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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 10.12.2002
Aktenzeichen: A 2 B 771/02
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 51 Abs. 1
1. Der Abfall vom Islam (Apostasie) ist nicht nach kodifiziertem iranischem Strafrecht, jedoch nach islamischem Recht mit Strafe bedroht. Nach der im Iran geübten Rechtspraxis droht jedoch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen des in Deutschland erfolgten Übertritts zum christlichen Glauben die Gefahr, in asylrelevanter Weise nach religiösem Recht bestraft oder sonst verfolgt zu werden.

2. Das religiöse Existenzminimum eines in Deutschland vom moslemischen zum christlichen Glauben übergetretenen iranischen Staatsangehörigen ist im Falle der Rückkehr in den Iran auch dann gewahrt, wenn der Apostat dort seinen neuen christlichen Glauben ausüben und nicht verleugnen will.


SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Az.: A 2 B 771/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Abschiebungsschutz

hat der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Reich, den Richter am Oberverwaltungsgericht Munzinger und den Richter am Verwaltungsgericht Höhl aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beteiligten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 11. Oktober 2000 - A 7 K 30152/97 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Beteiligte begehrt mit seiner Berufung die Abweisung der Klage unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Der am 14.1.1954 in geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Nach seinen Angaben ist er unter Benutzung seines Reisepasses, der ein vom 18.3. bis 18.4.1996 gültiges Visum enthalten habe, am 27.3.1996 von Teheran nach Frankfurt/Main geflogen.

Am 30.9.1996 stellte der Kläger einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 7.10.1996 führte er aus, das Visum sei von der Stadt zunächst um zwei, dann um weitere drei Monate verlängert worden. Als das Visum abgelaufen sei, habe er seinen Pass aus Angst vor dem Tod zerrissen, damit er nicht abgeschoben werden könne. In die Bundesrepublik sei er einerseits zum Vergnügen und andererseits wegen der Zusammenarbeit mit den Monarchisten, für die er fünf Jahre lang gearbeitet habe, gekommen. Am 18. und 19.5.1996 habe er an der Europatagung der Organisation Iranischer Konstitutionalisten in Frankfurt am Main teilgenommen. Insoweit reichte er eine Teilnahmebescheinigung des Tagungspräsidenten ein. Bezüglich dieser Tagung sei ein Informationsblatt gefertigt worden. Seine Aufgabe sei es gewesen, dieses Blatt in den Iran zu bringen. Er sei deshalb am 24.6.1996 zurück in den Iran geflogen. Dort habe er das Informationsblatt seinem Verantwortlichen gegeben. Dieser habe es in Form von Flugblättern vervielfältigt. Diese hätten sie dann verteilt. Nach ungefähr zwei Monaten sei der Verantwortliche von den Pasdaran verhaftet worden. Dessen Ehefrau habe seine Ehefrau darüber informiert, dass das Haus durchsucht wurde und ihr Ehemann mit einigen anderen verhaftet worden seien. Die Flugblätter seien beschlagnahmt worden. Daraufhin habe er seinen Pass genommen und sich bei Verwandten in Teheran versteckt. Anschließend habe er sich ein Flugticket organisiert und sei ausgereist. Bei der Ausreise habe es keine Probleme gegeben. Er sei nach Deutschland geflohen, weil er hierfür ein Visum gehabt habe. Das Visum habe zur mehrmaligen Aus- und Einreise berechtigt. Der Verantwortliche im Iran sei am 3.9.1996 verhaftet worden. Dass er problemlos über den streng kontrollierten Flughafen habe ausreisen können, erkläre er sich damit, dass er ein Visum gehabt habe und er nach der Verhaftung des Verantwortlichen nur noch zehn Tage im Iran gewesen sei. In zehn Tagen könnten sie nichts machen. Der Kläger legte einen Mitgliedsausweis der Organisation NID vor, konnte jedoch nicht sagen, was die Abkürzung heißt. Er gab an, dass die Organisation auch im Iran tätig sei und er seinem Verantwortlichen im Iran Geld gebe.

Mit Bescheid vom 27.1.1997 lehnte die Beklagte den Asylantrag ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG nicht vorlägen. Zudem forderte sie den Kläger zur Ausreise binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheides, im Falle der Anfechtung desselben binnen eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens, auf und drohte ihm die Abschiebung in den Iran oder in einen anderen Staat, in den er ausreisen dürfe oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet sei, an, falls er die Einreisefrist nicht einhielte. Es bestehe kein Anspruch auf die Prüfung des Asylantrags nach Art. 16a Abs. 1 GG, da nicht feststehe, dass die Einreise des Klägers tatsächlich auf dem Luftwege erfolgt sei. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG lägen nicht vor, da der Kläger eine begründete Furcht vor politischer Verfolgung nicht habe glaubhaft machen können. Der Kläger habe nicht davon überzeugen können, nach seiner Einreise am 27.3.1996 zu einer Familienfeier wieder in den Iran zurückgekehrt zu sein. Den Pass, den er dafür benutzt haben wolle und der demzufolge die Rückreise und die erneute Einreise belegen wurde, habe er nicht vorgelegt. Wenn er angebe, er habe ihn aus Angst vor Abschiebung zerrissen, obwohl er andererseits erkläre, im Rückkehrfalle mit der Hinrichtung rechnen zu müssen, so sei dies unschlüssig. Entweder gebe er die Vernichtung seines Passes nur vor, um zu verschleiern, dass er nicht in den Iran zurückgekehrt sei, oder aber er befürchte die behauptete staatliche Verfolgung im Rückkehrfalle nicht, denn ein von Hinrichtung tatsächlich Bedrohter würde nicht einen Staat um Schutz ersuchen, von dem er erwarte, dass er ihn trotzdem abschiebt. Abgesehen davon folge das angebliche Geschehen nach Wiederankunft im Iran einem Schema, das von unglaubwürdigen Asylbewerbern häufig und in stereotyper Weise bemüht werde. Der Kläger habe zudem widersprüchliche Angaben zum Zeitpunkt der angeblichen Verhaftung gemacht. So habe er erklärt, die Verhaftung sei am 3.9.1996 erfolgt, nach persischem Kalender sei dieser Tag der 25. oder 26.5.1375 gewesen, tatsächlich entspreche der 25.5.1375 jedoch dem 15.8.1996. Unlogisch sei, dass der Kläger einerseits angebe, sich seit der Verhaftung seines Gesinnungsgefährten bis zur etwa zehn Tage später erfolgten Ausreise versteckt gehalten zu haben, andererseits auf die Frage nach dem hohen Risiko der Ausreise über den streng bewachten Flughafen Mehrabad mit Originalpass erkläre, dies sei nicht riskant gewesen, weil die Sicherheitsbehörden innerhalb von zehn Tagen nichts erreichen könnten. Nachfluchtgründe stünden dem Kläger nicht zur Seite.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 6.2.1997 Klage. Zur Begründung machte er zu den Vorfluchtgründen insbesondere geltend, es könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, dass er seinen Pass zerrissen habe. Es sei zu bedenken, dass er im Falle einer Rückkehr in den Iran seine Hinrichtung befürchte, mithin unter Todesangst aus dem Iran ausgereist sei. In solch einer Situation könne es zu Kurzschlussreaktionen wie der vorliegenden kommen. Zudem habe dem Kläger in seiner Angst und Verwirrung die Einsicht gefehlt, dass ein Rechtsstaat wie die Bundesrepublik Deutschland niemals von Folter und Hinrichtung bedrohte Personen in den Iran abschieben werde. Der Kläger sei auch in der Bundesrepublik als Mitglied der Organisation Wächter des ewigen Iran (NID) exilpolitisch aktiv. Er habe an Demonstrationen am 8.8.1998 in Bonn und am 31.10.1998 in Frankfurt/Main teilgenommen. Insoweit werden die Erlaubnisse zum vorübergehenden Verlassen des Bereichs der Aufenthaltsgestattung sowie die entsprechenden Anträge des NID vorgelegt. Der Kläger sei zudem am 6.7.1997 in der Evangelischen Gemeinde in getauft worden. Insoweit liegt eine Kopie der Taufbescheinigung der Evangelischen Gemeinde vor. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gab der Kläger an, regelmäßig an Demonstrationen und Aktivitäten der Organisation NID teilgenommen zu haben. Er habe anhand eines Beispieles, nämlich der Kundgebung am 7.4.1999 vor der iranischen Botschaft in Bonn, seine Aktivitäten dargestellt und durch Vorlage von Lichtbildern bewiesen. Es sei nicht notwendig gewesen, jede einzelne Demonstration darzustellen. Aus der vorgelegten verlängerten Mitgliedskarte der Organisation NID ergab sich eine Gültigkeitsdauer bis zum 28.3.2001. Weiter gab er an, jeden Sonntag am Gottesdienst teilzunehmen. Auch habe er die Bibel gelesen, was er bereits im Iran getan habe. Er stehe zu seinem christlichen Glauben. Inwieweit er diesen im Iran propagieren würde, hänge davon ab, wie das Regime hierzu stehe. Er würde jedenfalls im Untergrund seinen christlichen Glauben leben. In Deutschland betätige er sich als praktizierender Christ. Mit zunehmenden Deutschkenntnissen gewinne die Betätigung an Umfang. An den Gottesdiensten, die er besuche, nähmen auch einige andere Exiliraner teil. Soweit die Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter gerichtet war, wurde sie in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Mit Urteil vom 11.10.2000 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung der Ziff. 2 und der Abschiebungsandrohung des Bescheides des Bundesamtes, soweit dem Kläger die Abschiebung in den Iran angedroht worden ist, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. AuslG hinsichtlich des Iran festzustellen. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger, wie von ihm behauptet, den Iran politisch vorverfolgt verlassen habe. Jedenfalls sei gemäß § 51 Abs. 1 AuslG bezüglich des Iran ein relevanter Nachfluchtgrund gegeben. Dem Kläger drohe im Falle einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer politischen Verfolgung, da er nach der Überzeugung des Gerichts seinem ursprünglichen moslemischen Glauben abgeschworen habe und in der Bundesrepublik zum Christentum übergetreten sei. Ausweislich der Taufbescheinigung der Evangelischen Kirchengemeinde sei der Kläger am 6.7.1997 getauft worden. Er lebe seinen christlichen Glauben auch aktiv, indem er jeden Sonntag dem Gottesdienst beiwohne. Darüber hinaus bespreche er mit Gleichgesinnten Aspekte der christlichen Glaubenslehre. Das Gericht sei im Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch vom Wahrheitsgehalt der Angaben des Klägers überzeugt. Nach dem von ihm gewonnenen persönlichen Eindruck und der Art seiner Einlassung handele es sich bei ihm um einen aufrechten Christen, der sich zu seinem Glauben bekenne und auch weiterhin bekennen wolle. Der Kläger habe sich augenscheinlich bislang jedenfalls mit dem wesentlichen Inhalt und den Grundwerten des christlichen Glaubens auseinandergesetzt und diese verinnerlicht. Er habe im Übrigen auch ohne Anhaltspunkt für eine nicht wahrheitsgemäße Ausführung versichert, seinen neuen Glauben auch im Falle seiner Rückkehr in den Iran nicht aufgeben zu wollen. Nach der Auskunftslage seien zum Christentum konvertierte Moslems der Gefahr staatlicher Repressionen ausgesetzt.

