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Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 16.12.2003
Aktenzeichen: 5 BS 114/03
Rechtsgebiete: VwGO, GesO, SächsKAG, AO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 5
GesO § 13 Abs. 1 Nr. 1
GesO § 17
SächsKAG § 8 Abs. 7
SächsKAG § 22 Abs. 1
SächsKAG § 22 Abs. 1 Satz 1
SächsKAG § 8 Abs. 7 Satz 1
AO §§ 169 f.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 BS 114/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Abwasserbeitrag; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik

am 16. Dezember 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 14. Februar 2003 - 7 K 1807/02 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 531,03 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem Abwasserbeitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 26.10.2001 ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 14.2.2003 ist ohne Erfolg. Aus den für die Überprüfung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung maßgeblichen Gründen der Beschwerde (§ 146 Abs. 4 Satz 6 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des gegenüber dem Antragsteller als Insolvenzverwalter erlassenen Abwasserbeitragsbescheides.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen Beitragsbescheide die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur gerechtfertigt ist, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg. Hiervon könne im Hinblick auf den vom Antragsteller vorgebrachten Einwand, der Abwasserbeitrag könne nicht durch Bescheid als eine vorrangig nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Gesamtvollstreckungsordnung - GesO - aus der Masse zu befriedigende Forderung geltend gemacht werden, nicht die Rede sein.

Zwar treffe es zu, dass ein Abgabenbescheid jedenfalls dann rechtswidrig sei, wenn die ihm zugrunde liegende Abgabenschuld nur über die Forderungstabelle nach der Verwertung des Vermögens gemäß § 17 GesO zu befriedigen wäre. Hier hingegen sei die Beitragsschuld gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 GesO bevorrechtigt. Bei ihr handele es sich um notwendige Verwaltungsausgaben im Sinne dieser Vorschrift. Sie sei auch erst nach Eröffnung der Gesamtvollstreckung begründet worden. Begründet in diesem Sinne sei ein Abgabenanspruch, wenn der den Anspruch begründende Tatbestand vollständig verwirklicht sei. Bei der Beitragsschuld für eine Einrichtung mit Anschluss- und Benutzungszwang sei dies gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Sächsisches Kommunalabgabengesetz - SächsKAG - der Fall, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung. Maßgebend sei folglich der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht.

Die Abwasserbeitragssatzung der Antragsgegnerin vom 30.5.1996 habe keine sachliche Beitragspflicht begründen können, da ihre Nichtigkeit durch Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgericht vom 21.1.1999 (2 S 551/99) festgestellt wurde. Der Auffassung des OVG Brandenburg (Urt. v. 8.6.2000, LKV 2001, 132), dass die Beitragspflicht zu dem Zeitpunkt entstehe, zu dem die erste - wenn auch ungültige - Satzung habe in Kraft treten sollen, schließe sich die Kammer nicht an. Das Entstehen der Beitragspflicht setze stets eine wirksame Satzung voraus. Der Abwasserbeitragsbescheid vom 20.10.1997 sei insoweit ohne Belang, da er nach Feststellung der Nichtigkeit der Satzung aufgehoben wurde.

Die sachliche Beitragspflicht für den mit Bescheid vom 26.10.2001 festgesetzten Beitrag sei demzufolge mit dem In-Kraft-Treten der Abwassersatzung vom 27.1.2000 am 12.2.2000 und damit nach der Insolvenzeröffnung am 1.12.1998 entstanden. Es handele sich deshalb um notwendige Verwaltungsausgaben, die gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 GesO vorab zu begleichen seien und durch Bescheid geltend gemacht werden könnten.

Der Antragsteller führt zur Begründung seiner Beschwerde aus, der vom Verwaltungsgericht angewandte Prüfungsmaßstab dürfe hier wegen insolvenzrechtlicher Besonderheiten nicht voll durchschlagen. Der Insolvenzverwalter müsse alle (Insolvenz- und Masse-) Gläubiger gleichbehandeln. Zudem würde durch eine Erfüllung der Beitragsverpflichtung für das Insolvenzverfahren vollendete Tatsachen geschaffen.

