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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.09.2006
Aktenzeichen: A 2 B 724/05
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 81 Abs. 1 S. 1
Das Fehlen der Unterschrift unter einem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht allein im Hinblick auf ein an den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts im August 2002 übersandtes Schreiben des Bundesamtes, in dem auf die Folgen der Einführung der elektronischen Aktenbearbeitung MARiS hingewiesen wird, ausnahmsweise unschädlich.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: A 2 B 724/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anerkennung als Asylberechtigter und Abschiebungsschutz

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger und die Richterin am Verwaltungsgericht Diehl

am 25. September 2006

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 21. September 2005 - A 14 K 30201/02 - wird verworfen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung ist unzulässig, da die erforderliche Schriftform nicht gewahrt wird.

Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. einer analogen Anwendung des § 125 Abs. 1 VwGO ist der Antrag auf Zulassung der Berufung schriftlich zu erheben. Zur Schriftform gehört grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.1.2003 - 1 B 92.02 -, NJW 2003, 1544). Diesem Erfordernis genügt der zunächst am 18.10.2005 per Fax und sodann mit der Post beim Verwaltungsgericht eingegangene Zulassungsantrag nicht. Der Schriftsatz schließt jeweils mit den maschinenschriftlichen Worten "Im Auftrag R. ". Er enthält keine Unterschrift.

Allerdings kann das Fehlen einer Unterschrift bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen. Entscheidend ist, ob sich dies aus dem bestimmenden Schriftsatz allein oder in Verbindung mit den ihn begleitenden Umständen hinreichend sicher ergibt, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste. Aus Gründen der Rechtssicherheit kann dabei nur auf die dem Gericht bei Eingang des Schriftsatzes erkennbaren oder bis zum Ablauf der Frist bekannt gewordenen Umstände abgestellt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.3.2006 - 8 B 8.06 -, NJW 2006, 1989 und Beschl. v. 27.1.2003, aaO). Ist, wie hier, gemäß § 67 Abs. 1 VwGO eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt, einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule oder einen Beamten oder Angestellten mit Befähigung zum Richteramt oder einen Diplomjuristen im höheren Dienst erforderlich, bedarf es einer der Unterschrift vergleichbaren Gewähr dafür, dass das Schriftstück von einer im vorgenannten Sinne postulationsfähigen Person stammt und mit deren Willen in den Verkehr gebracht worden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.1.2003, aaO und für den zivilrechtlichen Anwaltsprozess BGH, Urt. v. 10.5.2005 - XI ZR 128/04 -, NJW 2005, 2086).

Derartige besondere Umstände liegen hier nicht vor. Einen dahingehenden Zusatz, dass der genannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform oder aus sonstigen Gründen nicht unterzeichnen konnte (vgl. hierzu GmS-OGB, Beschl. v. 5.4.2000 - GmS-OGB 1/98 -, NJW 2000, 2340), enthält der Zulassungsantrag nicht. Allein der gedruckte Briefkopf des Bundesamtes sowie die sonstige Form des Zulassungsantrags vermögen die fehlende Unterschrift nicht zu ersetzen. Denn dieser Umstand bietet keine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür, dass das Schriftstück von einer beim Oberverwaltungsgericht postulationsfähigen Person stammt und mit deren Willen in den Verkehr gebracht worden ist. Soweit der Beklagte aufgrund des richterlichen Hinweises geltend macht, aus dem Zulassungsantrag ergebe sich eindeutig und ohne die Notwendigkeit einer Beweiserhebung, dass der Antrag vom Bundesamt herrührt (Urheberschaft) und mit dessen Willen an das Gericht gelangt (Verkehrswille) ist, genügt dies wegen des Vertretungszwangs nicht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des Vizepräsidenten des Bundesamtes an den Präsidenten des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2.8.2002.