Auf Antrag des Beteiligten hat der erkennende Senat durch Beschluss vom 18.9.2002 - A 2 B 705/00 - die Berufung zugelassen.

Zur Begründung der Berufung macht der Beteiligte geltend, die Beklagte habe Vorfluchtgründe nicht als glaubhaft angesehen. Auf die diesbezügliche Begründung werde Bezug genommen, nachdem auch das Verwaltungsgericht anderes nicht festzustellen vermocht habe. Der Einschätzung des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Verfolgungsgefahr von Konvertiten wie dem Kläger im Iran sei entgegenzusetzen, dass allein die Konversion im Iran keine asylerhebliche Maßnahme nach sich ziehe. In dem Hudud- und Quesas-Gesetz von 1982 sei der Abfall vom Islam nicht unter Strafe gestellt, jedoch unter dem Begriff "Verderben auf Erden" eine Strafandrohung enthalten gegenüber denjenigen, die den Sturz der islamischen Regierung betreiben; d.h. die Todesdrohung für den Abfall vom Glauben bestehe um der politischen Vorherrschaft der Moslems willen und habe nur Bedeutung, wenn durch den Abfall deren politischer Machtanspruch berührt werde. Dies sei allein bei der Konversion, sofern der Konvertierte nicht missioniere oder sonstige, auf die Verbreitung der christlichen Religion gerichtete Aktivitäten entfalte, nicht der Fall. Nach neuerer Erkenntnislage sei insbesondere von einer Verhängung der Todesstrafe nicht mehr auszugehen. Nach der weiterhin aktuellen und in den letzten Jahren im Aussagegehalt im Wesentlichen gleich gebliebenen Quellenlage sei eine zu besorgende Gefahr politischer Verfolgung wegen im Ausland vollzogener Konversion nicht feststellbar, auch wenn der Wechsel des Glaubens in der Form der Apostasie im Staats- und Gesellschaftssystem des Iran je nach den Umständen des Einzelfalles besonderer Beachtung unterliege und sich eine von staatlichen Organen mehr oder weniger stillschweigend geduldete Verfolgung durch private, halbstaatliche oder religiöse Institutionen im Iran nicht ausschließen lassen mag. Die Gefahr einer politischen Verfolgung im Falle der Rückkehr in den Iran bestehe auch nicht im Hinblick auf die monarchistisch orientierten Nachfluchtaktivitäten des Klägers.

Der Beteiligte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 11. Oktober 2000 - A 7 K 30152/97 - die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beteiligten zurückzuweisen.

Zur Begründung macht der Kläger über seinen bisherigen Vortrag hinaus geltend, das Verwaltungsgericht sei aus den im Urteil im Einzelnen dargelegten Gründen zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger im Falle der Rückkehr in den Iran wegen seiner in der Bundesrepublik erfolgten Konversion zum Christentum und der in der mündlichen Verhandlung näher geschilderten Religionsausübung die Gefahr politischer Verfolgung drohe. Der Auffassung, wonach es konvertierten Christen bei einer Rückkehr in den Iran zumutbar sei, die Religionsausübung auf den häuslich-privaten Bereich zu beschränken, entspreche nicht der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts zum religiösen Existenzminimum. Danach gehöre zum Kernbereich der Religionsausübung nicht nur der häuslich-private, sondern auch der nachbarschaftlich-kommunikative Bereich, d.h. das gemeinsame Gebet mit anderen Christen und der Besuch von Gottesdiensten. Es sei dem Kläger deshalb nicht zumutbar, den Übertritt zum christlichen Glauben im Iran zu verschweigen und seine Religionsausübung auf den häuslichprivaten Bereich zu beschränken. Zudem sei den in Wiesbaden lebenden Landsleuten des Klägers durchaus bekannt, dass er in Deutschland zum christlichen Glauben übergetreten sei. Es sei nicht auszuschließen, dass der Übertritt auf diese Weise auch der iranischen Auslandsvertretung bekannt werde. Zudem habe der Kläger seiner im Iran lebenden Ehefrau in verschiedenen Telefongesprächen über den Glaubensübertritt berichtet. In der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2002 hat der Kläger zudem ausgeführt, einen Videofilm und Lichtbilder von seiner Taufe an seine Ehefrau im Iran geschickt zu haben. Diese habe den Film und die Fotos allen Verwandten gezeigt. Da unter den Verwandten und Bekannten auch Personen sein mögen, die für das Regime eingestellt seien, sei es möglich, dass die iranischen Behörden von seinem Glaubensübertritt Kenntnis erhalten haben.

