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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 29.11.2006
Aktenzeichen: 5 BS 255/06
Rechtsgebiete: VwGO, GG


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
VwGO § 152a
GG Art. 103 Abs. 1
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör besteht auch nach Art. 103 Abs. 1 GG nur nach Maßgabe des jeweiligen Prozessrechts.

2. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes findet nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage statt. Beweiserhebungen bleiben ohne Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

3. Unterschiedliche Sachverhaltsbewertungen des Gerichts gegenüber einem Beteiligten stellen keinen Gehörsverstoß dar.

4. Außerhalb der Beschwerdefrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragene Beschwerdegründe finden keine Berücksichtigung.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 BS 255/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Trinkwasserbeitrags; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Anhörungsrüge gegen Beschluss vom 14.11.2006

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und den Richter am Verwaltungsgericht Büchel

am 29. November 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Anhörungsrüge des Antragstellers gegen den Beschluss vom 14. November 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des außerordentlichen Rechtsbehelfsverfahrens.

Gründe:

Die zulässige Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 14.11.2006 ist unbegründet und daher gemäß § 152a Abs. 4 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für eine Fortführung des Verfahrens liegen nicht vor. Der Antragsteller hat keine Gründe dargelegt, aus denen sich eine Verletzung seines Anspruches auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - in entscheidungserheblicher Weise ergibt. Darüber hinaus erweist sich die Entscheidung des Senates auch in der Sache als zutreffend.

Nach § 152a Abs. 1 VwGO ist ein Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs besteht auch nach Art. 103 Abs. 1 GG nur nach den näheren Maßgaben des Prozessrechts, das heißt der konkret für das Verfahren maßgeblichen Vorschriften (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., 2005, § 138 RdNr. 10). Danach hat das Gericht die Ausführungen eines Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Dies ist, wie noch auszuführen sein wird, im vorliegenden Fall sowohl durch das Verwaltungsgericht als auch durch den Senat in gebotenem Umfang geschehen. Die anzulegende Prüfungstiefe wird dabei maßgeblich durch das Prozessrecht mitbestimmt. Im vorliegenden Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Abgabenbescheides findet nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage statt. Diesen Maßstab haben sowohl das Verwaltungsgericht als auch der erkennende Senat angelegt, weshalb eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ausscheidet. Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit sind in derartigen Fällen nicht verpflichtet, in einem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren komplexe Sachverhalte in einer Tiefe abzuarbeiten, die letztlich auf eine Vorwegnahme des Verfahrens der Hauptsache hinaus liefe. So liegt es im vorliegenden Fall.

Der Antragsteller geht zunächst zutreffend davon aus, dass das Gericht seinen Schriftsatz vom 15.11.2006 im Beschluss vom 14.11.2006 nicht berücksichtigt hat, da ihm dieser zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht vorlag. Hierin ist jedoch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 GG in einer entscheidungserheblichen Weise zu sehen.

Für den Senat bestand keine Veranlassung abzuwarten, ob sich der Antragsteller zur Einlassung der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren nochmals äußert, nachdem die Beschwerdebegründungsfrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO verstrichen war. Denn das Gericht ist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO gehalten, nur die dargelegten Gründe zu prüfen. Diese müssen in der fristgerechten Beschwerdebegründung enthalten sein. Nach Ablauf der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragene Beschwerdegründe können bei der Überprüfung, ob die erstinstanzliche Entscheidung Bedenken unterliegt, keine Berücksichtigung finden (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 15.6.2004 - 5 BS 406/03 -, SächsVBl. 2004, 242; Beschl. v. 4.6.2004 - 5 BS 50/03 -; SaarlOVG, Beschl. v. 10.11.2006 - 3 W 6/06 -, juris m.w.N.; ThürOVG, Beschl. v. 26.11.2003, - 4 EO 627/02 -, KStZ 2004, 57; VGH Baden-Württ., Beschl. v. 1.7.2002 - 11 S 1293/02 -, NVwZ 2002, 1388; OVG Münster, Beschl. v. 18.3.2002 - 7 B 315/02 -, NVwZ 2002, 1390). Hingegen ist eine innerhalb der Beschwerdefrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragene nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage im Beschwerdeverfahren berücksichtigungsfähig (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 15.6.2004 - 5 BS 406/03 -, SächsVBl. 2004, 242). Selbst eine nach Ablauf der Beschwerdebegrün-dungsfrist eintretende Änderung der Sach- und Rechtslage kann aus prozessökonomischen Gründen zu berücksichtigen sein (so jedenfalls Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., 2005, § 146 RdNr. 43).

Das Schreiben des Antragstellers vom 15.11.2006 hat jedoch nicht zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage geführt. Eine solche hat sich insbesondere nicht dadurch ergeben, dass die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung nach dem Vortrag des Antragstellers erstmals von einer Eigenschaft des streitbetroffenen Grundstücks als Hinterliegergrundstück ausgegangen ist. Denn der Senat hat diesen Vortrag in seinem Beschluss vom 14.11.2006 nicht als entscheidungserheblich angesehen, was durch die Formulierung "... kommt insbesondere eine Erschließung ... über das Vorderliegergrundstück in Betracht." Der Senat hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im Hauptsacheverfahren der Sachverhalt auch insoweit weiter zu ermitteln ist.

Der Senat hat in seinem Beschluss vom 14.11.2006 im Übrigen ausgeführt, dass die von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen, insbesondere die Pläne, für die Annahme einer Anschlussmöglichkeit des streitbetroffenen Grundstücks ausreichen. Dem lag der oben aufgezeigte Prüfungsmaßstab zugrunde. Wenn der Antragsteller dem mit der Argumentation entgegentritt, dass es sich bei diesen Plänen in Ermangelung einer amtlichen Einmessung auch nur um reine Behauptungen handele, lässt er diesen Plänen lediglich eine andere Bewertung zuteil werden, als dies der Senat getan hat. Eine entscheidungserhebliche Verletzung seines rechtlichen Gehörs ist hingegen hierin nicht zu sehen. Dies gilt auch für das weitere Vorbringen des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung vom 22.9.2006, die der Senat umfassend, das heißt unter Einbeziehung des gesamten erstinstanzlichen Vorbringens des Antragstellers bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Denn auch insoweit vertritt der Antragsteller lediglich eine eigene Auffassung zur Bewertung des Sachverhalts, der der Senat in seinem Beschluss nicht gefolgt ist. Auch insoweit hat der Senat in seinem Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach dem gebotenen Prüfungsmaßstab die vom Antragsteller angebotenen "Glaubhaftmachungen" durch Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse und Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einzuholen sind.

Schließlich ist der Hinweis des Antragstellers auf die Dauer anderer Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unbeachtlich.

Auch nach dem neuerlichen Vorbringen des Antragstellers verbleibt es daher bei der vom Senat vorgenommenen Abwägung der Interessen der Beteiligten zu Lasten des Antragstellers. Es ist ihm zuzumuten den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Ende der Entscheidung

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