundstücke im Beitragsgebiet die Möglichkeit der Inanspruchnahme der gesamten Aufgabenerfüllung haben. Das setzt voraus, dass die Grundstücke sowohl ihr Schmutz- als auch ihr Niederschlagswasser über diese Einrichtung derzeit oder - zumindest aufgrund der der Globalberechnung zugrunde liegenden Planung - zukünftig entsorgen lassen können. Daran fehlt es hier. So wird von allen 5.269 angeschlossenen und anschließbaren Grundstücken das Schmutzwasser entsorgt. Eine Niederschlagswasserentsorgung ist jedoch nur für 5.145 dieser Grundstücke vorgesehen. Das bedeutet, dass von 124 Grundstücken (2,35 % der Grundstücke) das Niederschlagswasser nicht entsorgt wird und diese Grundstücke nur teilentsorgt werden. 97,65 % der Grundstücke im Beitragsgebiet werden voll entsorgt. Zwar behandelt die AAS 2000 diese ungleichen Sachverhalte gleich, indem sie einen einheitlichen Beitragssatz für die Beseitigung des in ihrem Gebiet anfallenden Abwassers festlegt. Der einheitliche Beitragssatz für alle ist aber trotz der Vermittlung von unterschiedlichen Vorteilen rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach der Rechtsprechung des Senats zu der hier maßgeblichen Fassung des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes vom 16.6.1993 (vgl. § 39a SächsKAG n. F. - SächsGVBl. 2004 S. 418, 502), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 16.1.2003 (SächsGVBl. S. 2, 5) - SächsKAG a. F. - hat der Satzungsgeber unterschiedliche öffentliche Einrichtungen der Abwasserbeseitigung zu bilden, wenn er im Satzungsgebiet in unterschiedlichem Umfang die Abwasserbeseitigung wahrnimmt (SächsOVG, Urt. v. 4.2.2003 - 5 B 640/02; Urt. v. 26.3.2003 - 5 B 638/02 - rechtskräftig seit BVerwG, Beschl. v. 13.11.2003 - 9 B 61.03; Beschl. v. 2.9.2003, SächsVBl. 2004,12; Urt. v. 12.11.2003, SächsVBl. 2004, 236; Beschl. v. 4.3.2004, SächsVBl. 2004, 253). Wird die Beseitigung des anfallenden Abwassers in dem betroffenen Satzungsgebiet als eine öffentliche Einrichtung betrieben, obwohl sie den beitragspflichtigen Grundstücken unterschiedliche Vorteile vermittelt, war die entsprechende Satzungsregelung nach der früheren Rechtsprechung des Senats wegen Verstoßes gegen § 17 Abs. 1 und 4, § 9 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG a. F. fehlerhaft. Der Fehler wurde allerdings zunächst in Anwendung des Grundsatzes der Abgabengerechtigkeit bzw. der Typengerechtigkeit als unbeachtlich angesehen und hatte nicht die Nichtigkeit der Satzung zur Folge, wenn er sich mit nicht mehr als 10 % auf den Beitragssatz auswirkte (vgl. Urt. v. 24.2.2003 - 5 B 639/02 - und Urt. v. 26.3.2003, SächsVBl. 2004, 103). Diese Auffassung ist vom Bundesverwaltungsgericht nicht bestätigt worden (Urt. v. 29.9.2004, SächsVBl. 2005, 65, betreffend das Urteil des erkennenden Senats vom 24.2.2003).

Im Anschluss an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.9.2004 hat der Senat dann die Auffassung vertreten, dass eine fehlerhafte Einrichtungsbildung grundsätzlich zur Nichtigkeit der beitragsrechtlichen Vorschriften einer Abwassersatzung führt (vgl. Urt. v. 17.5.2006 - 5 B196/05). Dieser Auffassung lag der Gedanke zugrunde, dass es an einer der - gesamten - Aufgabenerfüllung dienenden Einrichtung fehlt, wenn durch sie lediglich die Möglichkeit zur Inanspruchnahme eines Teils der Aufgabe, etwa in Gestalt der bloßen Schmutzwasserentsorgung, vermittelt werden soll (Urt. v. 22.2.2001, SächsVBl. 2001, 186, unter Verweis auf SächsOVG, Beschl. v. 25.2.1998, SächsVBl. 1998, 141). Nahm der Satzungsgeber die Abwasserbeseitigung im Satzungsgebiet in unterschiedlichem Umfang wahr, hatte er unterschiedliche öffentliche Einrichtungen der Abwasserbeseitigung zu bilden (so zuletzt Beschl. v. 26.4.2005 - 5 BS 31/04 -, S. 8 des amtlichen Umdrucks, m. w. N.). An dieser Rechtsprechung hält der Senat nicht mehr fest.