Die Beklagte stellt keinen Antrag und bezieht sich in der Sache auf ihre Leitsätze zu dem Herkunftsland Iran. Danach finde eine staatliche Verfolgung von Angehörigen der christlichen Religionsgemeinschaft im Iran im Allgemeinen nicht statt. Auch eine Konversion vom Islam zum christlichen Glauben allein führe nicht zu einer politischen Verfolgung, solange der im Iran Konvertierte nicht missionierend tätig werde. Risikogruppen seien christliche Gemeinschaften oder Sekten protestantischer oder freikirchlicher Orientierung. Besonders riskant sei die Situation für Geistliche oder sonstige kirchliche Funktionsträger. Bei Personen, die während des Asylverfahrens in Deutschland konvertieren, seien strengere Maßstäbe an den Nachweis anzulegen. Zunächst müsste die Taufe nachgewiesen werden, gegebenenfalls könne die Ernsthaftigkeit des Glaubenswechsels durch informatorische Anhörung von Zeugen geprüft werden. Eine konkrete Gefährdung, die zu einer politischen Verfolgung führe, sei nur dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, wenn ein Konvertierter eine missionarische Tätigkeit in herausgehobener Position entfalte, die über den verfassungsrechtlich geschützten Bereich des religiösen Existenzminimums hinausgehe und die nach außen - auch für das iranische Regime erkennbar - und nachhaltig mit Erfolg ausgeübt werde.

Auf eine entsprechende Anfrage des Senats hin hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Teheran mit Schreiben vom 24.10.2002 mitgeteilt, dass die Visumunterlagen des Klägers aus dem Jahre 1996 in der Zwischenzeit vernichtet worden seien. Anhand des im Computer erfassten Datensatzes könne mitgeteilt werden, dass dem Kläger am 19.3.1996 ein Visum mit der Seriennummer 05670491 erteilt wurde. Die Landeshauptstadt Ausländerbehörde - hat mit Schreiben vom 4.12.2002 mitgeteilt, dass das Besuchervisum des Klägers von ihr vom 17.4. bis 17.6.1996 und vom 19.6. bis 17.9.1996 verlängert wurde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Bundesamtes sowie auf die Gerichtsakten verwiesen. Diese Unterlagen sowie die den Beteiligten bekanntgegebenen Erkenntnismittel waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Nach § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO konnte der Senat auch ohne die in der mündlichen Verhandlung ausgebliebene Beklagte verhandeln und entscheiden, da auf diese Möglichkeit in der ordnungsgemäßen Terminsladung hingewiesen worden war.

Die Berufung des Beteiligten ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zu der Feststellung, dass in seinem Fall die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1, 53 AuslG vorliegen. Der insoweit noch im Streit befindliche Bescheid ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Gemäß § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sind mit denen für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG deckungsgleich, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung betrifft. Die Asylanerkennung verlangt darüber hinaus den Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht sowie das Fehlen anderweitigen Verfolgungsschutzes. Dagegen greift das Abschiebungsverbot des § 51 Abs. 1 AuslG auch dann ein, wenn beispielsweise politische Verfolgung wegen eines für die Asylanerkennung unbeachtlichen Nachfluchtgrundes droht (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.2.1992 - 9 C 59.91 -, NVwZ 1992, 892).

Eine politische Verfolgung liegt dann vor, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzt (BVerfG, Beschl. v. 10.7.1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315 [334 f.]).

Ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, beurteilt sich nach den gesamten Umständen des Einzelfalles. Ist der Schutzsuchende unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist, gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im Abschiebungsschutzverfahren des § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im Asylanerkennungsverfahren nach Art. 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.11.1992 - 9 C 21.92 -, NVwZ 1993, 486). Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden "zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts" die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßstab ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (BVerwG, Urt. v. 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, NVwZ 1992, 582). Ist ein bestimmtes Verhalten im Heimatland des Asylbewerbers mit Strafe bedroht, kommt es für die Beurteilung einer politischen Verfolgungsgefahr wegen befürchteter Bestrafung im Heimatstaat in erster Linie auf die konkrete Rechtspraxis des Verfolgerstaates und nicht auf die abstrakte Rechtslage an (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.12.1996 - 9 C 20.96 -, NVwZ-RR 1997, 740 und Beschl. v. 29.3.2000 - 9 B 128.00 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 233).

Ist der Betroffene bereits vorverfolgt ausgereist, so ist auch im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG der sogenannte herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzuwenden, wonach asylrechtlicher Schutz nur dann versagt werden kann, wenn bei Rückkehr in den Verfolgerstaat eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Die Rückkehr in den Heimatstaat ist in diesen Fällen nur dann zumutbar, wenn mehr als nur überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Ausländer im Heimatstaat vor Verfolgungsmaßnahmen sicher ist (BVerwG, Urt. v. 18.2.1997 - 9 C 9.96 -, NVwZ 1997, 1134).

Es obliegt dem Flüchtling, seine guten Gründe für eine ihm drohende politische Verfolgung schlüssig und mit genauen Einzelheiten vorzutragen. Hierzu gehört auch, dass der Flüchtling zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22 11.1983 - 9 B 1915.82 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 Nr. 152; Beschl. v. 26.10.1989 - 9 B 405.89 -, InAuslR 1990, 38). Enthält das Vorbringen erhebliche, nicht überzeugend aufgelöste Widersprüche oder Steigerungen, so fehlt es in der Regel an der Glaubhaftmachung (vgl. BVerwG, Urt. v. 8.2.1989 - 9 C 29.87 -, Buchholz 310 § 108 Nr. 214).

Nach diesen Maßstäben droht dem Kläger bei Rückkehr in den Iran nicht die Gefahr politischer Verfolgung.

1. Dass der Kläger vor seiner Ausreise aus dem Iran von individueller politischer Verfolgung bedroht war, hat er nicht glaubhaft gemacht.

Aufgrund der vom Senat eingeholten Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 24.10.2002 und der Landeshauptstadt - Ausländerbehörde - vom 4.12.2002 geht der Senat davon aus, dass der Kläger wie von ihm angegeben mit gültigem Visum am 27.3.1996 in die Bundesrepublik eingereist ist und das Besuchervisum des Klägers vom 17.4. bis 17.6.1996 und vom 19.6. bis 17.9.1996 verlängert wurde.

Nicht zu glauben vermag der Senat jedoch den Angaben des Klägers, im Juni 1996 wieder in den Iran zurückgekehrt und dort wegen politischer Aktivitäten gefährdet zu sein. Gegen die Glaubwürdigkeit spricht zunächst die behauptete problemlose Ausreise des Klägers über den Flughafen Mehrabad unter Benutzung seines eigenen Reisepasses, obwohl er wegen des Verteilens und Vervielfältigens monarchistischer Flugblätter von den iranischen Behörden gesucht worden sein will. Denn nach der Auskunftslage (vgl. etwa Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5.9.1995) ist es fast ausgeschlossen, dass jemand, der von den iranischen Sicherheitsbehörden gesucht wird, mit eigenen Papieren über den Flughafen Mehrabad ausreisen kann. Zutreffend weist die Beklagte hierzu in dem angefochtenen Bescheid auf den Widerspruch hin, dass der Kläger sich einerseits bis zur Ausreise etwa zehn Tage lang versteckt gehalten haben, andererseits aber mit seinem Reisepass über den streng bewachten Flughafen Mehrabad ausgereist sein will. Die Einlassung des Klägers, die Sicherheitsbehörden könnten innerhalb von zehn Tagen nichts erreichen, steht im Widerspruch zu seinem geschilderten eigenen Verhalten und ist mit der Auskunftslage nicht zu vereinbaren.

Gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers spricht weiter, dass er sein Visum vom 19.6.1996 an für weitere drei Monate verlängern ließ, obwohl er - seinem Vortrag gemäß - beabsichtigte, bereits am 24.6.1996 in den Iran zurückzukehren. Eine Rückkehr nach Deutschland innerhalb der Geltungsdauer des verlängerten Visums war nach den Angaben des Klägers nicht geplant, sondern erfolgte allein wegen der Verhaftung des Verantwortlichen und der Beschlagnahme der Flugblätter.

Gegen die Richtigkeit der Darstellung des Klägers, bereits vor seiner Ausreise fünf Jahre lang im Iran mit den Monarchisten zusammengearbeitet zu haben, am 24.6.1996 in den Iran zurückgekehrt zu sein, um ein Informationsblatt über die Europatagung der Organisation Iranischer Konstitutionalisten in den Iran zu bringen, und dieses dort vervielfältigt und verteilt zu haben, spricht ferner, dass die Kenntnisse des Klägers über die Organisation NID bei der Anhörung vor dem Bundesamt äußerst gering waren, so dass nicht davon auszugehen ist, dass der Kläger die mit sehr hohem Risiko verbundenen Aktivitäten tatsächlich entfaltet hat.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Reisepass, mit dem er seine zwischenzeitliche Rückkehr in den Iran hätte beweisen können, zerrissen haben will und hinsichtlich seines Auftrages, ein Informationsblatt über die Europatagung der Organisation Iranischer Konstitutionalisten in den Iran zu bringen, keinen Beweis angeboten hat, etwa durch zeugenschaftliche Vernehmung eines Verantwortlichen des NID.

2. Auch die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers vermögen einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht zu begründen. Denn dem Kläger droht bei Rückkehr in den Iran aufgrund seiner exilpolitischen Tätigkeiten nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung.

Nach der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteile vom 22.9.2000 - A4 B 4313/98 -, - A4 B 4316/98 -, A4 B 4319/98 - und - A4 B 4320/98 -, vom 5.6.2002 -A 2 B 117/01 - und - A 2 B 92/01 - und vom 12.6.2002 - A 2 B 151/01 - und - A 2 B 80/01 -) ist die Annahme einer Verfolgungsgefahr wegen exilpolitischer Aktivitäten nur dann gerechtfertigt, wenn davon ausgegangen werden muss, dass den Staatssicherheitsbehörden Irans die exilpolitischen Tätigkeiten des Betroffenen bekannt geworden sind und anzunehmen ist, dass die iranischen Behörden diese als erhebliche, den Bestand des Staates gefährdende oppositionelle Aktivitäten bewerten. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Auskunftslage reicht eine einfache Mitgliedschaft in einer exilpolitischen Organisation verbunden mit den hierfür typischen Aktivitäten wie der wiederholten einfachen Demonstrationsteilnahme, der Betreuung von Büchertischen oder dem Verteilen von Flugblättern grundsätzlich nicht aus. Der Betroffene muss aufgrund seiner Aktivitäten aus der Vielzahl der exilpolitisch aktiven Iraner hervortreten. Seine Aktivitäten müssen in quantitativer und qualitativer Weise einen persönlichen Einsatz erkennen lassen, der auf eine ernsthafte Regimegegnerschaft schließen lässt. Wann dies im Einzelnen der Fall ist, hängt von den konkret-individuellen Umständen des jeweiligen Sachverhalts ab.

Der Kläger ist einfaches Mitglied der Organisation Wächter des ewigen Iran (NID). Seine von ihm konkret geltend gemachten exilpolitischen Aktivitäten beschränken sich auf die einfache Teilnahme an exilpolitischen Demonstrationen und Veranstaltungen. Mit diesen Aktivitäten tritt der Kläger nicht aus der Vielzahl der exilpolitisch aktiven Iraner hervor. Hinsichtlich der Mitgliedschaft in der Organisation NID ist zu berücksichtigen, dass die monarchistische Opposition angesichts ihrer derzeitigen Schwäche seitens des iranischen Staates nicht in gleichem Maße wie etwa die Volksmudjaheddin als Bedrohung empfunden wird. Die Mitgliedschaft in monarchistischen Organisationen führt deshalb nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes zu keiner besonderen Gefährdung im Iran (Auskunft an das Niedersächsische OVG vom 12.12.2001). Auch amnesty international verfügt über keine Belegfalle von Personen, die wegen der Unterstützung monarchistischer Organisationen politischen Verfolgungsmaßnahmen im Iran ausgesetzt waren (Auskunft an das VG Berlin vom 24.1.2001). Das Deutsche Orient-Institut führt aus, die Monarchisten Irans hätten dort keinen Rückhalt mehr, der es ihnen ermöglichen könnte, in einer ausgreifenderen organisatorisch-institutionellen deutlichen Weise aufzutreten und zu wirken. Das finde alles im Ausland statt. Da der gewaltsame Umsturz nicht auf ihren Fahnen stehe und sie nicht durch gewaltsame Aktionen im Iran bekannt geworden seien und auch nicht bekannt werden wollten, und da sie in der iranischen Bevölkerung keinen Rückhalt hätten, dürften sie seitens des iranischen Regimes als nicht gerade gefährlich eingeschätzt werden (Auskunft an das VG Berlin vom 30.4.2001). Es ist deshalb nicht anzunehmen, dass die iranischen Behörden die Aktivitäten des Klägers als erhebliche, den Bestand des Staates gefährdende oppositionelle Aktivitäten bewerten.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers und des Verwaltungsgerichts droht dem Kläger bei Rückkehr in den Iran auch nicht wegen seines in Deutschland erfolgten Übertritts zum christlichen Glauben und seinen in Deutschland praktizierten christlichen Aktivitäten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung.

a) Nach der Auskunftslage im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) stellt sich die Strafbarkeit des in Deutschland erfolgten Übertritts vom Islam zum Christentum sowie des regelmäßigen Besuchs des Sonntagsgottesdienstes und von Gesprächen mit Gleichgesinnten über die christliche Glaubenslehre im Exil - missionarisch ist der Kläger nicht tätig geworden - nach Rechtslage und Rechtspraxis im Falle einer Rückkehr in den Iran wie folgt dar:

aa) Der Abfall vom Islam (Apostasie) ist nicht nach kodifiziertem iranischem Strafrecht, jedoch nach islamischem Recht mit Strafe bedroht.

Das Auswärtige Amt (Auskunft an das VG Regensburg vom 13.7.1999) führt aus, die Apostasie sei nach islamischem Recht, nicht aber nach kodifiziertem iranischem Strafrecht mit der Todesstrafe bedroht (so auch Lagebericht vom 15.7.2002 S. 22). Es gebe also keinen entsprechenden Straftatbestand, der von den iranischen Strafgerichten verfolgt wird. In der Praxis sei ein Rechtsgutachten eines hochrangigen Mullahs mit einem Doktortitel erforderlich, um einen vom Islam "Abgefallenen" mit dem Tode zu bedrohen. Ein solches "Rechtsgutachten" sei dann die Grundlage für die Gefolgsleute dieses Mullahs, um den Betroffenen töten zu dürfen. Allerdings seien derartige Vorfälle in den letzten Jahren nur sehr selten vorgekommen. In der Regel würden andere Repressalien eingesetzt. Die Gerichte würden mit solchen Angelegenheiten nicht befasst; es werde jedoch auch von den staatlichen Stellen nichts unternommen, um solche Ermordungen zu verhindern oder zu bestrafen.

