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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.08.2007
Aktenzeichen: 5 E 153/07
Rechtsgebiete: BAföG, ZGB-DDR, SGB X


Vorschriften:

BAföG § 27 Abs. 1
ZGB-DDR § 238
ZGB-DDR § 239
SGB X § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2
1. Hat der Auszubildende unentgeltlich und insoweit rechtsmissbräuchlich Vermögen übertragen, so wird ihm das übertragene Vermögen weiterhin zugerechnet.

2. Der Auszubildende hat die Obliegenheit, sich Klarheit über sein Vermögen zu verschaffen und hierzu ggf. seine Eltern zu befragen.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 5 E 153/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Rückforderung von Ausbildungsförderung

hier: Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von PKH

hat der 5. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Raden, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dehoust und die Richterin am Verwaltungsgericht Düvelshaupt

am 30. August 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 23. Mai 2007 - 3 K 757/06 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig, mit dem dieses den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO, weil ihre Klage voraussichtlich keine Erfolgsaussichten hat.

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, in dem sie sich gegen die Rückforderung von Ausbildungsförderungsleistungen wendet. Der Beklagte hob mit Bescheid vom 30.10.2003 einen früheren Bewilligungsbescheid, mit dem der Klägerin Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum von Oktober 1997 bis September 1998 gewährt worden war, teilweise auf und forderte eine Summe von 2.529,36 € zurück. Der von der Klägerin erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg. Die Klägerin habe vor der Antragstellung angegeben, über keinerlei Vermögen zu verfügen, obwohl sie am Tag der Antragstellung über ein Girokonto mit einem Betrag von 1.142,83 €, einem Sparbuch mit einem Wert von 2.920,63 € verfügt habe. Zudem habe sie rechtsmissbräuchlich kurz vor der Antragstellung am 6.6.1997 3.000 DM an ihre Eltern übertragen. Dieser Betrag sei ihrem Vermögen hinzuzurechnen.

Das Verwaltungsgericht Leipzig lehnte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 23.5.2007 ab, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Das Sparbuch sei der Klägerin als Inhaberin zuzurechnen, auch wenn das Geld von den Eltern eingezahlt worden sei. Die Klägerin habe auch einen entsprechenden Freistellungsauftrag erteilt. Sie sei aus rechtlichen Gründen nicht gehindert gewesen, das Guthaben zu verwerten. Die Überweisung der 3.000 DM an ihre Eltern sei rechtsmissbräuchlich gewesen, weshalb der überwiesene Betrag ihrem Vermögen zuzurechnen sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde. Das Sparkonto sei von ihrer Mutter auf ihren Namen eröffnet worden. Die angesparten Summen stammten von ihren Eltern. Sie selbst habe keine Kenntnis von dem Sparbuch gehabt und auch nicht darüber verfügen können. Auch das Sparbuch selbst habe sich nicht bei ihr befunden. Für das hier maßgebliche Konto habe sie einen Freistellungsauftrag nicht unterzeichnet. Zudem könne sie sich auf Vertrauensschutz berufen. Ihre Eltern hätten ihre Unkenntnis über das Sparbuch bestätigt. Ein rechtlicher Irrtum wäre allenfalls ihren Eltern unterlaufen. Ihr könne allenfalls vorgeworfen werden, dass sie bei den Eltern die Existenz weiterer Vermögenswerte nicht erfragt habe. Hierzu habe jedoch kein Anlass bestanden. Dass sie das Girokonto nicht angegeben habe, beruhe auf der Beratung des Beklagten. Dieser habe dahingehend beraten, nur die den Freibetrag übersteigenden Vermögenswerte anzugeben. Die Überweisung an ihre Eltern sei nicht rechtsmissbräuchlich. Zum Zeitpunkt der Überweisung habe sie sich noch in der schulischen Ausbildung befunden und sich auch noch nicht um einen Studienplatz bewerben können. Sie habe deshalb aus jedem Grund über ihr Vermögen verfügen können.

Diese Einwendungen greifen nicht durch.

