Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 21.01.2008
Aktenzeichen: 5 BS 331/07
Rechtsgebiete: VwGO, SächsKAG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146
SächsKAG § 24
SächsKAG § 22 Abs. 1 S. 1
1. Für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ist eine wirksame beitragsrechtliche Regelung erforderlich, da § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG vorsieht, dass die Beitragsschuld bei Einrichtungen mit Anschluss- und Benutzungszwang entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung.

2. Die öffentliche Last als ein auf öffentlichem Recht beruhendes Grundpfandrecht am belasteten Grundstück knüpft an die sachliche Beitragspflicht an und ist in zweierlei Hinsicht akzessorisch: Die sich aus ihr ergebende materielle Duldungspflicht des jeweiligen Grundstückseigentümers ist ausschließlich vom Bestehen der sachlichen Beitragspflicht abhängig. Eine Inanspruchnahme aus ihr setzt darüber hinaus voraus, dass bereits eine persönliche Beitragspflicht des (vorherigen) Grundeigentümers entstanden und nicht wieder erloschen ist.

3. Die bestandskräftig festgestellte persönliche Beitragspflicht der Voreigentümer erstreckt sich nicht auf die sachliche Beitragspflicht.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

5 BS 331/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Duldungsbescheides; Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hier: Beschwerde

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Düvelshaupt

am 21. Januar 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 25. Juni 2007 - 2 K 2528/06 - geändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen als Gesamtschuldner.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.043,03 € festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 25.6.2007, mit dem dieses die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen Ziffer 2 des Bescheids des Antragsgegners vom 16.10.2006 angeordnet hat, ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung zu Unrecht angeordnet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Hauptsacherechtsbehelfes gegen einen Abgabenbescheid nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO voraus, dass dieser bei summarischer Prüfung rechtswidrig erscheint und damit ein Erfolg des Rechtsbehelfes in der Hauptsache wahrscheinlicher als ein Misserfolg ist. Es reicht hingegen nicht aus, dass die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfes nach derzeitigem Erkenntnisstand im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als offen zu bewerten sind (SächsOVG, Beschl. v. 28.7.2003, SächsVBl. 2004, 34, st. Rspr.). Die Beantwortung schwieriger, noch nicht geklärter Rechtsfragen muss grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben (SächsOVG, Beschl. v. 28.6.2005 - 5 BS 371/04 -). Soweit es um die Anwendung der dem Abgabenbescheid zugrunde liegenden Rechtsgrundlagen, insbesondere der gemeindlichen Satzung, geht, ist der Verfahrensausgang als offen zu bewerten, sofern die Rechtsgrundlagen nicht offensichtlich unwirksam sind (SächsOVG, Beschl. v. 22.6.2007 - 5 BS 73/07 -).

Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung damit begründet, dass die Antragsteller durch den Duldungsbescheid vom 16.10.2006 nicht in Anspruch genommen werden könnten. Die als öffentliche Last auf ihrem Grundstück ruhende Abgabenschuld sei bei Erlass des Duldungsbescheides bereits nach § 52 Abs. 1 ZVG erloschen gewesen, da die Abwasserbeitragspflicht aus den Bescheiden der Stadt H. vom 24.9.1997 und 12.10.1998 infolge des Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren mit Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 5.2.2004 untergegangen sei. Die Beitragspflicht sei auch nicht erst nach dem Zuschlag an die Antragsteller entstanden. Auf eine Nichtigkeit der vormaligen Satzung komme es nicht an, weil die Bescheide vom 24.9.1997 und 12.10.1998 weder geändert noch angefochten worden seien.

Der Antragsgegner wendet dagegen ein, dass eine öffentlich-rechtliche Last, die einmalig erhoben werde, mit dem Zuschlag in der Zwangsversteigerung nicht nach § 52 Abs. 1 ZVG erlösche. Die anderslautende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts betreffe rückständige oder laufende wiederkehrende Leistungen und lasse sich nicht auf einmalig zu erhebende öffentlich-rechtliche Lasten übertragen. Im Übrigen greife die Wirkung des § 52 Abs. 1 ZVG schon deshalb nicht ein, weil die Beitragsforderung erst nach dem Erwerb des Grundstücks durch die Antragsteller wirksam entstanden sei. Der Antragsgegner habe erst im Juni 2006 eine wirksame Abwassersatzung erlassen.