Der Senat zieht den Grundsatz der Typengerechtigkeit bei der Überprüfung von Satzungen nunmehr als Rechtmäßigkeitsmaßstab heran und nicht mehr - wie vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 29.9.2004, a. a. O.) noch beanstandet - als Rechtfertigungsgrund für einen bereits festgestellten Satzungsverstoß. Der Senat richtet sein Augenmerk nunmehr zunächst darauf, ob der Satzungsgeber eine sachgerechte Typisierung vorgenommen hat, aufgrund derer eine der betroffenen Fallgruppen vernachlässigt werden durfte, weil sie bei der unvermeidbar typisierenden Betrachtung nicht ins Gewicht fällt. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit gestattet es dem Gesetz- bzw. Satzungsgeber, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu "rechtfertigen", als nicht mehr als 10 v. H. der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen (BVerwG, Urt. v. 1.8.1986, KStZ 1987, 11; s. auch BVerwG, Urt. v. 16.9.1981, KStZ 1982, 69). Nur in diesem Umfang kann es hingenommen werden, wenn der in unterschiedlichem Maße vermittelte Vorteil nicht abgebildet wird.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist es im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für die Abwasserentsorgung im Beitragsgebiet nur eine Einrichtung gebildet hat. Zwar hat sie explizit keinen Einrichtungstyp bestimmt. Sie hat aber eine Einrichtung gebildet mit dem Typ "Vollentsorgung", der 97,65 % der Grundstücke betrifft und damit den weit überwiegenden Teil der betroffenen Fälle regelt. Lediglich 2,35 % der Grundstücke und damit weit weniger als 10 % weichen von dem Regelfall der Vollentsorgung ab. Diese 124 Grund-stücke stellen zudem nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beklagten im Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht (Verfahren 1 K 134/01) einen - ebenfalls erheblich unter 10 % bleibenden - Anteil von nur 4,2 % an der gesamten Nutzungsfläche. Der Anteil an der Nutzungsfläche stellt insofern ein Korrektiv dar. Übersteigt dieser 10 %, liegt keine sachgerechte Typisierung mehr vor. Der Satzungsgeber hätte in einem solchen Fall die betroffene Fallgruppe nicht vernachlässigen dürfen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats war nicht der Umfang der betroffenen Nutzungsfläche, sondern die Auswirkung des Fehlers auf die Beitragshöhe maßgeblich (vgl. Beschl. v. 4.3.2004 - 5 BS 119/02 -, JbSächsOVG 12, 125). Darauf stellt der Senat nicht mehr ab, da die sachgerechte Typisierung - bei zutreffender systematischer Einordnung - bereits im Vorfeld im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulässigkeit der hier vorgenommenen Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte zum Tragen kommt. Fehler bei der Bildung der öffentlichen Einrichtung sind von Mängeln in der Kostenkalkulation zu unterscheiden. Die Grundstücksfläche ist als Korrektiv ebenfalls nicht geeignet, da der vermittelte Vorteil für alle Grundstückseigentümer erst durch die Nutzungsfläche ersichtlich wird.

b) Der Beitragssatz in Höhe von 2,00 DM (1,02 €) ist nicht zu beanstanden. Er liegt unterhalb des höchstzulässigen angemessenen Beitragssatzes.

Nach § 17 Abs. 1 SächsKAG können die Gemeinde und Landkreise zur angemessenen Ausstattung der öffentlichen Einrichtung mit Betriebskapital Beiträge für Grundstücke erheben, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile zuwachsen. Nach § 17 Abs. 3 SächsKAG i. d. F. d. Art. 3 des Gesetzes vom 19.10.1998 (SächsGVBl. S. 505) wird die Höhe des Betriebskapitals durch Satzung festgesetzt (Satz 1). Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 1. Halbsatz SächsKAG soll es den Wiederbeschaffungszeitwert der insgesamt erforderlichen Anlagen, abzüglich der als Kapitalzuschüsse gewährten und noch zu erwartenden Zuweisungen und Zuschüsse Dritter (§ 13 Abs. 1 Satz 2 SächsKAG) sowie des Straßenentwässerungskostenanteils bei der Abwasserbeseitigung (§ 11 Abs. 3 SächsKAG), nicht überschreiten. Maßgebend für den Wiederbeschaffungszeitwert sind die Preise zum Zeitpunkt der Aufstellung der Globalberechnung (§ 17 Abs. 3 Satz 4 SächsKAG). Mittels einer Globalberechnung ist der höchstzulässige Beitragssatz zu ermitteln. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG ergibt sich dieser aus der Division des angemessenen Betriebskapitals (§ 17 Abs. 1 SächsKAG) durch die gesamten angeschlossenen oder noch anzuschließenden Grundstücksflächen - berechnet nach dem in der Satzung vorgesehenen Beitragsmaßstab (Bemessungseinheiten). Um den Anteil des einzelnen Grundstücks an diesen Gesamtkosten unter Beachtung des Gleichheitssatzes feststellen zu können, müssen nach dieser Methode der Beitragskalkulation den geplanten Gesamtinvestitionen der - als Gesamtsystem in der Globalberechnung nach Art, Umfang und Größe fixierten - öffentlichen Einrichtung sämtliche Grundstücke gegenüber gestellt werden, die aufgrund des dargestellten und ermittelten Betriebskapitals der Gesamtanlage an diese öffentliche Einrichtung jetzt und in Zukunft angeschlossen werden können. Dabei ist ein Fehler bei der Ermittlung des höchstzulässigen angemessenen Betriebskapitals bzw. bei der Ermittlung des Beitragssatzes nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG n. F. allerdings nur dann beachtlich, wenn die nach dem Gesetz zulässige Höchstgrenze des Beitrags-, Gebühren- oder Einheitssatzes überschritten ist. Diese Vorschrift findet gemäß § 39 Abs. 3 SächsKAG n. F. auch auf Satzungen, die - wie die AAS 2000 - nach bisherigem Recht erlassen worden sind, Anwendung. Mit § 2 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG n. F. soll die gerichtliche Überprüfung auf eine Ergebniskontrolle beschränkt werden. Eine Überprüfung, ob der Satzungsgeber bei seiner Ermessensentscheidung von den richtigen Annahmen ausgegangen ist, soll nicht mehr stattfinden. Fehler sollen nur dann zur Nichtigkeit der Satzung führen, wenn der Beitragssatz gegenüber dem nach den Regeln des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes objektiv richtig berechneten überhöht ist. Das Gericht ist dabei an Entscheidungen des Satzungsgebers, bestimmte Kosten dem Abgabenpflichtigen nicht aufzuerlegen oder Zuschüsse in voller Höhe in Abzug zu bringen, nicht gebunden.