Der Geltendmachung der Beitragssumme als vorrangig zu befriedigende Forderung stehe entgegen, dass dies nur für zulässigerweise nach der Eröffnung der Gesamtvollstreckung begründete Forderungen in Betracht komme. Hier komme es auf den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht an, die aber mit dem OVG Brandenburg ab dem Zeitpunkt des gewollten In-Kraft-Tretens der ersten (wenn auch nichtigen) Beitragssatzung anzunehmen sei. Zwar könne nicht unmittelbar an die unwirksame Satzung angeknüpft werden. Hingegen sei die Antragsgegnerin verpflichtet, die neue Satzung rückwirkend ab dem Zeitpunkt des vermeintlichen In-Kraft-Tretens der ungültigen Satzung in Kraft zu setzen. Diese Verpflichtung folge aus einem dem Antragsteller zustehenden Vertrauensschutz, wie dem Umstand einer der Antragsgegnerin nach Risikosphären zurechenbaren Verpflichtung zur rückwirkenden Inkraftsetzung. Mit der ungültigen Satzung habe die Antragsgegnerin ihre Absicht dokumentiert, die sachliche Beitragspflicht zu begründen und sei mit zumindest formellem Geltungsanspruch an die Öffentlichkeit getreten. Es liege deshalb in ihrer Risikosphäre, wenn ihre Satzung für nichtig erklärt werde. Die Antragsgegnerin dürfe nicht mit den Regelungen des landesrechtlichen Abgabenrechts sowie des Satzungsrechts das bundesrechtliche Insolvenzverfahren umgehen und sich dadurch einen insolvenzrechtlich nicht zu rechtfertigenden Vorteil verschaffen. Andernfalls würde der Satzungsfehler der Antragsgegnerin insolvenzrechtlich belohnt. Rechtsmissbräuchlich sei der Mangel einer rückwirkenden Inkraftsetzung im vorliegenden Zusammenhang nicht erst im Fall einer hierin liegenden zielgerichteten Manipulation. Vielmehr führten die allgemeinen insolvenzrechtlichen Grundsätze als lex specialis dazu, eine Verpflichtung zur rückwirkenden Inkraftsetzung anzunehmen. Andernfalls handele sie treuwidrig und verschaffe sich rechtswidrig eine Masseverbindlichkeit.

Die so begründete Beschwerde hat keinen Erfolg. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 28.7.2003 - 5 BS 456/02 - s. auch OVG NW, Beschl. v. 17.3.1994, NVwZ-RR 1994, 617; OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 12.1.1994, NVwZ 1996, 90; OVG Hamburg, Beschl. v. 23.4.1991, NVwZ-RR 1992, 318; VG Dresden, Beschl. v. 19.12.2002, 7 K 281/01; vgl. auch zur a.A.: Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Aufl., § 80 RdNr. 36; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 80 RdNr. 116, jeweils m.w.N.) kommt bei der Erhebung von öffentlichen Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nur für den Fall in Betracht, dass auf Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg.

Die in § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO enthaltene Ausnahme von dem Grundsatz der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gemäß § 80 Abs. 1 VwGO dient im Sinne einer geordneten Haushaltsführung, der Finanzsicherheit und der effektiven Erfüllung öffentlicher Aufgaben, der Sicherstellung eines stetigen Zuflusses von Finanzmitteln an die öffentlichen Haushalte. Die Regelung ist Ausdruck der Erwägung, dass das öffentliche Interesse an der Erfüllung bestimmter Geldleistungspflichten Vorrang vor dem privaten Interesse an einer vorläufigen Befreiung von der Zahlungsverpflichtung haben soll. Dieser gesetzgeberischen Wertung entspricht es, den Abgabenpflichtigen ungeachtet von - bloßen - Zweifeln über die Rechtmäßigkeit seiner Inanspruchnahme als zur Zahlung verpflichtet anzusehen. Eine Beeinträchtigung des durch die Gerichte zu gewährenden effektiven Rechtsschutzes geht hiermit nicht einher. Für den Einzelnen treten keine irreparable Folgen ein. Eine zu Unrecht erbrachte Leistung kann durch ihre Rückzahlung mit Zinsen ohne nennenswerten Schaden für den Betroffenen rückabgewickelt werden (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 5 b SächsKAG i.V.m. § 236 Abs. 1 Abgabenordnung - AO -).

Hiervon ausgehend kann auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht davon ausgegangen werden, dass ein Erfolg des vom Antragsteller eingelegten Widerspruchs gegen den Abwasserbeitragsbescheid vom 26.10.2001 wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg.