Nach Auffassung des Deutschen Orient-Instituts (vgl. Auskünfte an das VG Aachen vom 26.2.1999 und an das VG Gelsenkirchen vom 19.8.2000) ist der Übertritt eines iranischen Moslem zu einer christlichen Gemeinde auch nach den im Jahre 1996 in Kraft getretenen Vorschriften des 5. Buches des iranischen Strafgesetzbuches nicht strafbar. Es gebe jedoch eine religiös-gesetzliche Strafbarkeit für die Apostasie, weil hier Vorstellungen von Landesverrat und Umsturz, die aus sehr früher islamischer Zeit stammen, mitschwingen, doch habe diese religiös-gesetzliche Strafbarkeit keine positiv-rechtliche Kodifikation in Iran bekommen. Der Übertritt zum christlichen Glauben stelle einen krassen Tabubruch dar. Der Abfall vom Glauben verbinde sich im islamischen Kulturkreis nicht mit einer persönlich-seelischen Gewissensentscheidung, sondern mit dem politischen Hochverrat an der staatlichen Gemeinschaft der Gläubigen. Nur diese politische Implikation mache den Abfall nach islamischer Vorstellung zum todeswürdigen Verbrechen. Es könne deshalb nach islamischer Vorstellung von einem Abfall vom Islam erst und nur dann gesprochen werden, wenn dieser sich als Hoch- oder Landesverrat oder sonst als Infragestellung des politischen Machtanspruchs der Muslime darstellt.

Nach der Einschätzung von amnesty international (vgl. Auskunft an das VG Gelsenkirchen vom 19.6.2000) wird die Konversion vom Islam zum Christentum im Iran als Apostasie angesehen und mit schwerster Bestrafung sanktioniert, wobei Konvertiten, die eine missionarische Tätigkeiten entfalten, in besonderem Maße gefährdet seien, wegen Apostasie zu einer hohen Freiheitsstrafe oder sogar zum Tode verurteilt zu werden. Nach islamischem Verständnis stelle Apostasie einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem dar, der in der Regel mit der Todesstrafe bedroht sei. Obwohl "Abtrünnigkeit" vom islamischen Glauben nicht als kriminelles Delikt im iranischen Strafgesetzbuch aufgeführt sei, könnten Personen, die vom Islam abfallen, vor Gericht gestellt, verurteilt und hingerichtet werden. Dies gehe u.a. auf Aussagen und Verordnungen von Ayatolla Khomeini zurück. Das Rechtssystem im Iran betrachte religiöse Verordnungen, insbesondere solche von namhaften islamischen Rechtsgelehrten, als gleichbedeutende Rechtsquelle zu Gesetzen, die vom Parlament verabschiedet würden.

Nach Tellenbach (ZAR 1998, 38 [40]) stellt die Apostasie im islamischen Verständnis einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem dar, der mit der Todesstrafe bedroht, jedoch weder im früheren noch im jetzigen Strafgesetzbuch ausdrücklich normiert ist.

Gemäß dem CIREA-Bericht der Delegation der Niederlande vom 20.7.1998 (S. 35) ist nach Maßgabe der Scharia die Abtrünnigkeit vom Islam mit dem Tod zu bestrafen.

bb) Nach der im Iran geübten Rechtspraxis droht jedoch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen des in Deutschland erfolgten Übertritts zum christlichen Glauben die Gefahr, in asylrelevanter Weise nach religiösem Recht bestraft oder sonst verfolgt zu werden. Denn in den letzten Jahren sind Fälle einer asylerheblichen Bestrafung allein wegen des Übertritts zum christlichen Glauben nicht bekannt geworden.

Das Auswärtige Amt führt im Lagebericht vom 15.7.2002 (S. 17 und 22) aus, Todesurteile ausschließlich aufgrund des Vorwurfs der Apostasie seien in den letzten Jahren nicht bekannt geworden, in Einzelfällen würden andere Straftatbestände unterstellt oder konstruiert. Christliche Kirchengemeinden im Iran, die ihre Arbeit ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Religion beschränkten, würden vom Staat nicht systematisch behindert oder verfolgt. Demgegenüber könnten Mitglieder der religiösen Minderheiten, denen zum Christentum konvertierte Moslems angehören, und die selbst Missionierungsarbeit betreiben, der Gefahr staatlicher Repressionen ausgesetzt sein. Mögliche Gefahr bestehe für alle missionierenden Christen, gleichgültig ob es sich um geborene oder konvertierte handele. Staatliche Maßnahmen richteten sich bisher ganz überwiegend gezielt gegen die Kirchenführer und in der Öffentlichkeit besonders Aktive, nicht aber gegen einfache Gemeindemitglieder (so auch Auskunft an das VG Aachen vom 25.1.1999). Gemäß dieser Auskunft löst die bloße Zugehörigkeit zu einer missionierenden Gemeinde normalerweise keine Verfolgung aus. Eine Gefährdung eines iranischen Asylbewerbers, der erst in Deutschland Mitglied einer Pfingstgemeinde wurde und bisher im Iran nicht als Christ aufgefallen ist, konnte das Auswärtige Amt nicht mit Sicherheit ausschließen. Voraussetzung für eine Gefährdung sei jedoch, dass die Konvertierung zum Christentum iranischen Stellen bekannt sei und diese auch ein Interesse an dem Betreffenden haben. Eine Prognose der Reaktion sei nicht möglich. Es seien Fälle bekannt, bei denen konvertierte Moslems problemlos im Iran leben konnten, in anderen Fällen wiederum seien die Konvertierten hart bestraft worden. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Betreffenden erst in Deutschland Mitglied einer christlichen Gemeinde geworden sind.

In der Auskunft an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht vom 5.3.2001 führt das Auswärtige Amt aus, die Zugehörigkeit eines Iraners zur Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) führe unabhängig von deren Schwerpunkt und Ursprung in den USA zu keiner besonderen Gefährdung bei einer Rückkehr in den Iran, sofern die betreffende Person dort keine Missionstätigkeit ausübe.

Das Auswärtige Amt hat sich in der Auskunft an das VG Mainz vom 4.5.2001 zu der Frage, ob sich ein iranischer Asylbewerber wegen seines in Deutschland erfolgten Übertritts zum Christentum und seinen dort entfalteten kirchlichen Aktivitäten (regelmäßige Teilnahme an Gottesdiensten und Bibelstunden; Missionierung dergestalt, dass er bei Begegnungen mit Iranern Kontakt zu diesen suche, seine Hilfe anbiete und auch zu einem Besuch in die Kirche einlade) - ihr Bekanntwerden bei den iranischen Behörden unterstellt - nach seiner Rückkehr in den Iran mit staatlichen Verfolgungsmaßnahmen rechnen muss, dahingehend geäußert, dass ihm die Abgabe einer diesbezüglichen Prognose nicht möglich sei. Dem Auswärtigen Amt seien vergleichbare Fälle bekannt geworden, bei denen es zu einer erheblichen Bestrafung des Betroffenen, bis hin zur Verhängung der Todesstrafe gekommen ist.

In der Auskunft an das VG Regensburg vom 7.5.2001 führt das Auswärtige Amt ohne Begründung aus, es gehe zunächst davon aus, dass die in Deutschland erfolgte Konversion den iranischen Behörden nicht bekannt wird. Bei tatsächlichem Bekanntwerden drohe jedoch eine harte Strafe, bis hin zur Verhängung der Todesstrafe.

Das Deutsche Orient-Institut neigt in der Auskunft an das VG Aachen vom 26.2.1999 dazu, die Frage, ob im Falle der Zugehörigkeit zu einer missionierenden christlichen Gemeinde, etwa einer Pfingstgemeinde, schon die bloße Zugehörigkeit die Gefahr auslösen kann, mit Repressalien belangt zu werden, zu bejahen. Diese Gemeinden würden nicht eigentlich als Religionsgruppen, sondern als - selbstverständlich verbotene - politische Gruppen angesehen. Die konkrete Durchführung missionarischer Aktivitäten würde die Wahrscheinlichkeit der Realisierung einer Gefahr wesentlich, möglicherweise entscheidend, erhöhen, doch könne die Zugehörigkeit für Repressalien reichen, jedenfalls soweit es sich um gesellschaftlich-soziale Benachteiligungen oder um Überwachung oder unkontrolliertes Handeln irgendwelcher von staatlichen Stellen protegierten "Fundamentalisten-Trupps" handele.