Der hier festgesetzte Beitragssatz hält einer Überprüfung stand. Der Senat hat keinen Anlass, die für dessen Ermittlung in Ansatz gebrachten Kosten- und Flächenfaktoren anzuzweifeln. Der in der Satzung enthaltene Beitragsmaßstab (§ 18 Abs. 1 SächsKAG) ist mit höherrangigem Recht vereinbar (aa). Das in der Satzung festgesetzte Betriebskapital für die Einrichtung der Vollentsorgung (§ 17 Abs. 1 SächsKAG) ist - wenn auch nachträglich - in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bestimmt worden (bb). Auch bei der Bestimmung der Summe aller Bemessungseinheiten der an die Einrichtung angeschlossenen und noch anzuschließenden Grundstücke (§ 18 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG) ist der Satzungsgeber zutreffend vorgegangen (cc). Die Beklagte ist mit dem festgesetzten Beitragssatz unterhalb des höchstzulässigen angemessenen Beitragssatzes geblieben (dd).

aa) Der in § 23 der Satzung enthaltene Beitragsmaßstab der Nutzungsfläche, die sich durch Vervielfachen der Grundstücksfläche mit dem Nutzungsfaktor ergibt, ist sowohl mit § 18 SächsKAG als auch mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 18 Abs. 1 SächsVerf) vereinbar.

Bei der Bemessung der den Grundstücken durch die Anschlussmöglichkeit an eine Abwasserbeseitigungsanlage vermittelten Vorteile ist nach sächsischem Landesrecht von einem grundstücksbezogenen Vorteilsbegriff auszugehen. Dies ergibt sich aus § 18 Abs. 1 SächsKAG, wonach Beiträge nach einem Maßstab zu bemessen sind, der die den Grundstücken gemäß ihrer baulichen oder sonstigen Nutzungsmöglichkeit durch die Einrichtung vermittelten unterschiedlichen Vorteile berücksichtigt. Bei der Festlegung des Maßstabes muss sich der Satzungsgeber von sachgerechten Kriterien leiten lassen. Er muss einen Maßstab wählen, der den Kostenaufwand auf die beitragspflichtigen Grundstückseigentümer annähernd gerecht verteilt. Der Ortsgesetzgeber ist aber nicht verpflichtet, die "vernünftigste oder gerechteste" Lösung zu wählen. Er kann sich vielmehr auch von Erwägungen wie der Zweckmäßigkeit eines Maßstabes und insbesondere der Verwaltungspraktikabilität leiten lassen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.11.1978 - 7 B 2.78 -, zitiert nach juris; SächsOVG, Urt. v. 21.10.1999, SächsBVl. 2000, 65 [67]). Letztlich hat er einen Maßstab anzusetzen, der die den einzelnen Grundstücken durch die Anschlussmöglichkeit infolge ihrer unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten zuwachsenden Vorteile differenzierend berücksichtigt. Eine solche differenzierte Berücksichtigung ist möglich, wenn der Maßstab an die Bebaubarkeit anknüpft. Der Anschluss an eine Entwässerungseinrichtung trägt wesentlich bei zur Erschließung des Grundstücks, die Voraussetzung der Bebaubarkeit ist (§ 30 Abs. 1, § 34 Abs. 1 Satz 1, § 35 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB). Mit der Bebaubarkeit steigt wiederum der Sach- und Ertragswert eines Grundstückes.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urt. v. 12.7.2007, SächsVBl. 2008, 17 ff., Heidenau III) ist die vorliegend als Beitragsmaßstab gewählte Kombination von Grundstücksfläche und Vollgeschosszahl bzw. Nutzungsfaktor unter Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten eine geeignete Grundlage, die unterschiedlichen Nutzungsvorteile annähernd gerecht zu verteilen. Art und Maß der baulichen oder gewerblichen Nutzung bilden ohnehin nur grobe inhaltliche Anknüpfungspunkte für die Verwirklichung des Vorteilsprinzips und sind kein absoluter Maßstab für eine vorteilsgerechte Verteilung. Eine genaue Bestimmung des Nutzungsvorteils wäre aber in vielen Fällen mit unangemessenen Schwierigkeiten verbunden, so dass die Praktikabilität und Überschaubarkeit des Heranziehungsverfahrens nicht mehr gewährleistet wäre. Für das Schmutzwasser leuchtet die Sachgerechtigkeit des Maßstabes unmittelbar ein. Je größer die Grundstücksfläche und je größer die Zahl der zulässigen Vollgeschosse sind, desto größer ist die bauliche Ausnutzbarkeit des Grundstückes und mithin auch der Vorteil, den die Erschließung, zu der die Schmutzwasserbeseitigung beiträgt, dem Grundstück vermittelt. Der Gebrauchs- und Verkehrswert des Grundstückes steigt mit dessen baulicher Ausnutzbarkeit. Dies gilt indes auch für den Anschluss an die Niederschlagswasserentsorgung. Denn mit der Möglichkeit der Ableitung des Regenwassers werden die Möglichkeiten zur Nutzung des Grundstückes, insbesondere zur baulichen Ausnutzung, verbessert. Der Anschluss an die Niederschlagswasserentsorgung gibt dem Grundstückseigentümer die Möglichkeit, die Nutzung seines Grundstückes zu verändern oder auszuweiten, ohne auf daraus möglicherweise resultierenden vermehrten Anfall abzuleitenden Oberflächenwassers Rücksicht nehmen zu müssen. Der Satzungsgeber überschreitet nicht die Grenzen seines Ermessens, wenn er davon ausgeht, dass der Umfang der Wertsteigerung auch im Hinblick auf die Regenwasserentsorgung mit dem Ansteigen des Ausmaßes baulicher Nutzbarkeit zunimmt.

