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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 31.08.2005
Aktenzeichen: 5 E 134/05
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 162 Abs. 2 Satz 2
Für eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren stellt die Kostenvereinbarung in einem Prozessvergleich unter bestimmten Voraussetzungen eine ausreichende Kostengrundentscheidung dar.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 E 134/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Wassergebühren

hier: Beschwerde gegen die Erklärung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Schaffarzik, den Richter am Verwaltungsgericht Büchel und den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober am 31. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 21. April 2005 - 6 K 531/02 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 436,05 € festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 21.4.2005, mit dem dieses die Zuziehung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren für notwendig erklärte, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Zuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren im Ergebnis zu Recht für notwendig erklärt.

Es hat dies damit begründet, dass Nr. 3 der zwischen den Beteiligten im Prozessvergleich getroffenen Kostengrundentscheidung ausreichende Grundlage für eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO sei. Da es sich hierbei um einen Beschluss im Kostenfestsetzungsverfahren handele, habe es für einen Ausspruch über die Notwendigkeit der Zuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren keiner gerichtlichen Entscheidung nach § 161 VwGO bedurft. Die Zuständigkeit für den Beschluss nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO sei in Abweichung von § 164 VwGO ausnahmsweise auf den Richter anstelle des Kostenbeamten übertragen worden, weil er die maßgebliche Rechtsfrage besser beantworten könne. Gleichwohl sei seine Entscheidung nicht anders einzuordnen als die Festsetzung der konkret zu erstattenden Kosten durch den Kostenbeamten. Da der Kostenbeamte seine Festsetzungsentscheidung auf eine vergleichsweise Kostenregelung der Beteiligten stützen könne, sei nicht einzusehen, weshalb dies nicht auch für den Richter gelten solle. Da die Beteiligten über die Notwendigkeit einer Zuziehung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine ausdrückliche Regelung im Prozessvergleich getroffen hätten und sich eine Auslegung des dort verwendeten Kostenbegriffs an den gesetzlichen Begriffen orientieren müsse, sei Raum für eine solche Entscheidung durch das Gericht.

Dem ist die Beklagte im Beschwerdeverfahren mit der Begründung entgegengetreten, dass es bereits an einer notwendigen Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 1 VwGO fehle. Da sich die Beteiligten für eine vergleichsweise Lösung ihres Rechtsstreits entschieden hätten, habe es ihnen freigestanden, sich auch über die Kosten zu einigen. Hiervon hätten sie in unmissverständlicher Weise Gebrauch gemacht, so dass für eine weitergehende gerichtliche Entscheidung kein Raum sei. Nur wenn sich die Beteiligten nicht auch hinsichtlich der Kosten geeinigt hätten, wäre das Gericht nach § 160 VwGO befugt gewesen, eine eigene Kostenentscheidung zu treffen. Fehle es hingegen an einer solchen Entscheidung, könne auch keine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO mehr erfolgen. Da der Prozessvergleich den Rechtsstreit auch hinsichtlich der Kosten unmittelbar beendet habe, stehe dem gerichtlichen Beschluss auch die Rechtsnatur des Prozessvergleichs entgegen. Bei einer Entscheidung zu § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO im Urteil komme § 120 VwGO zur Anwendung, so dass der Zuziehungsantrag binnen zwei Wochen zu stellen sei. Über § 122 VwGO gelte § 120 Abs. 2 VwGO auch für Beschlüsse. Werde das Verfahren hingegen durch einen Vergleich beendet, komme eine Anwendung von § 120 Abs. 2 und § 122 Abs. 1 VwGO gar nicht erst in Betracht. Jedenfalls liege hier insoweit aber wegen Überschreitung der Zweiwochenfrist keine fristgerechte Antragstellung vor.

Die Argumentation des Beklagten vermag nicht zu überzeugen. Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn das Gericht seine Zuziehung als Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig erklärt. Neben den sachlichen Voraussetzungen ist Voraussetzung für eine solche Entscheidung, dass sich an das Vorverfahren ein gerichtliches Hauptsacheverfahren angeschlossen hat. Ohne Bedeutung ist hingegen, auf welche Weise dieses beendet worden ist.

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren kann im Tenor eines Urteils, ebenso aber auch in einem gesonderten Beschluss ergehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.1967, BVerwGE 27, 39; J. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 162 RdNr. 14). Es handelt sich bei der Entscheidung um eine selbständig anfechtbare Nebenentscheidung. Vielmehr handelt es sich bei der Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO um eine dem Richter zugewiesene eigenständige Entscheidung. Teilweise wird sie als gerichtliche Entscheidung über den Umfang der Kostenerstattungspflicht im Kostenfestsetzungsverfahren angesehen (so BVerwG, Urt. v. 18.2.1981, Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 15; Urt. v. 28.4.1967, aaO, S. 40 f.; OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 30.11.1995, NVwZ-RR 1996, 717; OVG Lüneburg, Beschl. v. 3.12.1985, OVGE 39, 369), teilweise als selbständige Entscheidung zur Kostenfestsetzung außerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens (so SächsOVG, Beschl. v. 16.9.1999, AGS 2001, 182; Olbertz in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2004, § 162 RdNr. 83), teilweise auch als isoliert anfechtbarer Teil der Kostengrund-/-lastentscheidung (Kothe in: Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl., § 162 RdNr. 13c; Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im öffentlichen Recht, 8. Aufl., § 47 III 2 RdNr. 11f.).

Allen zitierten Auffassungen ist hingegen gemeinsam, dass die Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO auf Grund ihrer rechtlichen Eigenständigkeit nicht am Rechtsmittelausschluss des § 158 VwGO teilnimmt. Vielmehr ist sie unter den Voraussetzungen des § 146 Abs. 1 und 3 VwGO mit der Beschwerde anfechtbar, unabhängig davon, ob die Entscheidung als Nebenentscheidung in einem Urteils- oder Beschlusstenor erfolgt oder in einem selbständigen Beschluss.

Nicht erforderlich ist somit auch eine Urteils- oder Beschlussergänzung nach § 120 VwGO (ggf. i.V.m. § 122 VwGO), so dass für den Antrag nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO auch keine Antragsfrist, insbesondere nicht die Frist des § 120 Abs. 2 VwGO gilt (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.1967, aaO. S. 40; Urt. v. 18.2.1981, aaO; BayVGH, Beschl. v. 18.6.1993, BayVBl. 1994, 123; OVG Rh.-Pf., aaO).

An seiner vormals vertretenen gegenteiligen Rechtsauffassung (B. v. 5.12.2001 - 5 E 79/01 -) hält der Senat nicht mehr fest; diese Entscheidung nimmt Bezug auf einen weiteren Beschluss des 1. Senats des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts, der den Ausspruch zur Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO im Tenor eines Urteils zum Gegenstand hat (SächsOVG, Beschl. v. 20.5.1998 - 1 S 187/98 -). Insoweit handelt es sich jedoch um eine nicht vergleichbare Rechtslage. Denn § 162 Abs. 3 VwGO bestimmt die Verpflichtung des Gerichts, von Amts wegen (auch) über die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu befinden. Es handelt sich um einen notwendigen Bestandteil des Urteilstenors, welche im Fall eines (auch nur versehentlichen) Unterlassens das Urteil fehlerhaft erscheinen lässt, falls sich eine Entscheidung darüber auch nicht mittels Auslegung der Urteilsgründe ergibt. Diese Fehlerhaftigkeit lässt sich nur im Wege eines Ergänzungsurteils nach § 120 VwGO beseitigen, denn insoweit handelt es sich um einen übergangenen, von Amts wegen zu beachtenden Kostenantrag. Der dazu nach § 120 Abs. 2 VwGO vorgeschriebene Antrag ist jedoch nicht vergleichbar mit dem Antrag nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Denn die Entscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO über die Kostenlast in Bezug auf die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen ist im Gegensatz zu der Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO eine Entscheidung zur Kostenfolge im Sinne des § 120 Abs. 1 VwGO (vgl. HessVGH, Beschl. v. 9.4.1990, NVwZ-RR 1991, 167 [168]), die nicht durch gesonderten Beschluss nachgeholt werden kann (vgl. J. Schmidt; aaO, § 162 RdNr. 16).

In Bezug auf die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren ist dagegen die Antragstellung selbst nach Eintritt der Rechtskraft noch zulässig (vgl. Olbertz, aaO, § 162 RdNr. 83 m.w.N.), weil das Verwaltungsgericht auch dann noch den selbständigen Beschluss fassen kann. Eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO entfaltet nur dann keine Wirkung, wenn es an einer von ihr vorausgesetzten Kostengrundentscheidung fehlt (BVerwG, Urt. v. 15.2.1991, BVerwGE 88, 41).

Die in einem Prozessvergleich zwischen den Beteiligten vereinbarte prozentuale Verteilung der Kosten zwischen den Beteiligten stellt hingegen eine hinreichende Kostengrundentscheidung in diesem Sinn dar (vgl. OVG Lüneburg, aaO), so dass eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO grundsätzlich ergehen kann. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Beteiligten in dem Prozessvergleich auch eine Vereinbarung über die außergerichtlichen Kosten des Vorverfahrens getroffen haben. Denn damit haben sie zu erkennen gegeben, dass sie sich nicht nur über die Hauptsache und die Kostenfolge geeinigt haben, sondern eine umfassende Klärung der Kostenfrage auch im Hinblick auf eine Notwendigkeit der Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren herbeiführen wollten. Dann bleibt auch für eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO kein Raum mehr (vgl. VG Hannover, Beschl. v. 28.7.1989, JurBüro 1989, 1763; Olbertz, aaO, § 162 RdNr. 83; Kothe, aaO, § 162 RdNr. 13c). Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, wenn sich die Vereinbarung auf eine bestimmte Verteilung der Kosten beschränkt. Soll eine gerichtliche Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO gehindert werden, muss die Erstattung der Kosten des Vorverfahrens entweder ausdrücklich oder konkludent ausgeschlossen werden. Dies folgt nicht zuletzt auch daraus, dass diese Erstattung auch noch nach Eintritt der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung oder - wie hier - der Wirksamkeit eines Prozessvergleichs beantragt werden kann. Wollen sich die Beteiligten dieser Möglichkeit begeben, muss dies aus ihrem Prozessvergleich erkennbar sein.

Die im hier abgeschlossenen Prozessvergleich vereinbarte Kostenbestimmung enthält keine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung über die Kosten des Vorverfahrens, so dass eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO auf den Antrag der Klägerin erfolgen musste.

Das Verwaltungsgericht hat in zutreffender Weise das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für die Notwendigkeit der Zuziehung bejaht. Einwendungen hiergegen sind seitens des Beklagten auch nicht erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Bei der Streitwertfestsetzung orientiert sich der Senat an der von dem Beklagten bezifferten Geschäftsgebühr der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 und § 158 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 4 und § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).



Ende der Entscheidung

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