In der Auskunft an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vom 19.8.2000 kommt das Deutsche Orient-Institut zu dem Ergebnis, dass einem iranischen Staatsangehörigen wegen des Übertritts zum katholischen Glauben keine unmittelbare Verfolgung drohe. Bekanntwerden der Konversion vorausgesetzt könnte der Konvertit allerdings in familiärer, gesellschaftlicher und sozialer Hinsicht einer Verächtlichmachung oder gar handgreiflicher Feindseligkeit ausgesetzt sein. Habe er Pech und gerate an fanatische Muslime und bereut nicht, könnten deshalb auch Gefahren für Leib und Leben drohen.

In der Auskunft an das VG Mainz vom 28.6.2001 führt das Deutsche Orient-Institut schließlich hinsichtlich eines iranischen Staatsangehörigen, der in Deutschland zum Christentum - Baptisten - übergetreten ist aus, die Nagelprobe für eine etwaige Verfolgungsgefahr wäre sein konkretes Verhalten bei unterstellter Rückkehr nach Iran. Wenn er sich dann am kirchlichen Gemeindeleben entsprechender christlicher Gemeinden beteilige und nach außen hin zu erkennen gebe, dass der Übertritt zum Baptistentum nicht allein seinen europäischen Zwecken geschuldet war, sondern aus einer gewandelten religiösen Überzeugung folge, die nicht mit dem Grenzübertritt auch zugleich "vergessen" werde, könne ihm in der Tat schweres Ungemach drohen. Zunächst einmal würde er die ganze Breite gesellschaftlich-sozialer Repressionen zu spüren bekommen, die auch für Christen in Iran gelte. Die iranischen Christen würden zwar nicht direkt verfolgt, unterlägen aber im praktischen Leben einer Reihe von Einschränkungen. Würde die Konversion im engeren familiär-gesellschaftlichen Umfeld bekannt, hätte er auch dort mit massiven Repressionen zu rechnen. Jemand, der in einer nach muslimischen Vorstellungen so klaren Weise gegen den ordre public verstoße, stelle sich außerhalb der staatlichen Gemeinschaft Irans und habe ein Leben zu führen, das äußerst schwierig wäre, wenn er nicht, darüber hinaus, Verfolgung wegen seiner Mitwirkung in christlichen Gemeinden, die eben nicht als religiöse Gemeinden angesehen würden, erleiden müsse. Welche Maßnahmen die Behörden im Einzelnen ergreifen, sei unklar und im Voraus nicht mit der nötigen Sicherheit einzuschätzen.

Nach der Auskunft von amnesty international an das VG Aachen vom 2.2.1999 müssten Konvertiten, um das Risiko einer Bestrafung wegen Apostasie zu verhindern, auch wenn sie in Deutschland den Glaubensübertritt vollzogen haben, ihren angenommenen Glauben verleugnen. Es sei zudem keinesfalls auszuschließen, dass der Glaubenswechsel den iranischen Behörden auch im Falle des Leugnens anderweitig bekannt werde, womit staatliche Strafmaßnahmen drohen könnten. Der Ort des Glaubensübertritts spiele keine Rolle. In der Auskunft an das VG Gelsenkirchen vom 19.6.2000 führt amnesty international aus, Personen, die vom Islam zu einem anderen Glauben übergetreten seien, würden im Iran durch die staatlichen Organe genauestens überwacht. Amnesty international seien in den vergangenen Jahren zwar keine neuen Fälle von Verfolgungsmaßnahmen der iranischen Behörden gegen Personen, die im Iran vom islamischen zum christlichen Glauben konvertiert seien, bekannt geworden. Dies dürfte vor allem auch daran liegen, dass Glaubensübertritte im Iran nur selten stattfinden, häufig geheimgehalten würden und die Menschen sich nach außen hin weiter als Moslems ausgeben.

Gemäß dem CIREA-Bericht der Delegation der Niederlande vom 20.7.1998 (S. 35) liegen aus jüngster Vergangenheit keinerlei Erkenntnisse im Hinblick auf Fälle vor, in denen gegen Personen, die zum Christentum übergetreten sind, die Todesstrafe verhängt worden ist. Von Unterdrückungsmaßnahmen, die sich gegen Christen richten, seien in der Hauptsache führende Mitglieder der anglikanischen Kirche und der Gemeinschaften Gottes betroffen In bestimmten Fällen könnten gegen Moslems, die zum Christentum übertreten, Maßnahmen ergriffen werden, die ihr Leben erheblich beeinträchtigen. So sei gegen mehrere Konvertiten ein Verbot von Auslandsreisen verhängt worden. Gelegentlich würden Personen, die ihre Konfession gewechselt haben, von den Sicherheitskräften vorgeladen und angewiesen, ihre Kirchenbesuche einzustellen. In einigen wenigen Fällen sei ihnen eine strafrechtliche Verfolgung angedroht worden. Den befragten Religionsgemeinschaften sei jedoch im Hinblick auf irgendwelche tatsächliche strafrechtliche Verfolgungen nichts bekannt geworden. Moslems, die zum Christentum übergetreten seien und ihre religiösen Überzeugungen in der Öffentlichkeit bekunden, müssten damit rechnen, dass gegen sie ernsthafte Unterdrückungsmaßnahmen ergriffen werden.

Zusammenfassend lässt sich den genannten Auskünften entnehmen, dass ein staatliches asylrelevantes Vorgehen gegen Apostaten nach der Rechtspraxis des Iran zwar nicht ausgeschlossen erscheint. Es fehlt aber an ausreichend konkreten Angaben, die die Annahme erlauben, dass bereits der in Deutschland erfolgte Übertritt zum christlichen Glauben und die üblichen religiösen Betätigungen wie vor allem der regelmäßige Besuch von Gottesdiensten ohne das Hinzutreten weiterer Umstände mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu staatlicher Verfolgung führt. Entsprechende Referenzfälle werden in den zur Verfügung stehenden und in der der Terminsladung beigefügten Erkenntnismittelliste im einzelnen bezeichneten Auskünften nicht benannt. Nach den o.g. Auskünften haben sich staatliche oder staatlich geduldete Repressionen bisher ganz überwiegend gegen Kirchenführer und in der Öffentlichkeit besonders Aktive, nicht aber gegen einfache Gemeindemitglieder gerichtet. Für die Zeit nach 1996 liegen überhaupt keine konkreten Angaben über Verfolgungsmaßnahmen, selbst gegenüber Priestern oder sonstigen besonders exponierten Vertretern christlicher Gemeinden vor.

Dem steht die Einschätzung von amnesty international, dass das Fehlen bekannt gewordener neuer Fälle von Verfolgungsmaßnahmen gegen Apostaten vor allem auch daran liegen dürfte, dass Glaubensübertritte im Iran nur selten stattfinden, häufig geheimgehalten würden und die Menschen sich nach außen hin weiter als Moslems ausgeben, nicht entgegen. Denn amnesty international berichtet auch davon, dass Personen, die vom Islam zu einem anderen Glauben übergetreten sind, im Iran durch die staatlichen Organe genauestens überwacht werden. Der Umstand, dass trotz dieser Überwachung seit 1996 kein einziger konkreter Fall einer asylerheblichen staatlichen Verfolgungsmaßnahme bekannt geworden ist, vermag deshalb mit der Geheimhaltung nur eingeschränkt begründet werden. Für die Annahme einer Verfolgungsgefahr nach dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit reicht die Verheimlichung offensichtlich nicht aus.

Soweit das Deutsche Orient-Institut allein wegen des Übertritts zum christlichen Glauben im Falle fehlender Verheimlichung der neuen Religionszugehörigkeit im Iran Repressalien zumindest nicht auszuschließen vermag, handelt es sich bei diesen Repressalien nicht um asylerhebliche Maßnahmen. Das Deutsche Orient-Institut führt in der Auskunft an das VG Mainz vom 28.6.2001 aus, dass die Konvertiten zunächst die ganze Breite gesellschaftlich-sozialer Repressionen zu spüren bekommen, die auch für Christen im Iran gilt. Diesen Repressionen fehlt es jedoch nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 12.6.2002 - A 2 B 80/01 -) an der für eine politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG und des § 51 Abs. 1 AuslG erforderlichen Intensität der Rechtsverletzung. Soweit das Deutsche Orient-Institut von massiven Repressionen im engeren familiär-gesellschaftlichen Umfeld ausgeht, fehlt es an einer staatlichen Maßnahme. Dass einem Konvertiten auch Gefahren für Leib und Leben drohen können, wenn er Pech hat und an fanatische Muslime gerät (Auskunft an das VG Gelsenkirchen vom 19.8.2000), reicht für die Annahme einer Verfolgungsgefahr nach dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ersichtlich nicht aus, zumal auch Referenzfälle nicht geschildert werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Auswärtige Amt in den Auskünften an das VG Mainz vom 4.5.2001 und an das VG Regensburg vom 7.5.2001 auf die Frage, ob die Kläger wegen ihres in der Bundesrepublik erfolgten Übertritts zum Christentum nach ihrer Rückkehr in den Iran mit staatlichen Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen, ausgeführt hat, dem Auswärtigen Amt seien vergleichbare Fälle bekannt geworden, bei denen es zu einer erheblichen Bestrafung bis hin zur Verhängung der Todesstrafe gekommen sei. Diese sehr kurzen und nicht mit einer Begründung versehenen Auskünfte hat das Auswärtige Amt jedoch in der Auskunft an das VG Ansbach vom 14.9.2001, der ein Hinweis des Verwaltungsgerichts auf den Widerspruch zwischen den früheren Auskünften und dem Lagebericht v. 18.4.2001 einerseits und der Auskunft an das VG Regensburg vom 7.5.2001 andererseits zugrunde liegt, relativiert. Das Auswärtige Amt führt dort aus, eine Gefährdung des Betreffenden könne auch bei alleinigem Bekanntwerden des Glaubensübertritts nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Eine konkrete Gefährdung sei aber nur dann wahrscheinlich, wenn der Konvertierte iranischen Stellen bekannt ist und diese auch ein Interesse an einer Bestrafung des Betreffenden haben. Eine genaue Prognose der Reaktion iranischer Stellen sei dem Auswärtigen Amt nicht möglich. Es seien nach wie vor Fälle bekannt, bei denen zum Christentum konvertierte ehemalige Moslems im Iran problemlos leben konnten. In anderen Fällen wiederum wurden die Konvertierten hart bestraft. Die Vollstreckung eines Todesurteils allein aufgrund des Vorwurfs der Konvertierung sei dem Auswärtigen Amt allerdings nicht bekannt geworden. Im Hinblick darauf, dass nach dieser Auskunft über die Konversion hinaus ein - zusätzliches - Interesse der iranischen Stellen für eine "harte" Bestrafung erforderlich ist, das Auswärtige Amt konkrete Fälle asylerheblicher Bestrafung allein wegen des Übertritts zum christlichen Glauben nicht benennt und in anderen Auskünften sowie den Lageberichten von asylerheblichen Bestrafungen nicht die Rede ist, soweit die Konvertierten im Iran nicht missionarisch tätig werden, ist den Auskünften vom 4. und 7.5.2001 keine entscheidende Bedeutung zuzumessen.

Der Senat sieht sich in seiner Auffassung bestätigt durch eine Reihe neuerer obergerichtlicher Entscheidungen, in denen ebenfalls keine beachtliche Verfolgungsgefahr für Apostaten im Iran angenommen wird (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 22.2.2002 - 1 Bf 486/98.A -; OVG Münster, Beschl. v. 5.9.2001 - 6 A 3293/01. A -, NVwZ-Beil. 11/2002; BayVGH, Beschl. v. 31.5.2001 -19 B 99.31964 -; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 27.3.2001 - 5 L 463/00 - und Urt. v. 26.10.1999 - 5 L 3180/99 - sowie OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 29.3.2000 - 2 L 238/98 -).

b) Unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Auskunftslage droht dem Kläger bei Rückkehr in den Iran wegen seines in Deutschland erfolgten Übertritts zum christlichen Glauben und seinen in Deutschland praktizierten christlichen Aktivitäten wie dem regelmäßigen Besuch des Sonntagsgottesdienstes und Gesprächen mit Gleichgesinnten über Aspekte der christlichen Glaubenslehre auch dann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung, wenn der Übertritt und seine christlichen Aktivitäten den iranischen Behörden aufgrund der Weitergabe des über die Taufe gefertigten Videofilmes und der Lichtbilder durch die Ehefrau des Klägers und/oder Informanten, die an den Gottesdiensten teilgenommen haben, bekannt sein sollte.

4. Der Kläger kann sich zur Begründung des von ihm geltend gemachten Anspruchs auch nicht darauf berufen, dass im Iran für Apostaten das religiöse Existenzminimum nicht gewährleistet sei.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 1.7.1987 - 2 BvR 478, 962/86 -, BVerfGE 76, 143 [158 ff.]; vgl. auch Beschl. der 1. Kammer des 2. Senats v. 19.12.1994 - 2 BvR 1426/91 -, DVBl. 1995, 559 und v. 21.12.1992 - 2 BvR 1263, 1265/92 -) ist religiöse oder religiös motivierte politische Verfolgung etwa dann gegeben, wenn vom Heimatstaat des Verfolgten ergriffene oder ihm zuzurechnende Maßnahmen darauf gerichtet sind, die Angehörigen einer religiösen Gruppe sei es physisch zu vernichten oder mit vergleichbar schweren Sanktionen zu bedrohen, sei es ihrer religiösen Identität zu berauben, indem ihnen zum Beispiel unter Androhung von Strafen an Leib, Leben oder persönlicher Freiheit eine Verleugnung oder gar Preisgabe tragender Inhalte ihrer Glaubensüberzeugung zugemutet wird oder sie daran gehindert werden, ihren eigenen Glauben, so wie sie ihn verstehen, im privaten Bereich und unter sich zu bekennen. Die Religionsausübung im häuslich-privaten Bereich, wie etwa der häusliche Gottesdienst, aber auch die Möglichkeit zum Reden über den eigenen Glauben und zum religiösen Bekenntnis im nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich, ferner das Gebet und der Gottesdienst abseits der Öffentlichkeit in persönlicher Gemeinschaft mit anderen Gläubigen dort, wo man sich nach Treu und Glauben unter sich wissen darf, gehören unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde wie nach internationalem Standart zu dem elementaren Bereich, den der Mensch als "religiöses Existenzminimum" zu seinem Leben- und Bestehenkönnen als sittliche Person benötigt. Bei archaischen und von mündlicher Überlieferung geprägten Religionsformen sind die besonderen Voraussetzungen der Religionsausübung zu berücksichtigen, die nach der allgemein geübten religiösen Praxis für das religiöse Leben schlechthin unverzichtbar sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.11.1989 - 2 BvR 403, 1501/84 -, BVerfGE 81, 58 [66]). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das überlieferte Brauchtum einer Religion zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.8.1995 - 9 C 1.95 -, NVwZ-RR 1996, 293).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das religiöse Existenzminimum des Klägers im Falle einer Rückkehr in den Iran auch dann gewahrt, wenn der Kläger dort seinen neuen christlichen Glauben ausüben und nicht verleugnen will.