Da § 18 Abs. 1 SächsKAG kein anlagenbezogener, sondern ein grundstücksbezogener Vorteilsbegriff zugrunde liegt, kommt es entgegen der Auffassung der Kläger im Rahmen der Beitragserhebung - anders als bei der Gebührenbemessung, bei der der Landesgesetzgeber in § 14 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG auf das (tatsächliche) Ausmaß der Inanspruchnahme abstellt - auf die tatsächliche Einleitungsmenge eines Grundstücks nicht an. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte als Satzungsgeberin die ihr durch § 20 SächsKAG eingeräumte Möglichkeit, zusätzliche Beiträge von sog. Großverbrauchern zu erheben, in § 20 ihrer AAS 2000 lediglich wiederholt, aber keinen Gebrauch von ihr macht.

bb) Die Beklagte hat das höchstzulässige angemessene Betriebskapital in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bestimmt. Dies ergibt sich aus der im Oktober 2005 durchgeführten "Kontrollrechnung zur Globalberechnung für die zentrale Abwasserbeseitigung im Entsorgungsbetrieb des Eigenbetriebes Freiberger Abwasserbeseitigung - Flächenseite/Kostenseite/ Beitragssatz" (3. Beiakte zum Verfahren 1 K 134/01).

Das in der Globalberechnung zunächst zu bestimmende höchstzulässige Betriebskapital im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 SächsKAG soll den Wiederbeschaffungszeitwert der insgesamt erforderlichen Anlagen, abzüglich der als Kapitalzuschüsse gewährten und noch zu erwartenden Zuweisungen und Zuschüsse Dritter sowie des Straßenentwässerungskostenanteils bei der Abwasserbeseitigung, nicht überschreiten. Dem Satzungsgeber wird mit dieser Bestimmung eine absolute Obergrenze für die Festsetzung des Betriebskapitals vorgegeben. Für die Ermittlung der sog. Kostenseite muss die Globalberechnung den Umfang der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung im voraussichtlichen Endausbauzustand bestimmen und die dafür erforderlichen Anlagen, bezogen auf den zugrunde gelegten Prognosezeitraum, nach dem Wiederbeschaffungszeitwert angeben. Dabei sind die Wiederbeschaffungszeitwerte von Altanlagen, die bereits vor dem 3.10.1990 erstmalig hergestellt wurden und die Wiederbeschaffungszeitwerte der Anlagen bzw. Anlagenteile einzustellen, die entweder bereits neu errichtet wurden oder im Prognosezeitraum neu errichtet werden sollen. Altanlagen sind bei der Konkretisierung des höchstzulässigen Betriebskapitals auch dann einzubeziehen, wenn für sie innerhalb des Prognosezeitraums kein Investitionsaufwand entstehen wird. Von diesen Wiederbeschaffungszeitwerten sind die genannten Zuweisungen und Zuschüsse Dritter sowie - bei der Abwasserbeseitigung - der Straßenentwässerungskostenanteil abzusetzen. Ausgehend von dem so berechneten höchstzulässigen Betriebskapital hat der Aufgabenträger sodann das angemessene Betriebskapital im Sinne des § 17 Abs. 1 SächsKAG zu bestimmen, das mit dem höchstzulässigen Betriebskapital in der Regel nicht identisch ist. Bei der Bestimmung des angemessenen Betriebskapitals hat der Wiederbeschaffungszeitwert von vor dem 3.10.1990 hergestellten Anlagen außer Betracht zu bleiben, hinsichtlich derer während des Planungs- bzw. Prognosezeitraums der Globalberechnung voraussichtlich kein Finanzbedarf für einen Austausch oder eine Erneuerung entsteht. Anderenfalls würde gegen die das Beitragsrecht prägenden Grundsätze der Kostendeckung und des Vorteilsgedankens verstoßen.

Das von der Beklagten festgesetzte Betriebskapital ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Nach der im Oktober 2005 erstellten Kontrollrechnung zur Globalberechnung ergibt sich ein angemessenes Betriebskapital in Höhe von 38.322.212 DM. Die Kontrollrechnung zur Angemessenheit des Betriebskapitals beruht auf der seit 1995 jährlich geprüften Finanz- und Anlagenbuchhaltung des Eigenbetriebes Freiberger Abwasserbeseitigung, d. h. dass die Beträge der Investitionen und Zuschüsse für die Jahre 1990 bis 2000 keine Prognoseangaben mehr sind, sondern buchhalterisch dokumentierte Zahlenwerte (Nominalwerte).

Da der Senat für eine Unrichtigkeit der Kontrollrechnung keine Hinweise hat, ist von einem angemessenen Betriebskapital von 38.322.212 DM auszugehen, das in dieser Höhe durch die im Oktober 2005 anhand konkreter Zahlen erfolgte Nachberechnung ermittelt worden ist. Die vorangegangenen Kalkulationen sind hinfällig, da die in Vorauskalkulationen notwendigerweise enthaltenen Prognoseelemente und Schätzungen hier zwischenzeitlich durch konkrete Zahlen ersetzt worden sind. Eine Vorauskalkulation im Nachhinein neu zu erstellen, kommt nicht in Betracht (vgl. dazu auch SächsOVG, Urt. v. 10.4.2008 - 1 B 388/06 - zum Verhältnis von Vorauskalkulation und Nachberechnung bei der Erhebung einer Luftsicherheitsgebühr). So kann angesichts der Kontrollrechnung vom Oktober 2005 letztlich dahinstehen, ob - wie die Kläger meinen - die Wiederbeschaffungszeitwerte der einzelnen Anlagen in der Globalberechnung 1996 nicht korrekt ermittelt worden sind. Ihrem Einwand, dass die gerügte Kombination von Index- und Mengenverfahren unzulässig sei, ist nicht weiter nachzugehen. Ob der Wiederbeschaffungszeitwert für die - alte - Kläranlage in der Globalberechnung 1996 richtig angesetzt worden ist, kann ebenfalls dahinstehen. Auch hinsichtlich der Kläranlage sind die tatsächlichen Kosten in Höhe von 56.226153 DM zugrunde zu legen, die in Position 2.1.2 der Kontrollrechnung für Herstellungen im Zeitraum 1996 bis 2000 aufgeführt sind.

Der in Abzug gebrachte Straßenentwässerungskostenanteil ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Rüge der Kläger, die vorgeschriebene Absetzung des Straßenentwässerungsanteils von den Herstellungskosten sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, greift nicht durch. Die offenbar gemeinte Regelung des § 242 Abs. 9 BauGB, wonach für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen im Beitrittsgebiet, die vor dem 3.10.1990 hergestellt worden sind, kein Erschließungsbeitrag erhoben werden kann, ist hier nicht einschlägig. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um die Errichtung einer Erschließungsanlage im Sinne des Baugesetzbuchs (§ 127 Abs. 2 BauGB), sondern um eine öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage. Nach § 127 Abs. 4 BauGB bleibt das Recht, Abgaben für Anlagen zur Ableitung von Abwasser zu erheben, unberührt. Soweit die öffentlichen Anlagen der Abwasserbeseitigung aber nicht der Grundstücksentwässerung dienen, vermitteln sie dem Grundstückseigentümer keinen beitragsrechtlich relevanten Vorteil. Das ist der Grund, warum der Straßenentwässerungskostenanteil bei der Ermittlung des Betriebskapitals in Abzug zu bringen ist. Hinsichtlich der Höhe des Straßenentwässerungskostenanteils hat sich die Beklagte an die Anwendungshinweise des Sächsischen Staatsministeriums des Innern - AnwHinwSächsKAG 2004 - gehalten. Entsprechend Ziffer 11.3.1 AnwHinwSächsKAG 2004 hat sie 25 % der Wiederbeschaffungszeitwerte der Mischwasser-Sammelanlagen und 50 % der Wiederbeschaffungszeitwerte der Regenwasser-Sammelanlagen als Abzugsposten angesetzt. Von den Kosten der Kläranlage hat sie 5 % in Abzug gebracht und sich damit im unteren Bereich der Abzugsmöglichkeit von 5 % bis 10 % gehalten. Dies ist nicht zu beanstanden. Der Vortrag der Kläger enthält keine Anhaltspunkte für einen signifikant höheren Aufwand. Weitere Ermittlungen sind bei dieser Sachlage nicht veranlasst.

cc) Die von der Beklagten vorgenommene Bestimmung der Summe aller Bemessungseinheiten der an die Einrichtung angeschlossenen und noch anzuschließenden Grundstücke (Globalberechnung, § 18 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG) ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch hinsichtlich der Flächenseite ist nunmehr auf die Kontrollrechnung aus dem Oktober 2005 zurückzugreifen. Diese geht - nach einer flurstücksgenauen Bestimmung der Nutzungsflächen - von einer Summe der Bemessungseinheiten von 15.200.226,25 m² aus. Die Globalberechnung 1996 nahm im Wege der der Beklagten damals zustehenden Schätzungsbefugnis (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 SächsKAG) - ausgehend von einer Einteilung der Fläche des Entsorgungsgebietes in Blöcke gleicher baulicher oder sonstiger Nutzungsmöglichkeit - noch eine Summe von 18.009.940 m² an. Die Überarbeitung vom Februar 2000 ging von einer Einteilung der Fläche in Blöcke mit gleicher Vollgeschosszahl und entsprechendem, auch ab dem vierten Vollgeschoss differenzierendem, Nutzungsfaktor aus und kam so auf eine Summe von 17.881.900 m².

Der Vortrag der Kläger ist nicht geeignet, die von der Beklagten vorgenommene Flächenermittlung in Frage zu stellen. Letztlich rügen die Kläger in ihrem Klagevorbringen nur pauschal, dass die Globalberechnung nicht alle angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücke berücksichtige. Es sei nach den Vorstellungen der Beklagten und nicht nach den tatsächlichen Flächen differenziert worden. Dieses Vorbringen kann der Senat angesichts der auf die Rüge der Kläger hin von der Beklagten nachgereichten Kontrollrechnung vom Oktober 2005 nicht nachvollziehen. Die dezidierten Aufstellungen der Kontrollrechnung - Tabelle 2.1 "Flurstücksbezogene Flächendaten mit Anschlusskennzeichnung", Tabelle 2.2 "Straßenbezogene Zusammenfassung der Flächendaten", ergänzt durch eine "Leistungsbezogene Zusammenfassung der Flächendaten" in Tabelle 2.3 - haben die Kläger weder hinsichtlich der angesetzten Grundstücke noch in Bezug auf die Abzugsflächen konkret in Frage gestellt. Mit ihrem Klagevorbringen zur fehlerhaften Berücksichtigung der Grundstücksflächen ist zudem die im Widerspruchsverfahren von den Klägern erhobene Rüge, es fehle an einer Differenzierung zwischen bereits erschlossenen und noch nicht erschlossenen Grundstücken, überholt. Gemeint haben die Kläger wohl eine fehlende Differenzierung zwischen angeschlossenen und noch anzuschließenden Grundstücken. Dieser Einwand greift ohnehin schon deshalb nicht durch, weil nach § 18 Abs. 2 Satz 1 SächsKAG die Summe aller Bemessungseinheiten anhand der an die Einrichtung angeschlossenen und noch anzuschließenden Grundstücke zu ermitteln ist.

dd) Bei dem höchstzulässigen angemessenen Betriebskapital von 38.322.212 DM und der Summe aller Bemessungseinheiten von 15.200.226,25 m² ergibt sich ein höchstzulässiger angemessener Beitragssatz von 2,52 DM (1,29 €) je m² Nutzungsfläche. Der auf 2,00 DM (1,02 €) festgesetzte Beitragssatz liegt noch um gut 20 % darunter. Multipliziert mit der Nutzungsfläche von 750 m² ergibt sich für die Kläger der festgesetzte Beitrag von 1.500,00 DM. Die Grundstücksfläche von 300 m² ist dabei vollständig angesetzt und mit einem Nutzungsfaktor von 2,5 wegen der viergeschossigen Bebauung bzw. Bebaubarkeit vervielfacht worden. Der Beitragsfläche durfte auch die gesamte Grundstücksfläche (§ 24 AAS 2000) zugrunde gelegt werden. Die Voraussetzungen für eine Teilflächenabgrenzung im Sinne des § 19 Abs. 1 SächsKAG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift bleiben - falls nach der Satzung bei der Beitragsbemessung die Fläche des Grundstücks zu berücksichtigen ist - Teilflächen unberücksichtigt, die nicht baulich oder gewerblich genutzt werden können, soweit sie nicht tatsächlich angeschlossen, bebaut oder gewerblich genutzt werden und ihre grundbuchmäßige Abschreibung nach baurechtlichen Vorschriften ohne Übernahme einer Baulast zulässig wäre. Für das Vorhandensein derartiger Teilflächen fehlt hier jeder Anhaltspunkt.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist es auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte einen einheitlichen Beitragssatz für offene und geschlossene Bebauung festgelegt hat. Wie oben unter aa) bereits ausgeführt, erfolgt die Beitragserhebung für die Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Abwasserentsorgung auf der Grundlage eines in § 18 Abs. 1 SächsKAG normierten grundstücksbezogenen Vorteilsbegriffs. Der grundstücksbezogene Vorteil bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Vorteil für das Grundstück, der seinen Ausdruck vor allem in dessen Wertsteigerung findet. Entscheidend ist somit nicht, wie viel Regenwasser nach der jeweiligen Art der möglichen Versiegelung voraussichtlich in die Kanalisation eingeleitet werden kann, sondern in welchem Umfang der Gebrauchs- und Verkehrswert des Grundstückes dadurch steigt, dass neben Schmutz- auch Niederschlagswasser entsorgt werden kann. Der Einwand der Kläger könnte lediglich im Falle eines anlagenbezogenen Vorteilsbegriffs zum Tragen kommen. Bei einem solchen Vorteilsbegriff, der vorrangig auf den Umfang der möglichen Inanspruchnahme der Einrichtung abstellt (anlagenbezogener Vorteilsbegriff; vgl. z. B. Driehaus in: ders., Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 276 m. w. N.), wäre richtigerweise für die Vorteilsbemessung bei der Oberflächenwasserentsorgung auf die zulässigerweise versiegelbare Fläche oder vereinfachend auf die Grundstücksgröße abzustellen. Die Zahl der Vollgeschosse müsste außer Betracht bleiben.

Auch ist es entgegen der Auffassung der Kläger unerheblich, dass die AAS 2000 bei der Festsetzung des Beitrags nicht auf die Leistungsfähigkeit des Beitragspflichtigen abstellt. Die persönliche Leistungsfähigkeit des Beitragspflichtigen hat nichts mit der Wertsteigerung des Grundstücks aufgrund der Anschlussmöglichkeit zu tun. Sie kann lediglich als persönlicher Billigkeitsgrund nach § 163 Abgabenordnung - AO - im Rahmen des Festsetzungsverfahrens und nach der Erlassvorschrift des § 227 AO im Erhebungsverfahren Berücksichtigung finden. Ein solcher Anspruch wäre durch einen gesonderten Antrag und im Rahmen einer Verpflichtungsklage zu verfolgen. An Anhaltspunkten für einen bei den Klägern vorhandenen persönlichen Billigkeitsgrund fehlt es zudem. Die Kläger haben lediglich allgemein gerügt, dass die AAS 2000 die Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt.

2. Auf die AAS 2006 können die angefochtenen Beitragsbescheide dagegen nicht gestützt werden.

Zwar ist die Wirksamkeit der AAS 2006 hier nicht entscheidungserheblich, da die sachliche Beitragspflicht bereits durch die AAS 2000 entstanden ist. Dennoch erlaubt sich der Senat, ergänzend auf folgendes hinzuweisen: Die AAS 2006 ist formell rechtswidrig, da sie unter Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist. Von der Beratung und der Beschlussfassung sind die Stadträte M. und H. zu Unrecht wegen Befangenheit ausgeschlossen worden.

Nach § 20 Abs. 5 Satz 1 SächsGemO ist ein Beschluss rechtswidrig, wenn bei der Beratung oder Beschlussfassung die Bestimmungen der Absätze 1 oder 4 verletzt worden sind oder wenn jemand ohne einen der Gründe des Absatzes 1 ausgeschlossen worden ist. Der Beschluss gilt nach § 20 Abs. 5 Satz 2 SächsGemO jedoch ein Jahr nach der Beschlussfassung oder, wenn eine öffentliche Bekanntmachung erforderlich ist, ein Jahr nach dieser als von Anfang an gültig zustande gekommen. Dies gilt allerdings u. a. dann nicht, wenn die Verletzung der Verfahrens- oder Formvorschrift der Gemeinde vor Ablauf der Jahresfrist unter Bezeichnung des Sachverhalts, der die Verletzung begründen soll, schriftlich geltend ge-macht worden ist (§ 20 Abs. 5 Satz 3 i. V. m. § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b SächsGemO). Eine solche Rüge ist hier vor Ablauf der durch die Bekanntmachung am 21.6.2006 in Gang gesetzten Jahresfrist erfolgt. Die Stadträte M. und H. haben mit ihrem an die Oberbürgermeisterin der Beklagten gerichteten Schreiben vom 21.5.2007, das bei der Oberbürgermeisterin am 30.5.2007 eingegangen ist, ihren Ausschluss von der Beschlussfassung gerügt und die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses beantragt, da sie ihre Befangenheit nicht für gegeben hielten.

Der Ausschluss der Stadträte M. und H. hätte nicht erfolgen dürfen. Zwar hatten sie ein eigenes Interesse an der Entscheidung über die AAS 2006. Die Anwendung der Befangenheitsvorschriften war im vorliegenden Fall aber ausgeschlossen, weil die beiden Stadträte hier lediglich als Angehörige einer Bevölkerungsgruppe betroffen waren.

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO darf der ehrenamtlich tätige Bürger - und damit auch der sein Mandat ehrenamtlich ausübende Gemeinderat (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GemO) - weder beratend noch entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit u. a. ihm selbst einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Dabei fordert das Merkmal der Unmittelbarkeit keine direkte Kausalität zwischen der Entscheidung und dem Vorteil oder Nachteil. Vielmehr bringt dieses Tatbestandsmerkmal nur zum Ausdruck, dass Befangenheit anzunehmen ist, wenn ein individuelles Sonderinteresse gegeben ist.

Zweck der Befangenheitsvorschrift ist es, die auf einem Ausgleich öffentlicher und privater Interessen beruhenden Entscheidungen des Gemeinderats von individuellen Sonderinteressen freizuhalten und damit zugleich das Vertrauen der Bürger in eine am Wohl der Allgemeinheit orientierte und unvoreingenommene Kommunalverwaltung zu stärken. Es soll bereits der "böse Schein" einer Interessenkollision vermieden werden. Andererseits ist aber auch zu beachten, dass die Zusammensetzung des gewählten Gremiums nicht unter Verstoß gegen demokratische Grundprinzipien durch eine zu weit gehende Auslegung der Befangenheitsvorschriften verändert werden darf (vgl. VGH BW, Urt. v. 30.4.2004, BauR 2005, 57 zum inhaltsgleichen § 18 Abs. 1 GemO BW).

Weder die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung noch das Demokratieprinzip rechtfertigen allerdings eine einengende Auslegung des Merkmals der Unmittelbarkeit. Zwar ist ein Gemeinderat im Falle seiner Befangenheit an der Wahrnehmung seines Mitwirkungsauftrags als demokratisch legitimierter Vertreter aller Bürger der Gemeinde gehindert. Dies kann, je nach Zahl der befangenen Gemeinderatsmitglieder, zu einer Veränderung der durch Wahlen begründeten Kräfteverhältnisse im Gemeinderat führen (VGH BW, Urt. v. 18.3.1993, NVwZ-RR 1993, 504). Diese Auswirkungen der Befangenheitsvorschriften hat der Landesgesetzgeber jedoch gesehen und mit den Regelungen des § 39 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und 4 SächsGemO Vorsorge getroffen. Dort wird u. a. der Fall erfasst, dass mehr als die Hälfte der Mitglieder des Gemeinderats befangen sein können (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SächsGemO: Beschlussfähigkeit bei Anwesenheit eines Viertels stimmberechtigter Mitglieder), und unter bestimmten Voraussetzungen wird auch eine Beschlussfähigkeit bei mindestens drei anwesenden und stimmberechtigten Gemeinderatsmitgliedern zugelassen (§ 39 Abs. 3 SächsGemO).

Die Frage, ob ein die Mitwirkung ausschließendes individuelles Sonderinteresse vorliegt, kann nicht allgemein, sondern nur aufgrund einer wertenden Betrachtungsweise der Verhältnisse des Einzelfalls entschieden werden. Hier gehen die Stadträte M. und H. im Klagewege gegen die ihnen gegenüber als Grundstückseigentümer am 14.7.2000 und 1.12.1998 ergangenen Abwasserbeitragsbescheide vor. Die Klagen ruhen im Hinblick auf die hier zu entscheidenden Rechtsmittelverfahren. Damit sind sie nicht erledigt. Die Entscheidung des Stadtrats bezüglich der AAS 2006 könnte Auswirkung auf die Erfolgsaussichten der Klagen haben. Ob die Beiträge von den Stadträten M. und H. zu Recht erhoben werden, hängt auch dort u. a. von der Rechtmäßigkeit der Satzungsgrundlage ab, weshalb der böse Schein einer Interessenkollision zu bejahen ist. Zudem hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Erlass einer wirksamen Satzung auch dazu habe führen sollen, dass das Verwaltungsgericht die Klagen abweist. Für die Stadträte habe bei einem positiven Stadtratsbeschluss die Möglichkeit eines unmittelbaren Nachteils bestanden. Im Falle einer Ablehnung der AAS 2006 durch den Stadtrat hätte wiederum die Möglichkeit eines unmittelbaren Vorteils bestanden.

Die Anwendung der Befangenheitsvorschriften ist hier aber nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 SächsGemO ausgeschlossen, da die Beschlussfassung des Gemeinderats über die AAS 2006 die Stadtratsmitglieder M. und H. lediglich als Angehörige einer Bevölkerungsgruppe berührt hat.

Die genannte Vorschrift sieht vor, dass § 20 Abs. 1 SächsGemO nicht gilt, wenn die Entscheidung nur die gemeinsamen Interessen einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe berührt. Als Bevölkerungsgruppe ist eine größere Anzahl von Gemeindeeinwohnern anzusehen, die ein gemeinsames, d. h. im Wesentlichen identisches, Interesse bzw. Interessenbündel gleich welcher Art miteinander verbindet. Dabei ist eine Gruppe umso eher anzunehmen, je allgemeiner und abstrakter sich die die Personenmehrheit eingrenzenden Merkmale gestalten und je größer die Anzahl der Interessenträger in der Gemeinde ausfällt. Sind die Folgen einer bestimmten Entscheidung dagegen von vorneherein ohne weiteres individualisierbar, scheidet die Annahme einer Gruppe aus - wobei die Grenze durchaus fließend verläuft. Eine Entscheidung ist dann individualisierbar, wenn sie sich auf den kommunalen Mandatsträger so "zuspitzt", dass er als Adressat der Entscheidung anzusehen ist (Blazek in: Quecke/Schmidt, SächsGemO, § 20 Rn. 91 bis 94). So kommt der Ausnahmeregelung des § 20 Abs. 2 Nr. 2 SächsGemO die Funktion eines Korrektivs zu. Nicht jeder unmittelbare Vor- oder Nachteil soll zum Ausschluss führen, sondern nur ein individualisierbarer Vor- oder Nachteil (Blazek a. a. O., § 20 Rn. 90). Ist das gemeinsame Interesse aller Gruppenmitglieder betroffen, hebt sich der einzelne - in seinem individuellen Interesse - Betroffene nicht von der Gruppe ab. Auf diese Weise verhindert das Gruppeninteresse, dass die Befangenheit des Einzelnen zum Tragen kommt. Diese Situation ist wiederum zu unterscheiden von Fällen, in denen eine Vielzahl unterschiedlicher Individualinteressen durch ein- und dieselbe anstehende Entscheidung berührt werden und in denen keine privilegierte Bevölkerungsgruppe anzunehmen ist (Blazek a. a. O., § 20 Rn. 91 bis 94).

Abgabensatzungen betreffen grundsätzlich den mit der Entscheidung befassten Gemeindevertreter nicht personenbezogen. Sie haben abstrakten Charakter und unterscheiden sich so beispielsweise von einem Bebauungsplan, der einem überschaubaren Kreis von Grundstückseigentümern direkt Rechte und Pflichten zuweist. Eine Abgabensatzung belastet alle diejenigen gleichmäßig, die einen abgabenrechtlichen Tatbestand der Satzung erfüllen. Der Vor- oder Nachteil beruht allein auf der Zugehörigkeit zu einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe, deren gemeinsame Interessen durch den Beschluss betroffen werden. (vgl. OVG Schl.-H., Urt. v. 20.3.2002 - 2 K 10/99 -, zitiert nach juris, m. w. N.).

Im vorliegenden Fall weist die Beklagte darauf hin, dass zwar grundsätzlich jeder Gemeinderat, dem ein Grundstück in der Gemeinde gehört, beim Erlass, der Änderung und der Aufhebung einer kommunalen Abgabensatzung mitwirken könne. In diesen Fällen berühre die Entscheidung nur die gemeinsamen Interessen einer Bevölkerungsgruppe, d. h. die Interessen der Bevölkerungsgruppe der Grundstückseigentümer. Hier sei die Situation wegen der Auswirkung des Stadtratsbeschlusses auf die anhängigen Klageverfahren aber eine andere. Eine derartige Unterscheidung setzt allerdings voraus, dass durch die Klageerhebung bzw. die Einlegung des Widerspruchs eine Sonderbetroffenheit entsteht, die die Rechtsmittelführer aus der Gruppe der Grundstückseigentümer mit allgemeiner Betroffenheit heraushebt. Eine derartige Sonderbetroffenheit kann der Senat nicht erkennen. Mit der Einlegung eines Rechtsmittels ändert sich nichts an dem allen Grundstückseigentümern eigenen Interesse, einen möglichst geringen Abwasserbeitrag zu zahlen. Mit dem Klageverfahren verfolgen die beiden Stadträte nur das Interesse weiter, das sie bereits zuvor hatten und das sie von vornherein mit den anderen Grundstückseigentümern im Satzungsgebiet der Beklagten verbunden hat. Ihre Interessenverfolgung befindet sich lediglich in einem anderen Stadium. Die mit jeder Klage notwendigerweise auch verfolgten Einzelinteressen wie die Minderung des Kostenrisikos, etc. haben dagegen kein derartiges Gewicht, das ihnen eine eigenständige Bedeutung zukommt. Die Klageführer innerhalb der Bevölkerungsgruppe "Grundstückseigentümer im Satzungsgebiet" sind nicht als die speziellen Adressaten der Beschlussfassung anzusehen. Auch wenn sich aus der Einladung der Oberbürgermeisterin zur Stadtratssitzung am 1.6.2006 (Beiakte 1 zur AAS 2006) ergibt, dass mit der neuen AAS auch den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 30.11.2005 Rechnung getragen werden soll, folgt daraus nicht, dass die neu zu beschließende Satzung speziell auf die Stadträte "zugeschnitten" ist. Intention der AAS 2006 ist vor allem eine Anpassung an die durch das neue Sächsische Kommunalabgabengesetz im Jahre 2004 veränderte Rechtslage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 766,94 € (1.500,00 DM) festgesetzt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 GKG in Übereinstimmung mit Ziffer 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, S. 1327).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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