Dass die sachliche Beitragspflicht im Zeitpunkt des Inkraftsetzens der nachfolgend vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht für nichtig erklärten Abwasserbeitragssatzung der Antragsgegnerin entstanden sein soll, wird vom Antragsteller nicht behauptet. Soweit das OVG Brandenburg (Urt. v. 8.6.2000, aaO = VwRR MO 2000, 410) für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht auf den Zeitpunkt des ersten Inkraftsetzens einer Beitragssatzung unabhängig von deren Gültigkeit abstellt, beruht diese Rechtsprechung ersichtlich auf der dortigen landesrechtlichen Regelung des § 8 Abs. 7 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg. Der hier heranzuziehende § 22 Abs. 1 SächsKAG weicht von dieser Bestimmung signifikant ab. Anders als § 8 Abs. 7 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg enthält er nicht den Grundsatz, dass die - sachliche - Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung oder Anlage entsteht. Vielmehr enthält § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG den Grundsatz, dass die Beitragspflicht bei - wie hier - Einrichtungen mit Anschluss- und Benutzungszwang entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der Satzung.

Zur Begründung seiner Beschwerde beruft sich der Antragsteller darauf, die Antragsgegnerin sei aus Gründen des Vertrauensschutzes und zur Vermeidung eines Rechtsmissbrauchs verpflichtet gewesen, ihre neue Abwasserbeitragssatzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vermeintlichen In-Kraft-Tretens der ungültigen Vorgängersatzung in Kraft zu setzen. Der Antragsteller zeigt hingegen keinen tragenden Gesichtspunkt dafür auf, dass es der Antragsgegnerin im Rahmen ihres normgeberischen Ermessens (s. BVerwG, Urt. v. 17.4.2002, SächsVBl 2002, 213; SächsOVG, Urt. v. 26.3.2003 - 5 B 638/02 -, rechtskräftig seit BVerwG, Beschl. v. 13.11.2003 - 9 B 61/03 -) verwehrt wäre, die hier zugrunde liegende Abwasserbeitragssatzung ohne Rückwirkungsanordnung zu beschließen. Es steht ihr frei, eine unwirksame Satzung durch eine wirksame Satzung zu ersetzen und durch einen auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung bestimmten Zeitpunkt eine etwaige Festsetzungsverjährung zu vermeiden (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) SächsKAG i.V.m. §§ 169 f. Abgabenordnung - AO -). Es ist deshalb kein Vertrauens- tatbestand auf eine rückwirkende Inkraftsetzung einer neuen Abwassersatzung ersichtlich. Der vorhergehende Erlass einer unwirksamen Abwasserbeitragssatzung vermag diesen nicht zu begründen. Er verhält sich zu dieser Frage nicht.

Die Beschlussfassung über den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens einer neuen Abwasserbeitragssatzung stellt eine abstrakt-generelle Regelung dar. Sie betrifft die Gesamtheit der Beitragsschuldner im Satzungsgebiet der Antragsgegnerin. Es ist mit der Beschwerde nicht aufgezeigt worden, dass sachwidrige Gesichtspunkte für die beschlossene In-Kraft-Tretens-Regelung maßgeblich waren. Aus dem Umstand, dass sich der Antragsteller deshalb mit einer vorrangig von ihm zu befriedigenden Forderung konfrontiert sieht, lässt sich insoweit nichts ableiten. Dieser Umstand betrifft einen Einzelfall, welcher das normgeberische Ermessen der Antragsgegnerin nicht einschränkt. Eine Umgehung insolvenzrechtlicher Vorschriften liegt hierin nicht. Auf von diesen Regelungen Betroffene, die im Verhältnis der Gesamtheit der Beitragsschuldner im Satzungsgebiet vereinzelte Fälle darstellen, zielt die Inkraftretensregelung ersichtlich nicht ab. Von einem rechtsmissbräuchlichen Vorgehen kann deshalb keine Rede sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 25 Abs. 2, 20 Abs. 3 und 13 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz - GKG -. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, in Verfahren der vorliegenden Art den Streitwert auf 1/4 des in Höhe des festgesetzten Betrages zu bemessenden Hauptsachestreitwertes festzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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