Die Beklagte macht insoweit geltend, seit November 2002 sei im Bundesamt für die - hier sachbearbeitende - Außenstelle Chemnitz die elektronische Aktenbearbeitung MARiS eingeführt. Dies habe dazu geführt, dass seit diesem Termin Akten und Schriftsätze in der Regel in elektronischer Form erstellt und übermittelt würden und Schriftsätze keine Originalunterschrift enthielten. Originaldokumente, die im Asylverfahren vorgelegt werden oder darin entstehen, würden in so genannten Dokumentenmappen aufbewahrt. Diese Dokumentenmappen könnten auf Anforderung den Gerichten überlassen werden. Von dieser Verfahrensweise seien mit Schreiben des Vizepräsidenten des Bundesamtes vom 2.8.2002 alle Präsidenten der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe informiert worden. In der bisherigen Praxis sei durch die sächsischen Verwaltungsgerichte eine Akzeptanz der durch das Bundesamt elektronisch erstellten und übermittelten Verwaltungsakten und Schriftsätze erfolgt.

In dem Schreiben des Vizepräsidenten des Bundesamtes vom 2.8.2002 wird jedoch entgegen den Ausführungen der Beklagten weder ausgeführt, dass Schriftsätze bereits sei November 2002 in elektronischer Form übermittelt werden noch dass sie keine Originalunterschrift enthalten. Schriftsätze werden dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht vom Bundesamt auch nach wie vor nicht elektronisch übermittelt. Diese mögen zwar beim Bundesamt elektronisch erstellt werden. Sie gehen jedoch, abgesehen von einer üblichen Übermittlung per Fax, in Papierform und somit nicht aufgrund elektronischer Übermittlung beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht ein.

Im Schreiben vom 2.8.2002 wurde mitgeteilt, dass in Folge der Einführung des Systems MARiS in zunehmendem Maße Asylbewerberakten in elektronischer Form angelegt und vorgehalten werden. Bis zur Implementierung der qualifizierten elektronischen Signatur würden Originaldokumente, die im Asylverfahren vorgelegt werden oder darin entstehen, in MARiS eingescannt und in so genannten Dokumentenmappen aufbewahrt. Aktenübersendungen an Verwaltungsgerichte würden künftig vermehrt als Ausdrucke der elektronischen Akte erfolgen. Bis zur endgültigen Implementierung der qualifizierten elektronischen Signatur könne das Bundesamt auf Anforderung die Dokumentenmappe den Verwaltungsgerichten überlassen. Diese Mitteilung hat keinen Bezug dazu, dass bestimmende Schriftsätze des Bundesamtes künftig ohne Unterschrift gültig sein sollen. Die Mitteilung betrifft vielmehr die Aktenführung beim Bundesamt in der Weise, dass die eigentliche Akte die elektronische Akte ist und dem Bundesamt vorgelegte oder sonst entstandene Dokumente eingescannt und in so genannten Dokumentenmappen aufbewahrt werden.

Im Schreiben vom 2.8.2002 wird weiter mitgeteilt, dass die Übermittlung von Akten und Schriftsätzen in elektronischer Form frühestens nach Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung gemäß § 86 a Abs. 2 VwGO (jetzt § 55 a Abs. 1 VwGO) erfolgen kann und dass in diesem Zusammenhang beabsichtigt sei, ein Pilotprojekt mit Verwaltungsgerichten durchzuführen. Hieraus ergibt sich, dass vor Erlass einer solchen Rechtsverordnung - eine solche wurde bislang nicht erlassen - eine Übermittlung von Akten und Schriftsätzen in elektronischer Form nicht erfolgt.

Das Schreiben des Bundesamtes vom 2.8.2002 stellt somit keinen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begleitenden Umstand dar, aus dem sich hinreichend sicher die Urheberschaft des postulationsfähigen Mitarbeiters und dessen Wille, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, ergibt. Einen solchen begleitenden Umstand stellt es auch nicht dar, dass, wie dem Senat bekannt ist, Schriftsätze des Bundesamtes üblicherweise ohne Unterschrift übermittelt werden. Denn hierbei handelte es sich bislang nicht um fristwahrende bestimmende Schriftsätze.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 80 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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