Neben der Forderung aus dem Girokonto gehörte auch die im Sparbuch verbriefte Forderung zum Vermögen der Klägerin. Zum Vermögen gehören nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG Forderungen und sonstige Rechte. Die Klägerin ist entgegen ihrer Auffassung mit Eröffnung des Sparkontos Inhaberin der Forderung geworden. Sie ist als einzige Berechtigte in dem von ihrer Mutter als gesetzlicher Vertreterin unterschriebenen Sparkontovertrag vom 27.3.1979 genannt. Nach § 238 Abs. 3, § 235 Abs. 1 Satz 1 ZGB-DDR steht die Forderung gegen das Kreditinstitut dem Kontoinhaber zu. Dies ist im Falle des Sparkontos der Sparer, der das Recht hat, das Sparguthaben bei Fälligkeit zurückzuverlangen und auf dessen Namen das Sparbuch auszustellen ist (vgl. § 238 Abs. 1 Satz 1, § 239 Abs. 1 ZGB-DDR). Abweichende Vereinbarungen dahingehend, dass das Sparkonto und das Sparbuch auf den Namen eines Dritten eingerichtet werden soll, müssen im Sparkontovertrag vereinbart werden (vgl. § 239 Abs. 2 Satz 1 ZGB-DDR). In diesem Fall gilt der Dritte als Sparer (§ 239 Abs. 2 Satz 2 ZGB-DDR). Entgegenstehende Abreden sind nichtig (§ 239 Abs. 2 Satz 3 ZGB-DDR). Hier ist die Klägerin im Sparvertrag als Inhaberin genannt und das Sparbuch wurde auf ihren Namen ausgestellt. An ihrer Eigenschaft als Sparerin und mithin Inhaberin der Forderung besteht somit kein Zweifel. Entgegenstehende Abreden wären gemäß § 239 Abs. 2 Satz 3 ZGB-DDR nichtig. Unerheblich ist nach dem Zivilgesetzbuch der DDR, wer die Einzahlungen vorge-nommen hat und ob dem Sparer die Existenz des Kontos bekannt war. Dies ist im Übrigen auch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch nicht ausschlaggebend (vgl. BGH, Urt. v. 2.2.1994 - IV ZR 51/93 -, zitiert nach juris; SächsOVG, Urt. v. 21.2.2007 - 5 B 708/06 -). Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik blieb grundsätzlich auf den Sparvertrag weiter das Recht des Zivilgesetzbuches anwendbar (Art. 232 § 1 EGBGB), das Kreditinstitut konnte jedoch durch Erklärung gegenüber dem Kontoinhaber bestimmen, dass auf das Konto die Vorschrif-ten des Bürgerlichen Gesetzbuches anzuwenden sind (Art. 232 § 7 Satz 1 EGBGB). An der Inhaberschaft änderte dies aber nichts.

Die Forderung zählt auch unter Berücksichtigung von § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG zum Vermögen der Klägerin. Nach dieser Vorschrift sind Gegenstände vom Vermögen ausgenommen, soweit der Auszubildende sie aus rechtlichen Gründen nicht verwerten kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtfertigt eine Verfügungsbeschränkung die Herausnahme der Vermögensgegenstände aus der Vermögensanrechnung nur dann, wenn dem Auszubildenden ein Zugriff objektiv nicht möglich ist. Lassen vertragliche Bindungen und Beschränkungen die objektive Zugriffsmöglichkeit dagegen unberührt, können diese die Herausnahme aus der Vermögensanrechnung nicht rechtfertigen (Beschl. v. 16.2.2000 - 5 B 182.99 -, zitiert nach juris; vgl. auch SächsOVG, aaO). Hier war die Klägerin zum Zeitpunkt der Antragstellung objektiv weder aus Rechtsgründen noch tatsächlich an einer Verfügung gehindert. Sofern sich das Sparbuch nicht bei ihr selbst befand, hätte sie es als Inhaberin der darin verbrieften Forderung vom Besitzer herausverlangen können. Gegen Aushändigung des Sparbuches wäre die Sparkasse gegenüber der Klägerin als Berechtigter zur Auszahlung verpflichtet gewesen (vgl. § 808 Abs. 2 Satz 1 BGB, § 240 Abs. 1 ZGB-DDR). Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe von dem Sparbuch nichts gewusst, handelt es sich nicht um ein objektives, sondern um ein subjektives Verwertungshindernis, weil es vom Wissen und damit von der Person der Klägerin abhängig ist. Die Tatsache, dass ein Zugriff subjektiv nicht möglich ist, reicht aber nicht aus, um die Forderung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG nicht als Vermögen zu berücksichtigen.