Mit diesen Einwänden hat der Antragsgegner innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO entsprechend den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO dargelegt, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Duldungsbescheides des Antragsgegners bestehen und der Widerspruch der Antragsteller keine überwiegenden Erfolgsaussichten hat. Die Antragsteller haben wegen einer auf ihrem Grundstück ruhenden öffentlichen Last die Zwangsvollstreckung in ihr Grundstück zu dulden.

Der Duldungsbescheid des Antragsgegners vom 16.10.2006, mit dem die Antragsteller verpflichtet werden, die Zwangsvollstreckung in ihr Grundstück P. in H. wegen eines rückständigen Abwasserbeitrags in Höhe von 4.172,14 € (8.160,00 DM) zu dulden, beruht auf § 24, § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d, § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c SächsKAG i. V. m. § 77 Abs. 2, § 191 AO. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c SächsKAG i. V. m. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden. Die Grundlage dieser materiellen Duldungspflicht ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d SächsKAG i. V. m. § 77 Abs. 2 Satz 1 AO. Danach hat der Eigentümer wegen einer Abgabe, die als öffentliche Last auf dem Grundbesitz ruht, die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden.

Die öffentliche Last ist ein auf öffentlichem Recht beruhendes Grundpfandrecht am belasteten Grundstück. Sie betrifft Abgaben und Leistungen, die nicht auf einem privatrechtlichen Titel beruhen und verpflichtet den jeweiligen Eigentümer des belasteten Grundstücks, wegen der dinglich gesicherten Abgabenforderung die Zwangsvollstreckung in dieses zu dulden. Die öffentliche Last knüpft an die sachliche Beitragspflicht an. Sie ist in zweierlei Hinsicht akzessorisch. So ist die sich aus ihr ergebende materielle Duldungspflicht des jeweiligen Grundstückseigentümers ausschließlich vom Bestehen der sachlichen Beitragspflicht abhängig. Dadurch haftet der Grundstückseigentümer auch dann mit dem Grundstück für die Beitragsschuld, wenn er nicht persönlich beitragspflichtig ist. Die öffentliche Last ist zudem insoweit akzessorisch, als eine Inanspruchnahme aus ihr - z. B. durch einen Duldungsbescheid - erst geltend gemacht werden darf, wenn über die sachliche Beitragspflicht hinaus durch Bekanntgabe eines wirksamen Heranziehungsbescheids an den Grundeigentümer bereits eine persönliche Beitragspflicht entstanden und nicht wieder erloschen ist. Der persönlich Beitragspflichtige haftet für die Beitragsforderung mit seinem gesamten Vermögen einschließlich des Grundstücks - so lange er Eigentümer ist. Dagegen haftet der spätere, nicht persönlich beitragspflichtige Eigentümer nur mit dem Grundstück, wobei daneben die Haftung des persönlich Beitragspflichtigen mit seinem gesamten, um das Grundstück verkürzten, Vermögen bestehen bleibt (Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 185 ff.).

Der ausstehende Abwasserbeitrag ist eine Abgabenschuld, die nach § 24 SächsKAG auf dem Grundstück der Antragsteller ruht. Die diesbezügliche sachliche Beitragspflicht ist jedoch erst nach der Zwangsversteigerung mit Inkrafttreten der Abwassersatzung vom 13.6.2006 (Landkreisbote Nr. 12 vom 20.6.2006) entstanden, da es den vorherigen Satzungen an der erforderlichen Wirksamkeit der beitragsrechtlichen Regelungen fehlt.