Wie oben unter Ziff. 4. bereits ausgeführt, hat der Kläger wegen seines Übertritts zum christlichen Glauben auch im Falle des Bekanntwerdens des Übertritts nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylerheblicher Bestrafung oder sonstiger Maßnahmen zu rechnen. Er muss deshalb seine neue Religionszugehörigkeit nicht geheimhalten, um staatlichen Repressalien zu entgehen. Allerdings wäre es dem Kläger im Falle seiner Rückkehr in den Iran nicht oder allenfalls nur insgeheim möglich, einen Gottesdienst zu besuchen, sich aktiv an der Gemeindearbeit zu beteiligen oder seinen Glauben gar in der Öffentlichkeit zu propagieren (hierzu unten aa). Dies führt aber nicht dazu, dass das religiöse Existenzminimum nicht gewahrt wäre (hierzu unten bb).

aa) Nach der Auskunftslage stellt sich die Möglichkeit der zum Christentum übergetretenen früheren Moslems zum Besuch eines christlichen Gottesdienstes im Iran wie folgt dar:

Nach der Auskunft des Deutschen Orient-Instituts an RA Kochmann vom 21.1.2002 verlangen die iranischen Staatsorgane von den Christen nicht nur, dass sie eine aktive Missionsarbeit nach außen unterlassen. Die christlichen Gemeinden sind darüber hinaus vielmehr verpflichtet, eine ohne vorangegangene "Werbung" erfolgende Fühlungsaufnahme von Muslimen mit christlichen Gemeinden zu unterbinden und von selbst einzuschreiten. So etwa dürfen die christlichen Gemeinden keine muslimischen Gottesdienstbesucher dulden, sie müssen aktiv einen Muslimen, der in ihre Kirche kommen und Kontakte auch religiöser Art mit den Christen pflegen möchte, zurückweisen. Dies ist vor dem in der Auskunft an das VG Gelsenkirchen vom 19.8.2000 geschilderten Hintergrund zu sehen, dass es eine nach den Maßstäben des Islam rechtlich wirksame Möglichkeit eines Übertritts zu einem anderen Glauben in der islamischen Welt nicht gibt und die Betreffenden deshalb nicht etwa als Christen sondern als Muslime angesehen werden. In der Auskunft vom 21.1.2002 wird weiter ausgeführt, dass der Apostat seinen religiösen Wandel nur insgeheim leben könnte, er müsste etwa zum Gottesdienst, um es bildlich auszudrücken, durch den Seitenausgang, er könne sich als muslimischer Iraner, der er in den Augen des iranischen Staates immer noch sei, nicht aktiv an der Gemeindearbeit beteiligen. Er würde in jedem Fall daran gehindert sein, seinen Glauben zu propagieren.

Dies deckt sich im Wesentlichen mit den Auskünften von amnesty international, wonach bereits durch die Teilnahme an einem Gottesdienst in persischer Sprache ein erhöhtes Risiko besteht, Opfer staatlicher Zwangsmaßnahmen zu werden (Auskunft an das VG Aachen vom 14.12.1998), und christliche Gemeinden aufgefordert würden, konvertierte Muslime nicht aufzunehmen und die Gottesdienste nicht mehr in persischer Sprache abzuhalten (Auskunft an das VG Gelsenkirchen vom 19.6.2000).

Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen vom 25.1.1999 löst die bloße Zugehörigkeit zu einer missionierenden Gemeinde normalerweise keine Verfolgung aus. Entscheidend seien hierbei jedoch die Erkenntnisse und Einschätzungen der iranischen Sicherheitsbehörden, die dem Auswärtigen Amt nicht vorlägen. Falls die Pfingstchristen dort als extreme staatsfeindliche Gruppierung eingestuft sein sollten, wäre es durchaus denkbar, dass auch einfache Mitglieder mit Repressalien rechnen müssen. In der Auskunft an das VG Mainz vom 4.5.2001 führt das Auswärtige Amt aus, ein in Deutschland den Baptisten angehörender Iraner könne sich der in Teheran ansässigen christlichen Gemeinschaft "Assembly of God" anschließen.

Da die Apostaten nach den überzeugenden Ausführungen des Deutschen Orient-Instituts aus Sicht des iranischen Staates nicht als Christen sondern als Muslime angesehen werden und eine im Iran erfolgende Missionierung nach einhelliger Auskunftslage strikt in asylrelevanter Weise verfolgt wird, ist davon auszugehen, dass die Zulassung eines Apostaten als Missionierungsversuch seitens der im Iran ansässigen Kirchen anzusehen ist und deshalb nicht vorkommt oder jedenfalls sowohl für die Verantwortlichen der Kirche als auch für den Apostaten mit einem erheblichen Risiko verbunden ist.

bb) Der Umstand, dass es dem Kläger als Apostat nicht oder allenfalls nur insgeheim möglich wäre, einen Gottesdienst zu besuchen, sich aktiv an der Gemeindearbeit zu beteiligen oder seinen Glauben gar in der Öffentlichkeit zu propagieren, führt jedoch nicht dazu, dass das religiöse Existenzminimum nicht gewahrt wäre. Wie bereits ausgeführt, muss zur Gewährleistung des religiösen Existenzminimums die Religionsausübung im häuslich-privaten Bereich und die Möglichkeit zum religiösen Bekenntnis im nachbarschaftlich-kommunikativen Bereich gegeben sein. Dies ist hier der Fall. Der dargestellten Auskunftslage sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der gleichsam private Umgang von Apostaten mit anderen Christen, insbesondere anderen Apostaten, im Iran in asylerheblicher Weise sanktioniert ist. Im Rahmen dieses Umgangs, abseits der "offiziellen" Kircheneinrichtungen, sind häusliche Gottesdienste, das Reden über den eigenen Glauben, das religiöse Bekenntnis und das gemeinsame Gebet möglich. Die Möglichkeit des Besuchs eines gleichsam offiziellen oder öffentlichen Gottesdienstes ist auch unter Berücksichtigung des überlieferten Brauchtums keine schlechthin unverzichtbare Voraussetzung zur Ausübung des christlichen Glaubens.

5. Schließlich rechtfertigt auch die Stellung des Asylantrags und der mehrjährige Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland i.V.m. einer untergeordneten exilpolitischen Betätigung nicht die Annahme, der Kläger werde mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei Rückkehr in den Iran einer politischen Verfolgung ausgesetzt sein (vgl. SächsOVG, Urt. 22.9.2000, aaO).

Aus den vorliegenden Erkenntnisquellen ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Verfolgung ehemaliger Asylantragsteller bei Rückkehr in den Iran (vgl. etwa Rat der Europäischen Union zur Lage im Iran vom 8.2.2002 S. 42 f.). Dies gilt auch dann, wenn sie ihr Heimatland illegal verlassen und sich in der Bundesrepublik in nicht exponierter Weise exilpolitisch betätigt haben. Zwar werden Rückkehrer unmittelbar nach ihrer Einreise oder jedenfalls in den folgenden Tagen von den iranischen Sicherheitsbehörden ausführlich zu ihrem Auslandsaufenthalt, besonders zu ihren Kontakten während dieser Zeit befragt. In Ausnahmefällen kann diese Befragung mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einhergehen. Keiner westlichen Botschaft ist bisher aber ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückzuführende über die vorgenannte Befragung hinaus zusätzlichen staatlichen Repressalien ausgesetzt waren. Es wurde auch kein Fall bekannt, in dem ein Zurückgeführter im Rahmen seiner Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden wäre (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10.12.2001 S. 28). Es sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen Asylberechtigte zwischen Iran und ihrem neuen Aufenthaltsort ohne Behinderungen hin- und herreisen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10.12.2001 S. 29 und Auskunft des Deutschen Orient-Instituts an das VG Frankfurt/Main vom 25.5.1997).

6. Konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Abschiebungsschutzes nach § 53 AuslG sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b Abs. 1 AsylVfG).

Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die an das religiöse Existenzminimum zu stellenden Anforderungen grundsätzlich klärungsbedürftig sind.

Ende der Entscheidung

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