Zum Vermögen der Klägerin sind auch die 3.000 DM, die wenige Monate vor der Stellung des Antrages auf Ausbildungsförderung an ihre Eltern überwiesen worden waren, hinzuzurechnen. Zwar ist der Vortrag der Klägerin, dass sie vor Aufnahme ihrer Ausbildung frei über ihr Vermögen verfügen könne und es nicht für die Ausbildung zurückbehalten müsse, grundsätzlich richtig. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt aber für unentgeltliche Verfügungen. Hat der Auszubildende unentgeltlich und insoweit rechtsmissbräuchlich Vermögen übertragen, so wird das übertragene Vermögen dem Auszubildenden weiterhin zugerechnet. Eine unentgeltliche Vermögensübertragung an wirtschaftlich nicht leistungsfähige Eltern ist rechtsmissbräuchlich (BVerwG, Urt. v. 13.1.1983 - 5 C 103.80 -, zitiert nach juris). So liegt es hier. Elterneinkommen war bei der Berechnung der Ausbildungsförderung nicht zu berücksichtigen und für eine entgeltliche Übertragung ist nichts vorgetragen oder sonst erkennbar.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, Abs. 4 SGB X sind gewahrt. Die Klägerin kann sich auf Vertrauen nicht berufen, weil die Bewilligung der Ausbildungsförderung auf Angaben beruht, die sie vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X). Der Betroffene muss dafür schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet haben, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (SächsOVG, Urt. v. 21.2.2007 - 5 B 708/06 -). In dem von der Klägerin bei der Antragstellung ausgefüllten Formblatt wird - soweit sonstiges Vermögen nicht vorhanden ist - nach der Höhe des Barvermögens, Bank- und Sparguthaben, Bauspar- und Prämienguthabens gefragt, sofern dies insgesamt über 6.000 DM ausmacht. Am Tag der Antragstellung belief sich das Guthaben auf dem Girokonto und dem Sparbuch der Antragstellerin - auch ohne Einbeziehung der kurz zuvor am 6.6.1997 übertragenen 3.000 DM - auf über 6.000 DM. Die Klägerin hätte die Guthaben deshalb angeben müssen. Soweit sie vorträgt, sie habe von dem Sparbuch keine Kenntnis gehabt, beruht diese Unkenntnis ebenfalls auf grober Fahrlässigkeit. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Auszubildende gehalten ist, dazu beizutragen, rechtswidrige Leistungen von Ausbildungsförderung an ihn zu vermeiden. Daraus ergibt sich u. a. die Verpflichtung, Bewilligungsbescheide zu prüfen und auf Überzahlungen zu achten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.5.2004 - 5 B 52.04 -, zitiert nach juris). Diese Verpflichtung besteht aber nicht nur nach Erlass von bewilligenden Bescheiden, sondern bereits zuvor bei der Abgabe von Erklärungen zum Einkommen und Vermögen des Auszubildenden. Der Auszubildende hat die Obliegenheit, sich Klarheit über sein Vermögen zu verschaffen und hierzu ggf. seine Eltern zu befragen. Im Fall der Klägerin lag eine solche Nachfrage insbesondere deshalb nahe, weil sie als Jugendliche zusammen mit ihren Eltern einen Freistellungsauftrag unterschrieben hatte und sich dieser Freistellungsauftrag nicht nur auf ein bestimmtes Konto, ihr Jugendgirokonto, beschränkte. Es bestand somit die nicht fern liegende Möglichkeit, dass weitere Konten bestanden, deren Inhaberin sie war.

Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben und außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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