Nach der Rechtsprechung des Senats (so zuletzt im Beschl. v. 15.1.2008 - 5 BS 4/07 -) ist eine wirksame beitragsrechtliche Satzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht erforderlich. § 22 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG bestimmt insoweit, dass die Beitragsschuld bei Einrichtungen mit Anschluss- und Benutzungszwang entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung. Diese Formulierung ist dahingehend zu verstehen, dass das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht u. a. eine wirksame Satzung voraussetzt. Ohne eine solche Satzung fehlt es an einer Regelung über die Verteilung des Investitionsaufwands, die Voraussetzung dafür ist, die Beitragspflicht in einer bestimmten Höhe entstehen zu lassen. Die Höhe des Beitrags richtet sich maßgeblich nach den entsprechenden satzungsrechtlichen Regelungen. Fehlt es an solchen satzungsrechtlichen Regelungen, steht die Höhe des Beitrags nicht fest. Die sachliche Beitragspflicht kann deshalb auch noch nicht entstehen.

Hinsichtlich der Satzung vom 26.11.1997, die rückwirkend zum 15.12.1994 in Kraft getreten war, ist der erkennende Senat in seinem Urteil vom 17.5.2006 (5 B 196/05) von der Unwirksamkeit ausgegangen. Er hat u. a. die beitragsrechtlichen Regelungen beanstandet. Diesen Mangel weist die Abwassersatzung des Antragsgegners vom 13.6.2006 wohl nicht mehr auf. So ist ein Parallelverfahren nach einem entsprechenden Hinweis des Senats übereinstimmend für erledigt erklärt worden (Beschl. v. 29.12.2006 - 5 B 1059/04 -). Die weitere, noch frühere Satzung vom 26.3.1997 dürfte den gleichen Fehler wie die Satzung vom 26.11.1997 enthalten. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass diese ebenfalls unwirksam ist. Zudem würde sich der Antragsgegner anderenfalls auf deren Rechtmäßigkeit berufen und nicht selbst davon ausgehen, dass die Beitragsforderung erst aufgrund der Satzung vom 13.6.2006, die eine veränderte beitragsrechtliche Regelung enthält, entstanden ist.

Die für den Erlass des Duldungsbescheids erforderliche persönliche Beitragspflicht ist ebenfalls entstanden. Die Voreigentümer des Grundstücks, M. und B. H. , sind mit den Bescheiden vom 24.9.1997 und 12.10.1998 wirksam zu dem Abwasserbeitrag in der festgesetzten Höhe von insgesamt 4.172,14 € herangezogen worden. Zum damaligen Zeitpunkt waren sie Eigentümer des Grundstücks und als solche Beitragsschuldner im Sinne von § 21 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG. Die Bescheide sind bestandskräftig geworden. Die spätere Zwangsversteigerung des Grundstücks am 5.2.2004 hat auf die Bestandskraft der Abwasserbeitragsbescheide keinen Einfluss. Da die Bescheide auch nicht aufgehoben worden sind, bleiben sie nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b SächsKAG i. V. m. § 124 Abs. 2 AO wirksam. Die bestandskräftig festgestellte persönliche Beitragspflicht der Voreigentümer erstreckt sich allerdings nicht auf die sachliche Beitragspflicht. Da das Bestehen einer öffentlichen Last Voraussetzung für den Duldungsbescheid ist, muss auch umfassend überprüft werden können, ob die öffentliche Last überhaupt entstanden ist. Das führt dazu, dass der duldungspflichtige Grundstückseigentümer auch Einwände gegen die sachliche Beitragspflicht erheben kann, wenn der gegenüber dem Voreigentümer ergangene Beitragsbescheid bestandskräftig ist (vgl. NdsOVG, Urt. v. 15.9.1995, KStZ 1996, 238). Andererseits muss er aber auch den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht gegen sich gelten lassen.

Da die Abgabenschuld hier tatsächlich erst nach dem Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren durch das Inkrafttreten der Satzung vom 13.6.2006 und die dadurch begründete sachliche Beitragspflicht entstanden ist, kann dahinstehen, ob § 52 Abs. 1 ZVG auch bei öffentlichen Lasten Anwendung findet oder nur dem bürgerlichen Recht angehörende Rechtspositionen berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung in Höhe von 1/4 des Abgabenbetrages beruht auf § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG in Übereinstimmung mit Ziffer 3.1, 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8.7.2004 (NVwZ 2004, S. 1327).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück